Jochen Hering und Walter Hövel

 

Miteinander reden - miteinander arbeiten

 

Techniken der kooperativen Selbstorganisation in Schulklassen, Seminaren, Konferenzen...

 

 

 

Der freie Ausdruck als Kraftquelle

 

Johannes Stüttgen, ein Schüler von Josef Beys, schreibt in einem Aufsatz über einen eigenen Lebensabschnitt wie über einen Abschnitt seines künstlerischen Schaffens:

 

"Ich hatte die Kraft, jenes Bild zu erzeugen, aus dem Bild selbst erhalten! Ich hätte die Kraft also, es zu erzeugen, aus dem erzeugten Ergebnis."

 

Schon zu Beginn der Arbeit ist das Ende der Arbeit, - das Ergebnis - die Kraftquelle. Das klingt paradox! Und gleichzeitig ist es eine Erfahrung, die jeder machen kann, der seine Arbeit in der Schule nach den Gedanken Elise und Célestin Freinets gestaltet. Anders als im Unterricht der "Paukschule" gibt es beim freien Arbeiten kein Ergebnis, das Lehrer oder Schüler vorher gekannt hätten. Nie kennen wir zu Beginn das Ergebnis unserer Arbeit, aber schon zu Beginn der Arbeit ist das Ergebnis unsere Kraftquelle. Woran liegt das?

 

Es gibt einen Zusammenhang von "freiem Ausdruck", "sich selbst erfahren", der Freude daran, im Einklang mit sich sein und der Kraft die das gibt. Ein Beispiel: Lilith konnte im Alter von 3 Jahren auf jedem Gang zum Bäcker um die Ecke stundenlang auf Mauern oder dem Bürgersteig balancieren, schräge Garageneinfahrten hinunter und wieder hinauf rennen.

 

Warum balancieren Kinder? Weil sie damit ihre "Potentialität" entfalten. Sie benutzen und entfalten ihre Sinne und Organe, z.B. den Gleichgewichtssinn. Sie erfahren sich im Umgang mit den Herausforderungen der Welt (Das bin ich, die das kann!), und sie erfahren die Welt, wie sie ist (z.B. schräg oder abschüssig). Diese Erfahrung und ihre Bewältigung macht Freude und Ichstärke.

 

Genauso ist es im freien Ausdruck. Wer einmal Kindern zuschaut, vor allem Kindern, die vorher traditionell unterrichtet worden sind, und die jetzt beginnen, freie Texte zu schreiben, kennt diesen Vorgang aus eigener Anschauung. Zu Beginn arbeiten die Kinder vielleicht noch ein wenig zögerlich, tastend, so, als müssten sie ihre Fähigkeiten erst selbst be-greifen. Aber je mehr sie schreiben, umso mehr überlassen sie sich dem Fluss ihrer Gedanken. Sie bekommen eine Ahnung von dem, was in ihnen steckt, stürzen sich mit wachsender Erfahrung - voller Vorfreude auf das Ergebnis - in den Beginn der Arbeit.

 

Und auf diesem Weg gibt es nicht die Vorstellung eines irgendwie abzuleistenden Pensums. Im Vordergrund steht die Zusammenarbeit und Auseinandersetzung mit den anderen in der Klasse, stehen Neugier und Freude am eigenen Tun und Entdecken, steht Lust mit und an sinnerfülltem Arbeiten, möglichst in übergreifenden Zusammenhängen. Was zählt, ist der Weg, das Sich-Selbst-Kennenlernen und -Erfahren im Ausprobieren. Das ist ein Lernen, bei dem die übliche Bedeutung des Wortes "Fehler" (etwas falsch gemacht haben, "versagt" haben) keinen Sinn mehr macht. Fehler sind vielmehr die je eigenen Besonderheiten und Erfahrungen oder auch notwendigen "Umwege" auf dem Weg zum Ziel.

 

So entsteht ein Raum, in dem die eigenen Kräfte und Fähigkeiten in der Kooperation mit den anderen erlebt, ausprobiert und entfaltet werden können, in dem Respekt vor dem eigenen Tun und Vertrauen in die Gemeinschaft statt Vereinzelung, Diskriminierung, Gewalt und Hierarchie aufgebaut werden, in dem sich Selbstvertrauen schon zu Beginn einer Arbeit als "innerlicher Vorgriff" auf das zu Schaffende einstellt.

 

Diese "zeitverkehrende Kraft" ist so etwas wie die Ästhetik der Freinet-Pädagogik.

 

Die Techniken und Werkzeuge, die Freinet für die unterrichtliche Arbeit vorschlägt, sind die praktischen Voraussetzungen für die Umsetzung dieser "Ästhetik". Es ist der freie Ausdruck im Schreiben, Musizieren, Malen und Tanzen, es ist die natürliche Methode, ob nun beim Sprachen lernen oder in der Mathematik. Es sind Drucken und Korrespondenz, ob nun per Brief oder via e-mail, es ist der Klassenrat, die Kooperation mit eigenen Regeln und verbindlichen Plänen und Verträgen, es ist das freie Experimentieren oder einfach die Herstellung eigener Bücher.

 

Diese Techniken, in denen sich pädagogische Erfahrungen materialisieren, gewährleisten die schulische Arbeit der Freinet- Pädagogik, sind wirksame Helfer gegen "Materialgefängnisse" oder "lebensferne Verschulungssituationen". Sie sind wie Einzelteile eines Hologramms, die jedes für sich immer die Information des Ganzen in sich tragen. Sie sind selbstähnlich, wie ein Begriff aus der Mathematik lautet, der ein Phänomen bei Fraktalen beschreibt, wo in Vergrößerung von Randstücken Bilder erscheinen, die der Gesamtfigur sehr ähnlich sind.

 

Scheinbar chaotische Unordnungen entpuppen sich als Wunderwelten der ästhetischen Ordnung. Und diese Selbstähnlichkeit scheint uns ein sinnvolles Kriterium bei der Betrachtung neuerer pädagogischer Techniken und Methoden zu sein.

 

Die pädagogische Praxis Selbst zur Lernaufgabe machen.

 

Ein Grundprinzip der Freinet-Pädagogik

 

"Man hat... wissenschaftlich... festgelegt und Ihnen bewiesen, dass das Kind faul ist, den Weg des geringsten Widerstandes sucht und nur für Gewinn und Spiel empfänglich ist und dass ihr pädagogisches Verhalten folglich daraufhin ausgerichtet werden müsse.

 

Und wenn das alles vollkommen falsch wäre? Wenn genau das Gegenteil richtig wäre? Wenn das Kind unter normalen Umständen vor allem eine Neigung zur Arbeit hätte mit der ganzen positiven Skala von Eigenschaften, die dies voraussetzt?

 

Müssen wir nicht ohne vorgefasste Meinung dieses wichtige Problem aufklären, dessen neue Konzeption unser ganzes pädagogisches Verhalten umzustürzen droht?

 

Man hat uns gelehrt, unsere ganzen pädagogischen Anstrengungen auf einem falschen intellektuellen Prozess aufzubauen, der Bankrott gemacht hat. Wir müssen neue Wege erforschen, um aus dem eingefahrenen Gleis herauszukommen..."

 

Theoretikern der Erziehung ist Célestin Freinet immer mit Misstrauen begegnet. Seine Pädagogik sollte kein theoretisches Ideal, sondern eine praktische Pädagogik sein. "Unsere Methode - schreibt Célestin Freinet - ist nicht fix und fertig aus dem fruchtbaren Geist des einen oder anderen Theoretikers entsprungen. Sie ist das Ergebnis langjähriger Erfahrungen in tausenden von Schulen."

 

Und an anderer Stelle heißt es: "Wir dürfen niemals die noch so gängigen Glaubenslehren als endgültig akzeptieren, vor allem jene nicht, die man uns bisweilen dadurch, dass sie eine lange Tradition aufweisen, für heilig anbieten will, und wir dürfen uns nicht fürchten, die Kenntnisse und Methoden, deren wir uns bei unserer Tätigkeit bedienen, durch das Sieb des beständigen Versuchens laufen zu lassen.... Wir bieten ihnen mögliche Lösungen an, die wir kollektiv nach der wissenschaftlichen Methode erprobt haben, indem wir in der Erfahrung und durch die Erfahrung selbst die Methoden und das Material ausgesiebt haben, die sich als unzulänglich erwiesen. Wir haben Fährten freigelegt, deren Erforschung ernsthaft betrieben wird und auf die sie sich von jetzt an mit dem Wissen um einen tröstenden Prozentsatz an Erfolg und Wirksamkeit begeben können.

 

Aber halten sie diese Fährten und Erleuchtungen nie für endgültig, errichten sie nicht wieder Tabus... (und) neue Dogmen..."

 

Das tastende Versuchen der LehrerInnen, die Ausgestaltung der eigenen Praxis als ihre wesentliche Lernaufgabe, scheint uns das revolutionäre Element der Freinet-Pädagogik zu sein.

