Dieser Artikel kam nur mit Ben Schreiners Mitdenken, Mitreden und seiner Textbereicherung zustande. Wir führten viele Gespräche live, andere per WhatsApp, Email oder Telefon. Er ist seit 2014 im Vorstand der deutschen Freinetkooperative und mit 33 Jahren Vorsitzender eines Schulcomitées in Luxemburg (Was dem deutschen Schulleiter ähnlich ist).

 

Walter Hövel ist mit 69 Jahren im Beirat des „Glücklichen Referendariats“, Unilehrer und war Leiter der Grundschule Harmonie.

 


Eine sehr deutsche, stoische Verwaltungsreaktion. Seit vielen Jahren wird der Bundesrepublik von der internationalen Gemeinschaft gesagt, dass ihr Bildungssystem zu machtlastig geprägt ist. Ein selektives Bildungssystem bevorzugt privilegierte Familien und Schichten. Unterschichtler, Arme, „Migranten“ und Flüchtlinge werden benachteiligt. Das passt vielleicht zu unserer menschenfeindlichen Vergangenheit und zur Zukunft mit dem Verfall der alten Staatsmächte zugunsten globaler supranationaler Unternehmen.

 

Die Bildung der Lehrkräfte erreicht bei weitem nicht das selbst geforderte demokratische Niveau. Seit Bestehen der heutigen Schule hinkt der eigene Anspruch an die Qualifikation der Lehrkräfte und dem Anspruch „einer modernen Bildung“ hinterher.

 

Jetzt kommt hinzu, dass, vor allem im Bereich der Kitas und der Grundschulen abertausende von Erzieher*innen fehlen. Der Präsident eines staatsfreundlichen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, spricht von 40.000 Lehrern, die fehlen. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung hatte im Frühjahr ebenfalls auf den großen Bedarf vor allem an Grundschulpädagogen hingewiesen. Die wirkliche Zahl liegt angesichts der Krankheitsausfälle, nicht zu besetzender Planstellen und statistischer Ungenauigkeiten viel höher.

 

Dringend gebrauchte Lehrer*innen werden einfach nicht ausgebildet. Ein so wieso permanent vorhandener und politisch anachronistischer Bildungsnotstand wird durch einen schreienden Lehrer*innenmangel ergänzt. Für eine notwendige zukünftige Verbesserungsabsicht auf Seiten der Staaten gibt es keine Anzeichen.

 

„Normal“ ist als Lehrer*in und Erzieher*in überbelastet zu sein und zu bleiben. „Normal“ ist die soziale und psychische Stressung der Kinder, Jugendlichen und lernenden Erwachsenen.

 

Im Folgenden machen sie sich gemeinsam Gedanken darüber, wie durch eine andere Ausbildung oder Bildung der Lehrenden europäische Schulen heute veränderbar werden.

 

 

 

Walter Hövel

 

Neue Lehrer*innen braucht das Land

 

Stimmen aus dem Äther der Realität
Einige Lehramtsanwärter*innen in einem Spiegel-online-Artikel des Jahres 2018:
"Mein Lehramtsstudium kurz zusammengefasst: Ich lerne im Frontalunterricht, wie schlecht Frontalunterricht ist und muss dann auswendig lernen, wie schlecht auswendig lernen ist"
„Generell müsste das Lehramtsstudium viel praxisbezogener und themenorientierter gestaltet werden.“
“Die Didaktik ist nicht immer auf dem neuesten Stand.“

„Reformpädagogische Ansätze werden gar nicht erst erwähnt, geschweige denn angewendet.“
„Der Frontalunterricht muss endlich abgeschafft werden - sowohl an der Uni, als auch an der Schule. Es gibt so viel bessere Lehr- und Lernansätze. Das ist mir vor allem in den beiden Schulpraktika, die wir im Studium absolvieren mussten, klar geworden. Aber wieso lernen wir das nicht an der Uni?"

„Echte Schüler integrieren, so früh wie möglich."

 

 

Stimmen aus einem Seminar der einphasigen Lehrer*innenbildung
„Unser Studium ist zu lang, zu langweilig und zu uneffektiv“. Diese und viele andere Meinungen wurden in einem Seminar in Österreich im Oktober 2018 vorgetragen. Im Mittelpunkt der Kritik stand, dass die bereits vermehrten Praktika nutzlos sind. Hier wäre auch die Parallele zu vielen anderen europäischen, gerade zweiphasigen Ausbildungen zu finden.

 

Sie sind in den Augen der Studierenden nutzlos, weil praktische und theoretisch-wissenschaftliche Reflektion nicht an der eigenen Praxis stattfinden. Wenn überhaupt, geschehen sie auch noch in der falschen Reihenfolge. Ihre Stimmung gegenüber der Ausbildung und nahenden Zukunft ist negativ.

 

Das, was zukünftige Lehrkräfte in der Regel in der eigenen Schulzeit lernten, ist nicht (mehr) das Ziel zeitgemäßer schulischer Bildung. Es ist unmöglich auf die Vielfalt und Komplexität des Lernens von Menschen „theoretisch“ vorzubereiten. Aber wo können sie an sich selbst erproben, was sie mit ihren „Klienten“ in einer sehr nahen Zukunft in einer neuen Selbstständigkeit des Lernens tun sollen?

