Piamaria Rabensteiner

2. 1. 3. Der Weg in die Moderne

Nach der napoleonischen Zeit stand die Kolonialisierung im Vordergrund politischer Aktivitäten, die Demokratie im krassen Gegensatz zu den imperialistischen Interessen. Erzogen wurde demnach nicht zur Mündigkeit des Bürgers, sondern eher zum Soldatengehorsam. Bildung für alle wurde in der damaligen Zeit nur zögernd im Rahmen ökonomischer Notwendigkeiten Großgrundbesitzern, militärischen Kreisen und dem reaktionären Adel von der sich entwickelnden Industrie und demokratischen Kräften abgerungen. Das aufkommende Bildungsbürgertum mit seinen Dichtern, Philosophen und Wissenschaftern (Friedrich von Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottlieb Fichte, Georg Willhelm Friederich Hegel, Alexander und Wilhelm von Humboldt, Immanuel Kant, Friedrich Schleiermacher u. v. m.) – Trägern von demokratischer Bildung, die weit über das zu Erreichende hinauswies – setzte sich nicht nur mit Bildungsfragen auseinander, sondern auch mit den unterschiedlichen Partizipationsmodellen. Innergesellschaftliche (wirtschaftliche und soziale) Krisen zeichneten als Ursachen für die Revolution von 1848 verantwortlich. Trotz der Niederschlagung der Revolutionen war das Fortschreiten der Demokratisierungsbewegung nicht mehr aufzuhalten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es „von der handarbeitsorientierten zur maschinellen Produktion bzw. von der handwerklichen zur maschinengestützten Arbeit …“ 1

 

Sollte die kleinbürgerliche Demokratie, der bürgerliche Liberalismus, zu Ende gehen, müssten die Interessen des aufkommenden Arbeiterstandes gesellschaftspolitisch Berücksichtigung finden. So fand Ferdinand Lasalle (ähnlich wie Marx), dass eine Demokratie nur dann gelingen könne, „wenn sie sich von ihrer bisherigen handwerklichen Basis löse und sich auf die Interessenslagen der proletarischen Industriearbeiterschaft einstelle 2. So lautete eine seiner wichtigsten Forderungen an die absolutistisch geführte Monarchie, dass den Männern das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht als Zeichen ihrer politischen und gesellschaftspolitischen Teilhabe zugestanden wird. So glaubte er, dass die Demokratie einen proletarischen Inhalt bekäme, „sobald im Parlament proletarische Mehrheiten die Regierungsgewalt übernehmen und die demokratischen Institutionen im Interesse der Arbeiterschaft instrumentalisieren 3. Karl Marx hingegen forderte eine Demokratie, „die über die bürgerliche Gesellschaft hinausweist … und im Sinne von Auflösung der Trennung von Staat und Gesellschaft verstanden 4 wird. „Echte Freiheit und echte Gleichheit könnten erst nach Überwindung des Kapitalismus verwirklicht werden 5, spiegelte seine Auffassung wieder. So meinte Marx: „Die Demokratie, das ist heutzutage der Kommunismus …“ 6, während Engels dies folgend präzisierte: „Die Demokratie ist proletarisches Prinzip.“7

 

Wer waren nun die damaligen Träger demokratischer Erziehung und wo blieb die Fortbildung? Die Arbeiterbewegung, der 4. Stand, formierte sich. Es entstanden Arbeiter- und Arbeiterbildungsvereine. Der Zusammenschluss der Arbeiterschaft resultierte nicht alleine aus der Forderung heraus, bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, bessere Löhne, gerechtere Arbeitszeiten u. v. m. zu erhalten, sondern verstärkt in den Genuss besserer Bildung zu gelangen. Demokratische Erwartungen und demokratische Ziele wurden im Sinne: „Der Kapitalismus benötigt gebildete Menschen“, formuliert. Dass demokratische Haltungen gebildet werden müssen, finden sich bei den philosophischen Überlegungen John Deweys wieder. Bildung als eine Möglichkeit, sich von der privilegierten Oberschicht, der herrschenden Gesellschaft, zu befreien, sahen im 20. Jahrhundert neben Reformpädagoginnen und -pädagogen auch christliche, liberale und humanistisch-orientierte Bildungspolitiker als unbedingte Notwendigkeit an. Die Schule als Ort der Wissensvermittlung blieb aber autoritär.

 

In Österreich wurden bereits zur Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie Parteien gebildet. So schloss sich nicht nur die arbeitende Bevölkerung, die in der sozialdemokratischen Partei ihre Interessen vertreten haben wollte, zusammen, sondern ein Teil der Bürger schloss sich dem christlichsozialen oder der deutschnational-liberalen Lager an und die Zeit der Massenparteien begann. Im 20. Jahrhundert wuchsen „politische Märkte heran, auf denen Wählerstimmen, politische Programme und Problemlösungsversprechen gehandelt wurden. Hinzu kamen die Parlamentarisierung, wodurch die Rolle der Parlamente bei der Interessenbündelung und der Kontrolle des Regierungshandelns gestärkt wurde, sowie die Einbettung semidemokratischer oder demokratischer Arrangements in verfassungsstaatliche Strukturen 8.

 

Auf der einen Seite entwickelten sich die ökonomischen, pluralistischen und führerorientierten Demokratietheorien, während „die Anhänger der partizipatorischen Demokratietheorie auf Maximierung politischer Beteiligungschancen der Bürger und auf zivilgesellschaftliche Demokratisierungspotenziale 9 setzten. „Ohne Bündelung der diffusen gesellschaftlichen Interessen könne von einem Volk als der Basis der Demokratie heute nicht mehr die Rede sein … Die Demokratie ist notwendig und vermeidlich ein Parteienstaat. Darum ist die Entscheidung über den Parlamentarismus zugleich die Entscheidung über die Demokratie...“10, war auch die Meinung des österreichischen Verfassungsrechtlers Hans Kehlsen.

 

2. 1. 4. Der Demokratiebegriff in der Postmodernen

Nach dem 1. Weltkrieg konnten die Großindustrie und die Staatsbürokratie ihren Einfluss ausbauen. Demokratisierungsprozesse in Österreich traten durch die beiden Vertreter Otto Bauer und Max Adler wieder in den Vordergrund. Bauer setzte bei seinen Überlegungen “nicht nur auf die institutionellen, parlamentarischen Machtfaktoren, sondern auch auf die außerparlamentarischen und außerinstitutionellen Potentiale …“ 11 Der zunehmende Einfluss der Banken, der Großindustrie und deren Verbände auf die politische Exekutive wurde immer deutlicher. Widersprüchliche Demokratietheorien, zum Teil auch ausgelöst durch die globalen Wirtschaftskrisen, durch die Verdrängung der alten Demokratien, entstanden.

 

Joseph Schumpeter (1883-1950) vertrat die Ansicht, „dass in Wirklichkeit die Masse der Bevölkerung durch, ein vermindertes Verantwortungsgefühl, ein tieferes Niveau der Denkenergie und ein größere Empfänglichkeit für nicht-logische Einflüsse’ gekennzeichnet sei’ 12. Für ihn bedeutete Demokratie nur, dass „das Volk die Möglichkeit hat, die Männer, die es beherrschen sollen zu akzeptieren oder abzulehnen 13. Die Politiker verglich er mit Geschäftsmännern und Unternehmern, die mit Politik als Ware handeln. „Ist das letzte Motiv des Unternehmers die Gewinnmaximierung, so treibt den Politiker die Akkumulation von Wählerstimmen in die politische Arena, um seine persönliche Macht zu steigern. 14 Schumpeter, der als bedeutendsten Demokratietheoretiker des 20. Jahrhunderts angesehen wird, erkannte das, was heute in der Postmodernen noch immer gilt, nämlich, dass der politische Prozess ständig in ständiger Gefahr sei, vom Kampf zwischen den Interessengruppen überwuchert zu werden. Politik galt für ihn als ein Markt, auf dem die Gebrauchswerte zum Zweck der Vermehrung abstrakter Tauschwerte, wie Machterwerb und -erhalt seitens der Politiker und Vorteilserlangung seitens der Wähler, gehandelt werden. Der Konkurrenzkampf um die Macht und um die unterschiedlichen Ämter erfülle seine gesellschaftliche Funktion durch das Herausgeben von Gesetzen und Verordnungen. So ging es seiner Meinung nach in der Demokratie „nicht vorrangig als Selbstbestimmung, Machtteilhabe, Streben nach Gemeinwohl oder Repräsentation, sondern darum, politische Produkte im Tausch gegen Stimmen zu verkaufen 15. Demokratie wurde als Methode angesehen, als „diejenige Ordnung der Institutionen zur Erreichung politischer Entscheidungen, bei welcher einzelne die Entscheidungsbefugnis vermittels eines Konkurrenzkampfes um die Stimmen des Volks erwerben 16. Demokratie müsse – und hier brachte er die Führungsrolle ein – wenn es um ihre Bewahrung und die Stärke gehe – geschützt werden.

 

Zu den ökonomischen Demokratietheoretikern Max Weber (1864-1920) und Joseph Schumper gesellte sich Anthony Downs (* 1930). Dieser sieht politische Parteien als Vereinigung von Personen, die danach streben, „durch den Machterwerb in verfassungsgemäß abgehaltenen Wahlen den Regierungsapparat unter Kontrolle zu bringen 17. Die ökonomische liberale Demokratie sah er darin gegeben, dass bei der Regierung in der demokratischen Gesellschaft, in der auch periodische Wahlen abgehalten werden, das Hauptziel der Regierenden ihre Wiederwahl darstellt. Dieses Ziel verfolgt auch die Partei, die nicht als Wahlgewinnerin aus der Wahl aussteigt. Die Wähler ihrerseits sind an ihrer individuellen Nutzenmaximierung interessiert. 18 Er stellte auch folgende Behauptung auf: „Viele wichtige Entscheidungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung werden nicht im Parteien- oder Regierungssystem getroffen, sondern außerhalb des vom Wahlmechanismus erfassten Bereichs, beispielsweise im Zusammenspiel von Verbänden und Staat, in den Entscheidungsgremien einer Zentralbank oder in den Gremien einer autonomen Verfassungsgerichtsbarkeit 19.

 

Es entwickelten sich im Laufe des 20. Jahrhunderts unterschiedliche Demokratietheorien, deren Hauptströmungen die „Soziale Demokratietheorie“ die „Partizipatorische Demokratietheorie“, „Kritische Demokratietheorie“, und die „Komplexe Demokratietheorie“, die „Empirisch-analytische Demokratietheorie“ darstellen. Aufgrund der Fülle an unterschiedlichen Theorien der Postmodernen wird exemplarisch nur auf die „Partizipatorische Demokratietheorie“ eingegangen. Dies deshalb, weil vor allem auch beim Demokratie-Lernen in der Schule auf Deliberation, auf die argumentative Kommunikation Wert gelegt wird.

 

So wird bei der „Sozialen Demokratietheorie“ der Auf- und Ausbau von Rechtsansprüchen auf Sozialleistungen, sowie die Einbeziehung autonomer demokratischer Interessensorganisationen in Gesellschaft und Wirtschaft verstärkt untersucht. Die „Partizipatorische Demokratietheorie“ zielt auf eine hohe Beteiligung der Wählerinnen und Wähler ab, wobei sie auf die Entwicklung eines demokratischen Verhaltens und einer demokratischen Entscheidungskompetenz Wert legt. Jürgen Habermas (*1929), als ihr Hauptvertreter, sieht in einem demokratischen Verfahren wie es das Mehrheitsprinzip darstellt, nicht nur, dass eine Mehrheit herrscht, sondern vor allem die Möglichkeit, im Vorgang der Meinungsbekundung, Erörterung, Aussprache und das Bemühen, andere zu überzeugen. 20 So sieht er in der prozedualistischen Demokratie Folgendes: 1. eine funktionierende bürgerliche Gesellschaft, 2. freiwillig eingegangene nichtgouvernementale und nichtwirtschaftliche Zusammenschlüsse und Assoziationen in der Zivilgesellschaft, in der ein Gemeinsamkeitsglaube im Sinne einer Erfahrungs-, Erinnerungs- und Kommunikationsgemeinschaft besteht, 3. die rechtsstaatliche, institutionalisierte und freiheitliche Meinungs- und Willensbildung im Parlament und in den Gerichten. Als Voraussetzungen dafür gelten neben der Öffentlichkeit, der Mitbestimmungs- und Mitspracherechte der Bürgerinnen und Bürger, vor allem die „Zähmung der Medienmacht 21, aber auch Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die befähigt werden müssen, gleichzeitig als „Autoren und Adressaten des Rechts 22 zu agieren. 23 Werden hier meiner Meinung nach die positiven Elemente der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung angesprochen, muss aber auch kritisch betrachtet werden, dass dabei „wenig über die realgesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, unter denen solche Diskurse überhaupt zustande kommen, aufrechterhalten und in entscheidungsfähige Alternativen gegossen werden können“, nachgedacht wurde. 24

 

Die partizipatorische Demokratietheorie hält weiters fest, dass die Ressourcenausstattung, die Einstellung zu Politik und der Glaube an die Wirksamkeit eigenen politischen Handelns eine erhöhte Partizipationsbereitschaft ausmachen. Die Ressourcenausstattung beinhaltet die positiven Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem demokratischen politischen System und die Meinung, dass ihre politischen Aktivitäten „gehört“ werden. Je höher das Bildungsniveau und das Einkommen sind, desto höher ist auch die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren. Je stärker diese Ressourcenausstattung ist, desto positiver sind die Einstellungen zur Politik. 25 Angesichts dieser Erkenntnis wird an dieser Stelle nochmals auf die Notwendigkeit verstärkter Bildungschancen für alle, verstärkter „Politischer Bildung“ und verstärkten Demokratie-Lernens in der Schule hingewiesen. Durch die verbesserten Bildungschancen in den 60er- und 70er-Jahren kam es zu einer verstärkten Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung bei Friedens- und Umweltschutzbewegungen. Anil K. Jain hält in seinem Artikel „Subpolitik als Metapolitik“ zur Wirklichkeit des Politischen fest: „Politik ist nicht mehr der einzige Ort oder auch nur der zentrale Ort, an dem über die Gestaltung der gesellschaftlichen Zukunft entschieden wird.“ 26

 

Die Postmoderne hat – als Folge der Globalisierung – einen neuen Lebens- und Arbeitsstil entwickelt: Alles geht schneller, alles ist kurzlebiger, alles dauert nur für jene Zeit, die notwendig ist, um kurz- und mittelfristige Ziele zu erreichen: Glück im privaten Leben, Erfolg und Reichtum vielleicht, die Entwicklung und Produktion eines neuen Automodells in der Arbeitswelt. Dann werden die karten neu gemischt. Nichts ist auf Dauer gebaut … Das Tempo der Globalisierung hat dazu geführt, dass das Leben viel schneller und viel unsicherer geworden ist. Für klassische Institutionen bleibt da wenig Platz.“ 27 Der Demokratiebegriff im Zeitalter der Postmodernen ist geprägt durch das Spannungsverhältnis zwischen dem Mensch als Träger demokratischer Haltungen auf der einen Seite und dem politischen System unter der Herrschaft von Banken, der Wirtschaft, der Industrie, der Medienindustrie, der Konzerne usw. auf der anderen Seite. Innerhalb dieses Zusammenspiels pendeln humanitäres Rechtsverständnis und die vom Staat und von der Gesellschaft geforderten Bildungsideale hin und her. Bildung als gesellschaftlicher Auftrag durch öffentliche Institutionen steht einer immer stärker werdenden Privatisierung von Bildung gegenüber. Sollten die Staatsschulen zu „Armenschulen“ degradieren? Mehr Beweglichkeit innerhalb des starren Systems Schule, eine Verflechtung internationaler Bildungsangebote und der Austausch darüber wird durch die Europäische Union durch ihre Bildungsprogramme forciert.

 

Es wurde im Rahmen der Arbeite bereits festgehalten, dass vor mehr als 2600 Jahren durch Solons Reformen die Bauern und Armen durch die Schuldenabschüttelung von deren Schuldknechtschaft befreit wurden. Damals wurde die Entschuldung durchgeführt, um Bevölkerungsteilen politische Partizipation zu ermöglichen und um ausgewählte Bevölkerungsschichten an gesellschaftspolitischen Entscheidungen teilhaben zu lassen. Der Zustand in der Postmodernen zeigt sich in der Form, dass Staaten bei der Industrie, bei Banken, bei internationalen Großkonzernen usw. verschuldet sind. So muss man sich heute die Frage stellen, wer die Staat von deren Schulden befreit. Weiters tut sich folgende Frage auf, wie heute Demokratie funktionieren soll, wenn die Stützen des Staates, die Träger des Staates, verschuldet sind, die Staatskassen leer sind. Könnten nicht auch die großen Wirtschaftskonzerne, die Banken, „das Kapital“, … ihre Gewinne anstatt einer Gewinnmaximierung durch gerechte Aufteilung auf dem Scheideweg von der Wissensgesellschaft in die Informationsgesellschaft, die Zivil- und Humangesellschaft unterstützen, Millionen in Bildung investieren, anstatt kriegerische Auseinandersetzung direkt oder indirekt zu finanzieren und die Rüstungsindustrie zu stärken. Im Sinne einer humaneren Welt könnten soziale Ungerechtigkeiten hier wie dort ausgeglichen werden, Menschen in den Ländern der dritten Welt müssten nicht ausgebeutet werden, Kinderarbeit nicht mehr an der Tagesordnung stehen. Nach der Erkenntnis, dass die Demokratien Frieden im Inneren sichern können, wäre es eine Aufgabe der Postmodernen, entsprechend der jeweiligen historischen Gegebenheiten, in derzeit kriegerischen Ländern nach friedlichen Lösungen zu suchen und die Installierung demokratisch gewählter Volksvertreterinnen und Vertreter zu sichern. Die Frage stellt sich, ob dies jedoch im Sinne der Macht- und Wohlhabenden ist.