 

Die pädagogische Praxis selbst zur Lernaufgabe zu machen, heißt: Pädagogik muss sich immer wieder verändern, neuen historischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen, nach angemessenen und erfolgreichen Wegen suchen. In diesem undogmatischen Zug liegen Herausforderung und Attraktivität der Freinet-Pädagogik.

 

"Es gibt keine Freinet-Methode, aber es besteht eine ausgedehnte pädagogische Erneuerungsbewegung, deren Grundlagen wir experimentell ermittelt haben. Es ist eine Art gemeinsamer Fahrt, bei der wir die Klippen und gefährlichen Strömungen nicht unterschätzen, bei der wir mit ruhigem Wasser zufrieden sind und doch von dem wilden Gedränge der Stromschnellen Gebrauch machen, aber bei der wir alle vorwärts kommen und uns selbst entwickeln, kurzum: leben."

 

Das eben ist die Stärke der Freinet-Pädagogik, dass sie sich selbst als einen pädagogischen Entwurf, als etwas Vorläufiges definiert, immer bereit, ihre Forschungs- und "Vergrößerungs"- Arbeit an ihren Berührungsrändern fortzusetzen.

 

Wir haben die Methode "Lesen durch Schreiben" von Jürgen Reichen als natürliche Leselernmethode begeistert übernommen, was uns allerdings auch nicht schwerfiel, da Freinet selbst bereits vor mehr als 50 Jahren Vorstellungen über eine natürliche Methode des Lesen- und Schreiben-Lernens entwickelte, die die Methode "Lesen durch Schreiben" bereits enthielten.  Wir haben sie allerdings eingebettet in unsere Methoden, viele Anhänger des "Lesen durch Schreiben" gehen heute andere Wege. Wir haben vom Boaltheater gelernt und taten das wieder bei den neueren Erkenntnissen der Hirnforschung und all den praktischen Umsetzungen dieser Erkenntnisse. Wir erproben - immer erst mit uns selbst - Angebote der Gestaltpädagogik oder der Suggestopädie. Und auch hier wurden wir dadurch nicht zu "Gestaltpädagogen" oder mussten anderen "Modeerscheinungen folgen. Auf der Suche nach effektiven und ganzheitlichen Techniken des Lernens studieren wir Management-Trainer und Karriereberater. Wir arbeiten mit der Freinet-Druckerei und realisieren gleichzeitig seit vielen Jahren, wenn auch ausgesprochen kritisch und wachsam, den Einsatz von Computern und elektronischer Kommunikation.

 

Geleitet von dem Wunsch nach Selbstbewusstsein und Selbstverantwortlichkeit der Kinder, überzeugt von ihrer Fähigkeit und ihrem Bedürfnis zur Kooperation, ausgerichtet an dem Ziel, ihnen "das Wort zu  geben", ihre Phantasie und Gestaltungskraft zu fördern, zu wissen, dass der Kopf nur der halbe Mensch ist, dass Arbeit auch Arbeit mit allen Sinnen und Gliedmaßen sein muss, begeben sich Freinet-LehrerInnen also auf den Weg praktischer Erfahrung, hinein in das Leben mit den Kindern. Dies ist in unserer Tradition der Weg der "Modernen Schule".

 

Wie dieser Weg jeweils genau aussieht, ist ständiger Gegenstand unserer Diskussionen, praktischen Erprobungen und Reflexionen. Der Weg selber aber entsteht erst unterwegs. Eine wichtige Einsicht ist aber, dass die Veränderung des Unterrichts nicht gelingt durch irgendwelche Reformen des Schulwesens, umfangreiche neue curriculare Planungen oder besondere finanzielle Anstrengungen. Entscheidend ist es, sich auf den Weg zu machen und sich vorwärts zu tasten. Garantiert erfolgreiche Wege gibt es dabei nicht. Aber es gibt Techniken und Methoden, die sich in der Arbeit in vielen Schulklassen bewährt haben:

 

Viele der Gesprächs- und Arbeitstechniken, die wir im Folgenden vorstellen, sind schon in der Anfangszeit der Freinet-Pädagogik entstanden, das Kreisgespräch im Stuhlkreis zum Beispiel oder die Wandzeitung.

 

Andere sind neu hinzugekommen, Arbeitstechniken, die wir aus der Arbeitswelt übernommen haben ("Managementtechniken"), aus dem sogenannten Kreativitätstraining, aus der Theaterarbeit oder von anderen pädagogischen Richtungen

 

Was macht Techniken zu Freinet-Techniken?

 

Arbeitsformen, die das selbstbestimmte und selbstorganisierte Lernen von Menschen unterstützen, tragen bestimmte Merkmale, unterstützen bestimmte Prozesse, verhindern andere. Und was uns bei der Übernahme von Methoden und Techniken interessiert, ist, wieweit bei der Arbeit mit ihnen Prinzipien der Freinet-Pädagogik unterstützt werden. Wir fragen also bei Techniken, die wir für die Arbeit in der Schule übernehmen möchten:

 

             Unterstützen sie das selbstbestimmte, selbstorganisierte, selbstbewusste und Selbstwertgefühl schaffende Lernen von Menschen?

 

             Bekommen wir mit ihnen effektive, aber auch dehierarchisierende Formen der Kommunikation und Kooperation, des Erarbeitens und Entscheidens an die Hand?

 

             Machen sie die Prozesse in einer Gruppe, die Arbeitsverläufe und Entscheidungsfindungen öffentlich, für alle Beteiligten sichtbar und damit nachvollziehbar und kritisierbar?

 

             Und wenn sie also Öffentlichkeit herstellen, dienen sie der Entwicklung demokratischer Strukturen?

 

             Schaffen sie die Bewertung anderer zugunsten der Schaffung gemeinsamer Werte ab?

 

             Verhindern sie das Streiten um Macht und Rechthaberei durch Abstimmungs- und Diskussionsrituale? Und unterstützen sie stattdessen das Miteinander-Reden, die gemeinsamen Suche nach Lösungen und Übereinkünften?

 

             Erweitern sie die Entscheidungs- und Handlungskompetenz aller Beteiligten?

 

             Fördern sie - bei einzelnen oder den vielen einer Gruppe - Ideenvielfalt, tragen sie zur Entstehung neuer Gedanken, zu Fantasie, Beweglichkeit und neuen Problemlösungen bei?

 

             Machen sie es möglich, spielerisch zu arbeiten und Freude an Anstrengungen zu haben?

 

             Lassen sie dem freien Ausdruck Raum und der Entfaltung der eigenen Kräfte und Fähigkeiten?

 

Öffentlichkeit in der Klasse: Die Wandzeitung

 

Die Wandzeitung ist eines der ältesten Kommunikations- und Ordnungsmittel der Freinetpädagogik. Sie hängt im Arbeitsraum und alles das, was die Arbeitenden bewegt, kann hier aufgeschrieben werden. Auf der Wandzeitung können sich die Gefühle und Eindrücke der Gruppe spiegeln, und sie kann genauso gut zur Dokumentation eines Projektes und als Protokoll benutzt werden.

 

Regeln oder Arbeitsvorschläge, Kritik, Lob, Ideen, Verabredungen, alles kann hier seinen Platz finden. Die Wandzeitung begleitet den Klassenrat, die LehrerInnenkonferenz, die Sitzung der Jahrgangsstufe oder das Gespräch einer Arbeitsgruppe. Und die Gruppe selbst bestimmt, indem sie die Wandzeitung gestaltet, auf diesem Weg ihre nächste Tagesordnung. Damit ist dann ein wichtiger Schritt zur "Selbstverwaltung" getan. Jetzt übernimmt die Wandzeitung eine "Steuerungsfunktion" für die Gruppe.

 

Die Wandzeitung ist demokratisch, sie stellt Öffentlichkeit her, ist Überblick für alle. Die Wandzeitung fordert zur Selbstverantwortung auf. Der Lehrer, der die Kinder zur Gestaltung einer Wandzeitung anregt, setzt einen entsprechenden Prozess in Gang. Entscheidungen, Wünsche, Bedürfnisse, Enttäuschungen werden öffentlich sichtbar. Das Miteinander und die Zusammenarbeit in der Klasse werden zum Thema, kritisierbar, veränderbar.

 

Die Wandzeitung muss keinen Rahmen vorgeben. Sie kann offen bleiben für Gesichtspunkte, Themen, Gliederungen, die die Gruppe vornimmt. Für den Einstieg ist es aber sicherlich hilfreich, eine Gliederung vorzugeben, z.B. die klassische Dreiteilung "Ich lobe - Ich kritisiere - Ich schlage vor". Damit soll die Gruppe angeregt werden, nicht nur zu kritisieren, oder nicht nur zu loben oder Vorschläge zu machen, sondern in der Reflektion ihrer Arbeit möglichst immer alle drei Dimensionen zu berücksichtigen.

