Uschi Resch & Walter Hövel

 

„Alle Inklusive“

 

Ein Projekt und seine Entstehungsgeschichte

 

 

 

 

 

Unsere Gemeinde

 

In Eitorf leben und arbeiten viele Menschen mit geistigen, körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen. Hierhin kamen und kommen Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, Arbeitskräfte, Künstler, Asylsuchende. Viele Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Geringverdienende haben bei uns ihr Zuhause gefunden. Mit uns lebt eine große Gemeinde der türkisch- und kurdisch stämmigen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner. Eine große Familiengruppe der Sinti ist seit vielen Jahren bei uns zuhause.  In Eitorfer Angeboten finden viele alte Menschen ihren Lebensabend. Eitorf, mit seinen Werken und Fabriken, seiner Landwirtschaft, Naherholung und seinen caritativen Einrichtungen, wie Wohnheimen, Wohngemeinschaften und Werkstätten, wurde über Generationen zu einer Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist eher arm, beladen mit Problemen und oft genug schwierig. Aus diesen Bedingungen heraus ist es eine Qualität von Eitorf geworden, dass sichtbar behinderte Menschen in der Gemeinde in ihrer Selbstverständlichkeit dazu gehören. Man kennt sich, auch bei über 18.000 Einwohnern, oft genug mit Namen.

 

2009

 

Beginn der Kooperation der beiden Grundschulen, Eitorf und Harmonie, mit dem BASTEI-Studiengang (Inklusion) der Universität Siegen.

 

2010

 

Im Winter 2010 hielt Prof. Hans Wocken einen Vortrag zum Thema Inklusion. Hierzu wurden neben den Schulgemeinden der inklusiven Grundschulen Eitorf und Harmonie, Bürgerinnen und Bürger aus der Kommune eingeladen. Dieser Einladung folgten fast 100 Menschen.

 

2011

 

Am 30. Juni 2011 fand mit Unterstützung der Gemeindeverwaltung ein Treffen mit mehr als 70 Interessierten statt, die sich selbst und viele Institutionen vertraten. In Arbeitsgruppen wurde von den Teilnehmenden sichtbar gemacht, was Menschen und Institutionen in Eitorf zum Thema Inklusion bereits leisten. Wie schon beim Eröffnungsvortrag nahmen viele behinderte Menschen an der Veranstaltung teil. Die in diesen Gruppen erarbeiteten Leitideen und Möglichkeiten der inklusiven Arbeit bildeten ab jetzt das Fundament der Inklusionsbewegung in Eitorf. Hier entstand aus der „Pilotgruppe“ der „Arbeitskreis Alle Inklusive“.

 

Unsere Zielsetzung

 

Seit dieser Zeit treffen wir uns regelmäßig einmal im Monat. Konstant sind wir etwa vierzehn Anwesende aus einem Kreis von über 20 Menschen* (ab hier kennzeichnen wir den Zusatz „mit und ohne Behinderungen“ nur noch mit einem*). Wir kommen aus verschiedensten Berufen und Institutionen, Wir arbeiten ehrenamtlich kontinuierlich zusammen und sind im Alter von 16 bis 66 Jahren. Regelmäßig arbeiten Menschen der Gemeindeverwaltung, aus verschiedensten Behinderteninstitutionen, Schulen, Firmen und Berufen zusammen. Hier arbeiten Jugendliche, engagierte Erwachsene und Menschen, die an „Schaltstellen“ sitzen  an der Umsetzung von Projekten. Diese Projekte haben allesamt die weitere Vernetzung der Menschen in der Gemeinde zum Ziel, die an Partizipation, Teilhabe, der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und Verwirklichung der Inklusion arbeiten. Wir wollen das inklusive Denken unserer Region auf allen Ebenen stärken!

 

Wir verstehen unter Inklusion die Teilhabe aller Menschen*, unterschiedlicher Herkunftssprachen und Nationen, von Jungen und Alten. Wir unterscheiden die Menschen nicht. Es ist selbstverständlich, dass ALLE* an unseren Aktionen teilnehmen. Wir achten darauf, dass Menschen* nicht behindert werden. Wir verstehen uns selbst, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Gesamtheit unserer Gemeinde als kompetente, selbstständige, selbstbestimmende und gleichberechtigte Wesen. Durch verschiedene Projekte der Begegnungen wollen wir erlebte Inklusion in das gesellschaftliche und schulische Leben als Selbstverständlichkeit tragen. Wir vernetzen das, was wir allen unterstellen:           Das Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe aller!