 

3. EMPIRISCHER TEIL

3. 1. Forschungsmethode

Empirische Untersuchungen beruhen auf Erfahrungen. Ob sich die durchgeführten empirischen Untersuchungen als qualitätsvoll herausstellen, zeigt sich daran, inwieweit die Ergebnisse in einem bestimmten Wissensbereich einen bereits vorhandenen Wissensstand dadurch erweitern. 28 Der persönliche Zugang, neue und aus der Arbeit gewonnene Erkenntnisse für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung zu gewinnen, stellten den Ausgangspunkt meiner Forschungen dar. Im Vorwort wurde bereits festgehalten, warum ich mich mit dem Thema „Demokratie-Lernen“ näher auseinander setzen wollte. Dabei ging es mir auch darum, zu untersuchen, ob meine Wahrnehmungen – die sich bei den vielen Hospitationen an der Grundschule Harmonie bezogen auf demokratische Umsetzungsmöglichkeiten im Schulalltag ergaben –, mit denen anderer Hospitantinnen/Hospitanten übereinstimmen oder ob sich diese von ihnen unterscheiden. Die forschungsleitenden Fragen wurden aufgestellt und nach den geeigneten Messinstrumentarien wurde gesucht.

 

Die Methoden der empirischen Datenerhebung haben die Funktion, Ausschnitte der Realität, die in einer Untersuchung interessieren, möglichst genau zu beschreiben oder abzubilden. Im Vordergrund bei den sog. quantitativen Methoden steht die Frage, wie die zu erhebenden Merkmale operationalisiert bzw. quantifiziert werden sollen.“ 29 Die gebräuchlichsten Methoden quantitativer Datenerhebungsmethoden stellen „,Zählen…’, ,Urteilen…’, ,Testen…’, ,Befragen…’, ,Beobachten…,’“ 30 dar. Zum meistangewandten Instrumentarium der quantitativen Methoden der Datenerhebung zählt die Befragung, die in meinem Fall in Form einer schriftlichen Befragung durchgeführt wurde. Bei der schriftlichen Befragung (Datenerhebung mittels Fragebogen), erhielten die Probandinnen/Probanden die schriftlich gestellten Fragen, die von ihnen selbständig zu beantworten waren.

 

Der Fragebogen wurde von mir an den Schulleiter der Grundschule Harmonie gemailt, da er auf die e-mail-Adressen der Hospitantinnen/Hospitanten, die an seiner Schule hospitierten, zurückgreifen konnte. Im Gegensatz zu dem üblichen postalischen Weg erhielten demnach die Probandinnen/Probanden den Fragebogen via e-mail als Attachement mit der gleichzeitigen Bitte, diesen direkt an mich zu retournieren. Für den Rücklauf wurden ihnen sowohl meine private e-mail-Adresse als auch meine „Dienst-e-mail-Adresse“ bekannt gegeben.Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Siegen, der gleichzeitig an der Grundschule Harmonie als Lehrer tätig ist, sandte den „attachten“ Fragebogen an Hospitantinnen/Hospitanten weiter. Diese waren ihm aufgrund seiner Lehrtätigkeit an der Universität Siegen bekannt und hospitierten zuvor an der Grundschule Harmonie.

 

Da die Probandinnen/Probanden über eine e-mail-Adresse verfügten, konnte bei der Zusendung des Fragebogens angenommen werden, dass sie regelmäßig in ihren „elektronischen Postkasten“ sehen, den Umgang mit dem PC gewohnt sind, das Dokument ausfüllen, danach abspeichern und den ausgefüllten Fragebogen auf einfachem und direktem Wege an mich mailen können. Sollte jemand die Variante wählen, die Fragen zu beantworten, den ausgefüllten Fragebogen auszudrucken und auf postalischem Weg an mich zu senden, war dies ebenso möglich. Von den 256 versandten Fragebögen wurden diese von 47 Hospitantinnen und Hospitanten – das sind 18,4 Prozent – ausgefüllt und kamen via e-mail oder postalisch als Rückmeldungen zurück.

 

In einem Begleitschreiben wurde den Hospitantinnen/Hospitanten mitgeteilt, dass ich für den Fragebogen verantwortlich und zuständig bin. Weiters erhielten sie die Information, dass auf deren Beobachtungen, Eindrücke und Erkenntnisse, die sie während und nach der Hospitation an der Grundschule Harmonie gewannen, im Rahmen der vorliegenden Dissertation zurück gegriffen wird. Die Ergebnisse sollten im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit veröffentlicht werden, die daraus gewonnenen Erkenntnisse aber auch der Grundschule Harmonie für ihre weitere Schulentwicklung und Weiterarbeit an ihrem Schulkonzept zur Verfügung gestellt werden. Aus diesem Grund wurden die Hospitantinnen/Hospitatnen gebeten, den Fragebogen auszufüllen. Bei der Erstellung des Fragebogens wurde darauf geachtet, dass der „… 3. Verwendungszweck der Informationen, 4. Antwortappell, 5. Rücklauftermin, 6. Anleitung zum Ausfüllen des Fragebogens, 7. Zusicherung der Anonymität, … 9. Dank für die Mitarbeit, 10. Beschreibung des Auswahlverfahrens (Hervorhebung jeder einzelnen, individuellen Antwort) …“ 31 den Probandinnen/ Probanden klar war. Von den 47 Fragebögen, die an mich zurück gesandt wurden, wurden fünf auf postalischem Weg übermittelt, wobei nur einer davon keine Adressenangabe aufwies. Dies fiel auf. Bei den 37 elektronisch eingelangten Rückmeldungen war nicht nur der Fragebogen angehängt, sondern die Probandinnen/Probanden unterzeichneten diesen auch noch mit ihrem Namen. Fünf elektronisch eingelangte Rückmeldungen erhielten nur den beigefügten Fragebogen.

 

Der Fragebogen enthielt 30 Items, wobei bei 14 Items die Antwortvorgaben vorlagen und bei 16 Fragestellungen offene Frageformulierungen vorzufinden waren. Es wurde bei den Fragen versucht, diese neutral zu formulieren. Die geschlossenen Fragestellungen erleichterten zeitmäßig das Auswerten, die offenen Fragestellungen ergaben bei der Auswertung der Fragebögen zeitaufwendige Kategorisierungsarbeiten. Im Fragebogen wurden ganz bewusst die offenen Fragestellungen verwendet, um authentische, persönliche Beobachtungen der Schulrealität, wie sie die Probandinnen/Probanden wahrnahmen, zu erhalten.

 

Fällt auf der einen Seite die Fragebogenerhebung in den Bereich der quantitativen Sozialforschung, kann sie auf der anderen Seite aber auch der qualitativen Datenerhebungsmethode zugezählt werden, obwohl offene oder halbstandardisierte Befragungen „nur selten schriftlich durchgeführt (werden), da Probanden eher zu mündlichen Äußerungen bereit und in der Lage sind als zum Anfertigen von schriftlichen Ausarbeitungen … Schriftliche Äußerungen sind weniger spontan, besser durchdacht und erschöpfender; sie werden jedoch vom Respondenten als anstrengender und schwieriger erlebt als mündliche Äußerungen. Halbstandardisierte schriftliche Befragungen operieren z. B. mit der Technik der offenen Fragen (Fragen ohne vorgegebene Antwortalternativen) oder mit Satzergänzungsaufgaben. 32

 

Die offenen Fragestellungen wurden absichtlich gewählt, um durch die freie Assoziationsmöglichkeit der Probandinnen/Probanden bei deren Antworten ein umfangreiches Bild ihrer persönlichen Wahrnehmungen zu erhalten. Vom Erkenntnisinteresse geleitet, deren persönliche Sichtweise zum Thema Demokratie-Lernen zu erhalten und diese in aussagekräftigerer Form interpretieren zu können, wurde ein „Methodenmix“ vorgenommen. Dieser erscheint auch von der Literatur her als eine gängige Möglichkeit zu sein, zu Daten zu gelangen. „In der Regel wird eine empirische Untersuchung nicht mit nur einer dieser – gemeint sind die quantitativen Methoden – Erhebungsarten auskommen; viele Untersuchungen erfordern Kombinationen…“ 33, die in einer statistischen Auswertung münden. Eine Kombination zwischen Datenerhebungsmethoden der qualitativen Sozialforschung kann ebenso erfolgen. So fallen in den Bereich der qualitativen Forschung nicht nur die Interviews, die Beobachtungstechniken, die Analyse von Dokumenten und weiterer unterschiedlicher kultureller Gegenstände, sondern auch die Film- und Fotoaufzeichnungen, die Selbsterfahrung, das Datenmanagement und die Datenanalyse, die computerunterstützte Analyse und die Inhaltsanalyse. 34 Die Beobachtungen bilden die Basis der empirischen Sozialforschung. Besonders bei einfachen Feldbeobachtungen und aufwendigen Datenerhebungsmethoden, so wie es z. B. bei der Befragung mittels Fragebogen der Fall ist, werden die empirischen Sozialforschungsmethoden angewandt. Dabei muss zwischen dem beobachteten Sachverhalt – in dem Fall eines kleinen Ausschnitts aus einem Schulalltag –, sowohl die materiellen als auch personellen Beobachtungen inkludierend, als auch den eigenen Sichtweisen oder Vermutungen der Probandinnen/Probanden unterschieden werden. Die subjektiven Beobachtungen, die die Probandinnen/Probanden tätigten, mussten durch ihre Verschriftlichung danach objektiviert werden, um im Gegensatz zu den naiven Alltagsbeobachtungen als wissenschaftliche Beobachtungen zugelassen zu werden. Die Verschriftlichung ermöglicht es dann einer/ einem Dritten, die von den Probandinnen/Probanden getätigten Beobachtungen nachzuvollziehen und daraus eigene Schlussfolgerungen zu treffen. Durch die qualitative Datenerhebungsmethode der Befragung und Beobachtung werden dadurch auch die subjektiven Einstellungen der Probandinnen/Probanden kennen gelernt. 35

 

Eine Kombination zwischen quantitativen und qualitativen Datenerhebungsmethoden erschien mir bei meiner Untersuchung sinnvoll, weil durch den qualitativen Ansatz die Datenauswertung auf einer breiten Interpretationsbasis erfolgen konnte. Wird einerseits mit Hilfe von Messwerten, die für statistische Zwecke benötigt werden, gearbeitet, können andererseits Verbalisierungen des Forschungsergebnisses interpretativ erfolgen. Mit Hilfe des qualitativen Verfahrens konnten zwar keine Daten in Form standardisierter Techniken gewonnen werden, die auf andere Bereiche übertragbar sind, jedoch wurden bei dieser Forschungsmethode Fragen zu einem bestimmten Themenbereich speziell vorbereitet.

 

Die Fragebögen, die entweder postalisch oder via e-mail an mich zurück gesandt wurden, wurden sofort nach ihrem Eintreffen mit einer Nummer versehen. Sowohl die Ankreuzantworten als auch die freien Assoziationen wurden sogleich in einem eigenen dafür angelegten Dokument am PC eingetragen. Auf ein Erinnerungsschreiben mit der nochmaligen Bitte, den umfangreichen Fragebogen auszufüllen, wurde nicht vergessen. Das Schreiben wurde jedoch nicht an die Probandinnen/ Probanden gesandt, da sich mittlerweile – die Ferien hatten bereits begonnen – auch mein so genannter „Mittelsmann“, der Schulleiter, auf Urlaub befand. Aufgrund der Datenfülle, die sich durch die Beantwortung der offenen Fragen ergab, wurden bei diesen nach Abschluss des Fragebogenrücklaufs Kategorien innerhalb der unterschiedlichen Items gebildet.

 

Bei der Auswertung wurde bei der Zitation der Probandinnen- und Probandenmeinung nicht auf das Zufallsprinzip zugegriffen, sondern bei der Auswahl wurde darauf geachtet, „dass die Auswahlprinzipien transparent gemacht werden, so dass nicht der Eindruck entsteht, es seien nur die prägnantesten bzw. ,stimmigsten’ Zitate ausgewählt worden.“ 36 Ebenso wurden die kritischen, nicht konform gehenden und widersprüchlichen Zitate bei der Auswertung verschriftlicht. Die Meinungen der unterschiedlichen Hospitantinnen/Hospitanten wurden miteinander verglichen und Aussagen, die die forschungsleitenden Fragen betrafen, wurden interpretiert. Aufgrund der 47 Rückmeldungen war mir klar, dass diese Untersuchung zwar nicht repräsentativ, verallgemeinerbar und objektiv sein kann. Nichts desto Trotz spiegeln die Aussagen der 47 Probandinnen/Probanden ein sehr abgerundetes, einheitliches, positives Bild, das von ihnen aufgrund der Hospitation an der Grundschule Harmonie mitgenommen wurde, wider.

 

Die Gütekriterien, die sowohl bei der qualitativen als auch quantitativen Datenerhebung gefordert werden – Objektivität 37, Reliabilität und Validität – wurden bei der Abfassung dieser Arbeit ebenso berücksichtigt. Jürgen Bortz und Nicola Döring (2005) halten fest, dass sowohl in der quantitativen als auch in der qualitativen Forschung die Validität „als das wichtigste Gütekriterium einer Datenerhebung 38 gilt. Gibt eine Probandinnen/gibt ein Proband ehrliche und authentische Aussagen ihrer/seiner eigenen Sichtweise wider, wird der Sachverhalt realitätsnah wahrgenommen, bezieht die Forscherin/der Forscher die Interpretationen auf die Beobachtungen und Aussagen der Probandinnen/Probanden, kann sie/er sich auf zusätzliche Beobachtungen usw. beziehen, wird bei einer Untersuchung das untersucht, was wirklich untersucht werden will, dann werden auch Interpretationen „nicht der Intuition überlassen bleiben 39. Das dritte Gütekriterium stellt die Reliabilität dar, „die den Grad der Genauigkeit“ der Untersuchung angibt.

 

Aufgrund der hier vorliegenden Rückmeldung von 47 Hospitantinnen/Hospitanten kann im Rahmen dieser Arbeit kein Anspruch darauf erhoben werden, dass die Forschungsergebnisse objektiv sind – die subjektiven Ansichten der Probandinnen/Probanden wurden dabei erfasst. Trotzdem können aufgrund deren Aussagen Ableitungen vorgenommen, Vermutungen aufgestellt und Forderungen erstellt werden.

 

3. 1. 1. Vorannahmen und forschungsleitende Hypothese

Die Zielgruppe derer, die mit Politischer Bildung in Berührung kommen, stellen im schulischen Alltag unweigerlich die Schülerinnen und Schüler ab der ersten Schulstufe, dar. Die Themen im Rahmen der Politischen Bildung umfassen dabei alle sozialen Situationen unseres Zusammenlebens innerhalb der Gesellschaft und die inkludierten Schlüsselprobleme.

 

Generell kann gesagt werden, dass Kinder, die in die Schule kommen, aus eigenem Antrieb heraus und selbst gesteuert etwas lernen wollen – vorerst einmal schreiben, lesen und rechnen. Aus meiner langjährigen Erfahrung mit Schulkindern stelle ich fest, dass die Kinder – bietet man ihnen die Möglichkeit dazu – fähig sind, selbst bestimmt Lerninhalte auszuwählen, zu bearbeiten, zu präsentieren. Dabei können selbstverständlich Fehler in Form von rechtschriftlichen oder mathematischen Mängeln, Denkfehlern, Planungsfehlern, Konstruktionsfehlern usw. geschehen. Das heißt, dass Kinder auch aufgrund dieser Umwege zu Lösungsergebnissen kommen können. Lehrerin oder Lehrer haben nicht mehr das tradierte Bild von Lernen im Kopf, in dem die Aneignung kognitiven Wissens im Vordergrund steht, sondern eine Lehr- und Lernkultur, die durch Austausch, Eigenaktivität, unterschiedliche Lehr- und Lernmethoden eine Kompetenzerweiterung ermöglicht. Anders als im traditionellen Unterricht, bei dem häppchenweise Lerninhalte mundgerecht zubereitet werden, können Schülerinnen und Schüler dabei ihre Selbst- und Sachkompetenz entdecken, erfahren und erweitern. Der Umgang und das Akzeptieren eigener Stärken und Schwächen wird, eingebettet in das Sozialgefüge Klasse, ausprobiert, ausgelotet. Regeln, die im Klassenverband vereinbart wurden, müssen eingehalten werden und Schülerinnen und Schüler werden bei Nichteinhaltung oder bei Regelverstoß in die Problemlösung einbezogen. Wird den Kindern nicht nur die Möglichkeit geboten, selbst bestimmt Lerninhalte auszuwählen, zu bearbeiten, die Ergebnisse zu präsentieren, sondern sich auch die Sozialform auszusuchen, wird neben der Methodenkompetenz die Sozialkompetenz, die Übernahme von Verantwortung für sich und Andere gefördert. Kooperation und Kommunikation sind die Folge, Kreativität, Schöpferkraft, Phantasie können ausgelebt werden. Die Beurteilung der erbrachten Leistung kann durch Außenstehende – seien es Lehrerinnen oder Lehrer, Mitschülerinnen oder Mitschüler –, durch das Feedback z. B. bei Präsentationen in Form von Verbesserungsvorschlägen, Zustimmung, kritischer, konstruktiver Rückmeldung … gegeben werden. Dadurch kann die passende, fehlende oder falsche Selbsteinschätzung und Selbstbeurteilung der eigenen Leistung in Relation zu der Fremdbeobachtung gesetzt werden. Wird den Kindern weiters die Möglichkeit geboten, über ihre Gefühle, Ängste, Zorn, Wut, Trauer, Hilflosigkeit, Sorgen, Bedürfnisse … zu sprechen, werden Konflikte, die sich in zwischenmenschlichen Begegnungen zwangsläufig abspielen, minimiert bzw kann. an deren Problemlösung gemeinsam produktiv gearbeitet werden. Selbst bestimmte Aufgaben zu übernehmen, die eigene Meinung vor einer breiten Menge kundzutun, Verantwortung zu übernehmen und Konflikte zu thematisieren kann nicht durch Zuhilfenahme eines Lehrbuches gelernt werden, sondern bedarf der aktiven Umsetzung in der Praxis. Dass dies alles möglich ist, zeigt sich, wenn mit den Kindern demokratische Umgangsformen und vertrauensbildende Maßnahmen von Anfang an gepflegt werden. „Transparenz, Kommunizierbarkeit und Bewusstsein, das wären Bedingungen und Voraussetzungen für politisches Lernen. Was aber das Demokratie-Lernen anbelangt, so kann man fragen, ob dafür die Schule als Institution, in der die Erwachsenen nach wie vor das Sagen haben, aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler der richtige Ort sein kann.“ 40 Dieser Ort, an dem demokratische Alltagskultur gelebt wird, sollte an allen Schulen zu finden sein. Wo Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowohl im kognitiven, affektiven, psychomotorischen Bereich, im kommunikativen, sozialen, zwischenmenschlichen und methodischen Bereich Kompetenzen erwerben, sieht man jedoch besonders am Beispiel der Grundschule Harmonie. An dieser Grundschule wird der Grundstein für politisches Lernen, für das „Demokratie-Lernen“ gelegt. In Worten Peter Henkenborgs (2005) ausgedrückt, lässt sich sagen, dass „Demokratie-Lernen“ dann gelingen kann, „wenn Kinder und Jugendliche in Schule und Unterricht die Möglichkeit erhalten, Selbstvertrauen durch die Erfahrung emotionaler Zuwendung, Selbstachtung durch die Erfahrung kognitiver Achtung und Selbstschätzung durch die Erfahrung von Solidarität oder sozialer Wertschätzung zu entwickeln 41 .