 

Europa kommt nicht an einer „finnischen Lösung“ vorbei. Schon lange findet dort die Bildung der zukünftigen Lehrer*innen an eigenen universitären Ausbildungsschulen statt. Wenn man schon eine schulische Bildung der jungen Menschen will, scheint dies bis heute die klügste Lösung der Vereinheitlichung von Theorie und Praxis zu sein.

 

Leider lernen feudale Fürstentümer und nationale Staaten zu wenig und zu langsam voneinander. Heute wird versucht die Veränderung von Schule „von oben“, durch eine „Ökonomisierung“ der Bildung durchzusetzen. In Nordrhein-Westfalen der 1970er/80er Jahre, und zu anderen Zeiten anderswo, gab es den Versuch der Bildungsreform „von unten“ mit den progressivsten und aktiven Teilen der Kita-Erzieher*innen und der Grundschullehrerschaft zu initiieren.

 

 

„Viele, oft stille Ablehnungen der Schule haben auch mit der Erfahrung von Proleten und Bauern zu tun, die dort die eigene Erniedrigung und die Bevorzugung von Industrie, Medien und Staat erfuhren.“

 

 

Eigene Ausbildungsschulen gründen
Die Grundschule Harmonie war von 1995 bis 2014 arrogant genug eine eigene Bildung von Lehrer*innen zu propagieren. Sie verstand sich selbst als Ort der Bildung von lernenden und lehrenden Kindern und Erwachsenen. Sie verstand sich als lernende Schule, die selbst bildet.

 

Dies geschah u.a. in den Klassenräten, in der Selbsteinschätzung, den Beratungsgesprächen „Kinder-Eltern-Schule“, in täglichen Versammlungen, im Kinderparlament, in der Schulkonferenz, der Schulversammlung, in den Sitzungen der Elternpflegschaft, in Lehrer*innenkonferenzen, in Treffen mit anderen Schulen, ob im FreiNetz, dem „Blick über den Zaun“ oder in Comeniusprojekten.

 

Dies geschah in der Kooperation mit Nachbarn der Region oder des „Dorfs“, ob Kindergärten, Schulen, Vereinen, Kirchen oder Firmen.

 

Mindestens einmal wöchentlich hatten sie an der Schule Besuche von anderen Schulen, in- und ausländischen Universitäten und Hochschulen, Lehrer*innenausbildungsseminaren aller Schulformen, Gewerkschaftsgruppen, Stiftungen und Firmen. Oft genug kamen Studierende, Praktikant*innen, „Prüflinge“, Doktoranden und Lehrerende, oft für Tage, an die Schule.

 

Seminare der Unis u.a. aus Köln, Siegen, Klagenfurt, Linz, Bremen, Kiel oder Kassel kamen oft und immer wieder nicht nur für einen Tag, sondern übernachteten vor Ort. Lehrkräfte, Kinder, Eltern und Schulleitung nahmen an deren Sitzungen teil, um am bildungspolitischen Diskurs und der konkreten Lehrer*innenbildung teilzuhaben. Die Schule machte sich selbst zur „Ausbildungsschule“.

 

Sie machten gemeinsame Konferenzen mit Kollegien des In- und Auslandes. Manch eine/r von ihnen hielt woanders Vorträge und machte Seminare. Manch ein Innovationspreis wurde gewonnen.

 

Einiges davon ist an vielen Schulen „Normalität“. Einige verstehen sich auch darüber hinaus als Orte der eigenen Bildung. Dies gilt es im Sinne einer „Eigenentwicklung der Bildungseinrichtungen“ bis zur eigenen Bildung fortzusetzen. Schon länger greifen die Mittel einer „Lehrer*innenbildung“ an Universitäten, Hochschulen und in einer Zweiten Ausbildungsphase nicht mehr.

 

Die Lehramtsanwärter-*innen, in der Regel mehrere, hatten eigene Treffen und regelmäßige mit dem Kollegium und der Schulleitung. In Prüfungen und „Unterrichtsbesuchen“ trafen sich Schule und „Ausbildung“ zumindest auf der Stufe der Innovation der Fachdidaktiken.

 

Leider kooperierten die Leitungen von Unis in der Regel und vor allem das örtliche Seminar nicht. Entweder sie sahen die „ da untern“ nicht als Partner oder waren mit eigenen Problemen bis zur Blindheit mit sich selbst beschäftigt.

 

 

 Aus der Klärgrube auf die Himmelsleiter

 

Wenn die Einsicht etwas verändern zu müssen da ist, weißt du noch lange nicht, wer solche Veränderungen wirklich will und finanziert noch wie eine erfolgreiche Umsetzung überhaupt zu organisieren ist. Die Kräfte der Nichtveränderung verändern nur, was ihnen kurzfristig einen äußerlich eindrucksvollen Gewinn bringt. Und so denken nicht nur wirtschaftliche Unternehmer, sondern viele Durchschnittsmenschen.

 

Und, warum sollten Lehrer*innen eine andere Ausbildung machen, wenn sie Schule und Lernen mit Kindern und Jugendlichen verändern wollen? Geht das nicht auch „so“? Viele glauben, dass sie das auch ohne eine spezielle Ausbildung können.

 

Viele sehen den Lehrer*innenberuf als Gelegenheit Geld zu verdienen und dabei etwas zu verändern. Erst kommt, wie Brecht sagte, das Fressen, und dann die Moral.

 

Die Meisten sehen keine Notwendigkeit zu einer weiteren, geplanten persönlichen Qualifizierung, weil sie außerhalb der Ausbildung diese Anregungen und Knowhows selbst in Begegnungen mit „klugen Menschen“ und in „lehrreichen Situationen“ finden wollen.

