Umsetzung freinetpädagogischer Ansätze in der Grundschule Harmonie

Bachelorarbeit im Studiengang Fachbezogene Bildungswissenschaften des Fachbereiches 12 Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Bremen

von Verfasserinnen: Antonia SpechtGesa BalkeRobert-Bunsen-Str. 72 Katrepel 12 28357 Bremen 27711 Osterholz-Scharmbeck Matrikelnr. 2244792 Matrikelnr. 2245178

Betreuerinnen: 1. Prüferin: Anja Oettinger 2. Prüferin: Barbara Daiber Abgabetermin: 12. August 2010

 

»Unsere Aufgabe ist es, eine Pädagogik zu finden, bei der das Kind soviel wie möglich die Richtung, in die es gehen soll, auswählt.« »Darum bemüht sich unsere Pädagogik, indem sie dem Kind soviel wie möglich das Wort gibt, ... ihm ein Maximum an Initiative überlässt, und indem sie bestrebt ist, es mehr aufzumuntern als zu dirigieren.« »Die Demokratie von morgen wird durch die Demokratie in der Schule vorbereitet.« »Man kann nur in Würde erziehen. Respektiert die Kinder so, wie diese ihre Lehrer respektieren sollen, das ist eine der ersten Bedingungen zur Erneuerung der Schule.« (Freinet zitiert nach Hagstedt 2003, S. 271) Inhaltsverzeichnis -2 -Inhaltsverzeichnis 1Einleitung ................................................................................................................ 42Theoretische Grundlagen ....................................................................................... 72.1Célestin Freinet ......................................................................................................... 72.1.1Lebenslauf von Célestin Freinet ........................................................................................ 72.1.2Bausteine der Freinet-Pädagogik ..................................................................................... 102.1.2.1Freie Entfaltung der Persönlichkeit (Antonia Specht) ............................................ 112.1.2.2Die kritische Auseinandersetzung mit der Umwelt (Antonia Specht) .................... 152.1.2.3Selbstverantwortung des Kindes (Gesa Balke) ....................................................... 172.1.2.4Kooperative Arbeit und gegenseitige Verantwortlichkeit (Gesa Balke) ................ 222.1.3Das Demokratieverständnis Célestin Freinets ................................................................. 262.2Grundschule Harmonie .......................................................................................... 302.2.1Grundschule Harmonie .................................................................................................... 302.2.2Pädagogisches Konzept der Grundschule Harmonie ....................................................... 332.2.2.1Umgang mit Vielfalt und Unterrichtsqualität (Gesa Balke) ................................... 332.2.2.2Verantwortung (Gesa Balke) .................................................................................. 362.2.2.3Schulklima, Schulleben und außerschulische Lernpartner (Antonia Specht) ......... 392.2.2.4Schule als lernende Institution (Antonia Specht) .................................................... 413Forschungsdesign ................................................................................................. 443.1Explikation der Fragestellung ............................................................................... 443.2Dokumentenanalyse ............................................................................................... 473.2.1Vorstellung der Methode ................................................................................................. 473.2.2Datenerhebung ................................................................................................................. 493.2.3Datenauswertung ............................................................................................................. 503.2.4Reflexion der Forschungsmethode .................................................................................. 563.3Experteninterview mit Leitfragen ......................................................................... 583.3.1Vorstellung der Methode (Antonia Specht) ..................................................................... 583.3.2Datenerhebung ................................................................................................................. 603.3.3Datenauswertung ............................................................................................................. 613.3.4Reflexion der Forschungsmethode .................................................................................. 6

Inhaltsverzeichnis -3 -3.4Teilnehmende Beobachtung .................................................................................. 693.4.1Vorstellung der Methode (Gesa Balke) ........................................................................... 693.4.2Datenerhebung ................................................................................................................. 713.4.3Datenauswertung ............................................................................................................. 763.4.4Reflexion der Forschungsmethode .................................................................................. 944Zusammenfassung ................................................................................................ 965Fazit ..................................................................................................................... 1006Literaturverzeichnis ............................................................................................ 103Anlagen .......................................................................................................................

