Walter Hövel

Inklusion ist lebbar

 

Inklusion? Sie haben keine Mittel? Ihnen fehlt es an Unterstützung? Sie haben keine Leute, oder nicht die richtigen? Sie brauchen Hilfe? Sie sind nicht vorbereitet? Sie brauchen Zeit? Wenn Sie das gewusst hätten? …
Muss Inklusion erst gelernt werden?

 Inklusion ist etwas Menschliches. Menschlichkeit ist das, was lebbar lernbar ist!

Inklusion geht immer! Sie lernen es, wenn Sie es tun.

Wie?

Kindergarten- und Schulleiter nehmen jedes Kind, das es will, und dessen Eltern es wollen, an ihrer Institution auf. Sie haben ein Recht darauf. Sie sind Menschen.
Das geht auch in Altenheimen, Krankenhäusern, Familien, ja sogar in Betrieben oder an Universitäten.

Was, das geht bei Ihnen nicht?

Da sind die Ressourcen, die Erzieher, die anderen Kinder, die anderen Eltern, die anderen Mitarbeiter*, das Niveau Ihrer Einrichtung, das Gerede, die „bewährten“ Regeln …?

Doch, es geht! Es hängt nämlich nur von Ihrer Entscheidung ab.

Fangen sie dort an, wo Sie sind. Nehmen Sie die Menschen auf. Sie können es vertreten. Das Recht, und sogar die Politik stehen auf der Seite der Inklusion.

"Es geht nicht, gibt's nicht"

Der zitierte Satz stammt von dem [S2] Falko Peschel und er stimmt oder zumindest hilft er. Schon seit vielen Jahren gibt es mutige Eltern, die ihr Kind in Kindergarten oder Schule in der Gemeinschaft aller Kinder lernen und leben lassen. Oft geschieht dies gegen den Rat der noch auf die „Sonderpädagogik“ eingeschworenen Träger, Initiativen und Schulämter, gegen Ratgeber, auch gegen Freunde und Verwandte. Es bedarf immer der Partner auf Seiten der Institutionen, „die mitmachen“. Es geht mal ohne, mal mit „Feststellung eines pädagogischen Förderbedarfs“.

Viele Eltern halten die “Regel-Betreuung“ oder in der selbstgeschaffenen Lücke der Gesellschaft über die volle Zeit durch. Viele, sehr viele sind und  waren mit ihrer gelebten Inklusion erfolgreich.

Einige geben, überanstrengt vom ewigen Nichtverstehenwerden bei ihrer Suche nach Normalität, auf. Die Gründe sind vielfältig. Sehr häufig scheitern sie an Bildungsinstitutionen, die sich nicht von hergebrachten Traditionen wie Notengebung, Testverfahren, vorgegebenen Lerninhalten oder der Machtrolle der Lehrenden trennen können. Viele Lehrer unterrichten Fächer, können aber nicht mit allen Kindern lernen. Eltern scheitern an der eigenen Belastung durch Beruf, Krankheit, Familie oder Beziehung. Kinder vermissen kleinere Gruppen oder Erwachsene mit Empathiefähigkeiten und nötigen Fachkenntnissen. So finden Menschen auch zurück in für sie Ängste vermeidende Sonder- oder Förderschulen. Sie leisten nicht als Institution, aber in Gestalt toller Pädagoginnen und Pädagogen oft gute Arbeit.

Wer Inklusion an „Grenzen bestehender Schule“ scheitern lässt, betreibt Verhinderung von Inklusion

 

Aber es setzt sich ein Wissen durch alternative Erfahrungen durch: Auch wenn die „Sonderschule“ erst eingeführt wurde, weil „Regel“schulen Kinder erst behindert machen, ist das gemeinsame Lernen Aller, das bei uns beginnt, unersetzbar. Viele erkennen, dass die Selektion des gegliederten Schulsystems mit Gymnasien und anderen „Sonderschulen“ Inklusion be- oder aktuell oft verhindert. Vielen wird klar, wenn auch die Menschen selbst „Inklusion“ schon immer konnten, Institutionen der hergebrachten Machterhaltung höchstens eine „Integration“ in die von ihnen bestimmte, und bestimmende, Gesellschaft wollen.

Kinder brauchen keine Konditionierungen, kein Herausselektieren oder Ruhigstellen als „schwieriger Fall“, weder durch Erziehung noch Unterrichtung. Kinder wollen gute Bindungen, zuverlässige und würdevolle Beziehungen, Vertrauen, Beispiele und Zeit für ihr eigenes freies Lernen und das selbstbestimmte Erwachsenwerden.