 

Was die Wandzeitung nicht ist, - womit sie nicht verwechselt werden darf:

 

Sie ist kein Informationsbrett (obwohl sie auch informiert!), sie ist keine Litfaßsäule, kein Kummerkasten, keine Anschlagtafel, obwohl sie auch Funktionen solcher "Institutionen" übernehmen kann. Sie ist Organ, Sprachrohr einer Gruppe, zur Veröffentlichung der die Gruppe betreffenden Angelegenheiten, Steuerung von Gruppenprozessen, Dezentralisierung und Demokratisierung von Entscheidungen, sie unterstützt und begleitet die Selbstverwaltung der Gruppe.

 

Von daher nimmt sie eine Sonderstellung in der Zeit ein. Sie ist nicht punktuell, kein Arbeitsschritt unter anderen. Sie ist arbeitsbegleitend, steht im Hintergrund, ist Bezugspunkt für das Gespräch der Gruppe.

 

Miteinander reden

 

Kreis und Kreisgespräch                            

 

"´Versammlung´ hat ein Junge... das Bild genannt, das er mir am Ende des 4. Schuljahres zum Abschied schenkte. Es zeigt die Gruppe an unserem Versammlungsort im Treppenturm, wie sie zuhört und sich Vorstellungen macht über das, was ich lese: Deutlich erkennbar geht es um das Kapitel über den Friseur Fuzzi aus ´Momo´. Die Versammlung findet in der Stunde vor dem Mittagessen an einem ruhigen Ort in der Schule statt; die Stammfläche der Gruppe im Großraum der Laborschule ist für eine solche Veranstaltung nicht geeignet. Die Gruppe hat einen Absatz im Treppenhaus des benachbarten Oberstufenkollegs als einen Ort gefunden, wohin sie sich zurückziehen kann. Er ist gerade groß genug, dass wir alle - an Geländer oder Wand gelehnt - eng aneinander im Kreis auf dem Boden sitzen können...

 

´Versammlung´ bedeutet: Gelegenheit für einzelne Kinder, etwas von sich mitzuteilen, das nicht nur die Freunde wissen sollen. ´Versammlung´ ist auch: Forum für die Gruppe zum Regeln der Angelegenheiten, für die sonst die Zeit nicht reicht...

 

Wenn die Versammlung ausfallen muss, dann ist der Schultag aus dem Gleichgewicht; ´Ohne Versammlung gestern war ich ganz durcheinander und hab den Bus verpasst...´sagte ein Junge, als ich für einen Tag nicht in der Schule war."

 

Montag, erste Stunde. Die Kinder der Klasse 3a haben sich im Stuhlkreis zusammengesetzt. Für diesen Monat ist Sabine gewählte Präsidentin. Sie erteilt das Wort, achtet auf die Einhaltung der Regeln, ruft die Tagesordnungspunkte auf, lässt Abstimmungen durchführen.

 

Was wäre anders, wenn die Kinder nicht im Kreis säßen, sondern in der Klasse vorn, die Präsidentin vorn, vielleicht am Lehrerpult, die MitschülerInnen ihr gegenüber.

 

Unser Empfinden, wenn wir uns die beiden Bilder vor Augen halten, täuscht uns nicht. Der Kreis hat keinen Anfang und kein Ende, er kennt kein vorn und hinten, er kennt nur ein Nebeneinander und Miteinander (Nebenbei: Kindern der ersten Klasse fällt es gar nicht leicht, einen Kreis zu bilden. Das Neben- und Miteinander will halt gelernt sein.), und er kennt eine Mitte, den Spannungspunkt, der die Menschen im Kreis zusammenhält.

 

Die Form des Kreises ist schon immer Symbol für gleichberechtigtes Miteinander ("Runder Tisch") wie auch Symbol für Kraft spendendes ("Energiekreis") gewesen. Die Freinetpädagogik pflegt diese Form des wirklichen Miteinander-Redens seit Jahrzehnten. Es ist selbstverständlich, dass der Klassenrat, das Plenum, die morgendliche Besprechung, das "Freie-Texte-Vorlesen, das Vorstellen von Erfindungen, das Erzählen und der Tages- oder Wochenabschluß, die Montagsversammlung oder Versammlung der ganzen Schule im Kreis stattfinden. Der Kreis ist eine Form, die zum gleichberechtigten Wollen passt, es in sich aufnimmt und allen Teilnehmenden lebendig vor Augen hält: Wir sitzen im Kreis.

 

Die Zwiebel

 

Das klassische Problem bei Diskussionen in der Gruppe: viele reden zu viel, hören zu wenig zu, haben ihre Antworten schon fertig, bevor die Fragen noch gestellt sind, statt den Gedanken der anderen hinein in ein gemeinsames Gespräch zu folgen. Die Zwiebel ist eine Technik, diesem Problem zu begegnen, eine andere Art des Miteinanders praktisch zu erfahren und vielleicht schätzen zu lernen.

 

Ein Problem wird erörtert, Fragen werden beantwortet, etwas soll entschieden werden. Alle sitzen im Kreis. In der Kreismitte stehen 3 bis 5 Stühle, je nach Größe der Gruppe. Nur diejenigen, die auf diesen Stühlen sitzen (sich also im Inneren der Zwiebel befinden), dürfen reden, die im äußeren Kreis hören zu.

 

Möchte jemand aus dem äußeren Kreis mitreden, so steht sie oder er auf, klopft jemandem aus dem inneren Kreis auf die Schultern und nimmt dessen Platz ein, während dieser im äußeren Kreis Platz nimmt.

 

Jeder, der möchte, kann sich in den inneren Kreis klopfen, auch der, der dort schon gesessen hat.

 

Wie bei den anderen Arbeitstechniken auch können eigene Sonderregeln entwickelt und ausprobiert werden. Wer zum Beispiel das Gefühl hat, dass er nichts mehr zu sagen hat und lieber zuhören möchte, darf auch bevor er abgeklopft wird in den äußeren Kreis zurückkehren, muss dort allerdings solange stehen, bis ein Sitzplatz frei wird.

 

In der Arbeit mit der Zwiebel können wir die Langsamkeit beim Denken und Reden wieder entdecken (Vgl. hierzu auch den Punkt "Brainstorming und die "PMI"-Methode.), der Dominanz einzelner Grenzen setzen. Das ist ihr Vorzug. Sie ist davon abhängig, dass sich alle in die Mitte trauen, Fensterredner selbstbewusst abgeklopft werden, damit das Innere auch das Äußere repräsentiert.

 

Der Reißverschluss. Jede mit jeder

 

Die Ausgangssituation: Im Kollegium einer Schule sollen die Vorstellungen zum nächsten "pädagogischen Tag" abgeklärt werden. Die Erfahrungen, die die LehrerInnen miteinander in der letzten Zeit gemacht haben, machen kaum Hoffnung auf ein konstruktives Gespräch. Zu rasch kommt es im Gespräch zu "Lagerbildungen", unterschiedliche Positionen stehen sich dann schroff gegenüber, obwohl viele gern offen und sachlich miteinander reden würden. Außerdem ist in der letzten Gesamtkonferenz einhellig festgestellt worden, dass insgesamt zu wenig miteinander geredet wird, womit genauer - gemeint ist, dass immer nur dieselben KollegInnen zusammen sitzen und zusammen reden. Aus diesem Grund ist als Arbeitsform für diese Konferenz der "Reißverschluss" vorgeschlagen worden.

 

Und so sieht die Arbeit mit dem "Reißverschluss" aus, die eine Gruppe des Kollegiums vorbereitet hat:

 

Insgesamt 8 Fragen sollen beantwortet werden (zum Beispiel: Welches Problem hat Sie im letzten Schuljahr am meisten beschäftigt? Was kommt im Alltag unserer Schule zu kurz? Was macht ihnen zurzeit in der Schule am meisten Freude? Was würden sie im Unterricht gern anders machen?). Dazu sitzt sich das Kollegium in zwei langen Reihen gegenüber. Jeweils die beiden Gegenübersitzenden arbeiten zusammen. Und während ein Partner sich seinem Gegenüber mündlich etwa 2 Minuten lang zur ersten Frage äußert, ist es Aufgabe der/des anderen, diese Äußerungen in einem Kurzprotokoll zusammenzufassen. Danach rutscht die eine Reihe einen Stuhl weiter nach rechts, und die Rollen werden getauscht. Das heißt: es sitzen sich erstens zwei neue PartnerInnen gegenüber, und wer vorher redete, protokolliert jetzt die Antworten. Auf diese Art werden alle 8 Fragen bearbeitet. Zum Schluss hat jeder 8 Kurzprotokolle vor sich.

 

Die Ergebnisse können von einer Arbeitsgruppe für die nächste Konferenz aufbereitet und vorgestellt werden. Die Arbeit kann auch direkt in Kleingruppen fortgesetzt werden (Vorlesen der Kurzprotokolle, Mehrfachnennungen festhalten, Meinungsbild erstellen, grafisch umsetzen und vorstellen).

