Walter Hövel

Michi[1] arbeitet in der Küche der Grundschule Harmonie. Ein junger Besucher, der an der Schule hospitierte, erzählte im abschließenden Besprechungskreis:“ Ich habe mit ihr gesprochen. Jetzt weiß ich, sie wird nicht mehr weggesperrt.“

 „Michi wird nicht mehr weggesperrt!“

Michi wurde zuhause eingesperrt, als Pflegerin und Haushaltshilfe gehalten. „Ich hatte immer Angst“, sagte sie. Es waren nicht die Menschen in ihrer „Behindertenwerkstatt“, die ihr Angst machten oder sie wegsperrten. Aber Michi wusste, es geht mehr. Sie wollte raus, raus in die Welt.

Die dortigen Mitarbeiter*innen waren hoch erfreut, als sie einen Arbeitsplatz an einer Grundschule angeboten bekam. Es war Ergebnis eines Gesprächs im Arbeitskreis Inklusion in der Gemeinde…

Wochen später war sie in der Schule. Nicht ganz klar zu erkennen war, ob die Betreuerin oder sie aufgeregter war. Sie begann ihre tägliche Arbeit in der selbst kochenden Küche einer Grundschule. Sie lernten voller Stolz alleine, ohne Begleitung den recht weiten Hin- und Rückweg zu Fuß und mit der Bahn zu bewältigen.

Sie fand mehr als einen betreuenden Anschluss beim Küchenteam. Bald gehört sie dazu! Die Kinder respektieren sie als „unsere Michi“. Und auch die anderen, elterlichen und lehrenden und die das ganztägige Lernen unterstützenden Erwachsenen sehen in ihr die Mitarbeiterin.

Sie hat 2012 angefangen. Heute, 2016 arbeitet sie dort immer noch. Sie strahlt jeden Tag, arbeitet gerne und zuverlässig. Sie will nicht mehr zurück. Sie weiß, dass sie mit ihrer Person ihren Arbeitsplatz gestaltet und erhält.

2015 veranstaltete der Arbeitskreis Inklusion der Gemeinde eine einwöchige Veranstaltungsserie mit weit über 30 verschiedenen Seminaren [2]. Hierbei gab es unter anderem einen „Heimatabend“. Über 12 wichtigste soziale Gruppen der Gemeinde Eitorf wurden ausgemacht. Arme, Reiche, Alteingesessene, Kopftuchträger, Taxifahrer, Ärzte, Harz4-.Empfänger, Bauern, alleinerziehende Mütter, „Behinderte“, Jugendliche, Alte, Sozialarbeiter, ausländische Mitbewohner, Hausfrauen, Politiker, Geschäftsinhaber, Arbeitslose, Stiftungsmitglieder, ... gehörten dazu. Jede Person konnte bis zu zwei weitere Menschen aus ihrem Umfeld mitbringen. Und eine der Köchinnen der Grundschule Harmonie brachte Michi mit.

Sie machte bei den vielen Gesprächen und Arbeitsgruppen mit, redete mit dem Politiker genauso wie mit der Hausfrau. Wie stolz Michi nach der Veranstaltung war: „Ich war so aufgeregt! Ich konnte kaum was sagen. Aber ich hab was gesagt. Sogar viel.“

„Ja“, bemerkte jemand aus dem Arbeitskreis Inklusion später, bei der Auswertung: „Michi wird nicht mehr weggesperrt. Das ist Inklusion.“

 

 

 

 



[1] Name geändert

[2] Viola Altenburg,  Angela Conrads, Walter Hövel, Anja Löhr, Uschi Resch, Ulli Schulte,  Jürgen Sellge, Peter Welteroth. Eitorf will’s wissen. Eine Aktion in Inklusion. Eitorf 2015.

Download: http://www.alleinklusive.de/index.php/eitorf-will-s-wissen