 

Viele begrüßen eine alternative, nicht- staatliche Bildung wie das „Glückliche Proferendariat“, aber für sich persönlich sehen sie sie nicht als dingend. Sie sind von der eigenen Kraft zur Veränderung überzeugt, - oder wurden bereits anpaßlerisch eingeordnet.

 

Eine häufige Erscheinung bei angehenden und neuen Lehrer*innen ist eine gut entwickelte demokratische Haltung, aber eine hilflose Unterentwicklung der eigenen Handlungsfähigkeit. So werden junge Lehrer*innen sehr schnell Rekruten eines oft jammernden und kinderdistanzierten Heeres der Lernstoffvermittler.

 

Wenn aber angehenden Lehr- und Lernkräften angeboten wird, was „neue“, alternative, junge und alte Fortbildner*innen können zu lernen, suchen sie gerne jenes aus, was zu ihnen passt. Es kann bereits Vorhandenes erweitern oder vertiefen. Es kann genau das treffen, wozu einem bisher der Zugang zu fehlte. Es kann Gebiete aufzeigen, die bisher nicht zum Repertoire des eigenen Pädagogikseins oder eigenen Seins gehörten. Es kann ganz „klassische“ Bereiche erfassen, die „jetzt“ gründlicher durchgearbeitet werden wollen. Das können Angebote junger MINT-Fortbilder*innen sein, helfende psychologische Erkenntnisse oder die Erfahrung der erfahrenen Fortbildner*innen.

 

„Das Schlimme ist nicht, dass sich die Lehrerenden auf jede und jeden Lernenden nicht einstellen können, sondern dass die Lernenden sich auf jede und jeden Lehrerenden einstellen müssen“

 

 

 

Die Perfektionierung einer veralteten Ausbildung

 

Einst gab es in vorderster Reihe die Selbsthilfe durch selbstorganisierte Fort- und Weiterbildungen a la Freinet, gee, Montessorianern wie Claus Kaul, vieler niederländischer Jenaplanler, der Gesamtschulleute oder GEW- und vbe-Tage. Heute haben Verlage, Stiftungen, Industrievereine oder der Staat selbst die Fortbildung, gegen Bezahlung, fest in ihrer Hand. Das Ziel ist nicht mehr die Veränderung der Rolle der Lernenden durch die Verbesserung ihres Lernens, sondern die Verbesserung des Lernens zur Erhaltung der Schule als verbessertes staatliches System.

 

Der Grund war immer, dass die staatliche Ausbildung der Unis und Seminare nie ausreichte zur Lösung für die Kinder und die Probleme der Zukunft. Der Grund war immer der, dass zur Erhaltung einer Schule gebildet wurde, nicht aber für die notwendige Entwicklung der Lerner*innen, um möglichst allen Ansprüchen der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden.

 

Es ging bei der Ausbildung primär um Fragen „Wie übernehme ich die Leitung und die Organisation einer eigenen Klasse? Wie schaffe ich es mit ihnen den Lehrplan einzuhalten, damit diese Struktur weiterlaufen kann, so wie sie von oben verordnet wurde“.

 

Es ging um die Fragen, „Wie halte ich, persönlich, als Lehrer*in den Alltag in einer Schule aus?“ Kinder bekamen leider dafür nie eine eigene Ausbildung wie man zum Schüler wird. Sie müssen größtenteils alleine klar kommen.

 

Stattdessen bekommen sie viele und verschiedene Lehrer*innen, die ihnen jedes Mal erklären wollen, dass ihr Lernen in guten Händen ist. Sie merken nicht oder eben doch, dass sie einem gesellschaftlichen Bildungssystem begegnen, wenn sie Lern-Beziehungen zu Erwachsenen suchen. So arbeiten sie selbst durch eigene Erfahrungen. Wie auch die Lehrer*innen arbeiten sie in vielen Mustern, von anderen Schwerpunkten geprägt, …

 

„Auf lange Sicht war eine hierarchisch geordnete Gesellschaft nur auf einer Grundlage von Armut und Unbildung möglich“
George Orwell

 

 

Von den Kindern das Lernen lernen

 

Kindern wird in ihren Handlungen schneller klar um was es geht, da sie Schule und die Aus“bildung“ der Lehrer*innen an der eigenen Haut erfahren müssen. Lehrer*in X arbeitet so und Schüler*in A gefiel dies, da es ihm eine neue Struktur gab, die er noch nicht kannte. Er konnte dabei sein Lernen besser in den Griff bekommen. Bei Lehrer*in Y das nächste Jahr, geht dies nicht und Schüler*in A stößt auf taube Ohren und wird zurückgewiesen, ohne Verständnis. Wir haben doch keine Zeit für die Vergangenheit. (Vergl. Michael Ende in „Momo“ oder Stan Lee in X-Man)

 

Deshalb steckt Schule in so einer misslichen Lage: Sie ruft nach Veränderung, kann es aber leider nicht, da sie von vielen als das Rückgrat der modernen Zivilisation gilt. Das ist die „Schein“-„Garantie“, dass unsere goldenen Stühle wie Diplome, Abschlüsse, Examina, etc. in der westlichen Welt so bleiben wie sie sind. Dass das Innenleben der Stühle bereits marode ist, und Leben seine Eigendynamik entwickelt, interessiert halt (zu) wenige, oder zu langsam. – Das Blattgold glänzt trotzdem auf den Fotos.