 

Ausgehend von der demokratischen Schulkultur, die an der Grundschule Harmonie praktiziert und jeden Tag gelebt wird, den eigenen Umsetzungen im schulischen Alltag (im Moment jedoch nur bezogen auf die eigene Schulklasse und nicht auf die gesamte Schule) und deren langjährigen Erfahrungen der Schülerinnen- und Schülerpartizipation an klassenspezifischen und schulischen Belangen, ergibt sich daraus die Hypothese, dass dieses Partizipationsmodell nicht nur auf eine Grundschule beschränkt bleiben, sondern vor allem in der Lehrer/innenausbildung umgesetzt werden kann. Die Erziehung zu kritikfähigen Bürgerinnen und Bürgern unserer Gesellschaft beginnt in der Grundschule und kann vor allem in einer Lehrer/innenausbildungsstätte nicht nur theoretisch, sondern praktisch handelnd von Studierenden erlebt, erfahren und vermittelt werden, damit diese als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ihren zukünftigen Schülerinnen und Schülern das in der Ausbildung erworbene demokratische Rüstzeug weitergeben können. Als eine Möglichkeit, dies selbst vor Ort zu erleben und zu sehen, bietet sich sowohl für Studierende als auch für Professorinnen und Professoren wiederum eine Hospitation an der Grundschule Harmonie an.

 

3. 1. 2. Definition des Forschungsfeldes

Das Forschungsfeld erstreckt sich auf die unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, welches sie an der Grundschule Harmonie vorfinden, um an schulischen Belangen in einem normalerweise starren, hierarchischen Schulsystem teilhaben zu können. Welche Möglichkeiten sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrerinnen und Lehrer im schulischen Alltag besitzen, ihre eigenen Interessen einzubringen und gleichermaßen als gleichberechtigte Partnerinnen und Partner umzusetzen, wird durch die Rückmeldungen außen stehender Beobachterinnen und Beobachter gegeben. An der Grundschule Harmonie wurden von den Hospitantinnen und Hospitanten dabei gewonnene Einblicke in das Schulleben dokumentiert. Die Hospitationen wurden in einem Zeitraum von einem Tag bis zu mehr als drei Wochen durchgeführt.

 

3. 1. 3. Definition und Abgrenzung des Forschungsgegenstandes

Im Rahmen der Untersuchungen werden speziell die für das „Demokratie-Lernen“ wichtigen Aspekte der Lehr-, Lern- und Schulkultur untersucht. Gefragt wird dabei, welche konkreten demokratischen Strukturen im Schulalltag bei Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern sowie Eltern beobachtet werden konnten. Welche demokratischen Elemente die Hospitantinnen und Hospitanten im Zuge der Hospitation entdeckten, die sowohl auf das eigene Wirken, auf die eigene Schule, auf das gesamte Schulsystem übertragbar scheinen, und welche Ideen diesbezüglich in der derzeitigen Lehrer/innenbildung geändert werden könnten, bilden die Abgrenzung des Forschungsgegenstandes. Die Hospitantinnen und Hospitanten werden selbst nach ihrem eigenen Demokratie-Verständnis gefragt. Gefragt wird weiters nach dem Hospitationsgrund, der Evaluierung und der möglichen Vergleichbarkeit mit anderen Hospitationsstätten. Subjektive Eindrücke finden sich vor allem bei den offenen Fragen wieder.

 

3. 1. 4. Präzisierung der Forschungsfrage: Ausformulierung von Detailfragen

Ausschlag gebend bei der Forschungsfrage waren mehrere Überlegungen. Will ich mich mit dem Thema „Demokratie-Lernen“ auseinander setzen, so bedarf es nicht nur der Begriffsklärung „Was bedeutet Demokratie semantisch?“, sondern die Recherche verlangt eine Auseinandersetzung mit den Demokratie-Theorien. Untersucht man die Demokratie-Theorien, 42 dann muss meiner Meinung nach mit der attischen Demokratie angefangen werden, obwohl sie für heutige Zeiten nicht umsetzbar und denkbar wäre.

 

Theoretisches über das Demokratie-Lernen in der Schule findet sich sowohl bei den Aufzeichnungen von John Dewey als auch bei Célestin Freinet. Können diese Abhandlungen im Rahmen des Unterrichts bzw. bei den schulpraktischen Studien auch im 21. Jahrhundert umgesetzt werden 43? Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollte der Frage nachgegangen werden, ob die Aussagen, wie sie in folgenden Zitaten beschrieben sind, wirklich in der Praxis anzutreffen und möglich sind. „Jedes Kind, wer es auch sei, ist fähig zu erfolgreichem Lernen; das Wesentliche ist, es nicht in den Misserfolg zu treiben durch übertriebene oder verfrühte Forderungen … Es ist vor allem notwendig, so viele Gelegenheiten wie möglich für den Erfolg auf allen Gebieten zu schaffen; auf körperlichem Gebiet ebenso wie auf dem Gebiet des freien Ausdrucks durch das Zeichnen, die Musik und die Sprache, und ebenfalls im sozialen Leben der Gruppe … Die treibende Kraft der Erziehung muß die Arbeit sein, die schöpferische, selbstgewählte und in eigener Verantwortung übernommene Arbeit … (man kann) täglich die Beobachtung machen, dass sogar das Kleinkind schweigend und konzentriert stundenlang bei einer Tätigkeit verharrt … Auch der Jugendliche ist nicht fähig, sich für gar nichts zu interessieren 44

 

Demokratische Schulstrukturen können für Außenstehende im Rahmen einer Hospitation ersichtlich sein. In welcher Schule sollten die Untersuchungen durchgeführt werden? Welches Instrumentarium sollte dabei verwendet werden? Diese beiden Fragen klärten sich, nachdem als Forschungsfeld die Grundschule Harmonie 45 ausgesucht wurde. Es wurden Überlegungen anstellt, ob – und wenn ja, welche – Erkenntnisse für die „Schulpraktischen Studien“, die Ausbildung, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern gewonnen werden können. Sollte die Grundschule Harmonie als Beispiel im Sinne eines europaweiten Vorzeigemodells gelten?

 

Die Präzisierung der forschungsleitenden Frage inkludierte also für mich mehrere Fragen, die sich im Zuge der Auseinandersetzung mit dieser Thematik ergaben. So war die erste Frage zu klären, was „Demokratie leben und lernen“ für mich persönlich bedeutet und ob das Thema „Demokratie-Lernen“ für mich als Privatperson, Lehrerin, Professorin tatsächlich so interessant ist, dass ich dazu die wissenschaftliche Arbeit in Form einer Dissertation verfassen möchte. Neben der Klärung der persönlichen Sichtweise von Demokratie und Umsetzungsmöglichkeiten in der Schule und in der Ausbildung ging meine Forschung dahin, welche Demokratietheorien sich im Laufe der Zeit entwickelten. Im Zuge der Beschäftigung entdeckte ich die unterschiedlichen Abhandlungen und stieß auf unterschiedliche und zum Teil verwirrende Begriffsbestimmungen, welche gesellschafts- und bildungspolitischen Aspekte das Wort „Demokratie“ impliziert. Dass sich hinter dem komplexen, umfangreichen, ineinander verwobenen Begriff „Demokratie“ noch weitere Fragen auftaten, ersieht man anhand folgender Fragen, die sich bei der Beschäftigung mit dem Thema ergaben:

Demokratie

  • Was bedeutet das Wort „Demokratie“?

  • Welche Theorien stecken dahinter?

  • Welche gesellschafts- und bildungspolitischen Aspekte impliziert das Wort „Demokratie“?

  • Was steckt hinter dem komplexen, umfangreichen, ineinander verwobenen Begriff „Demokratie“, der in den Lebens-, Gesellschafts- und Herrschaftsformen anzureffen ist?

 

Demokratiebewusstsein

  • Wie manifestiert sich „Demokratie leben und lernen“ im Erwerb und in der Festigung von „Demokratiebewusstsein“ in den zwischenmenschlichen Beziehungen auf der Schulebene?

  • Welche Strukturen verlangt „Demokratie“ in großen sozialen Bereichen?

  • Welches Verständnis haben Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten, Professorinnen und Professoren vom „Demokratie-Lernen“?

  • Mit welchem Vorwissen bzw. demokratischen Grundverständnis kommen Studierende an die Pädagogische Akademie/Pädagogische Hochschule und setzen dies ihrerseits im Rahmen der schulpraktischen Studien wieder um?

 

Demokratie-Lernen“

  • Was bedeutet „Demokratie-Lernen“ für den Bereich Schule, für die Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule?

  • Welche Auswirkungen hat das „Demokratie-Lernen“ auf die österreichische Schule, auf die Ausbildung, auf die Gesellschaft?

  • Wie funktioniert „Demokratie-Lernen“ im Konkreten?

  • Wo stößt man auf Grenzen im alltäglichen und schulischen Umfeld beim „Demokratie-Lernen“?

  • Gibt es fördernde Faktoren? Wie kann man die hemmenden Faktoren lösen?

  • Demokratie-Lernen“ und „Globales Lernen“, „Interkulturelles Lernen“, Friedenserziehung und weitere Schlüsselqualifikationen – was versteht man darunter?

 

Demokratie-Lernen“ als Teil der Politischen Bildung

  • Führt aktive Partizipation und Umsetzung „Politischer Bildung“ von Schülerinnen und Schülern, Studentinnen und Studenten automatisch zu „Demokratie-Bildung“?

  • Welchen Stellenwert nimmt das „Demokratie-Lernen“ im Rahmen der „Politischen Bildung“ in Österreich ein?

  • Über welche Kompetenzen sollen Studentinnen und Studenten, Schülerinnen und Schüler verfügen, um im Sinne John Deweys Demokratie als eine Form der zwischenmenschlichen Wechselwirkung, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung zu erleben bzw. weiter geben zu können?

  • Welche Reformpädagoginnen und Reformpädagogen verankerten den Begriff „Demokratie“ in ihren theoretischen Abhandlungen?

  • Inwieweit sind weitere Demokratie-Begriffe nicht nur in der Literatur vorhanden, sondern im schulischen Alltagsleben umgesetzt?

 

Methodenkompetenzen – Erlernen und Weitergeben von „Demokratie-Lernen“

  • Wie und mit Hilfe welcher Methoden kann der schwer fassbare „Demokratiebegriff“ Schülerinnen und Schülern der Grund- und Sekundarstufe sowie den Studentinnen und Studenten in deren Ausbildung an der Pädagogischen Akademie/Pädagogischen Hochschule näher gebracht und erlebbar gemacht werden?

  • Kann das „Demokratie-Lernen“ durch Hospitationen – durch das Sehen, wie Kinder, Kolleginnen und Kollegen sowie Eltern in gelebter Schulkultur ihre demokratischen Mitspracherechte verwirklichen können – einsichtiger, einfacher vermittelt werden als durch theoretische Abhandlungen?

  • Inwieweit kann Schule, können Lehrerinnen und Lehrer künftigen Generationen demokratisches Bewusstsein nicht nur erklären, sondern Kinder und Jugendliche mit demokratiepolitischen Aspekten vertraut machen?

  • Welche Kompetenzen erwerben Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten, wenn man ihnen die Möglichkeit schulischer Partizipation gibt?

  • Ob, in welcher Form, in welchem zeitlichen Ausmaß usw. werden demokratische Grundrechte, Mitbestimmung, Schlüsselqualifikationen usw. im Rahmen der schulpraktischen Studien beachtet, umgesetzt und mit Schülerinnen und Schülern thematisiert?

 

European Year of Citizenship through Education

  • Warum wurde 2005 als „European Year of Citizenship through Education“ ausgerufen, bei dem alle 46 Mitgliedsstaaten des Europarates demokratiepolitische Fördermaßnahmen setzen sollten?

  • Inwieweit stellt das Comenius-Schulentwicklungsprojekt „In Europa Demokratie leben. Kontakte knüpfen, Korrespondenzen führen, Konflikte lösen, durch Kommunikation und Kooperation von Schulen und Hochschulen Projektinhalte umsetzen“ eine europäisch basisdemokratische Umsetzungsmöglichkeit zur Realisierung des „Demokratie-Lernens“ innerhalb der beteiligten Institutionen dar?

 

3. 1. 5. Begründung für die Auswahl des Forschungspartners

Bereits in der Einleitung wurde festgehalten, aus welchem Motiv heraus ich die Grundschule Harmonie für meine Untersuchungen auswählte. Mit dem Schulleiter Walter Hövel, den ich seit mehr als zehn Jahre kenne, verbindet mich nicht nur Pädagogisches, sondern mittlerweile auch Privates, nämlich eine lange Freundschaft, die bei einem Freinet-Treffen ihren Anfang nahm und durch das kritische Beobachten und Reflektieren des Unterrichts aufgrund der gegenseitig durchgeführten Hospitationen vertieft wurde. Seit mehr als zehn Jahren besuche ich in regelmäßigen Abständen die Schule und organisier(t)e als Vorsitzende des Vereins „Kooperative Freinet“ für Lehrerinnen und Lehrer, die an reformpädagogischen Ideen und deren Umsetzungen im Schulalltag interessiert sind, bereits einige Hospitationsfahrten zur Grundschule Harmonie. Jedes Mal waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von dem respektvollen Umgang miteinander und untereinander, der an dieser Schule gepflegt wird, beeindruckt. Welches Grundverständnis von demokratischer Schule an der gesamten Grundschule Harmonie vorzufinden ist, hält Walter Hövel (2005) folgend fest: „Wenn Schule lernt, dem Lernwillen der Kinder zu trauen, den Prozess der Selbstorganisation der Kinder als Menschen und Lerntypen professionell zu begleiten, dann wird der eigene Wille ausschlaggebend, dann kann an einem wirklich demokratischen Lernen gearbeitet werden. Dies ist das Wesen einer demokratischen Schule … Die Kinder gestalten mit den Lehrer/innen ihr eigenes Leben, arbeiten, spielen und lernen in der Schule in einer kooperativen menschlichen Atmosphäre. Jedes Kind hat das Recht auf seine eigene Lern-, Schul- und Lebenszeit ...“ 46 Die Hospitationsrückmeldungen, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern danach eingefordert wurden und die den schulischen Alltag an der Grundschule Harmonie kritisch reflektierten, kreisten immer wieder um die demokratischen Werte wie Gleichheit, Freiheit, Umgang mit Freiheit, Gesprächskultur, Mitbestimmung, … Die Hospitantinnen und Hospitanten waren vor allem erstaunt darüber, dass „Demokratie in der Schule“ – bei Kolleginnen und Kollegen und bei Kindern – tatsächlich gelingen kann und dass es möglich ist, den Kindern trotz des Lehrplandrucks im Nacken „das Wort zu geben“. Dies wurde nicht theoretisch erlernt, sondern erlebt. Aus der Frage: „Sollte es mehreren Hospitantinnen und Hospitanten so ergehen?“, kam ich auf die Idee, die Schule nicht aufgrund eigener Beobachtungen, sondern aufgrund von Hospitationsrückmeldungen kritisch zu betrachten. Nahe liegend war es, diese Schule, die beim drei Jahre laufenden Schulentwicklungsprojekt „In Europa Demokratie leben“ (2004 – 2007) als Partnerinstitution mitwirkt(e), zu forschen.

 

4. DIE ERGEBNISSE

4. 1. Interpretation der Rohdaten

Im folgenden Kapitel werden die Rückmeldungen der Hospitantinnen und Hospitanten interpretiert. Fett geschriebene Textpassagen geben hier deren Meinung im Original wieder. Vor oder hinter den fett gedruckten Aussagen befinden sich in der Klammer Abkürzungen. Damit sind folgende Zuordnungen gemeint: (P - Professorin/Professor), (wM - wissenschaftliche Mitarbeiterin/wissenschaftlicher Mitarbeiter, (L - Lehrerin/Lehrer), (St - Studentin/Student), (E - Erzieherin/Erzieher), (LA - Lehramtsanwärterin/Lehramtsanwärter), (Pr - Praktikantin/Praktikant), (Sch - Schülerin/Schüler), (Abi - Person zwischen Abitur und Studium), (Cl - Clown). Bei den Auswertungen finden sich auch Zahlen in der Klammer, die die Anzahl der Nennungen zu einer bestimmten Fragestellung angeben.

