Walter Hövel

„Lehrer können nur Lehrer sein, wenn sie Forscher sind“

Pädagogische Zitate mit Bildern

 

„Lehrer können nur Lehrer sein, wenn sie Forscher sind“ ist ein Zitat von Heinz von Foerster. Es beeindruckt mehr, als ob ich im Elterngespräch sage: „Ich glaube, die Ursache für die Lernunlust ihres Kindes…“  Ich begann irgendwann Zitate zu mögen, weil sie in vielen Situationen halfen. Bald begann ich sie zu sammeln. Mit weiteren nunmehr über 200 Zitaten mit Bildern aus Schule und Kunst entstand meine eigene Powerpointpräsentation.

In den Fragen und Versuche veröffentlichte ich in den letzten vier Ausgaben 23 dieser bebilderten Zitate, andere benutzte ich in meinen Artikeln. Die Mehrzahl der Fotos zeigt das Lernen und Leben in der Grundschule Harmonie zwischen 1995 bis 2015.

Die Fotografinnen und Fotografen sind mit mir die Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen oder Kinder der Schule, u.a. Ulli Schulte, Ute Krautscheid, Gitte Haane, Heike Wagner, Anne Witt, Christine Schaumann, und Marc Bohlen.

Die Fotos außerhalb der Schule machten Uschi Resch und ich. Die Ausschnitte aus Bildern sind von meinen gemalten Bildern. 

Aus anderen Quellen sind der „Galileo“, ein Gemälde von Giovanni Vetere, „das geschlagene Jesuskind (Max Ernst), John Lennons Zettel und Karl Traxels Prüfungskarikatur.

Zitate, die mit meinem Namen gekennzeichnet sind, transportieren in der Regel Dinge, die andere schon sagten. Es sind Gedanken, die mir in meiner über 30 jährigen Praxis begegneten. Einige wurden  von mir in meinen Vorträgen und Gesprächen so oft wiederholt, bis ich selbst glaubte, sie wären von mir. Manchmal sind sie es. Die angebotene Sammlung kann ein Anschub sein, eigene Zitate und Bilder zu finden und sie einzufügen oder eine eigene Sammlung anzulegen.

In einer offenen, demokratischen und lernerorientierten Pädagogik brauchst du mehr Begründung und Kommentierung als bei der Verwaltung und Erhaltung des Ist-Zustands von Schule und gesellschaftlichem Bildungsanspruch.

Neben der eigenen Forschung, neben dem Gespräch mit den Kindern und der Beobachtung ihres Lernens brauchst du „Autoritäten“, die das stützen, was du Anderes, Neues oder Nichtgewöhnliches tust. Hierbei helfen neben Büchern, Reden, Vorträgen, Forschungsergebnissen und Artikeln auch Zitate, am liebsten von Einstein oder Freinet, die die Dinge schneller präsent machen als lange Erklärungen. Zitate wirken oft als belegende Wissenschaft und Forschung.

Wenn dazu  die so oft selbst wiederholten und bei Freunden gehörten Sprüche kommen, die eigene Erfahrung, das Erproben an sich selbst, entsteht eine Sammlung aus mehr als dreißig Jahren pädagogischer Praxis.

Heute greife ich auf die Sammlung der Zitate bei meinen Artikeln oder bei Vorträgen zurück. Auch benutze ich sie bei schulischen Fort- und Weiterbildungen und universitären Seminaren. Ich möchte sie hier mit ein paar Überlegungen anderen Menschen anbieten.

Wie lernt die Lehrerin oder der Lehrer selbst?

Was wir in der Schule tun,  kann nicht alleine mit dem Talent oder der Berufung der Lehrerin oder des Lehrers erklärt werden. Es ist immer wieder die Kraft der Begegnung mit selbstidentischen Menschen, die lernen lässt. Aber wehe es fehlt dir als Lehr“kraft“ an diesen Voraussetzungen!

Techniken, Methoden, Werkzeuge, Haltungen, Erfahrungen, Verhalten und Wissen eigne ich mir als Erzieherin, Lehrerin, Erzieher oder Lehrer schon ab der Kindheit durch Spiegelung und Imitation der erlebten Beispiele anderer Erziehungs- oder Lehrpersonen an. Diese so im Lebensweg entstehende subjektive und zufällige Auswahl beschleunigt mangels Quantität von Qualität der einen Hälfte „der Könnerinnen und Könner“ nicht gerade die allgemeine Schul- und Bildungsentwicklung. Dies erklärt unter anderem, warum Einsichten solange bis zur schulischen Umsetzung brauchen.

Beziehungs- und Bindungsarbeit, ein Grundpfeiler jeder Erziehung und Bildung, können ohne demokratische Verantwortung,  eine Atmosphäre der Achtung der Menschenrechte, ohne kollegiale Kooperation, ohne Vernetzung mit der regionalen Umwelt  und gesellschaftliche Transparenz  missbraucht werden.