 

Dass diese Fragen gemeinsam gelöst werden können, fällt nur den wenigsten in den Sinn. Sie jammern lieber. Zu Veränderungen sagen sie „Zu schwer! Zu teuer. Zu zeitintensiv! Nicht auch noch diese Belastung. Wo bleibt da der Lerngewinn, wenn ich nicht vorher den Plan gemacht habe, was die Schüler wann lernen sollten, …“ Großgezogen durch Herren, verhält sich die zukünftige Oberschicht auch als „Herren“.

 

 

Lässt sich das noch ändern?

 

Wir könnten alles beim Alten lassen, weil es genug eigene und wichtigere Probleme aller gibt. Oder wie man in der DDR sagte, „es geht alles seinen sozialistischen Gang“. Andererseits können wir Menschen nun überlegen, wie wir die eigene Überzeugung für „Studierte“ attraktiver machen.

 

Oder wir suchen neue Wege. Wie sprechen wir jene an, die vom Bildungssystem ausgeschlossen wurden? Dort muss es Abertausende von Menschen geben, die potentiell Lehrer*innen sein können. Es gibt zu viele Studienabbrecher, Langzeitstudies, Berufstätige, Arme, Unterschichtler, Opinionleader, Selfmadetypen, Rädelsführer oder Sonderlinge, etc. Vielleicht brauchen wir gerade sie, um Schule und Lernen anders zu gestalten. Wie bekomme ich die „Lern- und Lehrbegabten, die die Umwege über einen Beruf, ihre „Auszeiten“ oder andere Studienabschlüsse gingen, in das „Lehrer*innensein“?

 

Nur, viele dieser Menschen brauchen für sie gangbare Wege. Viele gehen nur in Ausnahmen den für sie unbekannten Weg der selektierenden Mittelschichtenbildung. Viele kommen „ohne die entsprechende staatliche Qualifikation“ gar nicht auf die Idee Lehrer*in zu werden. Viele brauchen eine sofortige Selbstfinanzierung, also einen bezahlten Job und neue, erreichbare Zertifikate der Anerkennung.

 

Mit ihnen selbst, nicht über sie, muss ich reden und reden können. Wir können herausfinden, was sie anderes gerade für sich selbst suchen, wenn sie „trotzdem“ in die Schule wollen.

 

Wir dürfen nicht zu intellektuell fragen und daherreden. Die Sprache der einfachen Menschen ist einfach, nicht ihr Denken! Wir selbst brauchen kurze „catching Slogans“, die Verständigung und gemeinsame Zielperspektive machen. Wir brauchen Bilder, Metaphern, in denen sich auch junge Menschen mit einer anderen als der Mittelschichtenbildung, und mit den elektronischen Medien zurecht finden. Dies geschieht in einem klaren Satz, bei dem du am Ende noch weißt, was du zu Anfang wolltest. Das geht den Weg der Selbstformulierung! Es braucht Menschen, die das eigene Wort haben.

 

 

Von Kindern und Rattenfängern

 

Bisher war es fast immer so, dass wir glaubten nur warten zu müssen, bis die Kinder ihre Lehrer*innen verstanden. Das wurde „Schulreife“ genannt. Heute laufen wir durch riesige, größer werdende Zahlen der „Migranten“- und Flüchtlings-, durch die wachsende Zahl der Unterschichtenkinder Gefahr, dass zu viele Kinder da sind, die von ihren Lehrer*innen erreicht werden. Geschweige, dass die Lehrerenden je die Probleme und Anliegen dieser Kinder kennen.

 

Kinder von türkisch, arabisch, kurdisch oder sonst wie sprechenden Eltern, oder in der deutschen und ausländischen Selektion schulisch und sozial abgeschobenen Unterschichtlern, folgen vieler Orts schon nicht mehr den „eigenen“ Lehrer*innen an den Schulen.

 

Es reicht nicht jene als „Rattenfänger“ zu bezeichnen, die nun Kinder erreichen. Das Problem muss viel grundsätzlicher gesehen werden.

 

Wir wissen heute, dass nicht die Ratten die Träger der Pest sind. Es sind nicht die Flöhe, die auf ihnen leben. Es sind Bakterien. Diese Bakterien leben auf Flöhen, die auf Ratten leben, die ihre Vermehrung der Lebensweise der Menschen bei fehlender Hygiene bei einer wachsenden Menschenzahl verdanken.

 

Nicht die Kinder sind die Ursache von Armut, Krankheiten oder alten gesellschaftlichen Ideologien. Die Pest von heute ist die Armut. Es sind die Differenzen des Lebensstandards auf der Welt und in unseren Gesellschaften.

 

Und wir sollten das Märchen von „Rattenfänger von Hameln“ ernster nehmen. Erst führte er die Ratten aus der Stadt. Doch schon beim zweiten Mal waren es die Kinder, die er „mit klingendem Spiel“ vor das Tor führte. Die Kinder wurden nie mehr in ihrer Stadt gesehen. Sie gingen auf Kinderkreuzzüge, bedienten die Luftabwehrflacks der Nazis oder wurden Kindersoldaten in Afrika.

 

Spielen sie heute auf ihren Handis und Stationen Krieg, Tod und Verderben? Lernen sie heute dies als „Konsumkompetenz“ (Herbert Renz-Polster, Kinderarzt) in den Schulen. Tun sie es morgen, wenn sie als Soldaten aus ihrer Stadt geführt werden oder „Siedler“ spielen?