 

4. 1. 1. Grunddaten

Von den 47 Personen waren mit 28 Personen (Lehrerinnen/Lehrer [20], Professorinnen/Professoren [6], wissenschaftliche Mitarbeiterin/wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Universität [1] und eine Erzieherin/Erzieher) mehr als die Hälfte der hospitierenden Personen Leute an der Grundschule Harmonie, die mit Schülerinnen/Schülern oder Studierenden direkt zu tun haben. D. h., dass diese Personen regelmäßig pädagogischen Tätigkeiten nachgehen. Die restlichen 19 Hospitantinnen und Hospitanten setzten sich aus Studentinnen/Studenten (9), Lehramtsanwärterinnen/Lehramtsanwärtern (5), Praktikantinnen/Praktikanten (1), aus einer ehemaligen Schülerin/einem ehemaligen Schüler (1) und einer Person, die zwischen Abitur und Studium steht, zusammen. D. h., dass diese Personen in das pädagogische Alltagsleben noch nicht vollständig involviert sind. Zwei vom Schulleben gänzlich getrennt stehende Person, ein Kameramann sowie ein Clown, der in der Schule vor den Kindern auftrat, gaben ebenfalls ihre Eindrücke wieder. Eine Zuordnung beim Kameramann entfiel, weil dieser im Fragebogen nur die Ankreuzmöglichkeiten beantworte, jedoch keine persönliche Stellungnahme zu den offenen Fragen abgab. Keine Rückmeldungen wurden von Eltern abgegeben. Rückmeldungen über die Hospitation an der Schule gaben 22 deutsche, 19 österreichische, zwei estische und zwei slowenische Besucherinnen/Besucher ab. Aus England und aus Litauen gab es jeweils nur eine Hospitantin/einen Hospitanten. Keine Rückmeldungen kamen von Besucherinnen und Besuchern aus Italien und aus der Schweiz.

 

Eindrücke vom Schulleben über einen Tag reflektierten 19 Personen, über zwei Tage neun Personen, über drei Tage zwei Personen. Acht Personen hospitierten eine Woche lang, vier Personen zwei Wochen lang, eine Person verbrachte drei Wochen an der Schule. Rückmeldungen über Hospitationseindrücke, die über einen längeren Zeitraum als drei Wochen stammten, gaben vier Personen. Durch die Möglichkeit der Mehrfachnennungen wird von mir angenommen, dass sowohl eigenes Interesse (24) als auch der Ausbildungsgrund an der Universität Siegen und Köln (acht), das vorgeschriebene Schulpraktikum (sechs), das Lehramtsstudium (vier), die Ausbildung an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Kärnten (acht) und am Pädagogischen Institut Tirol (drei) bei den Hospitierenden vorlag. Interesse an der Hospitation bekundeten weitere sieben Kolleginnen/Kollegen, die als Hospitationsgrund die Arbeitstagung und die inkludierte Hospitation, die im Rahmen des Comenius-Schulentwicklungsprojektes „In Europa Demokratie leben“ stattfand, angaben. Interessant erscheint, dass sechs Personen bei ihrem Hospitationsgrund anführten, die Hospitationen deswegen durchgeführt zu haben, weil ihre Kolleginnen/Kollegen ihnen diesen Hinweis gegeben hatten. Acht Personen besuchten aufgrund von Neugierde die Schule.

 

36 Personen gaben an, vorher an mehreren Schulen hospitiert zu haben, drei Personen waren zuvor bereits an einer weiteren Schule, zwei Personen gaben an, davor an zwei Schulen gewesen zu sein, während fünf Personen zum ersten Mal eine Hospitation durchführten. Im Zuge der Hospitation wurden alle acht Klassen von 21 Personen, zwei bis vier Klassen ebenfalls von 21 Personen besucht. Vier Personen gaben an, nur in einer Klasse gewesen zu sein. 31 Personen gaben an, keine vergleichbare Schule zu kennen.

 

Auf den ersten Blick mag der Rücklauf von beantworteten Fragebögen gering erscheinen. Als möglicher Grund dafür könnte angenommen werden, dass die Hospitantinnen und Hospitanten die Wahrnehmungen, nach denen im Fragebogen gefragt wurden, nicht machten oder mit demokratischen Elementen in der Schule nicht konform gingen. Andererseits ist bei den erhaltenen Rückmeldungen durchwegs zu erkennen, dass die Probandinnen und Probanden ihre Hospitationseindrücke sehr genau und ausführlich verschriftlichten. Dass die eigene positive demokratische Einstellung, nach der ebenfalls gefragt wurde, bei den Rückmeldungen eine große Rolle spielte, wird angenommen. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass das Ausfüllen dieses Fragebogens sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Bei einer genauen Beantwortung der Fragen wird dafür mehr als eine halbe Stunde Zeit benötigt. Man kann daraus schließen, dass gerade aus diesem Grund, weil für das Ausfüllen des Fragebogens sehr viel Zeit aufgewandt werden musste, eine sehr hohe Anzahl an zurück gesendeten Fragebogen eintraf. Die Vermutung, ob die Probandinnen und Probanden mit der Fülle von Fragen überfordert war, sei dahin gestellt. Der Fragebogen wurde Ende Mai 2006 an die Personen, die an der Grundschule Harmonie Hospitationen durchgeführt hatten, zugesandt. Das Schuljahr in Deutschland endete im Juni. Es wird vermutet, dass viele der Kolleginnen und Kollegen und auch der Studentinnen und Studenten gegen Ende des Semesters für das genaue Ausfüllen wenig bis gar keine Zeit hatten.

 

Was bei den Rückmeldungen sofort auffiel, war, dass bei den vielen unterschiedlichen Wahrnehmungen und Äußerungen zwei Fragen von allen 47 gleich positiv beantwortet wurden. Die Fragen bezogen sich auf die Atmosphäre in der Schule und auf das Verhältnis Schüler/innen-Lehrer/innen. In den folgenden Unterkapiteln wird auf die Rückmeldungen der Hospitantinnen und Hospitanten näher eingegangen.

 

 

4. 1. 1. 1. Fragebogen – deutsche Fassung

Liebe Kollegin! Lieber Kollege!

Liebe Studentin! Lieber Student!

Liebe Eltern! Klagenfurt, Mai 2006

 

Sie haben an der Grundschule Harmonie in Eitorf an einem Tag oder an mehreren Tagen hospitiert und dabei Eindrücke vom Schulalltag an dieser Schule gewonnen. Ich untersuche im Rahmen der pädagogischen Tatsachenforschung, welche Eindrücke und Erkenntnisse Sie aus dieser Hospitation gewonnen haben. Die Ergebnisse dieser Forschung, die im Rahmen meiner Dissertation anonymisiert veröffentlicht werden sollen, erhält das Kollegium der Grundschule Harmonie, um die daraus gewonnenen Erkenntnisse in ihr Gesamtkonzept im Zuge der Schulentwicklung wiederum integrieren zu können. Ich unterrichte an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Kärnten und verfolge als so genannte „Außen-Beobachterin“ bereits seit fast zehn Jahren die Entwicklung dieser Schule. Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen dazu einige Fragen stelle und ich bitte Sie bei deren Beantwortung um Ihre Mithilfe. Es gibt Fragen, bei denen Sie die zutreffende Antwort ankreuzen können, es gibt weiters Fragen, bei denen Sie Ihre persönliche Meinung stichwortartig festhalten können. Sollten Sie eine Frage nicht beantworten können, streichen Sie diese einfach durch. Bei der Möglichkeit des Ankreuzens sind Mehrfachantworten zulässig. Sie können den Fragebogen direkt an meine Email-Adressen rabensteiner@schule.at oder pia-maria.rabensteiner@akademie.klu.at mailen.

 

Sie können den Fragebogen jedoch auch ausdrucken und postalisch an mich senden. Ich lade Sie ein, den Fragebogen auszufüllen und so schnell wie möglich an mich zu retournieren, damit ich die Auswertung im Juli 2006 vornehmen kann. Sie haben dadurch die Möglichkeit, im Sinne einer kritischen Freundin bzw. eines kritischen Freundes, Ihre Eindrücke, die Sie aufgrund der durchgeführten Hospitation an der Grundschule Harmonie gewonnen haben, wiederzugeben, Einfluss auf die Schulentwicklung der Grundschule Harmonie zu nehmen und auch mich bei der Dissertation zu unterstützen. Ich danke Ihnen für Ihre Mithilfe.

 

Mag. Pia-Maria Rabensteiner

Pädagogische Akademie des Bundes in Kärnten

Hubertusstraße 1

A-9022 Klagenfurt

Angaben zur Person - Ich bin

Student/in Lehramtanwärter/in

Lehrer/in Professor/in

Elternteil Schüler/in

____________________

 

Ich komme aus

Deutschland England

Estland Italien

Litauen Österreich

Slowenien der Schweiz

 

An der Grundschule Harmonie habe ich hospitiert

1 Tag 2 Tage

1 Woche 2 Wochen

3 Wochen länger als 3 Wochen

 

Die Hospitation habe ich aus diesem Grund durchgeführt

Ausbildung/Universität

Ausbildung/Pädagogische Hochschule

Ausbildung/Pädagogische Akademie

Erzieher/innenausbildung

Weiterbildung/Pädagogisches Institut

Weiterbildung ________________________________________

Lehrer/innenseminar (Lehramtsanwärter/innen) 

Aufgrund eigenen Interesses

Augrund eines Hinweises einer Kollegin/eines Kollegen

Wegen des vorgeschriebenen Schulpraktikums

Aus Neugier

Wegen des Bekanntheitsgrades der Schule

Andere Gründe_______________________________________

 

Zuvor habe ich schon an einer Schule hospitiert

Ja, an einer Schule Ja, an zwei Schulen

Ja, an mehreren Schulen Nein, noch nie

 

Hospitiert habe ich in …

einer Klasse zwei bis vier Klassen

allen acht Klassen

 

Demokratie in der Schule bedeutet für mich …

 

__________________________________________________________________

__________________________________________________________________

 _______________________________________________

 

__________________________________________________________________

 

 

Im Laufe eines Vormittags ereignen sich im schulischen Alltag viele Dinge, die nicht nur den kognitiven, affektiven, psycho-motorischen, sondern auch den kommunikativen, sozialen, methodischen, zwischenmenschlichen Bereich betreffen.

Was ist Ihnen dabei besonders aufgefallen?

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

Im Lauf des Vormittags habe ich beobachtet, dass Kinder …

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

Im Laufe des Vormittags habe ich beobachtet, dass Lehrer/innen …

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

Im Laufe des Vormittags habe ich beobachtet, dass Eltern …

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

Welche konkreten demokratischen Strukturen, Kinderrechte, Mitbestimmungsrechte, Selbstbestimmungsrechte haben Sie im Rahmen der Hospitation wahrgenommen?

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

Ich habe an der Morgenkonferenz/an den Morgenkonferenzen teilgenommen

 

Ja, ein Mal Ja, mehrere Male

 

Nein

 

Morgenkonferenzen, so wie sie an der Grundschule Harmonie ablaufen, waren mir

 

bereits zuvor bekannt

 

Ja, ich kenne sie von der eigenen Schule

 

Ja, ich kenne sie durch Beschreibungen aus der Literatur

 

Ja, ich kenne sie aufgrund von Beschreibungen im Rahmen der Ausbildung

 

Ja, ich kenne sie aufgrund von Beschreibungen im Rahmen eines Seminars

 

Ja, ich kenne sie aufgrund eines Vortrages

 

Ja, aufgrund des Fernsehbeitrages

 

Ja, ich kenne sie aufgrund von Beschreibungen von Kolleg/innen

 

Nein, ich kannte sie zuvor noch nicht

 

 

 

Tägliche Morgenkonferenzen sind nützlich

 

Ja Nein

 

Wenn ja, warum:

 

____________________________________________________________________________________________________________________________________________

 

Wenn nein, warum nicht:

 

____________________________________________________________________________________________________________________________________________

 

 

 

An der Montagsversammlung/an den Montagsversammlungen habe ich teilgenommen

 

Ja Nein

 

 

 

Die Montagsversammlung finde ich …

 

notwendig, weil alle Kinder zusammen kommen

 

notwendig, weil sich die Kinder gegenseitig informieren können

 

notwendig, weil Berichte und Arbeitsergebnisse ausgetauscht werden können

 

notwendig, weil die Geburtstage der Kinder gefeiert werden

 

notwendig, weil das Harmonielied gemeinsam gesungen wird

 

notwendig, weil auf die Interessen der Kinder eingegangen wird

 

nicht notwendig, weil die Kinder dabei Lernzeit vertrödeln

 

nicht notwendig, weil nicht alle Kinder etwas mitteilen können

 

nicht notwendig, weil nicht alle Kinder aktiv beteiligt sind

 

notwendig, weil _______________________________________________________

 

____________________________________________________________________

 

 

 

nicht notwendig, weil ___________________________________________________

 

_____________________________________________________________________

 

Das hat mir an der Schule gefallen nicht gefallen

 

Atmosphäre

 

Schulgebäude

 

Gartenanlage/Schulgarten

 

Verhältnis Kolleg/innen untereinander

 

Verhältnis Schulleitung/Kolleg/innen

 

Verhältnis Schüler/innen – Lehrer/innen

 

Verhältnis Schüler/innen – Schulleitung

 

Elternmitarbeit

 

Mitspracherecht der Kinder

 

Arbeitsverhalten der Kinder

 

Kollegialität

 

Ordnung

 

Arbeitslärm

 

Art der Leistungsmessung/Leistungsbeurteilung

 

Arbeitsformen

 

Morgenkreisgespräch/e (in den Klassen)

 

Planungsgespräch/e

 

Präsentation/en

 

Montagskonferenz/en

 

Morgenkonferenz/en

 

Ausstattung der Schule (Lernmaterialien, PC…)

 

Angebote - Arbeitsgemeinschaften

 

Druckerei

 

Engagement der Schulleitung

 

Sorgensprechstunden

 

Feste/Feiern

 

Jahrgangsübergreifendes Klassensystem

 

Lehrer/innen-Elterngespräche

 

Ausländer/innenanteil der Schüler/innen

 

Gastfreundschaft

 

_________________________________________________________________

 

 

 

Das Klima an der Schule empfinde ich als

 

sehr gut gut

 

mittelmäßig verbesserungswürdig

 

schlecht

 

Begründung für meine hier Ihre getroffene Auswahl: ________________________

 

 

 

Kennen Sie eine Schule, die mit der Grundschule Harmonie vergleichbar wäre?

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

Eine Hospitation zur Grundschule Harmonie würde ich Student/innen, Kolleg/innen,

 

Professor/innen, Eltern, Schüler/innen, Erzieher/innen…

 

weiter empfehlen, weil ___________________________________________________

 

_____________________________________________________________________

 

nicht weiterempfehlen, weil _______________________________________________

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

Welche Elemente, die Sie im Rahmen der Hospitation gesehen haben, sollten bzw.

 

könnten Ihrer Meinung nach auf das gesamte Schulsystem übertragen werden?

 

______________________________________________________________________

 

 

 

______________________________________________________________________

 

 

 

Welche Elemente, die Sie im Rahmen der Hospitation gesehen haben, wären auf

 

Ihr eigenes Wirken als Lehrer/in, Student/in, Erzieher/in übertragbar?

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

Die Hospitation hat bei mir bewirkt, dass ich … (z. B. weiterführende Literatur gelesen

 

habe, über die Hospitation berichtet habe, Eindrücke umgesetzt habe… )

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

Nach Ihrer Hospitation haben Sie vielleicht Ideen bekommen, was an der gegen-

 

wärtigen Lehrer/innenbildung geändert werden könnte bzw. sollte.

 

Was würden Sie vorschlagen?

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

____________________________________________________________________

 

 

 

 

 

Eine Evaluierung der Hospitation erfolgte in Form …

 

eines schriftlichen Feedbacks an die Grundschule Harmonie

 

einer Information/Diskussion an der eigenen Schule

 

einer Information/Diskussion in meiner Lehrer/innenbildungsstätte

 

von Diskussionen mit Hospitationspartner/innen

 

eines schriftlichen Berichts

 

eines mündlichen Berichts

 

von Diskussionen mit Kindern

 

Gar nicht

 

__________________________________________________________________

 

 

 

__________________________________________________________________

 

 

 

Diese Information/en zur Schule sollte/n unbedingt in einem Flyer mitgeteilt werden:

 

___________________________________________________________________

 

 

 

___________________________________________________________________

 

 

 

___________________________________________________________________

 

 

 

 

 

Sie können den Gesamteindruck der Schule in Form einer Metapher beschreiben.

 

Als bildhafte Darstellung ist die Grundschule Harmonie …

 

__________________________________________________________________

 

 

 

__________________________________________________________________

 

 

 

Diese Verbesserungsvorschläge für die Schule habe ich

 

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__________________________________________________________________

 

 

 

Das möchte ich noch mitteilen

 

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__________________________________________________________________

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4. 1. 1. 2. Fragebogen – englische Fassung

 

 

 

Dear colleague/s,

 

dear student/s, Klagenfurt, May 2006

 

 

 

 

 

 

 

You have visited the primary school “Harmonie” in Eitorf for one day or for more days. You have seen many lessons and gained many insights. I am working at the Pedagogical Academy of Klagenfurt and I have been observing the development of the school for nearly ten years. I am presently writing my thesis on ‘Learning Democracy in Class’ and I am investigating which experiences and insights you had when visiting this school. I want to publish the results of this research not only in my thesis (no names will be mentioned, of course), I also want to send the results to “Harmonie”. Then the principal and all colleagues can react to this evaluation.