 

Werte sichtbar machen

 

In einer vierten Klasse herrschen Unfriede und Faustrecht. Die Kinder bekamen den Auftrag aufzuschreiben, was sie nicht mögen, was mit ihnen geschieht, und was sie gern mögen. Eine Veränderung im Verhalten der Kinder brachte bereits das unkommentierte, nicht diskutierte Vorlesen dessen, was alle aufgeschrieben hatten. Die Werte wurden nur sichtbar. Der schulbeliebte Vorgang des "Be-Wertens" entfiel. Und könnte gerade darin nicht ein Teil des Dilemmas der Leistungs- und Konkurrenz orientierten Schule liegen: Alles wird bewertet - und kein Wert bleibt. Die ständig bewertende Schule, mit ihrer Tendenz, über Werte zu reden, statt als gemeinsam erkannte Werte zu leben, ist mit auch Auslöser, zumindest aber Spiegelbild des gesellschaftlichen Werteverlusts.

 

Auch Kollegien, deren Zusammenarbeit auf das Nebeneinander- Unterrichten im jeweiligen Fachunterricht reduziert ist, die aber den Wunsch nach mehr Kooperation haben, können sich mit dem Sichtbarmachen ihrer Werte eine erste nötige Grundverständigung erarbeiten. Grundlage der Kooperation können "teilbare Werte" ("shared values") sein.

 

Das Vorgehen sieht dabei folgendermaßen aus:

 

Alle KollegInnen schreiben ihre "Werte" auf Karten auf, die sichtbar an die Wand geheftet werden.

 

Wenn alle "Werte" an der Wand hängen, können zu den "Werten" Fragen gestellt werden, sie können interpretiert werden. Werte können und sollen nicht verteidigt oder diskutiert werden (vgl. hierzu den Aufsatz über "Tradition" von Kolakowski als spätere Anmerkung). Erweist sich im Gespräch ein Wert als nicht teilbar, so wird er zur Seite gehängt. Jetzt stehen die teilbaren Werte im Mittelpunkt, die "Seiten-Gespräche" können später von den Betroffenen geführt werden.

 

Aus den Werten, die die Gruppe miteinander teilt, sucht sich jede Person einen Wert aus, schreibt ihn auf einen Streifen klebendes Krepppapier und befestigt ihn auf der Kleidung. Nun geht die gesamte Gruppe auf einen Spaziergang, auf dem nicht über die mitgenommenen Werte gesprochen wird, sondern jedes Mitglied ist der Wert, den es auf der Brust trägt, und die Werte begegnen sich im Gespräch. So unterhält sich beispielsweise die Liebe mit der Ordnung, der Respekt mit der Freiheit, die Verbindlichkeit mit der Menschenwürde, die Verantwortung mit der Selbstbestimmung. Verabredet oder spontan wechseln die Gesprächspartner während des Spaziergangs. 

 

Auch gleiche Begriffe können sich begegnen und feststellen, dass sie doch - trotz ihrer äußeren Gleichheit - sehr unterschiedlich sind. Auf diese Art führt der Spaziergang zu einem tieferen Verstehen, verhindert die Gefahr einer vorschnellen Debatte in einem sensiblen Bereich, fördert die Fähigkeit zuzuhören und den Wunsch nach Verstehen, bevor ich urteile.

 

Nach dem Spaziergang geht es darum, aus den wichtigsten "teilbaren Werten" konkretes Handeln an der Schule zu machen. Das kann geschehen in schulinternen Arbeitsverträgen, Netzplanungen oder Schulprogrammen. Hat sich zum Beispiel herausgestellt, dass "Wertschätzung der verschiedenen pädagogischen Richtungen im Kollegium" ein wichtiger Wert für die Gruppe ist, kann das konkrete Handeln in gegenseitigen Hospitationen oder entsprechender Teambildung ("lagerübergreifend") bestehen. Wird "demokratisches Miteinander" als Wert genannt, könnte die Abgabe von Aufgaben der Schulleitung ins Kollegium (z.B. Vorbereitung von Konferenzen) ein praktischer Schritt sein.

 

Tragbare Entscheidungen

 

Ein Diebstahl ist in der Klasse vorgekommen und nicht aufgeklärt worden. Einige Kinder haben erklärt, dass sie sich jetzt unsicher fühlen, sich nicht mehr trauen, den liebgewordenen Füller oder die gesammelten Karten oder die Aufkleber in der Klasse liegen zu lassen. Wie sollen wir mit diesem Problem umgehen? Es scheint schwierig zu sein. Wir haben zwar unterschiedliche Lösungsvorschläge, z.B. die Klasse immer abzuschließen, aber dann kann keiner mehr wie gewohnt auch mal allein in der Pause drin bleiben und noch weiterarbeiten. Wertvolles zu Hause lassen? Geht das immer? Und was ist, wenn man dem Freund gern die neuen "Errungenschaften" zeigen möchte? Wir werden uns einigen und vor allem unsere Lösungen auch praktisch ausprobieren müssen. Damit alle die Vorschläge ernst nehmen, sie wirklich "mit tragen", werden die verschiedenen Vorschläge auf große Pappen geschrieben. Wer sich für einen Vorschlag entschieden hat, muss mindestens noch 5 Kinder finden, die ihm helfen, den Vorschlag einmal in der Runde durch die Klasse und dann nach hinten zu unserer Pin-Wand zu tragen.

 

Jetzt müssen wir noch sehen, ob wir alle "getragenen" Entscheidungen auch in der ganzen Gruppe "mit-tragen", ob sie sich nicht widersprechen, und wann wir uns das nächste Mal zu einem Gespräch über unser Problem zusammensetzen.

 

Meta-Plan: Das Gespräch vor Augen

 

"Das Auge ist ein Meister in der Fähigkeit, schnell zu wiederholen. Es kann ein dargebotenes Bild in kurzer Zeit beliebig oft abtasten und auf diese Weise im Gedächtnis befestigen.

 

Die Führung des Auges ist eine hohe Kunst. Mit der Entwicklung des Films z.B... hat sich neben den Wortregisseur der kongeniale Bildregisseur gestellt... In der ‚Optischen Rhetorik´ wollen wir die Fähigkeit eines Bildregisseurs entwickeln...

 

Die Funktion des Auges macht es möglich, bildhaft Dargestelltes längere Zeit wirken zu lassen. Auf den optisch unterstützten Vortrag angewandt heißt das:

 

Der rote Faden ist jederzeit ersichtlich.

 

Der Zuhörer kann die Teile des Vortrags, die ihn besonders interessieren, beliebig oft mit Hilfe der... (Bilder) in sein Gedächtnis zurückrufen. Er kann später Gesagtes mit früher Gesehenem vergleichen. Damit gelingt es dem Zuhörer, sich seinen eigenen roten Faden durch das Angebot zu ziehen."

 

Eine Diskussion in der Klasse. Es geht um das Thema "Klassenraumgestaltung". Jede und jeder hat Karteikarten (Din A6) zur Hand und einen dicken Filzstift. Wer eine Idee hat, schreibt sie auf, liest sie dann laut vor, geht nach vorn und heftet sie dort auf eine große Pin-Wand.

 

Langsam füllt sich die Pin-Wand. Und je mehr Ideen sich dort finden, je mehr werden die Kinder zu weiteren Ideen inspiriert.

 

Die Karten sind leicht arrangierbar auf der Tafel, und die Lehrerin bittet zwei Kinder, zunächst allein und dann mit der weiteren Hilfe aller ein wenig Ordnung in die Karten zu bringen.

 

So entstehen "Klumpen", zu denen dann "Schubladen"/Oberbegriffe gefunden werden können.

 

Schließlich geht es abschließend darum, das gesamte Bild auf der Pin-Wand übersichtlich und aussagekräftig zu gestalten ("optische Rhetorik").

 

Und genauso, wie sich ein Thema zeitlich kompakt bearbeiten lässt, kann die Pin-Wand zu einem Thema natürlich auch über einen längeren Zeitraum offen für Beiträge sein, die allmählich geordnet werden und zu einem verabredeten Zeitpunkt bereits erstes Arbeitsergebnis der Gruppe sind und den gemeinsamen Arbeitsprozess in der Gruppe einleiten.

 

Hinter dem inzwischen gebräuchlichen Begriff "Meta-Plan-Arbeit" verbirgt sich im Kern eine schlichte Angelegenheit. Es geht z.B. darum, eine Diskussion mit Hilfe von Stichworten und Schlüsselbegriffen auf Karteikarten festzuhalten. Diese Karten werden vom Moderator der Diskussion für alle sichtbar auf einer Pin-Wand aufgesteckt, von der Gruppe gemeinsam "geklumpt" (Welche Stichworte passen zusammen?), mit Oberbegriffen versehen, zum Schluss ev. noch in eine besondere Form gebracht und grafisch aufbereitet (mit Farbkarten und Symbolen), so dass die TeilnehmerInnen das Gespräch und sein Ergebnis direkt vor Augen haben. Wer diese Arbeitsweise kennt, weiß, wie entlastend und produktiv so ein "visuelles Protokoll" sein kann.