 

 

 

Kinder fragen, um weiter zu kommen

 

Niemals bekommen wir Erwachsene heraus, was Kinder und Jugendliche wollen. Aber wir können mit ihnen reden, arbeiten und lernen. So erfahren wir mehr, als wenn wir sie belehren oder das lernen lassen, was wir für lernenswert halten.

 

Natürlich können wir sie „wissenschaftlich“ beobachten und immer besser lernen, was sie wollen. Das ist der heutige progressivste Weg herrschender Forschung. Noch weiter kommen wir, wenn wir dies mit systemischen Mitteln tun.

 

Wir gehören nun zu den Menschen, die  Kinder nicht nur selber lernen lassen wollen, sondern sie auch fragen, wie sie sich das eigene Lernen und die Begegnung mit kompetenten Menschen, ob alt oder jung, vorstellen (So dachte schon ein Lew Wygotsky, Celestin und Elise Freinet oder eine Maria Montessori.)

 

Wir verfügen immerhin über eine reformpädagogische Erfahrung von fast hundert Jahren und eigene Erfahrung von Kindern mit eigenem Lernen und Gesprächen darüber mit ihnen. Wir haben zu zweit gemeinsam fast hundert Jahre der Erfahrung mit der eigenen Schulzeit als Kind, Jugendlicher und Erwachsener. Zudem wissen wir Erreichbares und Erfahrbares aus der landläufigen Forschung internationaler Wissenschaften.

 

Wenn wir also wissen wollen, was für Lehrerinnen und Lehrer wohl die besten für Kinder sind, fragen wir die Kinder. Leider tun das „die Wissenschaften“ kaum. So blieb unser Fragen der Kinder gerne „unwissenschaftlich“, weil es als „subjektiv“ und nicht „wissenschaftlich objektiviert“ gilt.

 

Wir wissen, dass Lehrkräfte der Zukunft Künstler*innen sein müssen, die Kinder und Menschen nicht nur verstehen, sondern sie selbständig lernen lassen, zu ihrem eigenen und der Welt Wissen führen und demokratisches Denken, Fühlen und Handeln vermitteln. Diese Lernkräfte haben keine Angst vor Politik und Psychologie. Sie beziehen Stellung für ihre Klienten. Sie scheuen sich nicht aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu lernen. Sie lassen Kinder reden.

 

„Selbst Kinder könnten dir auf die Frage, was einen guten „Lehrer“ ausmacht, nie ehrlich antworten. Die Frage von wem sie überhaupt etwas lernen möchten, wäre viel interessanter. Die stellt nur keiner, da es das System ja bereits vorgibt.“
Marco Holländer, 26-jähriger Filmemacher

 

 

Wir beziehen politisch und persönlich Position für die Kinder

 

Wir orientieren uns an Prof. Hans Brügelmann, der schrieb: „Respektieren wir unsere Kinder und Jugendlichen als eigenständige Persönlichkeiten, die ein Recht haben über ihr jetziges Leben mitzubestimmen, oder sehen wir sie primär als zukünftige Arbeitskräfte, deren fachliche Qualifikationen zu trainieren die vorrangigste Aufgabe von Schule sein sollte? … In dieser Frage müssen wir persönlich und politisch Position beziehen.“

 

Wir brauchen Gespräche mit Kindern, um die Sicht der Kinder zu erfahren. Wir fragen, welche „Lebensbegleiter“ und „Lernmentoren“ jedes Kind braucht. Das ist eine Aufgabe, die zentral in die Praxis der Ausbildung und den Alltag jeder Lehrerin und jedes Lehrers gehört.

 

Wir brauchen Schulleitungen, Kolleg*innen, Eltern, Kinderärzt*innen, Hirnforscher*innen, Philosoph*innen, Psycholog*innen, Wissenschaftler*innen und Therapeut*innen zu deren täglichen Praxis diese Befragungen von Kindern gehört. Wir stellen die Frage nach den Mitlernenden, die Kinder und Jugendliche zum Lernen brauchen. Es geht um den Aufbau eines „Solche-Menschen-brauchen-wir-Profils“ aus der Sicht der Kinder und ihrer Schulen, um solche Menschen zu finden, die wir heute noch Lehrer*innen und Erzieher*innen nennen.

 

Es geht also nicht um „etwas besser ausgebildete“ Pädagog*innen. Es geht nicht um das Absorbieren einiger innovativer Anteile der „europäischen Reformpädagog*innen“ in eine „neue“ Didaktik einer „demokratischeren“ Schule.

 

Es geht nicht darum, dass Jungen und Mädchen nicht nur männliche Lehrer*innen brauchen. Sie brauchen andere Vorbilder wie friedliche und kommunikationsfähige Männer. Männer sollen wie Frauen nicht lehr- und lernwärts, sondern lernerwärts arbeiten.

 

In den Schulen brauchen wir Feminist*innen, Pazifist*innen, Klimaschützer*innen, Veganer*innen, Schwule und Lesben, Unterschichtler, Erneuerer, Kümmerer, Initiatoren, Ingangsetzer und Zulasser, Handlungskompetente, Handwerker, Künstler, Arbeitslose und Faullenzer. Nazis und Duckmäuser, Abtaucher und Jammerer, Haltungspropagandisten und rechte Chefideologen, Alles-und-jeden-Versteher und rechte Populisten haben wir genug! Und - wir brauchen Menschen, die von Kindern akzeptiert werden.