 

 

 

 

 

Would you be so kind as to answer the questions of my questionnaire. There are questions which you can only tick, there are questions where you can state your own opinion, and if there are questions which you cannot answer, please cross them off. With some questions one ore more answers are possible.

 

 

 

 

 

Please send the questionnaire back to one of my e-mail accounts:

 

rabensteiner@schule.at or pia-maria.rabensteiner@akademie.klu.at. You can also print the questionnaire and send it to my office-address by post.

 

 

 

 

 

Could you please fill in the questionnaire and return it as soon as possible because I would like to start evaluating in July.

 

 

 

 

 

Thank you very much for helping me with my research. Be a “critical” friend.

 

 

 

Yours faithfully,

 

Pia-Maria Rabensteiner

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mag. Pia-Maria Rabensteiner

 

Pädagogische Akademie des Bundes in Kärnten

 

Hubertusstraße 1

 

9022 Klagenfurt/Austria

 

 

 

 

 

 

 

Personal questions – I am …

 

a student a teacher

 

a professor

 

 

 

I come from

 

Germany England

 

Estonia Italy

 

Lithuania Austria

 

Slovenia Switzerland

 

 

 

I have observed lessons at primary school “Harmonie“ for

 

1 day 2 days

 

1 week 2 weeks

 

3 weeks more than 3 weeks

 

 

 

I have observed lessons because …

 

studies/University

 

studies/Pedagogical Academy

 

I would like to continue my studies

 

of my own interests

 

a colleague told me

 

I need it for my career

 

I am curious

 

I have heared about the school

 

other reasons ______________________________________________

 

 

 

I have observed education before …

 

at one school at two schools

 

at more schools never

 

 

 

I have observed at „Harmonie“ …

 

at one class at two to four classes

 

at all eight classes

 

 

 

Democracy in school for me is …

 

 

 

___________________________-______________________________________

 

 

 

__________________________________________________________________

 

 

 

__________________________________________________________________

 

 

 

During the morning many things happen not only as far as cognitive, emotional, psycho-motoric competence, but also as far as communicative, social, personal, didactive competences is concerned. What did you observe?

 

_______________________________________________________________________

 

 

 

_______________________________________________________________________

 

 

 

 

 

During the morning I have observed that children …

 

_______________________________________________________________________

 

 

 

_______________________________________________________________________

 

 

 

 

 

During the morning I have observed that teachers …

 

_______________________________________________________________________

 

 

 

_______________________________________________________________________

 

 

 

 

 

During the morning I have observed that parents …

 

______________________________________________________________________

 

 

 

______________________________________________________________________

 

 

 

 

 

What kind of democratic features have you observed (children´s rights, decision taking …)

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

_____________________________________________________________________

 

 

 

 

 

I have attended morning meeetings

 

once more than once

 

none

 

 

 

Morning-meetings“ likte the ones at „Harmonie“ …

 

I know them from my own school

 

I know them from books

 

I know them from my studies

 

I know them from my seminars

 

I know them from a lecture

 

I know them from television

 

I know them from my colleagues

 

I did not know about them

 

 

 

 

 

Daily „morning-meetings“ are useful

 

If yes, why:

 

______________________________________________________________________________________________________________________________________________

 

If no, why not:

 

_______________________________________________________________________ _______________________________________________________________________

 

 

 

 

 

I have observed „Monday-meetings“ with the children

 

yes no

 

 

 

I think „Monday-meetings“ are …

 

necessary, because all the children meet

 

necessary, because they can exchange news

 

necessary, because they exchange working-results

 

necessary, because children celebrate their birthday

 

necessary, because children sing the „Harmonie-song“

 

necessary, because children can voice their interest and teacher can listen to

 

children´s interests

 

not necessary, because children miss „time for learning“

 

not necessary, because not every child can tell something

 

not necessary, because not all children can be involved

 

necessary, because ___________________________________________________

 

____________________________________________________________________

 

not necessary, because _______________________________________________

 

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What I liked about the school yes no

 

atmosphere

 

building

 

garden/park

 

atmosphere among colleagues

 

atmosphere principal – colleagues

 

atmosphere children – teachers

 

atmosphere children – principal

 

parent´s work

 

wright of participation of children

 

children´s attitude towards work

 

fellowship between colleagues

 

arrangement

 

working-noise“

 

accessment

 

working methods

 

morning-meeting(s) in classroom

 

preparatory meeting(s)

 

presentation(s)

 

monday-meeting(s)

 

teacher´s morning-meeting(s)

 

equipment (learning materials, pc …)

 

extra-curricular subjects

 

printing-room

 

the principal´s engagement

 

Sorgensprechstunden“ – children dan talk

 

about their problems

 

celebrations/feasts

 

differnt levels in one class

 

teacher´s – parents – talks

 

percentage of foreigners

 

hospitatility

 

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The atmosphere at „Harmonie“ is

 

very good good

 

average should be improved

 

bad

 

Because … __________________________________________________________

 

-

 

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Do you know a similar school?

 

 

 

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I can recommand visiting this school because ____________________________

 

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I can not recommand visiting this school because _________________________

 

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Which elements could/should be introduced in the general educational system?

 

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Which elements could you use in your teaching?

 

 

 

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Because of the observation I have (read more about alternative teaching, methods, told other colleagues about it …)

 

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After the visit to „Harmonie“ I think that teacher-trainig could/should be adapted. I suggest …

 

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Evaluation was carried out:

 

written feedback to „Harmonie“

 

report/discussion at my own school

 

report/discussion at the teacher-training institute

 

discussion with other participants

 

written report

 

oral report

 

discussion with children

 

not at all

 

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In a flyer the following information should be given …

 

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Describe your overall impression of the school in a metapher:

 

 

 

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This following improvements should be made:

 

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What I would like to say is …

 

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4. 1. 2. Was bedeutet für mich „Demokratie in der Schule?“ – Meinungen der Probandinnen/Probanden

 

Bei dieser Fragestellung sollten die Hospitantinnen/Hospitanten die eigenen Vorstellungen von „Demokratie“ in der Schule schriftlich festhalten. Bei den Rückmeldungen kristallisierten sich unterschiedliche Kriterien, aus denen für sie demokratisches Miteinander in der Schule ersichtlich ist, heraus. So wurden vorrangig

 

 

 

Mitspracherecht, Mitbestimmung, Mitentscheidung

 

der Schülerinnen und Schüler genannt. Das Mitspracherecht bzw. die Möglichkeit der Mitbestimmung betrafen die „unterrichtlichen, klassenin- und -externen, schulinternen Themen“ (L). Die von den Hospitantinnen/Hospitanten festgehaltenen Parameter wie Miteinbeziehung, Selbst- und Mitbestimmung, Mitbestimmungsrecht, Mitspracherecht können allgemein zusammengefasst werden unter dem großen Komplex von „Miteinbeziehung von Schülern in das alltägliche Schulleben“ (L).

 

 

 

Eine Studentin oder ein Student – es wurde bei der Fragbogenerhebung nicht auf das Geschlecht geachtet – verstand unter Demokratie und Mitspracherecht in der Schule Folgendes: „… Mitspracherecht in jeder Hinsicht haben und sowohl auf den Unterricht als auch auf das Schulleben Einfluss nehmen können. Es bedeutet, dass dem Lehrer die Meinung jedes Schülers wichtig ist und dass sie auch respektiert und ernst genommen wird. Es bedeutet, dass Schüler auch widersprechen können und ihre Argumente anbringen dürfen. In diesem Zug bedeutet es, dass sie als Menschen mit einer ganz besonderen Persönlichkeit respektiert und ernst genommen werden und diese Persönlichkeit aufgrund der demokratischen Grundeinstellung auch formen bzw. leben dürfen.“ Diese Aussage spiegelt meiner Meinung nach ein nach demokratischen Werten orientiertes Weltbild dieser/dieses Studierenden wieder. Vor allem ihre/seine hehren Ziele, die Kinder als eigenständige Persönlichkeiten anzusehen, ihnen Rechte zuzugestehen, Kinder als gleichwertige Partnerinnen und Partner zu sehen, bilden gute Voraussetzungen, diese Vorhaben in der Tat als zukünftige Lehrerin/als zukünftiger Lehrer im eigenen Unterrichtsgeschehen umzusetzen. Das Zugeständnis an Kinder, dass diese einer Lehrperson auch widersprechen können und mit getätigter (eventuell auch nicht reflektierter) Lehrer/innen- oder Lehrermeinung nicht konform gehen müssen, zeugt weiters von sehr großer eigener Demokratiekompetenz. Das Anhören der Kindermeinung/en, das Verstehen kindlicher Denkmuster und Denkweisen, das Verwerfen eigener Argumente wegen logisch begründeter Kindermeinung, gehört zu einer der Kompetenzen, die alle Studierenden im Laufe ihrer Ausbildung erlernen, erleben und anwenden müssten. Nicht Uniformität und Gleichschritt, sondern das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse und Wünsche sind dabei die logische Folge. Gerade dieses Eingehen auf individuelle Wünsche, Bedürfnisse, Ängste, Sorgen, Fragen … der Kinder bringt es mit sich, dass das Demokratie-Lernen gelingen kann. Kinder können demokratiepolitische Erfahrungen machen, wenn sie diese in einem offenen Diskussionsklima und unter realen Partizipationschancen erlernen und anwenden können. „Als Menschen mit einer ganz besonderen Persönlichkeit respektiert und ernst genommen werden“ (L), bildet genau die Basis für das „Demokratie-Lernen“. „Demokratie-Lernen“ kann, so meint es Henkenborg (2005), „gelingen, wenn Kinder und Jugendliche in Schule und Unterricht die Möglichkeit erhalten, Selbstvertrauen durch die Erfahrung emotionaler Zuwendung, Selbstachtung durch die Erfahrung kognitiver Achtung und Selbstschätzung durch die Erfahrung von Solidarität oder sozialer Wertschätzung zu entwickeln.“ 47

 

 

 

Einbeziehung Aller in Entscheidungsprozesse

 

Neben der Feststellung, dass die Kinder am Schulleben teilhaben können, ergaben sich aufgrund von acht Rückmeldungen ähnliche Ansichten, nämlich dass alle am Schulgeschehen Beteiligten, darin einbezogen werden sollen. „Alle am Schulleben beteiligten Menschen (S, L, Eltern) sollen die Möglichkeit haben, sich und ihre Vorstellungen einzubringen. Die Ideen, Vorschläge und Wünsche sollen ernsthaft diskutiert werden und möglichst konsensorientiert berücksichtigt werden. Dies bedingt auch eine gemeinsame Verantwortung aller am Schulleben beteiligten Personen.“ (L) Neben Mitsprache, Mitbestimmung, Mitentscheidung wurde die Übernahme von Verantwortung für eigenes Handeln, die im demokratischen Zusammenleben notwendig ist, von vier Probandinnen/Probanden genannt. Die Einbeziehung aller am Schulleben beteiligten Personen stellt einen wesentlichen Schritt bei der Verwirklichung demokratischer Strukturen innerhalb des Systems Schule dar. Eine demokratische Schulkultur, die von allen Beteiligten getragen wird, bedarf zuvor gemeinsam diskutierter und danach erstellter Ziele, einer Schulentwicklung, die sich tatsächlich mit und durch Beteiligung Aller entwickelt. Regelmäßige Einbeziehung aller Beteiligten stellt daher eine Notwendigkeit dar. Das Funktionieren einer demokratischen Schulkultur hängt sehr stark vom Engagement, der Bereitschaft und der Umsetzungskraft der Leiterinnen- oder Leiterpersönlichkeit und natürlich auch der Kollegenschaft ab. Nicht nur das Führen von Diskussionen, sondern auch das Aufgreifen heikler und problematischer Themen gehört dazu. Die Forderung nach Einbeziehung aller am Schulleben Beteiligten zu stellen ist absolut legitim und wünschenswert. Wie kann oder könnte eine tatsächliche Umsetzung anhand eines konkreten Beispiels erfolgen? Ein Thema, mit dem Lehrerinnen/Lehrer, Schülerinnen/Schüler und Eltern konfrontiert sind, betrifft den Umgang mit Konflikten.

 

 

 

Das deutliche und auffallende Fehlen von Aggressivität und Konfliktpotential an der Grundschule Harmonie, das nicht nur an dieser Stelle erwähnt wird, kann als Ausgangspunkt genommen werden, um alle am Schulleben Beteiligten – Eltern, Lehrerinnen/Lehrer, Schülerinnen/Schüler – einzubeziehen. Fragen, die sich im Umgang mit Konflikten an allen Schulen ergeben, können lauten:

 

  • Was bedeutet für mich ein Konflikt?

  • Wie reagiere ich auf einen Konflikt?

  • Wie gehe ich mit diesem Konflikt um?

  • Wie und in welcher Form hole ich die Meinungen der Konfliktgegner/innen ein?

  • Welche Konfliktlösung/en biete ich an?

  • Welche Maßnahmen werden getroffen, um einen weiteren Konflikt zu vermeiden?

  • Entstehen aus diesem Konflikt Regeln?

  • Wer beschließt die Regeln?

  • Wie reagiere ich/reagieren wir bei Regelverstoß?

  • Wie und in welcher Form kann jede/r von uns zu einer Konfliktvermeidung beitragen …?

 

 

 

In Diskussionsrunden kann darüber sowohl mit Lehrerinnen und Lehrern, mit Eltern mit Schülerinnen und Schülern entweder in Form von Konferenzen und Besprechungen oder in Klassengesprächen geführt werden. Ein anschließender Austausch untereinander bei einer Schulversammlung, an der alle teilnehmen und die Argumente und Sichtweisen der unterschiedlichen Gruppen diskutiert werden, könnte sich in weiterer Folge entwickeln. Dass dies natürlich prozessorientiert geschieht und keine einmalige Aktion darstellt, sei hier nur am Rande erwähnt.

 

 

 

Nicht nur an der Grundschule Harmonie werden diese oder ähnliche Regelungen bei der Diskussion von Problemen aller Art in der Schule umgesetzt. Henkenborg (2005) meint dazu: „Die Probleme, Konflikte und Themen, die eine Klasse oder die Schule wirklich betreffen, werden als ,lebendiges Lernmaterial’ für die Entwicklung moralischer Fähigkeiten und demokratischer Kultur durch die Beteiligung aller genutzt.“ 48

 

 

 

Erleben/Erlernen demokratischer Elemente in der Schule

 

Konsensorientierung bedarf demokratiepolitischer Kompetenzen wie aushandeln, argumentieren, Argumenten anderer offen sein, nicht auf das Mehrheitsprinzip pochen, sondern auch die Bereitschaft für die Erreichung eines Maximalkonsenses entwickeln. Das häufig verwendete Schlagwort „Verantwortung übernehmen“ betrifft einerseits die Übernahme von Verantwortung für sich selbst und das eigene Handeln, andererseits auch die Übernahme von Verantwortung für andere – für Mitmenschen und in weiterer Folge für die Gesellschaft. Verantwortung übernehmen bedeutet aber auch, Verpflichtungen eingehen gegenüber Dingen, die für die einzelne Person, aber auch für die Gemeinschaft wichtig sind. Alle drei genannten Aspekte können sich positiv entfalten, wenn diesbezüglich Raum für handlungsorientiertes Umsetzen gegeben ist. Die Ideen, die Hartmut von Hentig bereits 1993 in seinem Buch „Die Schule neu denken“ forderte, haben nach wie vor (und mittlerweile sind 14 Jahre vergangen) noch nichts an Aktualität und Brisanz verloren. „Die Erziehung zur Freiheit kostet einen ungleich höheren Aufwand… Freiheit gibt es nicht ohne Verantwortung und Verantwortung nicht ohne Autonomie oder Selbstbestimmung. Der spezifische Auftrag der öffentlichen Schule heißt nicht: zur politischen Freiheit erziehen …, sondern… zur geistigen und moralischen Selbständigkeit… Selbständigkeit – durch Politik – und Solidarität – als befriedigende Lebenshaltung – werden letztlich aneinander gelernt, an Aufgaben, die alle fordern und jeden in seiner Besonderheit.“ 49

 

 

 

Als Selbstverständlichkeit von Demokratie in der Schule stellt meiner Meinung nach das Erleben und Erlernen demokratischer Elemente dar. Diese können sich „durch institutionalisierte Einrichtungen (Parlament, Klassenrat, Kreisleiter usw.) … Kinderparlament … keine Mehrheitsbeschlüsse, sondern gemeinsame Beschlüsse … durch eigene Erfahrungen und eigenes Handeln Demokratie praktizieren und Demokratiekompetenz entwickeln …“ (wM) äußern. Das heißt, dass die Probandinnen/Probanden genau diesem handelnden Lernen – bezogen auf die Entwicklung von Demokratiekompetenzen – große Bedeutung zumessen. Als Abgrenzung zu dem in vielen deutschen und österreichischen Schulen – verstärkt sowohl in der Literatur als auch im Sprachgebrauch der Lehrerinnen und Lehrer – benutzten Begriff „Klassenrat“ muss Folgendes klar gestellt werden. Der klassische Begriff des „Klassenrates“ stammt aus der Freinet-Pädagogik, stellt eine Technik dar und dient nicht dazu, als institutionalisiertes Konfliktlösungsgremium für Probleme aller Art zu dienen. „Durch den Klassenrat haben die Kinder die Möglichkeit, Ereignisse, die im Schulalltag auftreten, zur Sprache zu bringen. Das soziale Miteinander in einer Freinet-Klasse wird selbst geregelt und ,Erziehung zur Selbst-, und Mitverantwortung’ wird so zu einer wichtigen Aufgabe der Schule, denn bei aller Freiheit und Selbstbestimmung, die Freinet seinen Schüler/innen gewährte, wusste er doch sehr bestimmt, dass Freiheit ohne die Erziehung zur Verantwortung und Weckung der Bereitschaft zur Mitverantwortung nur zum Konkurrenzkampf und Gegeneinander führt. In diesem Sinne ist alle Erziehung im Geiste Freinets auch politische Erziehung, Erziehung zu verantworteter Demokratie. Falsch wäre es jedoch, das sehr gut funktionierende Element der Freinet-Pädagogik, den Klassenrat, aus dem Gesamtkonzept heraus zu reißen und nur für das Lösen von Konflikten heranzuziehen.“ 50