Wer Schule so lässt, wie sie immer war, wer sie nicht in Frage stellt, wer also Inklusion an „Grenzen bestehender Schule“ scheitern lässt, betreibt Verhinderung von Inklusion!

Inklusion findet in ihrer von uns begonnenen Einführung ganz andere Einschränkungen und Hindernisse, ganz andere Grenzen des „Noch-nicht-Könnens“!

Machen Sie nicht die Eingangstüren von Kindergärten und Schulen zur nicht überwindbaren Schwelle! Richten Sie keine Transitzonen ein! Liebäugeln Sie nicht mit der Noch-Existenz von „Förder“schulen!

Es gibt keine administrativen Einschränkungen, die Sie wirklich an der Aufnahme eines Kindes hindern! Sie müssen niemanden fragen, ob „Sie dürfen“! Sie können immer! Sehen Sie a la Karl Popper das Leben als Problemlösen! Karl Popper beendete seine Karriere als Pädagoge und vertrat als Philosoph eine offene Gesellschaft.

Die UNO, das Grundgesetz, die Menschenrechte, die Rechtsprechung, das Wissen um Menschlichkeit stehen auf Ihrer Seite!

Inklusion ist lernende Arbeit und gelassenes Zulassen Können

Christian lernt langsamer als andere. Susanne beginnt als selektive Mutistin erst im fünften Schulbesuchsjahr mit anderen zu reden. Paula sucht wieder im Mittelmaß anzudocken, weil sie nicht auffallen will. Jean tobt, weil er seine Ritalintabletten nicht nahm oder weil der Vater zuhause tobte? Aytins Mutter hat wieder von Selbstmord gesprochen. Jakobs Eltern hatten wieder die ganze Nacht gestritten, sich sogar geschlagen. Laura langweilt sich wieder, weil sie kein Thema findet. Antoine ist unterfordert. Janette glaubt wieder für ihre Mutter verantwortlich sein zu müssen. Ken hat seine Mutter wieder geschlagen. Ein anderer fand abends die Pornos seines Vaters. Das Kind, das die psychischen Krankheiten seiner Eltern verschweigt, redet ohne Unterlass. Das Kind, das nichts von seinen Traumatisierungen weiß, leidet.

Da sind Einordnungskategorien für Kinder: die im Rollstuhl, „Lernschwierige“, „Emotionalgeschädigte“, „Autisten“,  Kinder mit „Glasknochen“, „Aufmerksamkeitsgeschädigte“, „Hochbegabte“, „Debile“, Hochsensible, „Lernschwache“, Opfer von „Helikoptereltern“, „mehrfach Schwerbehinderte“, „Sprachgestörte“, missbrauchte Kinder,   „Unscheinbare“, „Ängstliche“, „Übergewichtige“, Querschnittgelähmte,  „Beaten Children“,  „Aggressive“, „Depressive“, „Unverstandene“, Kinder „psychisch kranker Eltern“, „Sprachbehinderte“, Kinder von „Alkoholikern“, geschlagene, entwürdigte und misshandelte Kinder, „Waisenkinder“, „Sehgeschädigte“,  „beidseitig Halbsprachige“, „Inselbegabungen“, „Borderliner“, „Unerzogene“, „Diskalkulie“opfer, Sprachbegabte, Asylsuchende, „Hörgeschädigte“, „Kopftuchkinder“, „Unterschichtler mit Bildungsferne“, Zeugen Jehovas,  Nachhilfekinder, Kinder von Reichen und Armen, „Zwergwüchsige, Vernachlässigte, Gelangweilte,  ADSler, Blinde und Stumme, Opfer und von Jugendämtern Geholfenen, Schulgeschädigte, “Sintikinder“, „Trennungskinder“, „Familienaufstellungsprobleme“, „Frühleistungsgestresste“, das Kind ohne Deutschkenntnisse, „verhätschelte Bürgerkinder“,  „Normale“.

"Was hat er davon, dass er sich so verhält?"

Tausende Geschichten, tausende Schubladen. Bei jedem Kind eine andere. … eben bei  „allen Kindern“. Kinder unserer Gesellschaft Kinder der Inklusion! Wir beginnen gerade mal diese Heterogenität und ein heterogenes Lernen zu erfassen.