 

Wir schaffen Begegnungen!

 

Durch unsere Arbeit ist bereits eine neue Kultur inklusiven Denkens und Handelns in Eitorf entstanden, indem Menschen* bewusst in Beziehung zueinander kommen. Daran arbeiten wir weiter!

 

2011

 

             Auftaktveranstaltung „Inklusion in Eitorf“

 

             Beginn der Kooperation mit den „Montagsstiftungen“

 

             Gespräch mit dem Jugendamt über Integrationshilfe

 

2012

 

             Beginn der Kooperation mit dem Zentrum für Planung und Evaluation sozialer Dienste (SPZ) an der Uni Siegen

 

             Logowettbewerb „Alle Inklusive“ mit 350 Einsendungen aus Eitorf

 

             Preisvergabe beim „Eitorfer Frühling“, Fest der Geschäftsleute und Handwerker auf dem Markt – Unser Logo ist entstanden!

 

             „Inklusionsspiel“ in Eitorf mit ca. 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern* (Jeweils drei Mitspieler/innen*, aus einer Lostrommel gezogen, treffen sich, um gemeinsam etwas zusammen zu unternehmen.)

 

             Abschlussfest des Inklusionsspiels in der Aula des Gymnasiums

 

             Mitarbeit beim Buch der Montag Stiftung „Inklusion vor Ort“

 

2013

 

             Erstes Gespräch mit der SPD Eitorf und der Kreisorganisation

 

             Seniorenvertretung Eitorf

 

             CDU Eitorf und Bundestagsabgeordnete aus Siegburg

 

             FDP Eitorf mit Bürgermeister und Landtagsabgeordnete aus Bonn

 

             Fünftes Gespräch, mit der türkischen Gemeinde und dem AK Jugend

 

             Erste Einladungen als Referenten zu Kongressen in Kommunen, Innenministerium NRW, Universitäten, Schulen,…

 

             Durch die Kooperation im Arbeitskreis konnten wir drei Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung in zwei Grundschulen einrichten

 

             Bürgerveranstaltung mit Arbeitsgruppen zur Weiterarbeit der Initiative mit über 60 Menschen*

 

             Mitarbeit in inklusiven Buch- und Zeitschriftenpublikationen

 

2014

 

             Erste Pflanzaktion „Inklusionswald“ mit 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern*

 

             Fachtagung „Inklusion“ mit 100 Menschen* aus Eitorf und der ganzen Bundesrepublik

 

             Weitere Einladungen zur Vorstellung unserer Arbeit (z.B. beim Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste (ZPE) der Universität Siegen und der European Association of Service Providers for Persons with Disabilities (EASPD) beim Kongress „Inklusive Gemeinwesen planen“)

 

             Planung und erste Gespräche zur Projektwoche „Eitorf will’s wissen“

 

  

 

2015 Unser Projekt: „Eitorf will´s wissen“

 

Vom 16.-23. März 2015 fand dieses neueste Projekt statt.

 

Der Grundgedanke: Die Menschen einer Gemeinde machen ihre Gemeinde zu einem Lernort aller

 

Einzelne Menschen oder Gruppen* laden andere Mitbewohnerinnen und Mitbewohner* zu einem Thema ein. Mitglieder des Arbeitskreises haben diese Menschen* und Institutionen im ersten Teil der Aktion in vielen Einzelgesprächen angesprochen. Die gefundenen Themen sollten ihnen selbst Freude machen. Sie tragen vorhandenes Wissen an andere.

 

In unserer Gemeinde gibt es viele Menschen*, die etwas wissen, können, erklären können, vormachen, initiieren, etc. Sie boten ihr Wissen an.  Wir begannen Bekannte und Unbekannte in der Gemeinde anzusprechen. Wir luden zum Lernen ein.

 

Die Ausgangsfragen: Was wollte ich immer schon wissen? Über was wollte ich schon immer reden?

 

Die Ausgangsfrage ist weder „Inklusion“, noch „Probleme“, „Helfen“, Belehren“, „Fortbilden“ oder „Werben“ wollen,  sondern die Freude am Wissen, an Bildung, an Erkenntnis, an Begegnung. Die Veranstaltung ist an Kompetenzen und Fragen der Menschen* orientiert. Die Veranstaltung hatte  vom Gedanken der Verschulung die größtmögliche Ferne und zur Freude am Lernen die optimale Nähe.