 

 

 

Eigenverantwortliches, individuelles und differenziertes Lernen

 

Zum Verständnis von „Demokratie in der Schule“ zählte bei den Probandinnen/ Probanden das eigenverantwortliche, individuelle und differenzierte Lernen. „Die Schüler und Schülerinnen sollen befähigt werden, selbstverantwortlich und selbständig mit zu planen und ihre Arbeiten eigenverantwortlich durchzuführen.“ Als weiterer Aspekt von „Demokratie in der Schule“ wurde von ihnen der Erwerb der Kommunikationskompetenz angesehen. „Probleme mit sprachlichen Mitteln lösen und nicht mit Gewalt …“, „Besprechung auftretender Konflikte …“, „Konflikte ansprechen und gemeinsam Lösungen suchen …“ setzen voraus, dass die Schülerinnen und Schüler sich nicht erst bei auftretenden Konflikten in Gesprächsrunden zusammensetzen, sondern dass ritualisiert und durch aktives Einbringen die Gesprächsregeln, das Vertreten der eigenen Meinung, das Akzeptieren der Meinung anderer u. v. m. erlernt werden. Baulig (2005) hält zu der Thematik „Konflikte als Aspekte politischen Lernens“ Folgendes fest: „Konkret aus dem Blickwinkel der politischen Bildung heraus verdichten sich im Konflikt verschiedene soziale Dimensionen, die es ermöglichen, die Komplexität des Sozialverhaltens deutlich zu machen. Konflikte können dadurch nicht nur differenzierte Zugangsweisen, sondern auch vielfältige Aspekte sozialen und politischen Lernens vermitteln. Wenn es gelingt, im elementaren Sinne des Wortes Sprache als Mittel der Mitteilung und der Verständigung einzuführen, so ist damit ein entscheidender Schritt zur Gewaltprävention getan.“ 51

 

 

 

Über die Kommunikation zur Kooperation

 

Die Meinung des einzelnen annehmen und darüber diskutieren können“ (L), „die Fähigkeit zu lernen und die Möglichkeit geboten zu bekommen, dass sich jeder innerhalb der Schule frei äußern kann und seine Meinung vertreten darf“ (L), „in Gesprächen auch über verschiedene Meinungen reden können und sich damit auseinander zu setzen“ (L), „Besprechung auftretender Konflikte“ (St) stellen eine Auswahl von Rückmeldungen der Probandinnen/Probanden zu diesem Themenbereich dar. Das Führen von Diskussionen, das Artikulieren beim selbst bestimmten und selbst organisierten Lernen, das Präsentieren, das Nachfragen … bedarf bestimmter Kommunikationstechniken. Diese Sichtweise von Demokratie beinhaltet, dass die Schülerinnen und Schüler als gleichwertige Personen angesehen und als solche behandelt werden. Für das Verfolgen gemeinsamer Ziele, für gemeinsames Tun – so kann aufgrund der Rückmeldungen angenommen werden – gilt als Basis die gegenseitige Wertschätzung, der respektvolle Umgang untereinander und miteinander, die Akzeptanz anderer Einstellungen und Meinungen und auch das Akzeptieren gemeinsam festgelegter Regeln.

 

 

 

Eine Lehrerin/ein Lehrer hielt bei ihrer/seiner Sichtweise von Demokratie in der Schule fest, dass „die Anliegen von Kindern denen der Erwachsenen gleich zu setzen“ sind und dass „Anliegen der Kinder zu Anliegen der Gemeinschaft zu machen“ sind. Aus diesen Aussagen lässt sich der starke Bezug zur Demokratietheorie von John Dewey ableiten. So meinte er, dass die Demokratie die „Idee des Gemeinschaftslebens selbst 52 ist. Werden die Anliegen der Kinder ernst genommen und thematisiert, entsteht ein Wechselspiel zwischen den Interessen, die „um so demokratischer [sind], je mehr sie in der Lage sind, unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungswelten zuzulassen.“ 53

 

 

 

 

 

4. 1. 3. Beobachtungen im Laufe des Schulvormittags

 

Bevor bei der Hospitationsrückmeldung nach den konkreten Beobachtungen der Aktivitäten von Schülerinnen- und Schülern, Lehrerinnen- und Lehrern und Eltern im Laufe eines Vormittags gefragt wurde, sollten von den Probandinnen und Probanden Dinge schriftlich festhalten werden, die sie nicht nur im kognitiven, affektiven und psychomotorischen, sondern im kommunikativen, sozialen, methodischen und zwischenmenschlichen Bereich feststellen konnten. Eine erste Kategorisierung ließ sich in den Bereichen, die die sozialen und kommunikativen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler betreffen, durchführen.

 

 

 

Soziale Kompetenz von Schülerinnen und Schülern

 

Es fiel einer hospitierenden Person (St) Folgendes auf: „Die meisten Kinder, die ich in Harmonie erlebt habe, verfügen über ein ausgesprochen ausgeprägtes Sozialverhalten und einen Gerechtigkeitssinn.“ Mehrfach wurde genannt, dass die älteren Kinder den jüngeren Mitschülerinnen und Mitschülern helfen. Auf einer anderen Hospitationsrückmeldung (LA) stand diesbezüglich: „Die jahrgangsübergreifenden Klassen tragen dazu bei, die kommunikative, soziale und zwischenmenschliche Seite der Kinder zu entwickeln.“ Weiters wurde beobachtet (St), „dass klassenübergreifende Freundschaften gepflegt werden, jedes Kind alle Mitschüler zu kennen scheint“. Die soziale Kompetenz, die Schülerinnen und Schüler an der Grundschule Harmonie erwerben, wurde von einer weiteren Person (L) so beschrieben: „Kinder verschiedener Klassen haben Kontakt; viele arbeiten zu zweit bzw. es bilden sich Gruppen, die miteinander reden bzw. etwas unternehmen.“ Aufgrund der Rückmeldungen kann festgestellt werden, dass durch den demokratisch geführten Schulalltag die Schülerinnen/Schüler dieser Schule sehr verantwortungsbewusst werden. „Die Schüler/innen gehen mit den Kolleg/innen respektvoller um. Sie akzeptieren andere Meinungen und nehmen Informationen von den anderen Schüler/innen sehr gerne auf/ wahr.“ (St) Die ausgeprägte Sozialkompetenz zeigt sich auch bei einer Beobachtung einer Probandin/eines Probanden (L) und deckt sich auch mit meinen jahrelangen diesbezüglichen Beobachtungen. Nicht nur bei der Montagsversammlung tritt folgendes Phänomen ein: „200 Kinder kamen ohne Radau in die Aula und verließen diese auch wieder leise, ohne dass eine Lehrperson sie „in Zweierreihe“ anstellen ließ“. Dies kann fast gleich gesetzt werden mit folgender Beobachtung (L): „Regeln des allgemeinen Umgangs miteinander wurden wie selbstverständlich und ohne großes Einfordern beachtet, ausgeführt, wohingegen an „Regelschulen“ diese beständig und mühsam eingefordert werden müssen.“

 

 

 

An dieser Stelle zeigt sich, dass zwei pädagogische Theorien in positivem Sinn kongenial zusammen spielen. Die permanent durchgeführten Gespräche, basierend auf der Freinet-Pädagogik, und die sich daraus entwickelnde Gesprächskultur und „das kooperativ-experimentelle Suchen nach Problemlösungen 54 – das Konzept der social inquiries von John Dewey. Permanent kooperativ gelebtes Miteinander und Diskutieren um Regeln –stellen im Bereich der sozialen Demokratie ein konfliktfreies Miteinander und ein Problem lösendes Handeln dar.

 

 

 

Kommunikative Kompetenz – Gesprächskultur

 

Neben den Beobachtungen, dass die Kinder einander gegenseitig sehr viel helfen, der Umgangston untereinander „sehr freundlich und klar“ (St) ist, wurde besonders im Bereich der Kommunikation bzw. der Gesprächskultur die „hohe Kommunikationskompetenz“ (L) der Schülerinnen und Schüler wahrgenommen. Nicht nur, dass „alle Kinder miteinander sprechen“ (St), sondern dass innerhalb der unterschiedlichen Gesprächskreise (Morgenkreis, Montagstreffen, Präsentationskreis …) die Gesprächskultur auffiel, wurde rückgemeldet. Besonders deutlich kann dies durch folgende Rückmeldung (St) untermauert werden: „Sie ermahnen sich gegenseitig, falls die Leitung nicht angemessen ausgeführt wird, sie regulieren sich auch selbst hinsichtlich sozialer/kommunikativer Probleme; sie schlagen selbst Ideen/Handlungsweisen vor, wie in der entsprechenden Situation vorgegangen werden sollte.“ In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass eine Gesprächskultur nur dann entstehen kann, wenn miteinander kommuniziert wird. Kommuniziert wird um Inhalte, die die Kinder und deren Lebenswelt betreffen. Dabei wird nicht nur die Kommunikationsfähigkeit gefördert, sondern ebenso die Ausdrucksfähigkeit und die soziale Handlungsfähigkeit. Kommunikationsrunden stellen keine Leerläufe statt, „hier erfolgt Austausch, das Betroffen-Machen und Betroffen-Werden, das Wecken von Interesse … das Gefühle zeigen, über Gefühle reden, Kritik äußern, Wünsche artikulieren … das gemeinsame Besprechen des Tagesablaufes und der damit einhergehenden Arbeitsvereinbarung … das Präsentieren von Arbeitsergebnissen …“ 55

 

 

 

Abwesenheit aggressiven Verhaltens

 

Beeindruckend ist gerade bei den so genannten Verlaufs-Beobachtungen, dass vor allem die „Abwesenheit aggressiven Verhaltens“ (P) besonders deutlich auffiel. „Streitigkeiten und heftige Auseinandersetzungen gab es an dem Vormittag überhaupt nicht. Durch die vielen Freiräume fiel dieses Potential einfach weg.“ (L) „Zwei Tage lang waren weder Raufereien noch Streitereien zu sehen.“ (P) Innerhalb der Hospitation wurde jedoch nicht nur von Professorinnen und Professoren, Lehrerinnen und Lehrern und Studierenden das geringe Aggressionspotential festgestellt, sondern auch, wie das Kollegium untereinander agiert. Es fiel einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin/einem wissenschaftlichen Mitarbeiter ein Kollegium auf, das einen vertrauensvollen Umgang untereinander pflegt, „welches bereit ist, trotz unterschiedlicher Positionen miteinander um der Sache willen, Auseinandersetzungen zu führen“. Diese Aussage lässt darauf schließen, dass es sich bei dem Kollegium der Grundschule Harmonie um äußerst empathiefähige, kooperationsfähige und -willige Kolleginnen und Kollegen handelt, welche im Erkennen und Leben der Unterschiedlichkeiten in Verbindung mit dem täglich stattfindenden Kommunikationsaustausch das Wachsen von gelebter Schulkultur an dieser Schule vorantreibt.

 

 

 

Freiheit und Umgang mit Freiheit

 

Der Umgang mit Freiheit wurde von den Hospitantinnen/Hospitanten folgend beobachtet: „Ohne sichtbare strenge Grenzen gibt es ein funktionierendes soziales Gefüge, werden gemeinsame Ziele verfolgt“ (L), „Kinder lernen, mit Freiheit umzugehen. Sie erlernen dabei ihre eigenen Grenzen und Grenzen, die Mitschülerinnen und Mitschüler, Lehrerinnen und Lehrer im Zusammenleben setzen.“ (L) Festgehalten wurde, dass zwischen Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern ein „freundschaftlicher und kollegialer Umgang“ gepflegt wird, „ein vertrauensvoller Umgang der LehrerInnen untereinander“ (L) herrscht. Dass an der Schule von einer Probandin/einem Probanden (Abi) die Beobachtungen gemacht wurden, dass die „Probleme … innerhalb der Klasse besprochen“ werden „und jeder ernst genommen“ wird, „… dies wird auch im Lehrerkollegium sichtbar…“, zeugt von einer sehr positiven Schulkultur. Nicht nur Kinder aus der eigenen Klasse, sondern alle Personen, die im Schulhaus am Schulgeschehen teilhaben und das Schulleben mitgestalten, sind wichtig. Lehrerinnen und Lehrer leben dies vor und geben dadurch die ihnen wichtig erscheinenden Werte innerhalb des gesellschaftlichen Zusammenlebens weiter. Lehrerinnen und Lehrer stellen zweifelsohne Vorbilder dar. „Jeden Morgen werden alle aktuellen Gegebenheiten besprochen, so dass jeder über den anderen Bescheid weiß.“ (St)

 

 

 

Interaktionen Lehrerinnen/Lehrer und Schülerinnen/Schüler

 

Um eine gut funktionierende Kommunikation zu ermöglichen, trägt ebenso „der „natürliche“, nicht lehrerhafte Umgang mit den Schülerinnen und Schülern bei. Sie wurden von den Lehrerinnen und Lehrern als Persönlichkeiten behandelt. Diese Umgangsformen konnte ich auch in der Kommunikationsform der Schülerinnen und Schüler untereinander beobachten.“ Diese Aussage lässt den Schluss zu, dass Kinder, die als Schülerinnen/Schüler nicht als nur die zu Belehrenden gesehen werden, sondern als „Menschen gleicher Klasse“, als eigenständige Persönlichkeiten, dadurch im schulischen Alltag angepasste Kommunikationsformen an den Tag legen. Die Position der Lehrerin/des Lehrers scheint das Image der/des Belehrenden, der „Besserwisserin/des Besserwissers“ abgelegt zu haben, an deren/dessen Stelle die Beraterin/der Berater, die Helferin/der Helfer tritt. Diese oben angeführte Beobachtung wurde von einer Professorin gemacht und lässt darauf schließen, dass gerade dieser notwendige Aspekt im schulischen Miteinander von ihr auch an die Studierenden weiter gegeben wird.

 

 

 

Methodenvielfalt

 

Möglich ist es, dass aufgrund der „Methodenvielfalt“ (L) und des „freien Umgangs mit Methoden und Medien“ (L) eine Atmosphäre entsteht, die keine Aggressionen aufkommen lässt, dass durch den natürlichen, nicht belehrenden Umgang mit Kindern, durch die Einbeziehung der Kinderinteressen usw. die hohe Sozial- und Kommunikationskompetenz bei Schülerinnen und Schülern erreicht werden kann. Dies, obwohl diese Beobachtungen mit dem Zusatz „zu hohe Lautstärke in den Räumen“ ebenso von der gleichen Lehrerin/dem gleichen Lehrer stammt.

 

 

 

Schulische Alltagskultur

 

Ganz sicher spielen die Faktoren wie „offene Atmosphäre an der Schule“, „Ruhe und Gelassenheit“, „freundliche Umgangsformen“, „respektvoller Umgang miteinander“ und „individuelles Eingehen auf aktuelle Situationen“ eine zentrale Rolle, dass das Lernen positiv unterstützt wird. Dass die Kinder angeleitet werden, „Fragen, die sie haben, selbst zu erforschen“ (P) und den sinnvollen und kompetenten Umgang mit dem PC zu erlernen ist ebenso zu erwähnen wie die Selbstreflexion einer Person (St), die zur beobachteten Selbstbestimmung des Lernens meinte: „Ungewohnt zunächst, aber höchst interessant, die Kinder beim selbständigen Arbeiten zu beobachten.“ Was konkret könnte von der Studentin/vom Studenten beim selbständigen Arbeiten beobachtet worden sein? Eventuell dass sich die Kinder konzentriert mit einer Sache, die sie selbst gewählt haben, auseinander gesetzt haben, oder dass sie bei der Frage, die sie selbst erforschen wollten, zuerst auf ihr vorhandenes Wissen zurückgriffen und sich danach mit Hilfe von Büchern, Karteikarten oder Informationen aus dem Internet ihr Wissen erweiterten. Es könnte sein, dass sich die Kinder bei einer mathematischen Aufgabe mit deren Problemlösung auseinander setzten, die logisches, vernetztes Denken erforderte. Möglich wäre auch, dass das Interessante bei dieser Beobachtung war, dass Kinder ihre freien Gedanken auf ein Blatt Papier schrieben oder ihren bereits verfassten freien Text in der Druckerei druckten. Es könnte auch sein, dass sich im Kreativbereich das selbständige Arbeiten in Form eines kurzen Theaterstücks widerspiegelte. Interessant könnte für die Studentin/den Studenten gewesen sein, all diese Beobachtungen gleichzeitig zu tätigen. Die Betrachtung, dass Schülerinnen und Schüler zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Arbeiten konzentriert beschäftigt sind, könnte für diejenigen, die freie Arbeit nicht kennen, tatsächlich ungewohnt und höchst interessant sein.

 

 

 

Schulleben

 

Das „tolle Außengelände …“, das Schulhaus an sich und „Klassenräume mit Atmosphäre Wärme ausstrahlend“ wurden bei der Hospitation von einer Studentin/einem Studenten wahrgenommen; dass die Kinder „Freude am Unterricht haben“, wurde von einer Lehrerin festgehalten. Eine Rückmeldung stammt von einer Lehramtsanwärterin, die bereits an mehreren Schulen hospitiert hatte, an der Grundschule Harmonie mehr als drei Wochen verbrachte und aufgrund ihrer Beobachtungen feststellte, dass „Kinder ihre Ideen verwirklichen konnten und viel, viel mehr können als ihnen an vielen anderen, Schulen zugetraut wird“ .