Die Didaktiken der Pädagogik, wie die Inhalte und Theorien der Erziehungswissenschaften
greifen zu kurz,  um das ganze Geschehen der Bildung zu erfassen. Vor allem sind didaktisierte Lehrprogramme, -stile und –theorien gerne Mittel gegen das Lernen der Lernenden und die Modernisierung der Schule selbst.

Das Paradoxon der gesellschaftlichen staatlichen oder privaten Zwangsveranstaltung „Schule“ einerseits und dem Anspruch an eine Schule des freien und selbst bestimmten Lernens andererseits, behindert desweiteren die Entwicklung der Menschen.

Die Erkenntnisse der Biologie, Hirnforschung, Linguistik, Psychologie, Philosophie oder Sozial- oder Politikwissenschaften, manchmal sogar Bildungsprogramme der EU oder der Wirtschaft erklären viel. Aber bilden sie eine Theorie des Lernens?

Selbst Lerntheorien sind nur Hilfe, entstanden aus den Praxiserfahrungen des Lernens. Gemessen an den  täglichen und immer wieder neuen Problemen des Alltags bleibt auch diese hohe Kunst Stückwerk.

Abertausende Berichte der Lehrerinnen und Lehrer sind ein Fundus für Haltung und Werkzeug in der Bewältigung des Alltags.  Aber die Wissenschaften transportieren die vielen kleinen Berichte, Aufsätze und Artikel der Menschen der Praxis zu selten. Viel zu oft werden sie erst gar nicht geschrieben. Dann bleiben sie ungelesen, werden vergessen oder klingen von der Schnelllebigkeit der Zeit bis auf wenige Ausnahmen überholt. Der immer „up-to-date“- Zitierzwang oder die unverarbeitete Reproduktion des Abschreibens in Examenstexten beschleunigt noch einmal das Verstauben und Nichtverstehen bereits erzielter Erkenntnisse.

Die „Wissenschaft der Erziehung“ versucht den Studierenden der „Pädagogik“  - wie in Schule – Wissen, oft sogar die Notwendigkeit einer Verbesserung von Schule und Lernen,  über das Unterrichten von Fächern und Lerneinheiten einzutrichtern. Bei  jungen Lehrerinnen und Lehrern obsiegt die Reproduktion vorhandener Praxis in der Regel über progressive Ansprüche. Die Chance zur eigenen Erprobung einer veränderten Praxis wird nicht gegeben.

Die große Menge der Fehlinformationen und die wenigen Kleinodien des Brauchbaren sind  für angehende Pädagoginnen und Pädagogen  nicht unterscheidbar. Wie sollen sie lernbehindernde Verschulung und das Lernen des einzelnen Menschen Förderndes als solches erkennen, geschweige denn in ihrer frühen Berufspraxis umsetzen?  Dies geht nicht ohne Bearbeitung der eigenen Schulzeit, ohne eine fundierte  demokratische Visionshaltung, ohne die eigene Erfahrung einer selbst bestimmten Lernpraxis.  Die Schule, aus der sie kommen und in die sie gehen,  basiert immer noch auf der Macht der Wiederholung der Lehrprogramme, Lehrpersonen, Fächer und  der Selektion.

Fast alle beginnenden Lehrerinnen und Lehrer wollen die Lernenden achten und sich demokratisch verhalten. Aber die Praxis, die Schule,  Kollegien und Eltern, der „pädagogische Alltag“  lassen allzu oft nicht zu, dass sie dies in ihrer Praxis verwirklichen.

In ein Buch oder eine pädagogische Zeitschrift der großen aber auch kleinerer Verlage, kommen nur „passende“ Berichte. Bestimmte Inhalte werden von der Herausgebern und ihren dahinterstehenden Finanziers oder es auch ehrlich meinenden Experten zur Veröffentlichung „erkoren“, selbst die Form wird oft, z..B. als „unterrichtskonform“ vorgegeben.


                                                              

Übergänge

Kinder, die in offenen Systemen

gelernt haben, beherrschen

geschlossene Systeme schnell

 

Offene, alternative, reformerische Pädagogik ist zu selten Gegenstand wissenschaftlicher Forschung.

Schule kann oft nicht auf personelle und materielle Qualitäten zurückgreifen, die die Umsetzung des eigenen Anspruchs zu verwirklichen. Schule ist zuerst tägliche Mangelverwaltung durch fehlende und erkrankte Lehrkräfte. Damit verbunden ist ein deutliches Ansteigen des Problems mangelnder inhaltlicher Qualität bei steigenden Ansprüchen der Gesellschaft.[1] Dieses Steigen des gesellschaftlichen Anspruchs macht sich wiederum im zunehmenden Anspruch konservativer Rufe nach weniger Unterrichtsausfall und mehr Lehrerzentrierung, als auch dem bildungsbewussteren Eintreten anderer Menschen für ein sich öffnendes und demokratisiertes individuelleres Lernen in Schulen der Kooperation und regionalen Vernetzung. Sie sind trotz  ihrer Verschiedenheit Ausdruck des gleichen Missstands.