Die Grenzen sind oft Eltern, die mit einem Besuch von RTL oder in der „gehobenen“ Variante mit dem Rechtsanwalt drohen. „Zuhause kann mein Kind das aber“ argumentieren die einen, andere wollen, dass ihr Kind „doch normal“ lernen sollte …. Viele Eltern, die es nicht besser wissen … viele Eltern, denen nicht zugehört wird. Viele Eltern suchen Reparaturwerkstätten für ihre Kinder. Viele Eltern können einfach nicht mehr.

Da sind immer noch die dumm konservativ Argumentierenden und Handelnden einiger Ämter, die die „Sonderschule“ anpreisen. Diese „Ämter“ zu begreifen, ihre Regeln zu kennen und anzuwenden, hilft den Kindern, ihren Eltern und den Institutionen konkret zu helfen. Und – überall dort sind Menschen, die inklusive Arbeit verstehen und unterstützen, weil Menschen helfen wollen.

Es gilt Schritte der eigenen Erfahrung mit dem Inklusionslernen bekannt zu machen:
„Erst fragst du ‚Was hat der denn?‘ Du lernst zu helfen. Wenn du es nicht selbst kannst, lernst du Hilfe zu holen. Dann fragst du: ‚Der hat was. Wie helfen wir uns?‘ Du lernst das Zusammenleben. Dann lernst du zu fragen ‚Was hat er davon, dass er sich so verhält?‘ Du lernst zu akzeptieren. Dann lernst du, dass wir alle behindert werden. Und nun können wir bei uns selbst anfangen.“

Oft sind da Lehrer „weiter“führender Schulen, die nie erprobten, wie das Lernen und Zusammenleben verändert werden kann. Viele wollen nicht vom gelernten und selbst erfahrenen Belehrungsunterricht abweichen. Sie machen Schule zum Hindernis des Lernens, anstatt die Menschen ihr eigenes Lernen bestimmen zu lassen.

Zudem sollten Lehrende aufhören von „Inklusionskindern“ zu sprechen. Es gibt immer noch Schulleitungen, die glauben „für dieses Kind ist die Förderschule aber doch besser“. Jene Schulleiterin, die „ ihren Kollegen nicht noch mehr zumuten wollen“, sollte kein Wort einer „pädagogischen“ Einstellung mehr geglaubt werden. Es sind einfach schlechte Schulrät*innen, die Kinder nicht mehr an eine Schule lassen wollen, weil dort „ja schon zwei ‚Behinderte‘ in einer Klasse sind“.

Das wusste schon Pippi Langstrumpf besser

Eher zu verstehen sind Eltern, die immer noch an die Förderschule glauben, die Ängste haben, die für ihr Kind das Beste wollen, die Schule aus eigener nicht zu verarbeitender Erfahrung nicht trauen.

Die Schulen für alle müssen erst einmal so gut werden wie es manche Hilfs-Sonder-Spezial-Förderschulen schon sind!

Es ist wie in der Asylfrage! Ängste werden bei anderen geschürt, um die Umsetzung von Menschenrechten zu verhindern, weil Täter selbst nicht helfen wollen! Methoden des „Sich-vor-der-Verantwortung-drückens“ können durch den praktizierten Mut zum Normalen überwunden werden!

Widerwillen gegenüber den Menschen, die internationale Vereinbarungen wie das Recht auf Inklusion unterlaufen, müssen nicht unterdrückt werden. Wer die Rechte der Menschen ernst nimmt, sagt Sätze wie: „Das kann ich den Kindern nicht antun“, und nicht „Meine Eltern machen da nicht mehr mit“, „Meine Kollegen sind schon ausgelaugt“, „Da muss der Staat erst die Ressourcen stellen“ oder „Wir wissen nicht, wie das geht“!

Das sind Sprüche, die verhindern! Da wusste schon Pippi Langstrumpf besser: „Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!“

Akzeptiere die Würde jedes Menschen. Sorge dafür, dass jede und jeder Mensch so lernen und leben kann, wie sie es können.

Gert Becker, ein Kölner Kabarettist sagte einmal: „Nehmen wir die Schlange, ein Tier ohne Arme und ohne Beine. Lebt sie deswegen in einem speziellen Behindertengebüsch? In einem Ghetto-Wald mit anderen Handicap-Tieren? Nein, sie lebt ganz normal gemeinsam mit anderen Tieren mit Vierbeinern, Vögeln und Mäusen. Letztere hat sie sogar zum Fressen gern.“

Dabei geht es nicht darum Kinder zu verhätscheln und zu bespaßen, sie zu beschuldigen oder ihnen zu misstrauen, sie als bessere Menschen zu verklären, sondern Kinder als Menschen ernst zu nehmen.