 

"Entscheidend ist nicht, dass du einen guten Eindruck machst, und die ZuhörerInnen von dir begeistert sind. Entscheidend ist, dass es sich für die ZuhörerInnen lohnt, dir zuzuhören und dass sie deinem Vortrag gut folgen können." (Regel aus der Meta-Plan-Arbeit"

 

Meta-Plan kann in Verbindung mit einem Brainstorming genutzt werden. Frage: Wodurch wird "Lernen in der Klasse unterstützt? Jeder schreibt seine Karten.

 

Ist eine Arbeitstechnik, die man auch für sich alleine machen kann. Mit den Karten wird dann hinterher das Ergebnis der "Denkarbeit" vorgestellt, die Präsentation/der Vortrag optisch unterstützt. Mit dem "Bild" auf der Wand ist es einerseits wesentlich einfacher, frei vorzutragen, zum andern wesentlich leichter, dem Vorgetragenen zu folgen. Mit Hilfe des "Bildes" an der Wand bekommt die Diskussion hinterher leichter Bezug auf das Gesagte, Kritik und Korrekturen können u.U. sogar schon "eingebaut" werden und das Bild verändern. Und die Zuhörer sind von der sonst notwendigen Gedächtnisleistung befreit, den roten Faden des Vorgetragenen und seine Struktur während des Hörens selbst zu erarbeiten und zu speichern. Der auch "optisch Zuhörende" wird auch nicht mehr durch kräftezehrendes Mitschreiben abgelenkt. Er kann seine Energie dafür verwenden, Gedanken weiterzuspinnen, produktiv eigene Ideen entwickeln.

 

Im Rahmen der Erstellung eines "Schulprofils" führt eine Arbeitsgruppe des Kollegiums eine etwa 15minütige Befragung durch.

 

Alle sollen auf Karteikarten (Din A6) zur Arbeit an der Schule Stellung zu nehmen und dabei 3 positive und 3 negative Stellungnahmen aufzunotieren.

 

Dies ist eine assoziative Fragetechnik. Die Karten werden hinterher "geklumpt" (Was passt zusammen?), Oberbegriffe werden gebildet. Es entsteht ein strukturelles Bild, das interpretiert werden kann. Die Interpretation zeigt mögliche Tendenzen und eventuelle sinnvolle Arbeitsgebiete für das Kollegium, nicht mehr aber auch nicht weniger.

 

Die Karten dieser Befragung können in insgesamt 9 "Schubladen" (Klumpen) abgelegt werden:

 

1.            Schulstandort / Kinder

 

2.            Schul- u. Unterrichtsstrukturen

 

3.            Pädagogische Gestaltung

 

4.            Räumlichkeiten (+ Schulhof)

 

5.            Arbeitsmaterial und Ausstattung

 

6.            Schul-Management

 

7.            Kooperation untereinander und mit der Schulleitung

 

8.            Stimmung /Atmosphäre im Kollegium

 

9.            Umgang mit Zeit

 

 

 

149 Karten werden insgesamt ausgewertet. 79 davon sind positive Nennungen, 70 negative. Die quantitative Verteilung auf die einzelnen Schubladen zeigt interessante Ausschläge und gibt Hinweise auf das, was das Kollegium bewegt.

 

Die Schwerpunkte in diesem Meinungsbild liegen in den Bereichen "Schul- und Unterrichtsstrukturen", "Schulmanagegement", "Kooperation", "Stimmung/Atmosphäre" und "Umgang mit Zeit".

 

In den Bereichen "Schul- und Unterrichtsstrukturen" und "Stimmung/Atmosphäre" überwiegt die positive Einschätzung. Die Bereiche "Schulmanagement", "Kooperation" und "Umgang mit Zeit" scheinen dagegen die Problembereiche für das Kollegium zu sein.

 

Im Anschluss an die Auswertung werden die Karten grafisch aussagekräftig geordnet an eine Wand im Lehrerzimmer gehängt. Das Ergebnis steht den LehrerInnen so bis zur nächsten Konferenz vor Augen, die Diskussionen haben dann einen direkten "augenfälligen" Bezugspunkt.

 

Eine Technik, mit sich selbst oder in der Gruppe ein Brainstorming zu machen (vgl. Opt. Rhetorik, S. 8)

 

Eine Technik, per Kartenabfrage das Meinungsbild einer Gruppe sichtbar zu machen.

 

Auf Karten werden Ideen, Assoziationen zu einem bestimmten Bereich abgefragt, z.B. Lehrerkonferenz: Auf welchem pädagogischen Themen sollte in diesem Schuljahr der Schwerpunkt unserer gemeinsamen Arbeit liegen?

 

 

 

 

 

Langsam denken. Die PMI-Methode

 

"Ich bat einmal siebzig gescheite Erwachsene jüngeren Alters, einen Essay über den Vorschlag zu verfassen, die Ehe solle ein alle fünf Jahre zu erneuernder Vertrag sein. Siebenundsechzig von ihnen schrieben ihre Ansicht zu dieser Idee im ersten Satz ihrer Abhandlung nieder und untermauerten im restlichen Aufsatz diese Gedanken. Das Thema wurde also nicht eigentlich erforscht, sondern eine bereits gebildete Meinung wurde lediglich gestützt."

 

Was halten sie von dem Vorschlag, jede/r Arbeitende sollte alle 5 Jahre verpflichtet sein, ein halbes Jahr in einem ihm fremden Beruf zu arbeiten? Oder wie wäre es damit, eine "rotierende Arbeitslosigkeit" einzuführen, damit einerseits nicht immer dieselben unter dem Verlust der Arbeit leiden, andererseits alle einmal in den "Genuss" staatlicher Unterstützung der "Zwangsarbeitslosigkeit" kommen.

 

             Halt! Urteilen sie nicht vorschnell!

 

             Lassen sie sich Zeit!

 

             Wir wissen, dass sie zu allem und jedem schon eine Meinung haben!

 

Aber wie fundiert ist diese "Meinung"?

 

Haben sie wirklich die unterschiedlichsten Aspekte dieser Vorschläge ausreichend bedacht?

 

Oder reicht es ihnen, eine Meinung zu haben und diese womöglich durchzusetzen?

 

"Intelligenzfalle" nennt Edward de Bono in seinem Buch "Denkschule" dieses Verhalten, seiner vorgefassten Ansicht zu unterliegen, rasch zu bewerten, statt einen Vorschlag bedächtig ins Auge zu fassen, seinen unterschiedlichsten Aspekten auf die Spur zu kommen, und erst nach einer gründlichen Untersuchung zu einem Urteil zu kommen.

 

Und da uns diese Bedächtigkeit häufig ungewohnt, ja abhandengekommen ist, schlägt de Bono als Hilfsmittel die von ihm so genannte PMI-Methode vor. Dabei steht P für plus, M für minus und I für die interessanten Punkte.

 

Machen sie mit einem der hier angeführten Vorschläge einmal die Probe mit dieser "Denktechnik", und sie werden sehen, als wie vielfältig sich ein Sachverhalt auf einmal erweist.

 

Das Sechs-Farben-Denken

 

"Was ich in diesem Buch zur Diskussion stelle, ist eine ganz einfache Idee, die es dem Denker ermöglicht, immer nur eine Sache auf einmal zu tun. Er wird befähigt, Emotion von Logik zu trennen, Kreativität von Informationen, usw. Die Idee ist die von dem ´Sechsfarbendenken´, dargestellt mit den sechs Denk-Hüten. Das Aufsetzen eines jeden Denkhutes definiert eine bestimmte Art des Denkens... Die sechs Denk-Hüte ermöglichen es uns, unser Denken so zu dirigieren wie ein Dirigent sein Orchester..."

 

Ein Vierfarbdruck, der zum Schluss ein buntes, vollständiges Bild ergibt, entsteht allmählich. Zuerst wird mit den drei transparenten Farben Magenta (Pupurrot), Zyan (Griechenland-Blau) und Gelb gedruckt, zum Schluss kommt Schwarz hinzu, das für Konturen, Kontraste und Bildtiefe zuständig ist. Dies wäre ein geeignetes Bild für die Absichten de Bonos, die beim Denken beteiligten "Farben" zu trennen, sie bewusst eine nach der anderen dazuzutun, um zum Schluss das bunte, vollständige Bild einer Sache zu erhalten.

 

 

 

Ein alltäglicher Vorgang. Es gibt etwas zu entscheiden. Nehmen wir an, es geht um die Gestaltung des Schulhofs. Einer der Diskutierenden, die sich zu Beginn meldet, sind besonders die Fakten wichtig. Sie ergeht sich ausführlich in Details möglicher Planungen, den notwendigen Finanzen und juristischen Aspekten des Ganzen. Und genau das lässt ihr Gegenüber ausgesprochen emotional reagieren. Für ihn ist das nämlich typisch. Er möchte zunächst Ideen sammeln und nicht gleich zu Beginn schon Möglichkeiten einschränken, nur wegen der Finanzen oder ähnlichem. Gottseidank hat jemand in der Gruppe diese Gefühlsaufwallung registriert und versucht, dies zum Thema zu machen. Leider hört niemand zu, denn soeben macht der nächste einen durchaus kreativen Vorschlag. Spontan wird ihm zugestimmt, positive Erfahrungen zu diesem Vorschlag werden benannt, praktische

 

Anregungen gegeben, als leider, wie so oft in solchen Momenten, einige auf Widersprüchlichkeiten, mögliche Irrtümer bzw. Gefährdungen der Idee hinweisen. Sofort ist einiges von dem Optimismus der anderen verflogen, sie beginnen, sich zu wehren, die Situation wird angespannter. Die anfängliche Sprecherin meldet sich zwischendrin sichtlich entnervt mit dem "dringenden" Hinweis, man würde die Situation noch weiter zerfahren, wenn man sich nicht auf die Fakten konzentrierte.