 

Wie brauchen Menschen, die mit Menschen üben, dass jede*r das eigene Leben kreieren und generieren kann, will und das realisiert, was sie oder er zum erfüllten „glücklichen“ Leben braucht.

 

Wir brauchen Menschen, die imponierend zum eigenen Lernen provozieren.

 

„Mit dem Beschluss, dass die Kinder ihr Lernen mitbestimmen, kehrte bei mir eine Art Erlösung ein.“
Simone Jung, Lehrerin

 

 

Nicht durch das Verstehen des Altertums in eine neue Zeit

 

Wir brauchen junge Frauen und Männer, die in Kooperation mit erfahrenen Pädagog*innen, formulieren und umsetzen, fragen und führen, Neues generieren, ohne zu fragen, ob sie dürfen. Veränderungen, das ist die über hundertjährige Erfahrung jeder Reformpädagogik, setzt selbst heute um, was morgen geschehen soll.

 

Wir praktizieren die Zukunft in der eigenen Gegenwart, ohne Erlaubnis, aber mit aller Klugheit und Akzeptanz der Betroffenen. Es wird nicht gegen etwas oder wen gearbeitet, sondern das Neue wird mitten in das Alte gesetzt. Wir hätten auch mit nur vier Auszubildenden eines „Glücklichen Proferendariats“ angefangen.

 

Unsere Vorbilder sind dabei ein Nelson Mandela, der in der Gefangenschaft das Gefängnis zur eigenen Universität macht, ein Adolph Reichwein, der mitten in die Nazizeit seine Reformpädagogik setzt. Es ist ein Augusto Boal und sein Theater der Unterdrückten oder die Realisierung der Bauhauspädagogik durch Künstler und Industrie. Es ist ein Viktor Frankl, der im Anblick des Todes an seinem Sinn des Lebens festhält oder ein Janusz Korczak, der Kinderrechte als Menschenrechte formuliert.
                                 „Lernen braucht Lehrer, die einen selber machen lassen, aber immer erreichbar bleiben“

 

 

Der Lehrer*innenberuf ist nicht ein Beruf

 

Es gibt das Problem, dass Lehrer nicht gleich Lehrer sind. Erzieher*innen in Kitas, Lehrer*innen aus Kindergärten, - oder wie in den französisch sprachigen Ländern in den Préscolaire, tun etwas anderes als Grundschullehrer*innen. Primarstufenmenschen haben einen ganz anderen Schul- und Lernbegriff als Sekundarstufen-1-Lehrer*innen. Sekundarlehrer*innen unterrichten zuerst Unterschichtler, Gymnasiallehrer*innen Mittelschichtler, Gesamtschullehrer alle. Die Lehrer*innen in Oberstufen oder an Berufkollegs haben ein ganz eigenes Berufsverständnis.

 

Privatschullehrer*innen unterrichten die Kinder der Bildungsbewussten oder sich absondernden Reichen. Fort- und Weiterbildner*innen der Industrielle oder des Handwerks haben ganz andere Aufgaben als MINT- oder Schulbuchfortbildner*innen. An der staatlichen Lehre der Unis geschieht anderes als an privaten Hochschulen. Im „sonderpädagogischen“ Bereich gibt es alleine 16 verschiedene Ausbildungscharten. Die „Nachhilfe“ ist ein Milliardengeschäft, assistiert von Krankenhausschulen, Internaten, Therapiepraxen oder Heimen.

 

Nicht nur jedes europäisches Land hat eine eigene Ausbildung, sondern in „Bundesländern“ auch jedes einzelne Land. Das macht mehr als 1000 verschiedene Lehrer*innen-Berufe. Ausbildungen, Bezahlungen, gesellschaftliche Anerkennung, als auch soziale Herkünfte sind überall verschieden.

 

Es gibt also trotz intensiver europäischer Bemühungen nicht ansatzweise eine Ausbildung, geschweige denn ein Lehrer*innenberuf. Es gibt staatliche Monopole neben privaten und privatwirtschaftlichen Zwangs-, Pflicht- und privilegierten Schulen.

 

Was sie gemeinsam haben ist die Tatsache, dass sie in der Regel alle schlecht sind. Sie machen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungen, Schulaufsichten und Eltern unzufrieden, traurig bis verzweifelt.

 

In Sachsen z.B. ist (nicht nur, oder bezeichnender Weise) der Bildungsnotstand so groß, dass jede zweite Lehrkraft ohne Ausbildung ist (Quelle: „Der Freitag“ vom 14.8.2018). Wir sollten unsere Chance angesichts der prekären Not der Schülerinnen und Schüler jetzt nutzen!

 

Wir sollten nicht auf falsche Reformen in Rechtschreibung, „Sachunterricht“ oder „elektronischen Medien“ warten, sondern die spürbare Veränderung hin zum autonomen Lernen und Kinder- und Jugend basierten Kommunikation sofort beginnen und ausbilden.

 

 

Von der Lehranstalt des Gehorsams zur Ausbildung von Funktionieren

 

Mehr denn je übernehmen die ökonomisch denkenden Machthaber unserer Gesellschaft entlang des Gedankens, wen und was sie in Zukunft für ihre Weltweite Wettbewerbsfähigkeit brauchen, den Einfluss auf unsere Bildung. Sie investieren Abermillionen in das Bildungssystem, aber nicht in die Ausbildung der Lehrer*innen.