Kinder sind keine Probleme, sondern Träger einer Aufgabe, die sie selbst lösen können und werden. Erwachsene helfen nicht mit Helfersyndrom, sondern wenn sie gefragt werden.
---„Begegnet jedem Menschen in Gleichwürdigkeit“ (Jesper Juul).

Erwachsene finden nicht für jedes Kind jede Lösung. Das Kind löst sich selbst. Erwachsene treten nicht beim täglichen Lernen der Kinder als Therapeuten, Sozialarbeiter, Politiker oder Psychologen auf. Sie sind für sich verantwortlich, nicht für das Lernen der Kinder.

Sie sind nicht die perfekten Tausendsassas! Ihre Aufgaben ist es, Kinder lernen zu lassen –  ohne sie allein zu lassen. Kinder finden, was sie zum eigenen Lernen brauchen.

Alle Menschen, ob Kinder, Erwachsene oder Alte, sind begabt. 

Der Mythos des angepassten fleißigen hochbegabten „Wunderkinds“ war der älteren Gesellschaft weniger ein Problem. Ein „neu“ entstandenes, oder nun erkennbares Problem unserer Gesellschaft ist, dass sie noch nicht gelernt hat mit widerstrebender kindlicher Intelligenz umzugehen. Wie sie angepasste Intelligenz anerkennt, so reagiert sie bei schwieriger Begabung gerne traditionell mit Tendenz zum Nichtverstehen und dem Ausschluss des Unbekannten.

Alternative erfolgreichere Bildungseinrichtungen wissen lange, dass sich fast alle Lernenden unter demokratischen, offenen und qualifizierten Bedingungen stabilisieren und entwickeln. Sie wissen, dass die Zahl der zu entdeckenden Teil- und individuellen Begabungen so wächst, dass die Begabungen jedes (!) Menschen erkennbar werden. Entscheidend ist, dass jedem Menschen seine eigenen ausgeprägten, auszuprägenden und weniger stark ausgeprägten Kompetenzen bewusst werden, um damit und daran arbeiten zu können.

Im Jahre 2000 brachte BMW den Bildungsfilm „Homo sapiens“ heraus, um festzustellen, dass die beste Hochbegabtenförderung „die Förderung aller auf Verdacht“ ist.

Kindern in ihrer Selbstbildung und Selbstbestimmung begegnen

Doch zurück zu den Kindern. Viele erscheinen hilflos. Sie scheinen überfordert vom Anspruch der sie umgebenden Erwachsenenwelt. Gleichzeitig geben sie sich gelangweilt vom schlechten Angebot der Medien, der schulischen Lernumgebung und dem Zeitmangel ihrer wichtigsten Beziehungspersonen. Bei vielen erkennen wir Verzweiflung, Aggression, den Rückzug in eine eigene Welt, in die des Computers oder in die der Freunde. Ihnen scheinen Beziehungs- und Entwicklungserfahrungen als begleitetes Aufwachsenkönnen zu fehlen. Oft trauen sie weder sich selbst noch ihrer Mitwelt. Einige von ihnen scheinen den Dialog mit der sie umgebenden Welt zugunsten eines inneren Dialogs aufgegeben zu haben. Dieser innere Dialog scheint ihre Welt zu bilden, in der sie zu Recht kommen wollen, was uns wiederum als „Omnipotenz“ oder Verweigerung begegnet. Die Alternative ist ihnen als kompetente Erwachsene in ihrer Selbstbildung und Selbstbestimmung zu begegnen.

Kinder schaffen sich gerne eigene – oft schwer erreichbare Wissensgebiete und zeigen defizitäres Desinteresse in klassischen Lehrbereichen oder Lernanforderungen. Sie reagieren damit, dass sie zunächst, oft für lange Zeit einfach in Ruhe gelassen werden wollen.

Es gibt gesellschaftliche Versuche jene „schwierigen“ Begabteren auszuschließen, indem „Leistungsbereitschaft“ zum Kriterium der „Hochbegabung“ ernannt wird, nach dem Motto: „Wenn der Mensch intelligent ist, dann arbeitet er auch!“

Inklusionseinstellung wächst mit Inklusionspraxis.