 

Ein heilloses Durcheinander, aber vertraut und alltäglich. Andauernd werden die verschiedensten Ebenen vermischt, nicht sauber getrennt, was ein reflektiertes, zielgerichtetes und zufriedenstellendes Gespräch mindestens erschwert. Und genau hier setzt De Bono's "Sechs-Farben-Denken" an.  Jede Farbe steht für eine unserer möglichen Denk- und Sehweisen. Die Person mit dem jeweiligen farbigen Hut auf dem Kopf hat die Aufgabe, diese "Denkfarbe" ins Spiel zu bringen.

 

Weiß:

 

Die weiße Farbe steht für Fakten und Informationen. Sie hat kein Interesse an Parteilichkeit und Bewertung und Emotion (und sollte dies auch nicht über die Auswahl von Fakten steuern). Ihr schwebt als Beitrag ein Klärungsprozess über die Sichtung der vorliegenden Fakten vor.

 

Rot:

 

Die rote Farbe steht für die Welt der Gefühle und Werte, die weder gerechtfertigt, noch begründet oder beweisbar sein müssen (und dies ja auch nicht können!). Was zählt, ist die subjektive Anerkennung oder Ablehnung, sind Freude und Lust, aber auch Angst und Misstrauen, sind Ahnung, Intuition und Ästhetik.

 

Schwarz:

 

Die schwarze Farbe steht für die negative Beurteilung. Der Sprecher dieser Farbe benennt alles, was falsch, ungenau, widersprüchlich und irrtümlich ist. Hier werden Gefahren, Risiken, Sackgassen und Fehler benannt. Es geht nicht ums Argumentieren, nur um die "Aufzählung" negativer Fakten, Erfahrungen, Zukunftsprognosen.

 

Schwarz darf nicht zügelloser "Negativität" Vorschub leisten oder negative Gefühle ausdrücken. Hierfür ist rot zuständig. Die schwarze Farbe darf niemals vor der gelben benutzt werden.

 

Gelb:

 

Die gelbe Farbe symbolisiert Licht und Zuversicht, sie steht für das Positive und Konstruktive. Hier ist alles erlaubt, was aufbaut: Wünsche, Visionen, positive Erfahrungen und Beispiele, konkrete Vorschläge und Anregungen. Gelb lädt ein zum Handeln und macht Mut dazu, immer mit dem Blick auf den Nutzen einer Sache, auf der Suche nach günstigen Gelegenheiten.

 

Gelb ist optimistisch, orientiert an Handlungsdenken, es ist nicht euphorisch (dafür ist "rot" zuständig).

 

"Gelbes-Denken" ist auch kein kreatives Denken. Die effektive Anwendung alter Ideen ist das eigentliche Betätigungsfeld der gelben Farbe. Gelb geht es um die positive Haltung, gelb möchte produktiv sein. "Effektivität - schreibt de Bono - ist demnach viel eher das Kennzeichen des Gelben-Hut-Denkens als Novität."

 

Grün:

 

Die grüne Farbe ist die kreative, laterale, Neue-Ideen-Denkweise. Grün ist tastendes Versuchen, Experimentieren, Suchen nach Alternativen. Hier ist das Lernen wirklich Bewegung. Provokationen, wechselnde Blickwinkel, assoziatives Denken, langsames Denken sind Techniken, Denkschemata, Blockaden aufzulösen, Muster zu verlassen zugunsten neuer Vorstellungen und Sichtweisen.

 

Blau:

 

Die blaue Farbe organisiert das Denken selbst, ist Kontrolle über das Denken. Der blaue Hut ist Supervisor, Gesprächsleitung, Dirigent, Regisseur (ev. bietet es sich an, in einer Diskussion auch mit mehreren festen blauen Hüten zu arbeiten). Die blaue Farbe fordert den Einsatz der anderen Farben, definiert Probleme, stellt die zu lösenden Aufgaben zusammen, schlussfolgert, kontrolliert die Spielregeln.

 

Die englische Sprache kennt "thinking hats" oder "caps", die in der Redewendung aufgesetzt werden, um über etwas nachzudenken. De Bonos Hüte sollen dies konkret und für alle Beteiligten sichtbar ins Bild setzen. Unterschiedliche Vorgehensweisen sind dabei denkbar:

 

1.            Einer der Hüte kommt in die Mitte des Tisches und nun können alle ihre Beiträge liefern, aber immer nur im Sinne der Farben des Hutes, bis ein anderer Hut in die Mitte kommt. Der blaue Hut sollte für jeden griffbereit in der Nähe liegen. Denn dieser muss zwischendurch aufgesetzt werden können, um das Gespräch konstruktiv weiterzuführen. Das Gespräch kann beispielsweise mit dem weißen Hut beginnen (Fakten und Informationen), mit dem gelben fortgesetzt werden (konkrete Vorschläge, Zuversicht, handlungsorientiert) usw. Und immer daran denken, dass der schwarze Hut erst nach dem gelben Hut kommen darf!

 

2.            Alle Hüte liegen auf dem Tisch. Bei jedem Beitrag wird der entsprechende Hut aufgesetzt, der Beitrag darf dann auch nur die entsprechende "Färbung" haben.

 

3.            Eine dritte Möglichkeit sieht vor, dass jeder die ganze Zeit über nur einen bestimmten Hut aufhat, und im Sinne seiner Farbe Beiträge liefert.

 

De Bono ist sich über die Künstlichkeit dieser Methode (es gibt die einzelnen Aspekte natürlich nicht völlig gereinigt von anderen!) nicht nur im Klaren. Gerade in dieser Künstlichkeit sieht er den Wert dieser Methode:

 

"(Die Hüte) schaffen einen förmlichen Rahmen, der es einem erleichtert... auf eine bestimmte Art zu denken. Sie stellen Spielregeln für das ´Denken´ genannte Spiel auf... Je mehr die Hüte eingesetzt werden, desto eher werden sie Teil der Denkkultur werden."

 

"Stumme" Schreibgespräche

 

Wie viel Unsinniges, Unnötiges und falsches wird gesagt, wenn Menschen reden. Wie viel wird nicht gesagt, überhört oder nicht in die richtigen Worte gefasst?

 

Stumme Schreibgespräche sind nur scheinbar stumm. Es ist nur die Ruhe im Raum, das Konzentriertsein auf das eigene Schreiben und das Wahrnehmen des Geschriebenen der anderen. Was geschrieben wurde gilt! Es hat ein viel größeres Gewicht als das, was nur "mal eben so dahin gesagt wird". Das Medium "gemeinsames Papier" lässt nicht nur eine größere Verbindlichkeit zu, sondern bringt auch näher durch die Nutzung der gemeinsamen Schreib"unterlage". Hier können alle durcheinander reden, ohne dass es stört, ohne dass es verloren ginge. Hier entsteht eine Dichte des Ernstnehmens seiner eigenen und der eben noch fremden Worte. Kommunikation erhält seinen ursprünglichen Sinn zurück: Mitteilung, Verbindung, Verkehr.

 

Das Tapeten-Gespräch

 

Stellen wir uns folgende Situation vor: Es geht um strukturelle Veränderungen an der Schule, genauer: um die Frage, ob sich die Schule an dem Projekt "Ganztagsschule" beteiligen soll. Das wird den Schulalltag verändern, Mehrarbeit wird - zumindest in der Anfangsphase - auf alle zukommen. Im Kollegium schwirrt es, jede hat ihre Meinung und möchte sie mitteilen. Da das Ganze auch noch emotional aufgeladen ist, steht eine hitzige Debatte bevor. Es wird nicht leicht werden, alle zu Wort kommen zu lassen, die Vielredner bitten, sich zurückzuhalten und sich gegenseitig zuzuhören. Was tun?

 

Für diese (und ähnliche Situationen) bietet sich das Tapetengespräch an.

 

Auf zusammengeschobenen Tischen liegt eine lange Bahn Makulatur- oder Packpapier oder auch einfach eine Tapetenrolle.

 

Alle am Gespräch Beteiligten stehen um den Tisch herum und beginnen, zu dem vorher abgesprochenen Thema auf das Riesenblatt zu schreiben.

 

Jeder kann herum wandern, lesen, eigene Ideen aufnotieren, die der andern kommentieren, mit Fragen versehen, mit Pfeilen und Kreisen Verbindungen und Bezüge hervorheben, Bilder

 

dazu malen. Niemand redet, das Gespräch findet schriftlich statt. Das "Tapetengespräch" ist so etwas wie ein stummes Brainstorming. Entsprechend gibt es auch keine "Ideenverbote" oder Unrealistisches o.ä. Es gilt - wie bei allen Formen des Brainstormings - das Verbot der "Ideenkiller".

