Walter Hövel
Wegelagerer

 

Manchmal ist es nur ein Wort, das einem in den Sinn kommt, zum Beispiel „Wegelagerer“. Sie waren Banditen oder adlige Raubritter, die ein Gebiet samt Menschen unter ihren „Schutz stellten“ und für eine Passage Geld verlangten.

 

Da denkt man, das ist lange vorbei. Es wäre Geschichte, Vor-Geschichte. Aber ist es nicht.

 

Da fahre ich in ein „europäisches“ Land, Ausland oder Inland, und muss Geld für eine Vignette bezahlen. Bald fahre ich durch das gleiche Land, ob Österreich, Schweiz oder Slowenien, und bezahle dazu noch meine „Maut“ für eine Tunneldurchfahrt. In Japan musste ich einst beim Besuch einer RIDEF-Veranstaltung erst einmal 20 US-Dollar dafür berappen, dass ich trotz gültigem Flugticket überhaupt in den internationalen Teil des Flughafens durfte. In anderen Ländern gibt es Zahlstationen, obwohl ich im „eigenen Land als Deutscher“ brav meine Steuern für den Straßenbau bezahle.

 

Überall gibt es Höchstgeschwindigkeiten, in allen Ländern anders. Halte ich sie nicht ein, muss ich zahlen. Manchmal kann ich gleich mein Fahrzeug stehen lassen. Dann gibt es Verkehrsschilder, die 30, 50, 70, 80, 100, 120 oder 130 km pro Stunde vorschreiben. Halte ich sie nicht ein, muss ich zahlen. Da gibt es richtige „Fallen“. Zum Beispiel zwischen Bremen und Hamburg wird auf einer vollkommen freien Autobahn plötzlich das Einhalten einer Geschwindigkeit von 80km/h eingefordert.

 

Die Menschen, die dies hören, lachen dich aus: „Da bist du in eine sehr bekannte Falle geraten.“ Sie nehmen dir ein Jahr den Führerschein weg und kassieren eine dicke Summe Geld. Wer? Kommunen, Städte, Kreise, Länder, der Bund, Polizei, Ordnungsämter, Kreisstellen und private Besitzer. Du bezahlst an diese Wegelagerer, die sich damit finanzieren.

 

Bestehst du auf deinem Recht und verpfeifst einen Familienangehörigen nicht, musst du ein „Fahrtenbuch“ führen und zahlst ein paar hundert Euro.

 

Und für dein Auto lassen sie dich nicht nur Fantasiepreise zur Neuanschaffung bezahlen, belügen dich über deren Sicherheiten, sondern kassieren auch noch Geld für Steuern, Versicherungen, Reparaturen, Öl, Waschen und Sprit.

 

Da gibt es direktes Geld, das du zahlst, Mehrwertsteuer, Gehaltssteuern und Steuern auf Verbrauchsgüter. Du bezahlst 16% auf jedes handwerkliche Produkt oder weit über 50% auf alle Güter wie Sprit. Von deinem monatlichen Gehalt zahlst du weit über 50% an Steuern von dem Geld, dass du angeblich „verdienst“. Da ist dann auch die Steuer auf deinen Zucker, deinen Alkohol, dein Süppchen, deine Haushaltsgeräte, deine Sicherheit, Bildung oder Justiz, „Landesverteidigung“, deine Medizin oder deinen Urlaub. Du bezahlst „Solidaritäts“steuer und Kirchensteuer.

 

In Zukunft sollen Betriebe gar keine Steuern mehr zahlen, sondern nur noch jene Menschen, die für die öffentlichen Haushalte aufkommen und etwas verdienen. Dabei wird das Geld auch bei Arbeitslosen und Rentnern, Kindern, Hausfrauen und Armen abgehalten. Zunehmend mehr Superreiche besitzen aber Milliarden mehr auf der Welt als eine unglaublich größere Zahl Armer. Wirtschaften und Banken werden finanziert, während Kommunen arm gehalten werden. Ein Grundeinkommen für alle soll durch die Kürzung aller Sozialausgaben finanziert werden.

 

Dereinst in der Schule der 50er und 60er Jahre wurde noch erzählt, wie böse die Kirche im Mittelalter war. Sie nahm ein Zehntel der Ernte der Menschen. Heute nehmen sie mit Elektronik, Konsum und Luxus weit über die Hälfte dessen, was wir als Volk der Erde erwirtschaften.

 

Wer steht hier wem im Wege? Verschwörungsstrategien? Rede ich linken Unsinn?

 

Und natürlich zahle ich. Ich zahle, weil mir ja genug bleibt.

 

Aber garantieren die, die kassieren, meinen Frieden, meine Wohlstand, meine Freiheit, den Schutz meiner Umwelt, meine Zukunft, mein Wasser, mein Glück, meine Kinder, die Bildung meiner Kinder und Enkelkinder?

 

Nein, meine Zukunft und ich brauchen das nicht!

 

Aber warum schweigen hunderttausende von Erzieher*innen und Lehrer*inne auf der Welt? Warum sagen sie „ihren“ Kindern nicht, was da mit ihnen geschieht?

 

Warum vertreten Eltern und „Erzieher“ nicht, was ihre demokratische Rechte, ihre und der Kinder Menschenrechte sind?

 

Warum schweigen die Freinetpädagog*innen?

 

Meine Zukunft und ich brauchen Raubritter und Wegelagerer nicht.