 

1. Einleitung 41EinleitungDemokratie wird in der gegenwärtigen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland täglich gefordert. Obwohl die Bedeutsamkeit von Demokratie somit in den deutschen Schulen auf der Hand liegen sollte, findet diese dort nur selten ihre Anwendung. Von so vielen gepredigt, doch von so wenigen gelebt! Der Schein von Demokratie wird durch sporadische und unbedeutsame Mitbestimmungsmöglichkeiten gewahrt. Auf diese se findet eine Verantwortungsübernahme durch die Kinder nur in einem geringen Maße statt. Die Qual der Wahl zwichen dem täglichen Tafeldienst, dem Verteilerdienst oder auch dem Blumendienst zeigt den Grad der Mitbstimung von Kindern in vielen gegenwärtigen Grundschulen. Doch es geht auch anders! Diese Erkenntnis hatte dr französische Pädagoge Célestin Freinet schon vor rund 100 Jahren, indem er die Demokratisierung von Schule forderte. Sein damit einhergehendes demokratisches Verständnis von Schule findet sich in dem vorangestellten Zitat wieder, das über der gesamten Arbeit steht. Dieses scheint eine Idealvorstellung zu sein, der kaum eine Schule gerecht werden kann. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Grundschule Harmonie in Eitorf bei Köln bildet eine solche Ausnahme. Hier wird Demokratie GROSS geschrieben. Aus diesem Grund beschäftigt sich die folgende Arbeit mit der Frage nach der „Umsetzung freinetpädagogischer Ansätze in der Grundschule Harmonie“ mit dem Schwerpunkt eines demokratischen Verständnisses von Schule. Ausgehend davon ist es zusätzlich unser Anliegen zu untersuchen, wie die Kinder der Grundschule Harmonie mit den demokratischen Strukturen an dieser Schule umgehen und wie sie diese nutzen bzw. in der Lage dazu sind. Das Thema begründet sich aus zweierlei Hinsicht. Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht begründet sich unser Thema dahingehend, dass die Freinet-Pädagogik einen Ansatz darstellt, der Schule reformieren und somit modernisieren kann. Speziell in Bezug auf die Demokratisierung von Schule besteht eine Notwendigkeit, Schule dahingehend zu entwickeln, dass den Kindern eine Verantwortung für ihr eigenes Lernen zugesprochen wird. Célestin Freinet liefert diesbezüglich Möglichkeiten. Die Anwendung dieser möchten wir in der Grundschule Harmonie untersuchen. Ausgehend von unserer persönlichen Sicht trägt unser Thema ebenfalls eine Relevanz. Die Grundlage für unser Interesse an der Freinet-Pädagogik entsprang dem Seminar „Gestaltung von Lernumgebungen: Freinet-Pädagogik“, das wir im Rahmen unseres Studiums belegten. Infolgedessen entwickelten wir beide ein persönliches Interesse daran, uns mit einer alternativen Gestaltung von 1. Einleitung 5Schule und damit auch von Unterricht zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang sind wir auf die Grundschule Harmonie und deren Schulkonzept gestoßen. Hier findet sich unsere persönliche Relevanz für das Thema unserer Bachelorarbeit wieder. Bevor wir den Aufbau unserer Arbeit näher erläutern, möchten wir erwähnen, dass wir die Bachelorarbeit zu zweit geschrieben haben. Im Inhaltsverzeichnis erhalten die LeserInnen eine Auskunft darüber, welche Inhalte einzeln und welche in Zusammenarbeit entstanden sind. Der Aufbau unserer Arbeit ist besonders durch zwei Hauptteile gekennzeichnet. Im ersten Teil ist es für die Untersuchung unseres Forschungsthemas bedeutsam, eine theoretische Grundlage dafür zu schaffen. So ist es für die Erforschung der freinetpädagogischen Ansätze in der Grundschule Harmonie in einem ersten Schritt wichtig, das Leben und Schaffen des Reformpädagogen Célestin Freinets vorzustellen. Daran anschließend folgt eine Auseinandersetzung mit seiner Pädagogik. Dieser Schritt dient zum einen dazu, die Philosophie der Freinet-Pädagogik begreiflich zu machen, um somit zum anderen einen späteren Vergleich mit der Grundschule Harmonie zu ermöglichen. Da der Schwerpunkt der Arbeit auf dem Demokratieverständnis Freinets beruht, folgt danach die Darlegung dessen. Dazu werden wir den Begriff Demokratie zunächst definieren. Die theoretische Grundlage beinhaltet außerdem die Vorstellung der Grundschule Harmonie sowie deren pädagogisches Konzept. Diese Struktur begründet sich darin, dass die Schule unseren