Entscheiden Sie sich gegen ein solches Verständnis von „Integration". Unterstellen Sie jedem Menschen als ureigenes menschliches Prinzip die Bereitschaft zum Lernen. Überzeugen Sie Kinder davon, dass eigenständiges Lernen auch für Menschen, die bevorzugen, alles sofort zu können, zu lernen ist. Geben Sie ihnen ihren Raum und ihre Zeit zum Leben und Lernen. Geben Sie Orientierung über Lerngelegenheiten, die Schlüssel zum Öffnen der Türen zur Welt. Seien Sie selbst authentische Persönlichkeiten, die selber lernbegierig sind. Lernen Sie mit. Lehrkräfte sind Sie erst, wenn sie Lernkräfte sind.

Oft müssen Kinder von heute sozial-emotionale Erfahrungen der Kleinkindphase nacharbeiten, oft leben sie „in anderen Sphären.“ Begabte, Kinder, Menschen, die zum eigenen Denken und Fragen angeregt werden, große Fantasie oder Sorgen haben, können und dürfen einsam sein. Es fehlt ihnen oft, vor allem in der Schule mit Durchschnittsstrukturen, an Partnern, Freunden oder auch Erwachsenen, die ihnen „gewachsen“ sind. Wenn wir an Inklusion, Demokratie und dem Lernen selbst arbeiten, wächst bei den Gleichaltrigen das Verständnis für jedes Anderssein. Die Inklusionseinstellung wächst immer mit der Inklusionspraxis. Wir Erwachsenen sollten mehr mit einander reden, um „unsere“ Kinder besser zu verstehen. Kinder müssen nicht unsere Freunde werden. Sie selbst wollen erwachsen werden.

Viele Erwachsene glauben im besonderen Maße ein „wohl ausgewogene Gleichgewicht von Liebe und Grenzziehung im erzieherischen Bereich“ schaffen zu müssen. Aus der Sicht der Kinder müsste darüber nachgedacht werden, dass es eher ein Grundbedürfnis von Kindern ist, mit Erwachsenen kooperieren zu wollen, und dass wir gerade erst beginnen, zu dieser Kommunikation und Kooperation fähig zu werden.

Janusz Korczak beschrieb dies einmal mit den Worten „Ihr sagt: ‚Der Umgang mit Kindern ermüdet uns’. Ihr habt Recht. ‚Denn wir müssen zu ihrer Begriffswelt hinuntersteigen. Hinuntersteigen, uns herabneigen, kleiner machen.’ Ihr irrt Euch. Nicht das ermüdet uns. Sondern dass wir zu ihren Gefühlen empor klimmen müssen. Empor klimmen, uns ausstrecken, auf die Zehenspitzen stellen, hinlangen, um nicht zu verletzen." Und weiter warnte er:  „Es ist einer der bösartigsten Fehler anzunehmen, die Pädagogik sei die Wissenschaft vom Kind – und nicht zuerst die Wissenschaft vom Menschen“.

Sie brauchen kein wohl ausgewogenes Verhältnis von „altmodischer“ systematischer Übungskultur und dem Angebot „moderner“ Arbeitsformen selbständiger, selbst organisierter Formen des projektorientierten Lernens. Gerade jene, die sich in Grenzsituationen der Krise ihres Lernens, Verhaltens und Aufwachsens befinden, würden diese „Behandlung“ nicht zulassen. Sie würden die Erwachsenen zwingen, sie zum Lernen zu zwingen. Sie spielen das Spiel gelangweilt mit, - um abzutauchen oder verweigern sich.

Das Verhalten vieler Kinder ist geprägt von hohem Individualismus, höchster Sensibilität in Fragen der Selbstentscheidung, hohem Lernanspruch, aber auch oft kindlichem Verhalten, hoher sozialer und psychischer Empfindlichkeit bei gleichzeitiger sozial-psychischer  „Unaufmerksamkeit“ bis hin zu sporadisch oder systematisch auftauchenden Verweigerungsreaktionen.

Gleichschrittiger Unterricht oder vorgegebene Lehrprogramme, die glauben zu wissen, was Menschen wann und wie lernen müssen, passt nicht zu den Kindern von heute. Jedes Kind entwickelt sein eigenes Lernprofil, formt seine eigene Lernerpersönlichkeit. Für jedes Kind gilt, dass die es begleitenden Erwachsenen und zuallererst es selbst die ureigensten Bedürfnisse und Lernwege seiner selbst herausfindet.

Das zu lernen ist Aufgabe der Inklusion und verwirklicht Inklusion. Die Begriffe „Inklusion“ und „Freiheit“ gibt es nur solange wie es Unfreiheit gibt.