 

Sie brauchen keine „Lehrer*innen light - das machte unsere jetzige Lehrer*innenausbildung schon. So gehen die besten – und auch die zweitbesten Chemiker*innen, Musiker*innen, Informationstechniker*innen, Literat*innen, Künstler*innen, Mathematiker*innen, Sportler*innen, Physiker*innen nur sehr, sehr selten in die Schule. Trotzdem werden Lehrer*innen in diesen „Fächern“ ausgebildet. Es wird –wie zum Trotz - versucht ihre Qualifizierung zu steigern.

 

Schon lange geht es im Sinne der „Dorf- oder Regionalperspektive“[1] aber um die Frage, wie unsere Kinder bei den Besten in unserer Gesellschaft lernen. Schule degeneriert zu einer Anstalt in der Eliten, Brauchbare, eine Reserve und unschädliche Ausgestoßene produziert werden.

 

Es gilt einen menschenrechtlichen Bildungsbegriff dagegen, da hinein zu halten.

 

 

Lehrer*innen erklären keine Dampfmaschinen mehr

 

Es gibt viele Lücken, um eine neue Ausbildung ein- oder überhaupt zu bauen. Das Wort „Lehrer“ ist nicht geschützt. Jede und jeder darf sich „Lehrer*in“ nennen, ob in Tanz-, Nachhilfe- Baum-, Fahr-, Hunde-, Sonntags-, Näh-, Ski-, Fußball-, Reit-, Musik-, Koran-, Ballett-, Wald-, Hofreit-, Polizei-, Bauchtanz-,  Schauspielschulen oder unzähligen Betriebs- und Wirtschaftsschulen und privaten Hochschulen.
Sie alle haben eigene Lernbegriffe. Bei ihnen zählt nur, ob sie „erfolgreich“ sind. Warum sollten wir nicht eine Ausbildung für eigene Lehr- und Lernkräfte aufmachen?

 

Die gesamte Arbeiterbewegung ist den Weg der eigenen Schulen, Arbeitskreise und Bildungsvereine gegangen. Das gesamte Bürgertum hat sich durch schul-freie Familienbildung, Real- und „Klipp“-Schulen, Sonntagsschulen der Kirchen, Internate, Privatlehrer oder autodidaktische Lernwege bis zur heutigen Schule gebracht. Wenn die Form der heutigen Bildung durch Zwangsschulen nicht mehr ausreicht, wenn sie ihre Möglichkeiten der Bildung für alle ausgezockt hat?

 

„Schütze mit deiner Professionalität das freie Handeln der Kinder“

 

 

Neue und alte progressive Erfahrungen sammeln

 

Wir können andere Lernbegriffe durch nichtschulische oder verwandte Lehrer*innen reinholen. „Lernlehrer*innen“ können aus dem Fach „Glück“ kommen. Sie können gegen die gesellschaftliche Selektion der Schichtenüberwindungsnachteile a la „Arbeiterkind.de“ arbeiten.

 

Wir haben Erfahrungen mit allen möglichen Varianten des Offenen Lernens, der freien und privaten Schulen. Potentielle Mitstreiter*innen schreiben in Zeitschriften wie „unerzogen“. Potentiell neue Pädagog*innen kommen aus der Familienberatung um einen Jesper Juul. Wir machen schon lange eigene Ausbildungen wie die „balance“ im KiTa-Bereich, bei den Montis, Waldorfianern, Freinetleuten, und viele andere „Lehrer“.

 

„Lehrer*innen“ sind erfolgreich in der Meditation, in Muckibuden, im Anbieten von Fern- und Bildungsreisen, im alternativen Gesundheits- und Ernährungswesen. Sie machen Therapie- und andere Psychologische Arbeit. Sie reparieren, heilen und versorgen Menschen in der Bildung ihrer Körper, Psychen, Seelen und Gehirne. Schon lange geht Bildung in Familien, Schulen und Gesellschaft nicht mehr ohne sie.

 

Es gibt Kinderärzte um einen Remo Largo oder Herbert Renz-Polster. Hirnforscher*innen um Spitzer oder Hüther mischen sich und ihr Wissen in Erziehen und Bilden ein. Theaterleute und Rollenspiel werden immer wichtiger im „Bildungsgeschäft“.

 

Die Wirtschaft propagiert ihre MINT-Arbeit, Wettbewerbe zur Forschung und Entwicklung elektronischer und anderer neuen Medien oder Aufrechterhaltung zur Aufrechterhaltung der alten und neuen Ausbildung in Handwerken und an Computern. Zeitungen bieten Arbeit mit ihren Medien, Buchverlage Lesungen und Joint-Bildungs-Ventures mit dem Staat a la Bertelsmann, den Bosch- und anderen Stiftungen Psychologen.

 

Es werden Abermillionen Euros und Dollars zwecks Aufrechterhaltung einer gegenwärtigen und zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit in die Bildung gepumpt. Die EU gibt Milliarden von Euros aus, um mit Programmen um Comenius und Erasmus eine Weiterentwicklung europäischer Bildung zu fördern. Firmen wie Siemens, facebook, google oder web versuchen die gesamte Bildung beim Risiko der Abschaffung staatlicher Schulen zu übernehmen. Für viele steht deren Verwandlung von „sozialen Einrichtungen“ in pädagogische „Dienstleistungsorganisationen“ an.