Reformpädagogisch ritualisierte Schulen und ihre Lerngänge, neue Modelle der Öffnung des Lernens leisten vieles. Aber auch sie müssen das Bewährte ständig erneuern[2]. Zu oft wachsen sie nicht mit ihrer Zeit und den nachfolgenden Menschen mit! Auch ihnen mangelt allzu oft an Qualität, Nachwuchs und der Selbstverständlichkeit selbst eine lernende Institution zu sein.


 

                     

Kinder, die in geschlossenen

Systemen lernten, brauchen

länger sich in offenen

Systemen zurecht zu finden

 


Zu viele junge Menschen, die gute Lehrerin oder Lehrer werden könnten, werden es nicht, weil Schule sie abschreckt oder ihre Herkunft und Schichtenzugehörigkeit diesen „Karriere“weg nicht zulässt.

Für die, die sich gegen diese Probleme einer eigenen demokratischen Lehrinnen- und Lehrerpraxis stellen wollen, gibt es zur Begleitung des eigenen Wegs diese kleine Hilfe einer  Sammlung von über 200 bebilderten Zitaten.

Vielleicht hilft sie!

Was ist denn Lernen?

Diese Zitatesammlung beleuchtet die unbeantwortbare Frage, was denn „Lernen“ ist. Ist der Begriff „Lernen“ selbst nur eine Hilfskonstruktion, um etwas zu erfassen, was dem Menschen als Wesentliches geschieht? Ist Lehren als Lernvermittlung,  Lernprovokation oder Lernmotivierung überhaupt lehr- oder lernbar? Wie weit sind wir noch weg von der Erkenntnis, dass „wir lehren, was wir lernen wollen“[3]?

Lernen (und lehren!) vielleicht deshalb ganz junge Menschen leichter. Geht Lernen wirklich trotz Schule oder gar gegen sie?  Lernen deshalb  so viele Kinder und Erwachsene „im Leben“ so viel mehr? Gibt es deshalb diese „guten Lehrerinnen und Lehrer“, die nie zu Lehrern ausgebildet wurden?

Profan und nicht definierend ist die Erkenntnis, dass Lernen untrennbarer Bestandteil des unendlichen  Geflechts des Lebens ist.  Mittendrin ist der Mensch mit seinem Wachsen, Bewegen, Entwickeln und Lernen als Einzelner, seiner Gesellschaft, wieder in Gesellschaft mit der gesamten existierenden Welt.

Der Mensch kann gesehen werden als sich selbst organisierende und erhaltende Vernetzung von Milliarden lebender Zellen. Dies macht  einen Teil des menschlichen Lebens und Lernens aus.

Der Mensch muss sich selbst denken. Er nennt den Vorgang des Erhalts und der Veränderung, des Verstehens und Versprachlichen, des Erfragens seines Seins „Lernen“.

Der Mensch, - vor allem die Spezies Lehrer oder Lehrerin,-  hat das Talent zur Aufrechterhaltung des Zustands des jetzigen Weltbilds. Er pflegt sich alles wieder so „zu recht zu legen“, dass es in sein jetziges System des Funktionieren und Scheiterns passt. Unter anderem macht das sein kurzfristiges Überleben möglich. Das langfristige Weiterleben der Gesellschaft und die für uns heute so wichtige Veränderung von Schule, werden dadurch so schwierig.

Auch die in der Zitatensammlung gezeigten Bilder und Thesen können also keine Pädagogik erklären. Sie sind nur Hinweise auf ein Nachdenken über das Lernen, die praktische Begleitung der Lernerinnen und Lerner und das eigene Lernen als lernender Lehrender.

Daher soll das in der Sammlung Gezeigte nur denen dienen, die diese zum „Zurechtlegen“ ihres Denkens und Handelns in ihrer Praxis brauchen können oder anwenden. Auch das Wahrnehmen des Zusammenspiels der Bilder und Zitate bleibt den Betrachterinnen und Betrachtern überlassen, ihrer Haltung, Weltsicht und Ihren eigenen Handlungen.

Auf dieser Homepage ist die aktuelle Sammlung der Zitate zu finden!



[1] Walter Hövel. Kinder brauchen das ganze Dorf. In: Rabensteiner/ Rabensteiner. Internationalization in Teacher Education. Interculturality. Volume 2. Schneider Verlag. 2014. S.187-214

[2] Walter Hövel. Draußen-Tage: Kinder erfinden ihre Lernwerkstatt. In: Beiträge zur Reform der Grundschule-Band 137, 
Lernwerkstätten. Potentiale für Schulen von morgen. Herbert Hagstedt/Ilse Marie Krauth (Hrsg.) Grundschulverband,
Frankfurt/Main 2014. S. 76-86

[3] Auch dieses Zitat ist in der Sammlung enthalten