 

 

 

Negatives

 

Als negative Beobachtungen während eines Hospitationsvormittages wurden festgehalten, dass für zwei Personen die Lautstärke in den Räumen zu hoch war, sich „Leerläufe bei der Arbeit“ (L) und bei einigen Kindern „Orientierungslosigkeit“ (L) breit machte. Würde bei „traditionell“ geführten Klassen eine diesbezügliche Untersuchung angestellt werden, könnten Leerläufe wahrscheinlich ebenso aufgezeigt werden. Das „Abschalten“, „Weghören“, „Abdriften“… und das in unterschiedlich ausgeprägter und demonstrierter Form, sich dem Unterricht zu entziehen, zu stören, abzulenken oder den Gang aufs WC als Ausrede zu benutzen … anstelle fremd gesteuerten Aufgaben nachzugehen, wären sicher beobachtbar. Als negativ wurden weiters die „chaotische Materialaufbewahrung nur ein gutes, weil belebtes Kinderzimmer muss immer wieder aufgeräumt werden und ein chaotisches Tafelbild“ hoffentlich war es nicht von Kindern! angeführt.

 

 

 

Ich sehe diese Beobachtungen NICHT als Negatives ! eher „kritisches Sehen mit sensibler Erfassung

 

 

 

 

 

 

 

4. 1. 3. 1. Kinder managen ihren Schulalltag oder: „Was fällt bei selbst bestimmter Arbeit auf?“

 

Im Rahmen der Fragebogenerhebung wurde nach Wahrnehmungen der Hospitierenden auf drei unterschiedlichen Ebenen – zunächst die Kinder, danach die Lehrerinnen und Lehrer und auch die Eltern betreffend – gefragt. Bei den Beobachtungen, die die Kinder betrafen, standen bei den Rückmeldungen vier Kompetenzbereiche, über die die Kinder an der Grundschule Harmonie verfügen, im Vordergrund. Diese stellten die Selbstkompetenz, Sozialkompetenz, Sachkompetenz und Kommunikationskompetenz dar. Danach folgten Wahrnehmungen, die in den Bereich der Kooperations- und Konfliktlösungskompetenz fallen.

 

 

 

Selbstkompetenz

 

14 Probandinnen und Probanden stellten fest, dass die Kinder „selbständig sind“ und „selbständig arbeiten“ „können (!)“ und ihre Arbeiten so verantwortungsvoll und konzentriert erfüllen, dass „Kinder sich in ihrer Arbeit so ernst nehmen, dass sie ,keine Zeit’ für langes Reden haben“. Das ist aber nicht unser Ziel, sie sollen viel Zeit zum Miteinanderreden haben! Eine Professorin/ein Professor hielt fest, dass die Kinder „ausdauernd – ohne ständige Kontrolle durch Lehrkräfte – arbeiten“. Eine diesbezügliche Mitteilung einer Person (LA) hielt ebenfalls genau das fest, was Kindern vielfach nicht zugemutet wird, nämlich dass sie „tatsächlich ihr Pensum bewältigen, obwohl man aus den anerlernten Meinungen heraus dies für nicht realitätsnah hält bzw. die Reformpädagogik für eine nette Utopie angesehen haben könnte.“ Folgende Beobachtungen (wM) drücken ebenfalls das aus, was immer wieder im Laufe des Schultages wahrgenommen werden kann, nämlich, dass Kinder „… nichts gemacht haben – Dinge gemacht haben, die andere Lehrer/innen (vermutlich viele) ihnen nicht zugetraut hätten – gerechnet, geschrieben, gesungen und gemalt haben, aber auch Dinge gemacht haben, die man sonst in Schulen nicht alltäglich sieht, wie Diskussionen um (politische) Themen, wie man sie anderen (schul)orts nicht sieht“. Bei einer weiteren Rückmeldung (L) wurde über folgende Beobachtung berichtet, dass Kinder „sehr selbständig arbeiten, sie leise arbeiten, miteinander arbeiten, an vielen verschiedenen Themen, überall in der Schule arbeiten, draußen arbeiten, Theater spielen, musizieren, sich nicht von Erwachsenen stören lassen“. Dass Kinder „sich ihre Arbeit’ selbst suchen, untereinander einen ruhigen Umgangston zeigten, sich gegenseitig bei der Arbeit halfen, wenn dies benötigt wurde“, fiel einer Professorin/einem Professor auf. Die Beobachtung (LA) spiegelt wieder, dass die Kinder „viel Freiraum haben, wenig Stress und Druck haben, selbständig arbeiten, viel erreichen“.

 

 

 

Verallgemeinernd stelle ich Fragen, die sich aufgrund der aufgelisteten Beobachtungen für mich ergaben. Wie wird von Lehrerinnen- oder Lehrerseite reagiert, wenn Kinder individuelle Pausen machen, nachdenken und so ihren Problemen nachgehen? Lernen die Kinder oder versuchen sie gestellten Aufgaben aus dem Weg zu gehen? Sehen die Kinder im „Nichtstun“ die Möglichkeit, sich durch den Vormittag zu schwindeln? Wird tägliches „Nichtstun“ mit der Zeit nicht uninteressant? Wie rechtfertigen dies Kinder bei dem den Tag abschließenden Präsentationskreis? In welcher Form – belehrend, autoritär, fordernd, verständnisvoll, ... – werden diesbezüglich Gespräche mit dem Kind/den Kindern geführt? Wie schaut die Vereinbarung nach selbst bestimmten „Auszeiten“ aus? Kann „Nichtstun“ in der Schule erlaubt werden, wenn doch für Lehrerinnen/Lehrer ein gesetzlich vorgeschriebener Bildungsauftrag vorhanden ist? Liest man diese Fragen, und die stellen nur eine kleine mögliche Auswahl dar, kann die Leserin/der Leser wahrscheinlich selbst an sich sofort erkennen, dass bei der Beobachtung, dass Kinder „nichts gemacht haben“, zuerst sofort ein negatives Bild in den Sinn kommt – nämlich dass das Nichtstun in der Schule nicht sein kann/darf. 56 Nachzudenken wäre dabei auch über Laotses Spruch: „Beim Nichtstun bleibt nichts ungetan.“

 

Der Kölner sagt: Et kütt wie et kütt, evver vun nix kütt nix! Also: loss dr Zigg!“ un, „Wer fuul sinn will, muss schlau sinn!“ Die miserable Übersetzung: Es kommt wie es kommen muss, aber von selbst kommt oder passiert nichts. Also: Lass dir Zeit zum Leben und denke daran, dass, wer faul sein will, auch schlau sein muss!“

 

 

 

Sozialkompetenz

 

Eine dazu unterschiedliche Beobachtung (L) gibt Folgendes wieder: Im Fragebogen wurde angeführt, dass Kinder „sich kleine Ruhepausen gönnten, aber sofort mit Eifer nach einiger Zeit ohne Ermahnung eines Lehrers wieder ihre begonnene Tätigkeit aufnahmen … sich untereinander sehr hilfreich zur Seite standen.“ Eine ähnliche Beobachtung wurde von einer Studentin/einem Studenten gemacht, dass nämlich die Kinder „gemeinsam an einem Thema arbeiten, aber auch alle sehr gut arbeiten können. Obwohl es ein offener Unterricht ist, werden die Schüler/innen von ihren Kolleg/innen nicht abgelenkt und gehen ihrer zu erledigenden Aufgabe nach. Schüler/innen helfen sich auch gegenseitig bei den Aufgaben.“ Aus weiteren, ähnlich festgehaltenen Rückmeldungen der Probandinnen/Probanden geht die Annahme hervor, dass Kinder, die selbst bestimmte Aufgaben erledigen, vielfach ein Mehr an Leistungen erbringen, sich am Weg zur Problemlösung nicht davon nicht abbringen lassen. Aus diesen Meinungen ist ersichtlich, dass in der Grundschule Harmonie nicht nur der kognitive Bereich, sondern vor allem für die Ausübung im „freien Ausdruck“, im künstlerisch-kreativen Bereich, genügend Freiraum geboten wird. Dadurch kann schulischer Stress vermieden werden. Es kann weiters angenommen werden, dass dadurch die beobachtete Freude am Unterricht oder meinst du „Arbeiten“ oder meinst du „Lernen“ größer ist. Die folgende Aufzählung kann als weitere verallgemeinerbare Wahrscheinlichkeit angenommen werden: Suchen sich die Kinder ihre Arbeiten selbst aus – die Vereinbarung wird ja im täglich abgehaltenen Kreisgespräch mit der Lehrerin/dem Lehrer getroffen –, erfolgt ein gegenseitiges Helfen, wenn Hilfe notwendig ist. In einem ruhigen Umgangston wird darüber diskutiert, werden auftretende Probleme selbst und ohne Aggression gelöst. Aufgrund des jahrgangsübergreifenden Lernens wir hatten das aber bereits so ohne jahrgangsübergreifendes Lernen. Es verstärkt, aber der Grund für die Kooperatution ist die Erziehung zur solchen. Und das Tut Freinetpädagogik durch Klassenrat, Kreis, Arbeitsvertrag, etc kann sich ein gegenseitiges voneinander und miteinander Lernen ergeben. Nicht die Konzentration auf das „Ego-zentrierte“ Lernen, sondern das kooperative Miteinander wurde im Zuge der Hospitation ebenso wahrgenommen. So z. B., dass sich die Kinder „mit den verschiedensten Aktivitäten auseinandersetzen – allein, zu zweit“ (St) und „auch in Gruppen produktiv sind“ (L). Eine Bemerkung wird zu der Aussage „obwohl es ein offener Unterricht ist …“ noch angebracht. Meiner Meinung nach dürfte hier nicht „obwohl“ stehen, sondern „weil es ein offener Unterricht ist…“ Gerade durch die Möglichkeit des offenen, kindorientierten Unterrichts kann selbst schöpferische Arbeit entstehen und können kooperative Verhaltensweisen in dieser wahr genommenen Art und Weise umgesetzt werden. „Offener Unterricht ist für mich ein Paradoxum: Das (sich) Unter-Richten-Müssen in der Schule kann nicht wirklich offen sein. Aber die Kinder können offen werden, die LehrerInnen, das Lernen. Es ist das Kind-selbst-aktive ständige Öffnen der Welt, die bei Ihnen selbst anfängt, über das Du und das Wir gehend, in den unendlichen Tiefen des Weltalls, geschweige denn im weltweiten Netz, noch immer nicht ihr Ende findet. Nennen wir es besser die Chance einer öffnenden Schule, die Menschen selbst organisiert, selbst bestimmt und selbst verantwortet lernen, sprechen und zusammenleben lässt“ (Walter Hövel, nicht veröffentlichtes Manuskript 2007)

 

 

 

Studierende hielten fest, dass die Kinder „in einigen Fällen die Lehrer nicht zu brauchen schienen, Konflikte selber lösen, einander unterstützen und auf Fehler aufmerksam machen“ (St), „… ohne Ermahnen ihren individuellen Aufgaben nachgingen und sich gegenseitig ermutigten …“ Dieses Phänomen stellt aber auch eine Lehrerinnen- bzw. Lehrerbeobachtung: „…eigenständig ohne ständiges Erinnern dar. Den Wert kooperativen Handelns und Arbeitens findet man ebenso bei den Überlegungen der Reformpädagoginnen und -pädagogen. Das wesentliche Element der Demokratie sah John Dewey (jedoch) in der Schule darin umgesetzt, (indem) dass der Lernende „so zu einem Partner im gemeinsamen Handeln“ wird, „dass er dessen Erfolg als seinen Erfolg, dessen Fehlschlagen als sein Versagen empfindet, d. h., dass durch das gemeinsame Handeln dieselben Ideen und Gefühle in ihm geweckt werden, die auch die anderen bewegen“. 57 Dieses Verständnis von Lernen sollte die Heranwachsenden – bezogen auf Abhängigkeiten – frei machen.

 

 

 

Die Vorgangsweise, wie und wo selbständiges Arbeiten erfolgt und dass das Arbeiten an keinen fixen Platz an der Grundschule Harmonie gebunden ist, zeigen diese Rückmeldungen: „Die Schüler besprechen zunächst mit den Lehrern ihre Arbeitsvorhaben ab. Dann lernen und arbeiten sie entweder alleine, zu zweit oder mit mehreren an ihren selbst bestimmten Aufgaben. Dieses geschieht nicht nur innerhalb des Klassenraumes, sondern auf dem Schulgebäude, in den Fluren, im Lehrerzimmen oder im Schulleiterbüro.“ (St) Während die Kinder „sehr eigenständig und meist zielstrebig den von ihnen ausgewählten Tätigkeiten nachgingen“, konnten sie „ohne Scheu das Lehrerzimmer … und dort auch den Computer benutzen, das wäre an meiner Schule nie möglich gewesen.“ (L) Die Beobachtung, dass sich der Lernort der Kinder nicht nur auf das eigene Klassenzimmer beschränkt, sondern dafür das gesamte Schulgebäude – ja sogar das Lehrerinnen- und Lehrerzimmer und auch das Schulleiterbüro zählen dazu – von den Kindern benutzt werden darf, ist augenfällig. Kinder, die in Gruppen zusammen arbeiten, brauchen für ihre Tätigkeiten in der Regel mehr Raum. Das Arbeiten in den Gruppen ist mit Arbeitslärm verbunden. Wenn Kinder mit ihren Tätigkeiten in Gruppen beschäftigt sind, wird nicht geflüstert, sondern es wird geredet, es wird gelacht, es geht etwas lauter zu. Kinder, die alleine und konzentriert ihren Arbeiten nachgehen, benötigen daher Räumlichkeiten, in denen ein Nachdenken, ein Arbeiten in Stille möglich ist. Das ist ein Grund, warum an dieser Schule alle Räume als Arbeitsraum und Lernort genutzt werden können. Dazu lädt auch das Arbeiten und Verweilen im Schulgelände ein. Nachdem sich sowohl in den Räumen als auch im Schulgebäude Lehrerinnen/Lehrer, Lehramtsanwärterinnen/Lehramtsanwärter, Praktikantinnen/Praktikanten, Eltern, Sekretärinnen und weiteres Personal – die Assistenten 58 – tummeln, sind die Kinder – drinnen wie draußen – auch dementsprechend beaufsichtigt. Zu besonderen Zeiten, wie Pausen, gibt es einen im Lehrerinnen- und Lehrerkollegium besprochenen und fixierten Aufsichtsplan.

 

 

 

Sachkompetenz – Sprache, Mathematik, Welterkundung, Kreativbereich

 

Die Sach- und Methodenkompetenz, über die die Kinder an der Grundschule Harmonie verfügen, erstreckt sich vom sprachlichen, mathematischen, sachkundlichen Bereich hin bis zum Kreativbereich. „Kinder ziehen sich zurück, um eigene Texte zu schreiben, Texte zu präsentieren“ (L), aber auch, um „eigene mathematische Probleme“ zu lösen…“ (L) Im Laufe des Vormittags wurde von mehreren Personen beobachtet, dass die Schülerinnen und Schüler der Grundschule Harmonie Geschichten geschrieben haben“, „ein Theaterstück probten“, „im Werkraum etwas herstellten (eigenständig)“, „in der Druckerei eigene Texte zu Papier brachten (mit Lehrperson)“, „Theater spielen, musizieren, sich nicht von Erwachsenen stören lassen...“ (L) Weiters wurde beobachtet, dass Kinder „Pflanzenexperimenten nachgehen“, „bauen, konstruieren, Versuche beginnen, Vorhaben nach Scheitern in der Durchführungsphase verwerfen, um nach neuen Lösungsmöglichkeiten zu suchen“. (P)

 

 

 

Kommunikations-, Kooperations- und Konfliktlösungskompetenz

 

Die Kommunikationskompetenzen, die Schülerinnen und Schüler an der Grundschule Harmonie aufweisen, nahmen die Hospitierenden ebenso wahr. Dazu kann folgende Beobachtung (P) gezählt werden: „…zuhören, argumentieren, kritische Fragen stellen, Arbeitsergebnisse auf unterschiedlichste Art und Weise präsentieren“. Der Vergleich und die präzise getroffene Äußerung, die dieselbe Person tätigte, finde ich als eine markante Feststellung, die für die an den Grundschulen vielfach fehlende „Politische Bildung“ bezeichnend ist. Festgestellt wurde, dass Kinder „… im Kinderparlament über Themen diskutieren, die man ihnen in traditionell geführten Schulen nicht zutrauen würde“. Dass die Kinder der Grundschule Harmonie über eine hohe Kommunikationskompetenz verfügen, ist daraus ersichtlich, wenn sich Kinder „gegenseitig reglementieren (Diskussionen im Kreis)“ und dieses „Zurechtweisen“ akzeptieren. Diese Beobachtung führte die gleiche Person (P) durch.