Forschungsgegenstand darstellt. Ein Vergleich zur Freinet-Pädagogik kann nur dann stattfinden, wenn auch die Grundschule Harmonie mit ihrem Schulkonzept im Vorfeld vorgestellt wird. Im zweiten Teil unserer Arbeit findet die eigentliche empirische Untersuchung ihre Anwendung. Diese basiert überwiegend auf Daten, die wir während einer Hospitationswoche vom 26.04-30.04.2010 in der Grundschule Harmonie erhoben haben. Nachdem wir in einer Explikation erneut unser Forschungsvorhaben auf den Punkt bringen und unser weiteres Vorgehen vorstellen, kommt es zur Auseinandersetzung mit herangezogenen Forschungsmethoden, die zur Beantwortung unserer Fragestellung dienen sollen. Hierfür werden wir zunächst die Methode der Dokumentenanalyse anwenden. Daran anschließend wird die Methode des Experteninterviews mit dem Schulleiter der Grundschule Harmonie Gegenstand unserer Arbeit sein. Schließlich bildet die Methode der teilnehmenden Beobachtung den Abschluss unserer Forschungsarbeit. Unsere Vorgehensweise kennzeichnet sich dabei durch einen Vierschritt. Nachdem es zuerst zu 1. Einleitung 6einer Vorstellung der Methode kommen wird, werden wir danach die Datenerhebung dieser beschreiben. Im Zentrum dieses Vierschritts steht die eigentliche Auswertung der erhobenen Daten durch die Methode. Zuletzt wird es zu einer Reflexion der Forschungsmethode kommen. Nach den zwei Hauptteilen unserer Arbeit kommt es zu einer Zusammenfassung unserer empirischen Untersuchung und damit zur endgültigen Beantwortung unserer Fragestellung. Den letzten Teil bildet das Fazit über die gesamte Arbeit. Hier werden wir sowohl zusammen als auch jeweils einzeln zu einem Endresümee kommen. 2. Theoretische Grundlagen - Célestin Freinet 72Theoretische Grundlagen2.1Célestin Freinet 2.1.1Lebenslauf von Célestin FreinetCélestin Freinet wurde am 15.10.1896 in Gars, einem kleinen Dorf in Südfrankreich, geboren. Als Sohn einer kleinbäuerlichen Familie lebte er mit seinen sieben Geschwistern in einfachen Verhältnissen, sodass er schon früh mithelfen musste, die Familie zu ernähren (vgl. Jörg 2007, S. 93). Durch das ländliche Leben entwickelte Freinet eine enge Verbundenheit zur Natur und „[dieser] Hintergrund bleibt eine Inspirationsquelle seiner Pädagogik (...)“ (Skiera 2003, S. 312) (vgl. Skiera 2003, S. 312). Seine schulische Laufbahn empfand Freinet oftmals als negativ. Diese Erinnerungen aus der Kindheit waren für ihn ein Anstoß dafür, Schule zu verändern (vgl. Eichelberger, Filice 2003, S. 14). Célestin war ein guter Schüler und wurde infolgedessen vom Lehrerkollegium für ein Lehrerstudium empfohlen. Daraufhin begann er 1913 das Lehrerseminar, auch „Ecole Normale d’instituteurs“ genannt (vgl. Skiera 2003, S. 312). Mit dem Vorschlag eines Lehrerstudiums ermöglichte seine Schule Freinet diesen akademischen Werdegang, der zu dieser Zeit für sein soziales Milieu die Ausnahme bildete. 1915 musste Freinet sein Lehrerstudium beenden, da er in den Kriegsdienst eingezogen wurde. Während des 1. Weltkrieges erlitt Freinet eine schwere Lungenschussverletzung (vgl. Jörg 2007, S. 93). Aufgrund dieser Kriegsverletzung und den damit einhergehenden Beeinträchtigungen in der Ausübung des Lehrerberufes schließen heutzutage viele daraus, dass sich die in Freinets Konzept bestehende Selbsttätigkeit der Kinder darauf zurückführen lässt. Diese Annahme ist allerdings kontrovers umstritten (vgl. Dietrich 1995, S. 14). Bedingt durch seine schwere Lungenverletzung verbrachte Freinet vier Jahre lang in Lazaretten und Sanatorien. Diese Phase seines Lebens nutzte er, um sich mit der zu dieser Zeit aktuellen Pädagogik auseinanderzusetzen, „(...) die eine natürliche, naturnahe und kindgemäße Erziehung propagiert“ (Jörg 2007, S. 94) (vgl. Jörg 2007, S. 93f). Trotz seiner Kriegsverletzungen konnte Freinet 1920 seine erste Anstellung in einer Dorfschule in Bar-sur-Loup antreten. „Hier beginnt nun in den nächsten Jahren die Entwicklung der Freinet-Pädagogik zu einer weltweiten pädagogischen und politisch-pädagogischen Bewegung“ (Eichelberger, Filice 2003, S. 14). Auch dort beschäftigte er sich weiterhin mit reformpädagogischen Ansätzen seiner Zeit und knüpfte Kontakte zu internationalen Reformpädagogen wie beispielsweise Ovide Decroly oder Peter Petersen