 

Es können zusätzliche Regeln des Gesprächs vereinbart werden, die z.B. die weitere Bearbeitung erleichtern.

 

- Verwendung bestimmter Farben je nach Inhalt des Geschriebenen (positive Vorschläge "grün", Kritik "schwarz", Bedürfnis nach Information "gelb", Fragen "rot" u.ä., vgl. De Bonos "Sechsfarben Denken");

 

- zeitliche Begrenzung;

 

- Bewertung am Ende: jede/r kann den ihm wichtigsten Gedanken markieren.

 

Die Fortsetzung des "Tapetengesprächs" kann - je nach Situation und Absicht - unterschiedlich sein. Die Tapete kann aufgehängt werden, so dass jeder bis zu einer Fortsetzung des Gesprächs dieses weiter vor Augen hat und bedenken kann. Eine Kleingruppe kann das Gespräch bündeln und strukturieren und dann in seiner Essenz vorstellen. Denkbar ist auch, das "Tapetengespräch" vor eine Diskussion vor zu schalten - damit jede/r in seinem Rhythmus seine Ideen vorstellen kann, nichts verloren geht, niemand übergangen wird, alle mit allen reden und alle zu Wort kommen. Das anschließende Gespräch (das z.B. in der Form der "Zwiebel" stattfinden kann) kann davon nur profitieren.

 

Gegenüber dem mündlichen Gespräch haben "stumme" Schreibgespräche den Vorteil:

 

Jeder kommt zu Wort und kann sich seine Zeit nehmen. Die gesamte Kompetenz der Gruppe wird erfasst. Jeder trägt seinen Teil bei.

 

Die Lösung liegt in der gemeinsamen Verantwortung.

 

 

 

Das kreisende Schreibgespräch

 

Eine Klasse möchte im Gespräch ein Problem angehen. Das Problem kann liegen

 

             auf der Planungsebene, z.B. Vorbereitung einer Klassenfahrt

 

             auf der Sachebene, z.B. Was interessiert uns am Thema "Indianer"?

 

            auf der Beziehungsebene, z.B. "Welche Konflikte sind beim Problem "Es ist zu laut bei der   

 

              Arbeit" entstanden und wie sollen wir mit ihnen umgehen.

 

             auf der Ebene der Ideenfindung

 

Die Großgruppe teilt sich in Kleingruppen auf, ideal sind 4 - 6 Personen, bei 8 TeilnehmerInnen ist bei dieser Form des Schreibgesprächs eine Grenze erreicht.

 

Die Kleingruppen sitzen im Kreis um einen Schreibplatz herum. Jede der Beteiligten an diesem Schreibgespräch hat jetzt ein leeres Blatt Papier vor sich und schreibt das Thema des Gesprächs oben auf. Dann besteht die Aufgabe darin, einen Gedanken zum Thema zu notieren und dann das Blatt an den Nachbarn zur Rechten weiter zu reichen. D.h. während mein ursprüngliches Blatt nach rechts wandert, bekomme ich von links ein neues. Auf diesem Blatt findet sich jetzt schon ein Gedanke. Ich kann auf diesen eingehen, ihn fortsetzen, kommentieren, widersprechen, einen neuen Gedanken beginnen. So wandert das Blatt, bis du dein eigenes zurück erhältst. Die Gruppe entscheidet selbst, wann sie das Gespräch für beendet ansieht.

 

So entstehen im Laufe des stummen Gesprächs Gedankenstränge, die sich verdichten und immer wieder - aufgrund der Assoziationen, die die Gedanken der einen beim anderen auslösen, -überraschende Einfälle und Wendungen.

 

Möglichkeiten zur Weiterarbeit mit den Gedanken des Schreibgesprächs:

 

Wer schon häufig an Schreibgesprächen teilgenommen hat, weiß, daß die einzelnen Gesprächsverläufe (die einzelnen Blätter) unterschiedliche Qualität bekommen. Das kann zum Beispiel von der Fruchtbarkeit des Einstiegsgedankens abhängen. Daher kann z.B. verabredet werden, dass jede Kleingruppe zwei ihrer Blätter hinterher in der Großgruppe vorstellt.

 

Häufig ist es aber auch so, dass sich das Gespräch einer Gruppe jeweils in einzelnen Teilen eines Blattes wiederfindet. Dann bietet es sich an, abschließend eine "Schreibkonferenz" zu machen, und in Form einer "Collage" die der Gruppe wichtigsten Teile zusammenzustellen, zu verbinden, Überleitunen hinzuzufügen u.ä. Daneben ist es auch denkbar, daß jede Gruppe aus ihrem Schreibgespräch ein Thesenpapier erstellt und das dann in der Großgruppe vorträgt. Das ist eine gute Übung, die eigenen Gedanken noch einmal zu strukturieren und zu komprimieren und die wesentlichen Gedanken heraus zu arbeiten.

 

Das "ausgesuchte" Schreibgespräch

 

Bei der dritten Art liegen leere Blätter aus. Du nimmst eines, schreibst etwas und legst es zurück in die Mitte. Jederzeit kannst du ein neues Blatt anfangen, etwas lesen, was andere geschrieben haben, diesen Text aussuchen und ihn Text fortsetzen. Am Schluss wird alles vorgelesen.

 

Diese Form des  Schreibgesprächs eignet sich auch für andere Zusammenhänge, z.B. als Methode des  "Schreibens in der Gruppe", gemeinsames Schreiben eines Märchens, einer Tiergeschichte.

 

Dieser Prozess setzt nicht nur die kreativen Potentiale frei, sondern ist zudem noch ausgesprochen stressfrei.

 

Verbindung von Metaplan-Technik und Schreibgespräch.

 

Kinder schreiben im kreisenden Schreibgespräch in kleinen Gruppen (zu viert oder fünft) Texte zur Frage "Ruhe bei der Arbeit". Danach liest jede ihren Text vor. Und direkt nach dem Vorlesen notiert sich jeder in der Runde, auch der/die Lesende selbst aus der Erinnerung einen Gedanken aus dem soeben gehörten, schreibt diesen Gedanken auf eine Karte und legt diesen Gedanken / diese Karte in die Mitte des Tisches. Bei einer 5er Gruppe liegen so 25 Gedanken auf dem Tisch. Diese Gedanken werden jetzt nochmals vorgelesen.

 

In der nächsten Arbeitsphase sucht jede Person den ihr wichtigsten auf dem Tisch liegenden Gedanken heraus und nimmt die Karte an sich.

 

Alle Kleingruppen treffen sich jetzt wieder im Kreis. Jede/r liest ihren/seinen Gedanken vor, steht auf, hängt den Gedanken an die Wand (Pin-Wand). Jetzt entsteht vor aller Augen ein Abbild der Arbeit in der Gruppe, die allen wichtigen Punkte, mögliche Überschriften, Verbindungen, Gruppierungen sind sichtbar.

 

Zum Abschluss kann die Gruppe sich wieder in Kleingruppen aufteilen, um jetzt einzelne Punkte zu konkretisieren, Vorschläge zu erarbeiten, Regeln aufzustellen usw. Auch dabei kann die Gruppe diskutieren, nochmals ein Schreibgespräch führen oder zu einer anderen der hier vorgestellten Methoden greifen.

 

Abstraktionslyrik (Rasterlyrik)

 

Zu jedem Thema oder Problem kann "jede und jeder" einen eigenen freien Text auf ein Blatt Papier schreiben. Je nach Größe der Gesamtgruppe werden jetzt Kleingruppen von 4,5 oder 6 Menschen gebildet, die ihre Texte an die Wand heften oder auf einen Tisch legen. Alle lesen die Texte durch, wobei aus jedem Text von jedem der wichtigste, eindrucksvollste Gedanke - eine Passage, ein Satz - herausgesucht wird.

 

Wenn jeder diese Aufgabe erledigt hat, liegen bei 5 Leuten insgesamt 25 "Gedanken" vor. Diese werden nun in ein vorbereitetes Raster - auf einem Papier oder einer Pin-Wand - befestigt.

 

 

 

                Max       Michaela             Jakob    Uschi

 

Max       1                                                              5

 

Michaela                                                2        

 

Jakob      3                                          

 

Uschi                          4                      

 

1:  Hier hängt Max einen Gedanken aus seinem eigenen Text hin;

 

2:  hierhin klebt Michaela den Gedanken aus Jakobs Text

 

3:  hierhin Jakob den aus Max Text,

 

4 : hierhin Uschi den aus Michaelas Text,

 

5 : hierhin Max den Text von Uschi, usw.