 

Auf unserer Seite gibt es immer noch die vielen kleinen und großen Organisationen, die Kongresse, Tagungen, Gespräche, Erfahrungsaustausch und Visionen pflegen. Da sind Verbände und Gewerkschaften, eine unermüdliche Arbeit der „Blicks über den Zaun“ oder eben eines „Glücklichen Proferendariats“. Warum arbeiten wir nicht mit jenen zusammen, die eine demokratische Emanzipation der Selbstlerner und Menschenrechtler wollen? Wir haben immerhin unsere Ideen der demokratischen Bildung und Erziehung anzubieten!

 

 

 

Neue Namen für neue notwendige Inhalte

 

Wir brauchen „Lebens- und Lernmentoren“, keine Belehrer. Wir brauchen neue Namen, die das transportieren was wir wollen. Es können Wörter sein wie „Lernkünstler“, „Wissens-Meister“, „Learnists“, „Ganzlehrer*in“, „Lernmentoren“, „Lernlehrer*innen“. „Lebens- und Lernbegleite*innen“, „EdukatEUre“, „Learns“ oder „Lernmoderatoten“.

 

Wie brauchen “Lernlehrer*innen“, nicht Unterrichter“. Wir brauchen Menschen, die in die jetzige Medienentwicklung hinein den Gedanken etablieren, die Menschen durch eigenes Lernen und Bilden zum Akteur des eigenen Lebens machen.

 

„Wir können lehren, wie Menschen eigene Themen machen und eigene Aufgaben finden. Wir können verankern, wie wir bewusst das lernen, was wir wollen und brauchen, um nicht manipuliert zu werden. Wir können lehren, wie du lernst Ideen zu haben, wie du deinen eigenen Tag generierst.“ (David R. Precht).

 

Die eigene Aussicht generieren

 

Vielleicht müssen wir uns selbstbewusster von der alten Art der Fort-, Weiter- und Ausbildung lösen. Vielleicht haben wir bisher „falsch“ weitergebildet? Stärken unsere Wege nicht durch die Verbesserung des Lernens die „falsche“, veraltete Schule? Stattdessen sollten wir so bilden, dass neue Fähigkeiten und neue „Lernlehrer“ entstehen, die das Lernen verbessern statt durch die Verbesserung einer ewig und immer mehr dahinsiechenden Schule.

 

Vielleicht müssen wir uns mit denen „da ganz oben“ verbünden? Vielleicht brauchen wir einfach eine andere, neue Lernlehrer*innenbildung in Europa. Sie kann neben den alten Konzepten der „Lehrerausbildung“ stehen, vielleicht nur für einen bestimmten Zeitraum. Eine neue Bildung von Lernlehrer*innen braucht keine Konkurrenz zu fürchten.

 

Wir brauchen vielleicht eine europäische Lösung. Es gilt, die Krise die vielerorts nicht nur deutsche Schulen und Kitas betrifft, zu lösen. An vielen sind bereits 40 bis 50% der Lehr- und Erzieherkräfte keine „ordentlich“ examinierten, heftig unter bezahlte Menschen. Es gilt gerade diese zu „ordentlichen“ Erziehungs- und Bildungskräften zu machen. Dies könnte durch eine Reform „von oben“ gelingen. Eine europäische Ausbildung, und wenn sie zur Behebung einer Krise zeitlich begrenzt wäre, würde zumindest Abermillionen von Kindern und Jugendlichen jetzt helfen.

 

Solange in Deutschland oder Europa Schulen und Kitas in wohlhabenderen Vierteln und solange „bessere“, weil selektierende Schulen wie das Gymnasium, bevorteilt werden, gibt es mehr als eine Querlage. Für die, die Geld, Macht und Einfluss haben, gibt es immer noch keinen Grund die Lage der Schulen und Ausbildung von Erzieher*innen und Lehrer*innen zu verbessern. Hinzu kommt, dass „die knappen Lehrkräfte sich lieber im Villenviertel einstellen lassen“. (Der Freitag vom 27.9.2018, S.4)

 

Ein gewichtiger Grund ist das Selbstverständnis deutscher Mittelschichten-Lehrkräfte von den Kitas bis zu den Universitäten: „… versetzen sie sich bitte kurz in die Lage eines Quereinsteigers oder eines Lehramtsanwärters, der das ‚normale‘ Unterrichtshandwerk erst lernen soll.“ (Brief der Sonnen-Grundschule an die Bildungssenatorin in Berlin). „Quereinsteiger“, Unterschichtler und Andersdenkende werden auch bei der Überforderung ‚normaler‘ Lehrer*innen und des Kindergarten- und Schulsystems wenig geschätzt. Es wird immer noch geglaubt, dass die ‚Normalität‘ der Ausbildung und das bestehende System anstehende Probleme schultern können.

 

Wir brauchen sofort und auch Lernlehrer*innen aus den unteren Schichten, aus der Masse der Migranten und Flüchtlinge, ‚normale‘, pädagogisch ausgebildete und (!) begabte Lernkünstler, die junge Menschen nicht mehr unter-richten oder belehren, sondern sie verstehen und mit ihnen demokratisch lernen

 

„…die Enkel fechten‘s besser aus…“
Thomas Müntzer

 



[1] Walter Hövel. Kinder brauchen das ganze Dorf. In: Rabensteiner/ Rabensteiner. Internationalization in Teacher Education. Interculturality. Volume 2. Schneider Verlag. 2014. S.187-214. http://www.walter-hoevel.de/schulentwicklung/kinder-brauchen-das-ganze-dorf/