 

Kooperation: Die Teilhabe aller* wurde durch gezielte Ansprache einzelner* und ihrer Institutionen*, von in Vereinen aktiven*, von jungen und alten, armen und reichen Menschen*, Unternehmer/innen mit ihren Geschäften und Firmen, bewusst initiiert. Insgesamt beteiligten sich so über 1000 Personen* aus 104 von uns erfassten sozialen Gruppen und Berufe. Veranstalter und Angesprochene identifizierten sich in einem hohen Maße als Initiatoren, Anbieter/innen und Teilnehmer/innen. Es gelang uns Vertreter/innen*, entsprechend eines Querschnitts durch die Gemeinde, anzusprechen und zu beteiligen.

 

Spielregeln: Es war eine Veranstaltung aller lernenden Menschen einer Gemeinde. Jede und jeder*, unabhängig von der Schulbildung, dem sozialen Status oder Alter  konnte an dieser Veranstaltung teilhaben. Jede Anbieterin und jeder Anbieter arbeitete kostenfrei. Der Zutritt zu allen Veranstaltungen war für alle frei. Die Gemeinde und andere Träger stellten Räume zur Verfügung.

 

Die Woche „Eitorf will´s wissen“: Es begann am 16. März 2015 und endete am 23. März 2015. In 35 Veranstaltungen an 23 Orten gab es viele Begegnungen unterschiedlicher Menschen*. So nahmen Grundschulkinder und Bewohner des CBT Wohnhaus Villa Gauhe zusammen an mehreren Veranstaltungen teil. Sie* malten gemeinsam mit einer Künstlerin oder wanderten zum Inklusionswald. Flüchtlinge erzählten ihre Geschichten. Über 100 Interessierte* nahmen an der Veranstaltung des sozial psychiatrischen Zentrums teil um die Menschen* und die Arbeit dort kennenzulernen. Kinder und Senioren* spielten gemeinsam Bingo. Ein Fachmann erklärte Jugendlichen die Entstehung von Computerspielen. Die Firma WECO öffnete ihre Türen, um Feuerwerksdesign und die Funktion eines Motors zu erklären. Mit den Bürgermeisterkandidaten und der türkischen Gemeinde fand ein „Moscheegespräch“ statt. Ein Eitorfer Bürger, Herr Krist (82 Jahre), erzählte in der Grundschule Harmonie, der Grundschule Eitorf und dem Siegtal-Gymnasium gleich

 

   

 

dreimal von seiner Kindheit in der Nazizeit. Bei einem Workshopabend unterhielten sich 33 Menschen* unterschiedlichster Herkunft über den Begriff „Heimat“ und seine Bedeutung. Bei LnB-Motion lernten Kinder und Erwachsene* die Bewegungslehre nach Liebscher & Bracht kennen. Eitorfer Sinti sprachen über sich selbst und ihr Leben in Eitorf. Der Chor Young Hope und Band sang in einer offenen Probe mit 45 Gästen* und erklärten Technik, Gesang und Band. Ebenso konnten Leute* an Proben des Kirchenchors und des Kinderchors teilnehmen. Ein Jugendlicher lud andere* zum Basketballspiel ein. Ein Jugendschiedsrichter begeisterte für seine Arbeit. Die Rettungshundestaffel Eitorf zeigte wie „Mantrailern“ funktioniert und vermisste Menschen gefunden werden. Grundschulkinder konnten bei einer Sitzung des Jugendparlaments der Gemeinde Eitorf aktiv teilnehmen. Krebsbewältigung, Bewerbungscoaching, Fitness über 60, internationales Kochen im Jugendzentrum, eine inklusive Nachtwanderung, Power Frühstück, ein Bildervortrag im Heimatverein, „Mein Schulweg früher“ waren weitere Angebote. Last but not least öffnete die Künstlerfamilie Vetere ihre Türen zu mehreren Besuchen im Skulpturengarten und zu einem gemeinsamen Essen.

 

Es gab bereits „Nachfolge“-Veranstaltungen. Andere sind in Planung, da uns hier Nachhaltigkeit besonders wichtig ist!