 

Wenn das Raster gefüllt ist, schreibt jede ihren Text aus dem Raster ab, indem sie sich nach ihren Gedanken und Assoziationen aus dem Raster bedient. So entsteht eine "Lyrik", die später von allem im Gesamtkreis vorgelesen wird. (vgl. hierzu die Kartei "Schreiblandschaften", Verlag  an der Ruhr)

 

 Die plakative Begegnung

 

Ein Thema steht an, z.B.: "Welche Regeln sind uns in der Klasse wichtig?" oder "Was ich von Hausarbeiten halte!" Ziel der gemeinsamen Arbeit ist es, uns auf etwas zu verständigen. Wie beginnen wir die gemeinsame Arbeit an unserem Thema? Die plakative Begegnung ist eine Einstiegsmöglichkeit. Jede und jeder gestalten ein Plakat zu ihrer Vorstellung. Neben Schriftlichem sind bei der plakativen Begegnung natürlich Bilder und Grafiken sinnvolle Gestaltungselemente.

 

Jede hängt sich ihr Plakat um, wandert durch den Raum, lässt sich betrachten, betrachtet andere, fragt nach, erklärt selbst.

 

Das Mind-Mapping. Im Bilde sein.

 

Miteinander reden und miteinander arbeiten geht oftmals spontan. An vielen Stellen kommt Spontaneität, also so etwas wie ein Brainstorming, aber für den einzelnen auch zu früh, steht einer vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung im Wege. Spontane Gespräche bevorzugen ja auch immer die Schnellsprecher und Schnelldenker, den etwas Bedächtigeren wird dann die Zeit für ihren Gedankengang genommen wird. (Vgl. hier Nadolny, Entdeckung der Langsamkeit). Genau an dieser Stelle hat das Mind-Mapping, die "Denk-Karte" können wir etwas holprig übersetzen, seinen Platz.

 

Nehmen wir an, eine Klassenfahrt soll vorbereitet werden. Die Gruppe möchte zunächst jedem die Möglichkeit geben, seine Gedanken zu ordnen, bevor es an die Diskussion geht. Üblicherweise machen wir uns in so einem Fall Notizen, vergleichbar den Notizen für eine Gliederung, wie wir es in der Schule gelernt haben. Das könnte dann so aussehen:

 

- Ziel unserer Fahrt?

 

- Wie hoch sind die Kosten?

 

- Wollen wir uns selbst verpflegen?

 

- Ist ein Schwimmbad in der Nähe?

 

- Was können wir da noch unternehmen?

 

- Wie lange wollen wir wegfahren?

 

Immer schön der Reihe nach schreiben wir unsere Gedanken auf. Wie gesagt, so könnte das aussehen. Diesmal soll aber eine neue Methode ausprobiert werden: Das Mind-Mapping.

 

Ob wir beim Telefonieren Notizen machen, eine Exkursion planen, eine Gliederung brauchen, ein Buch zusammenfassen, ein Konzept erarbeiten wollen, Besprechungen, Diskussionen oder Vorträge festhalten, die lineare Aufzeichnung - Wort für Wort und Satz für Satz - erweist sich oft als sperrig. Zu vieles geht uns gleichzeitig durch den Kopf. Da taucht noch ein Gedanke auf, hier möchten wir einen besonderen Zusammenhang festhalten usw.

 

Das Mind-Mapping ist eine effektive Methode, die zunächst auf uns einstürmenden Gedanken und Ideen in Form eines "Gedankennetzes" (einer Gedanken-Landkarte) bildhaft festzuhalten und dann schrittweise zu strukturieren.

 

Mind-Maps verschaffen - durch ihre Bildhaftigkeit - Überblick, erhöhen die Konzentrationsfähigkeit und schärfen das Gedächtnis. Sie helfen Zeit sparen und fördern verborgene Ideen zutage.

 

Als visuelle Arbeitstechnik, die sowohl assoziatives als auch strukturierendes Denken verlangt, trainiert sie ganzheitliches Lernen (= Lernen mit beiden Hirnhemisphären).

 

Mind-Mapping ist eine bestechend einfache Methode, die ohne technische Hilfsmittel auskommt. Neben Papier, Bleistift und farbigen Stiften ist das wertvollste Instrument der eigene Kopf.

 

Entscheidungen abgeben

 

Bei einer Fortbildung haben wir folgendes Experiment zum Thema "Wir gründen eine neue Schule" gemacht: Eine Gruppe ist klassisch vorgegangen. Alle Vorschläge wurden diskutiert und dann mehrheitlich abgestimmt. So setzte sich "Beschluss" für "Beschluss" ein Plan einer neuen Schule im Protokoll zusammen.

 

Die andere Gruppe diskutierte auch, aber für jeweils eine bestimmte Zeit hatte jeweils nur eine Person Entscheidungsbefugnis. Sie konnte das Gespräch stoppen und sagen: "Ich entscheide aufgrund eurer Vorschläge, dass es in unserer Schule so und so gemacht wird!" Dann bekam ein anderer die Entscheidungsbefugnis. Der Protokollant achtete darauf, dass sich die Entscheidungen nicht widersprachen.

 

Die erste Gruppe verhielt sich bald wie ein typisches LehrerInnenkollegium. Die zweite Gruppe funktionierte länger und schneller.

 

Lutz Wendeler hat mir von einem ähnlichen Experiment erzählt, dass sie es in der Entstehungsphase der Freien Schule Prinzhöfte tatsächlich gemacht haben. Über einen bestimmten Zeitraum durften – zum Beispiel - nur die Frauen bestimmen.

 

 

 

 

 

1 C. Freinet, zit. nach Elise Freinet, Erziehung ohne Zwang. Der Weg Célestin Freinets, Stuttgart 1981, S. 153.

 

2 C. Freinet, Eine kurze Übersicht über die moderne Schule, S. 8, 1973 ins Niederländische übersetzt von B.G. Donkersloot, liegt den Autoren in deutscher Fassung als Manuskript vor.

 

3 C. Freinet, zit. nach Elise Freinet, a.a.O. S. 153f.

 

4  In seinem Buch "Die neuen Kinder und die Erosion der alten Schule", Lichtenau 71995, schreibt Horst Hensel im Kapitel "Freinets revolutionäre Bestimmung der Lernaufgabe": "Freinet hat also eine neue Form der pädagogischen Aufgabenstellung entwickelt und eine neue, ja revolutionäre Antwort auf die Frage gegeben, welche Lernaufgaben den Kindern formuliert und auf welche Lerntätigkeit sie orientiert werden sollen. Er versucht, die Widersprüche zwischen der Selbstbewegung der Kinder und den Anforderungen an sie produktiv zu machen, indem er sich ihnen in seinem Unterrichtsarrangement stellt und subjektives Bedürfnis und gesellschaftliches Erfordernis gleichermaßen zu seinem Recht kommen lässt. Freinet versucht eine Antwort auf die Frage zu geben, inwiefern Unterricht und Erziehung eine Bedingung für die subjektive menschliche Entwicklung sind - und inwiefern nicht. Auf jeden Fall soll die Lernaufgabe die eigenständige Entwicklung und die Entwicklung zur Eigenständigkeit fördern."(S. 52)

 

5 C. Freinet, Eine kurze Übersicht über die moderne Schule, a.a.O., S. 3.

 

6 Vgl. C. Freinet, Vom Schreiben- und Lesenlernen. Die ´natürliche´ Methode, in: H. Boehncke/J. Humburg, Schreiben kann jeder. Handbuch zur Schreibpraxis, Hamburg 1980, S. 32-61.

 

7 Boal A., Theater der Unterdrückten, Frankfurt 1979

 

 8 Heide Bambach, Erfundene Geschichten erzählen es richtig. Lesen und Leben in der Schule, Faude 1989, S. 20f.

 

9 Vgl. hierzu z.B. Walter Hövel, Demokratie im Klassenraum. Die Rechte der Kinder und der Klassenrat, in:

 

10 Ingrid Dietrich (Hg.), Handbuch der Freinet-Pädagogik. Eine praxisbezogene Einführung, Weinheim 1995, S. 61ff.

 

 11 (Anmerkung: Ein solcher "Wertespaziergang" wird auch aus Anlass eines Projekts "Pränatale Diagnostik" im Biologieunterricht der gymnasialen Oberstufe beschrieben in: Patricia Nevers, Sigrid Radetzky,

 

12 Schwangerschaft auf Probe? In: Schule zwischen Routine und Reform, Friedrich Jahresheft XII, 1994.)

 

13 Telse Schnelle Cölln, Optische Rhetorik für Vortrag und Präsentation. Ein Leitfaden, Quickborn 1988, S. 6f.

 

14   Aus einem Seminarpapier einer Fortbildung der Angestelltenkammer Bremen zum Thema "Meta-Plan-Technik", Sommersemester 1994.

 

15  Edward de Bono, Edward de Bono´s Denkschule. Zu mehr Innovation und Kreativität, München   

 

1990, S. 25.

 

16 Edward de Bono, Das Sechsfarben-Denken. Ein neues Trainingsmodell, Düsseldorf 1989, S. Vgl. ebd. S. 134. Anmerkung zum Begriff lateral: Verweis auf de Bonos "Denkschule"

 

 17 Vgl. den Punkt mit der PMI-Methode. Ebd. S. 200.