 

 

 

Was wurde weiters bei Kinderaktivitäten im Laufe des Vormittags beobachtet? Es ist nicht verwunderlich, dass bei der Beobachtung, was Kinder in selbsttätiger Arbeit zu leisten im Stande sind und tatsächlich leisten, Aussagen wie: „… ihre Ideen verwirklichen konnten und viel, viel mehr können, als ihnen an vielen anderen Schulen zugetraut wird“, „viel arbeiten“, „ selbstverständlich lernten“, „Freude am Unterricht haben“ (P), „gerne in die Schule gehen“, „Freude am Lernen haben“ … getätigt wurden. Kinder, die es selbsttätig erlernt haben, mit ihrem in der Schule angebotenen Freiraum umzugehen, die dadurch auch „wenig Stress und Druck haben“, können ihre Lernleistungen selbstverständlich auch an jedem Lernort, sei er innerhalb oder außerhalb des Schulgebäudes, erbringen. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass Kinder „in einigen Fällen die Lehrer nicht zu brauchen“ scheinen. Beobachtet wurde (jedoch) auch, dass einige wenige Kinder „eher ziel- und planlos im Schulgebäude herum gehen“, „auch nur dasaßen und warteten“, „zum Teil arbeiten, zum Teil herum sitzen und nichts tun“. Eine Studentin hielt fest, dass sie „teilweise große Konflikte untereinander austragen“, die sich „meist aber ohne Lehrkraft wieder beruhigen“, „die Konflikte selber lösen“ und „auf entgegengebrachte Ruhe selbst mit Ruhe reagieren“. Der hohe Grad an Selbst-, Sozial- und Sachkompetenzen, Methoden-, Kommunikations- und Konfliktlösungskompetenzen, über den die Schülerinnen und Schüler an der Grundschule Harmonie verfügen, fiel allen Probandinnen/Probanden auf. Daraus kann geschlossen werden, dass dies an anderen Schulen nicht selbstverständlich und nicht in diesem Maße vorhanden ist. Festgestellte Defizite und fehlende Umsetzung an den Schulen auf der einen Seite und die vielen Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler dieser Schule besitzen, könnten in die bestehenden Curricula der Lehrerinnen- und Lehrerbildung (Aus-, Weiter- und Fortbildung) einfließen, festgeschrieben und deren Umsetzung eingefordert werden. Fortbildungen im Sinne eines Erwerbs eines unterschiedlichen Methodenrepertoires erscheinen logisch. Dabei müssten Fragen wie z. B.: Wie gelangen Kinder zur Selbsttätigkeit? Welche organisatorischen Veränderungen sind damit verbunden? Was bedeutet das „Lernen lernen“? Wie funktioniert Selbsttätigkeit in der Praxis? Welche Rolle nehmen Lehrpersonen ein? Wie erfolgt der Erwerb eines breiten Kommunikations- und Kooperationsrepertoires? Berücksichtigung finden.

 

 

 

 

 

4. 1. 3. 2. Lehrerinnen- und Lehreralltag – Herausforderungen und Chancen professioneller Arbeit mit Kindern

 

Die Rückmeldungen wurden bei der Fragestellung „Im Laufe des Vormittags habe ich beobachtet, dass die Lehrer/innen….“ von mir in zwei Blöcke eingeteilt. Diese betreffen die Schülerinnen- und Schülerebene und die Lehrerinnen- und Lehrerebene. Diese Einteilung aufgrund der eingegangenen Fragebögen wurde deswegen durchgeführt, weil man aufgrund der Rückmeldungen genau erkennen kann, dass der Fokus bei der Beobachtung von Lehrerinnen- und Lehrertätigkeit auf diese inhaltlichen Schwerpunkte gelegt wurde.

 

 

 

Schülerinnen- und Schülerebene

 

Die Beobachtungen betreffen die Bereiche

 

  • Fördernde und hilfreiche Lernvoraussetzungen für sinnvolle Tätigkeit schaffen

  • Das Lernen der Kinder begleiten und beobachten

  • Differenzieren und Individualisieren

  • Einfordern von Ergebnissen

 

  • Kommunizieren

  • Zumuten und Kontrollieren

  • Fair sein und Wertschätzen

  • Kommunizieren über Kinder

  • Gegenseitiges Respektieren und Kooperieren

 

 

 

Fördernde und hilfreiche Lernvoraussetzungen für sinnvolle Tätigkeit schaffen

 

Es werden Wahrnehmungen, die die Probandinnen und Probanden aus unterschiedlichen Berufsgruppen tätigten, aufgelistet und danach miteinander verglichen. Demnach wurde beobachtet (L), dass Lehrerinnen und Lehrer der Grundschule Harmonie „eine Art ,Beratertisch’ darstellen – sich mit wechselnden Kindern auseinander setzten“, „sich intensiv mit ihrer Arbeit und einzelnen Kindern auseinander setzten“, „hilfreich den Kindern zur Seite standen und nicht nur belehrend“, „die Hilfsposition einnehmen oder den Schüler/innen den Lernort entsprechend bereitstellen“, „den Schüler/innen helfen, ihren Arbeitsablauf zu organisieren“. Von den Studierenden wurde beobachtet, dass „(sie) allen Kindern immer wieder die Chance geben, die Klassenregeln zu verstehen/ernst zu nehmen und die eigene Persönlichkeit zu entwickeln“, „während der Arbeitszeit hilft er den Schülern bei Problemen, gibt Anregungen, Verbesserungsvorschläge“, „diejenigen Kinder, die Hilfe benötigen, werden von den Lehrer/innen intensiv betreut“, „die Lehrer/innen nehmen sich auch meiner Meinung nach mehr Zeit für Probleme, die die Kinder belasten“, „der Lehrer nimmt eher die Rolle des Beraters und Helfers ein“, „Anregungen und Hilfestellungen geben“. Es wurde weiters beobachtet, dass Lehrer/innen „Kindern ihr Lehrerzimmer zur Verfügung gestellt haben, wenn das gute Bedingungen für das Lernen bereitstellt“ (wM), „Kindern helfen“ (LA), „Kinder unterstützen“ (LA), „Anregungen und Hilfestellungen geben“ (LA), „Krisenmaßnahmen ergreifen und tatkräftig intervenieren“ (P).

 

 

 

Zu den fördernden und hilfreichen Lernvoraussetzungen für die Kinder zählt unter anderem die persönliche Zuwendung der Lehrperson. Die Lehrerinnen- und Lehrerrolle als Beraterin/Berater, als Helferin/Helfer besitzt einen anderen, motivierenden Charakter, als wenn die Lehrerin/der Lehrer immer nur als die Belehrende/der Belehrende und diejenige/derjenige angesehen wird, die/der verbessert, die/der kontrolliert, die/der korrigiert, auf Fehler hinweist. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kind, mit dem Lernfortschritt des Kindes, mit dessen Arbeitsergebnissen usw. fördert auch eine intensivere Lehrer/innen-Schüler/innen-Beziehung. Kinder, die Probleme haben, die Hilfe brauchen und die darum wissen, dass Lehrerinnen oder Lehrer sich darum kümmern, fühlen sich an- und aufgenommen. Diese Beobachtungen zeigen, dass die meisten Probandinnen/Probanden – ( L) , (St), (P) und (LA) – die individuelle Förderung, die den Kindern der Grundschule Harmonie zuteil wird, in ähnlicher Form wahr genommen haben.

 

 

 

Das Lernen der Kinder begleiten und beobachten

 

Die folgenden Probandinnen/Probanden (L) stellten bei ihrer Hospitation fest, dass Lehrerinnen und Lehrer der Grundschule Harmonie „als Lernbegleiter fungieren“. „Manche Lehrer wurden aktiv von Schülern angesprochen, in anderen Klassen ist der Lehrer auf die Schüler zugegangen und hat nachgefragt, was sie arbeiten“, zeigt, wie die Lehrer/innen im Laufe des Vormittags die Schülerinnen und Schüler betreuen und in welcher Form sie einen Leistungszuwachs fördern, Lernaktivitäten begleiten und unterstützen. Weitere Lehrer- bzw. Lehrerinnenbeobachtungen lauteten: „They act as mentors“, Kolleginnen und Kollegen agieren in der Form, dass sie „Kinder beim Lernen begleiten und unterstützen“, „sehr entspannt sind, einen ruhigen, partnerschaftlichen Umgangston mit den Kindern haben“.

 

 

 

Genau diese Beobachtung wurde auch von den Studierenden geteilt, indem festgehalten wurde, dass die Lehrer/innen „eine lernbegleitende Rolle spielen“, „den Schülerinnen und Schülern Freiräume gewähren, aber auch unterstützend in Lernprozesse eingreifen“. Eine Lehramtsanwärterin/ein Lehramtsanwärter hielt bei ihren/seinen Aufzeichnungen fest, dass Lehrerinnen/Lehrer „Veranstaltungen so organisieren, dass andere Schüler außerhalb der Klassenstruktur teilnehmen können – also Veranstaltungen offen gestalten“. Dies kann so gedeutet werden, dass die Lehrerinnen und Lehrer der Grundschule Har-monie bemüht sind, jedes Kind individuell auf seinem Lernweg zu begleiten und durch intensive persönliche Zuwendung die Lernprozesse bestens zu begleiten. Dadurch, dass sich die Kinder auf unterschiedlichen Leistungsniveaus befinden – speziell im jahrgangsübergreifenden Klassengefüge –, müssen die Kinder da abgeholt werden, wo sie nicht nur im kognitiven Bereich stehen. Durch die ähnlichen Beobachtungen, dass die Lehrerinnen und Lehrer die Kinder bei ihren unterschiedlichen Lernprozessen begleitend und unterstützend betreuen, fällt auf, dass entweder bei auffallenden Defiziten gefördert wird, aber auch Fördermaßnahmen bei hoch intelligenten Kindern durchgeführt werden. Wird die Lehrerin/der Lehrer unter diesem Blickwinkel betrachtet, dann muss sie/er über den Entwicklungsstand der einzelnen Kinder sehr genau Bescheid wissen. Das deckt sich ebenso mit den Beobachtungen, die sowohl die Lehrerinnen/Lehrer als auch Studierenden tätigten. So wurde festgehalten, dass die Lehrerinnen und Lehrer der Grundschule Harmonie „wissen, wo die Kinder und woran sie arbeiten“, „Stärken und Schwächen jedes einzelnen Schülers kennen“ (L), während den Studierenden auffiel, „dass eine Lehrerin die individuellen Lernfortschritte festgehalten hat und somit den Überblick über das Können aller Schüler/innen bewahrt“. Nimmt man die Aussage der Probandin/des Probanden her, dass die Lehrerinnen und Lehrer die „Veranstaltungen offen gestalten“, muss angenommen werden, dass dies nur in einem Kollegium funktioniert, in dem auch selbst offen gearbeitet wird. Wenn Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geboten wird, an angebotenen Veranstaltungen teilzunehmen, muss eine Fluktuation zwischen den Klassen möglich sein. Das heißt, dass sich nicht nur die Kinder etwas Angebotenes aussuchen können, sondern dass sich die Lehrerinnen und Lehrer dies zuvor mit den Kolleginnen und Kollegen absprechen. In dem Fall kann auch ein sehr positives Schulklima angenommen werden, da offen gestaltete Angebote unter den Kolleginnen und Kollegen nicht als konkurrenzierend dargestellt werden.

 

 

 

Differenzieren und Individualisieren

 

Zum Teil implizierten die bisher festgehaltenen Beobachtungen das differenzierte und individualisierte Lehren. Zu diesem Themenbereich hielten Lehrerinnen/Lehrer fest, dass die beobachteten Kolleginnen/Kollegen der Grundschule Harmonie „einzelne Kinder intensiv betreuen konnten, dadurch, dass viele andere sehr selbständig gearbeitet haben“, „sich Zeit für die Schüler/innen und ihre individuellen Arbeiten nehmen“. Die Beobachtungen der Lehrerinnen und Lehrer im Bereich des Differenzierens und Förderns wurden eher spärlich festgehalten. Nicht so verhielt es sich bei den Studierenden. Diese hielten fest, dass die Lehrerinnen/Lehrer „ganz entspannt wirken und sich Zeit nehmen für jedes einzelne Kind“, „sich einzelnen Kindern widmen, ohne die anderen kontrollieren zu müssen“, „das Kind wird im Ganzen betrachtet, also auch die positive Entwicklung der letzten Zeit“, „die Schüler/innen individuell betreuen“, „sehr damit beschäftigt sind, auf alle Schüler/innen (ihre Fragen, Probleme, Arbeiten) konkret einzugehen, um ihnen weiter zu helfen“. Interessant bei diesem Bereich erscheint mir die Beobachtung einer ehemaligen Schülerin/eines ehemaligen Schülers, die/der festhält, dass „sie sich auf jedes Kind einlassen und sich speziell um die einzelnen Kinder kümmern“. Weitere Beobachtungen waren, dass die Lehrerinnen/Lehrer „sich Zeit für die Kinder nehmen, um mit ihnen gemeinsam an der Lösung von Problemen zu arbeiten“ (P), „sie haben Impulse gesetzt und mit dem Kind gemeinsam beraten ... diese Art der Beratung war neu für mich …“ (E), „Zeit für einzelne Schüler hatte“ (Cl). Es zeigt sich, dass die persönliche Lernbetreuung und die Förderung der individuellen Bedürfnisse an der Grundschule Harmonie im Vordergrund stehen. Da sich an dieser Schule sehr viele Kinder befinden, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, ist anzunehmen, dass vor allem ihnen diese verstärkte Lernunterstützung, Lernbetreuung, Lernförderung positiv zugute kommt. Eine intensive Förderung tatsächlich aller Kinder – sowohl der leistungsschwachen, leistungsstarken, der Kinder aus sozial schwachen Familien, der in- und ausländischen Kinder, … – zeigt aber auch von einer sehr hohen Sozialkompetenz der Lehrerinnen und Lehrer. Durch intensive Förderung und kooperatives Miteinander werden die Kinder auch auf die Gesellschaft (in der es jedoch durch soziale Ungerechtigkeiten nicht immer kooperativ und menschenfreudig und menschenwürdig zugeht) außerhalb der Schule vorbereitet. John Dewey, der die Schule als „soziale Ausgleichs- und Begegnungsstätte“ ansah, meinte dazu: „Wenn Schule den Nachwuchs auf eine sozialere Gesellschaft vorbereiten will, muss sie selbst zu einer kooperativen Gemeinschaft in kleinem Maßstab werden“. 59 Eine weitere Aussage Deweys findet sich bei Bohnert (2005) an anderer Stelle, in der festgehalten wird, dass das eigene Wohl oder Glück und das der andern sich nicht diametral gegenüber stehen, sondern dass „die Entwicklung individueller Eigenart und die Sensibilität für die Ansprüche und Selbstfindung anderer … erst über die Individualisierung des Einzelnen … seinen spezifischen Beitrag für das Gemeinwohl 60 leisten kann.

 

 

 

Bei der Beobachtung des differenzierten Arbeitens ergaben sich unterschiedliche Wahrnehmungen zwischen den Hospitierenden, die Lehrerinnen und Lehrer sind, und jenen, die entweder Studierende oder Professorinnen/Professoren sind. Die Vermutung, warum die Studierenden die persönliche Betreuung, Förderung und Herausforderung von Schülerinnen und Schülern verstärkt wahrnahmen, kann darin begründet liegen, dass Studierende im Rahmen ihrer Ausbildung bereits verstärkt mit Differenzierungs- und Individualisierungsmaßnahmen konfrontiert werden bzw. wurden. Die im Beruf Stehenden könnten diese individuelle Form der Betreuung noch nicht in diesem Ausmaß für sich als Umsetzungsmöglichkeit in der eigenen Klasse entdeckt haben. Weiters kann es sein, dass die Lehrerinnen und Lehrer sich zwar für das kindorientierte Lernen interessieren, die praktische Umsetzung und den dabei erzielten Lernerfolg in Frage stellen und daher für nicht möglich oder für nicht beobachtenswert empfunden haben. Als weitere Möglichkeit der unterschiedlichen Wahrnehmungen kann angenommen werden, dass aufgrund der offenen Angebote bei Lehrerinnen und Lehrern sofort der Gedanke im Vordergrund präsent ist: „Das geht bei uns nicht, weil …“

 

 

 

Einfordern von Ergebnissen

 

Dass innerhalb der selbst gewählten Tätigkeiten auch die Ergebnisse den Lehrerinnen und Lehrern der Grundschule präsentiert werden müssen, geht aus folgenden Beobachtungen hervor. So wurde festgehalten, dass die Lehrer/innen „auch deutlich Grenzen setzen“ (P), „mit dem Lehrer werden die Arbeitsvorhaben abgesprochen“ (St), „sehr konsequent und bestimmt ihre gesteckten Ziele verfolgen, obwohl alles von den Kindern mitbestimmt erscheint“ (L), „sich im Hintergrund halten, andererseits auch konsequent einfordern“. Hier herrschte bei den Beobachtungen der Probandinnen/Probanden Einigkeit. Es erscheint nicht nur legitim, den Kindern bei ihren Arbeiten Grenzen zu setzen, sondern viele Kinder benötigen gerade diese Grenzen. Diese gemeinsam gefundenen Grenzen werden ja nicht alleine von den Lehrerinnen/Lehrern der Schule aufgestellt, sondern die Kinder sind in diesen Entscheidungsfindungsprozess involviert. Grenzen setzen bedeutet auch, zu lernen, sich in einem bestimmten Feld, in einem bestimmten Rahmen zu bewegen. Zum Erlernen der Grenzen, wo diese beginnen, wo diese enden, sind eben sowohl das gemeinsame Ausmachen dieser als auch das Einhalten notwendig. Das Grenzen Überschreiten, der Umgang damit, die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, gehören ebenfalls diskutiert. Ein „konsequentes Einfordern gesteckter Ziele“ ist deswegen wichtig, damit die Kinder auch durch die erbrachten Arbeitsergebnisse um den Wert ihrer Arbeit – in Form von Selbst- als auch Fremdbeurteilung – Bescheid wissen.

 

 

 

Kommunizieren

 

Dass die Lehrerinnen/Lehrer „immer in Gesprächen mit den Kindern sind“, „als Moderator im „Kreis“ fungierten – ohne dabei Macht auszuüben“, „in Gespräche (Sitzkreis) nur eingreifen, wenn es zu durcheinander wird“, „sehr diplomatisch mit Problemen und Anschuldigungen der Kinder untereinander umgegangen sind. Sie sind erst dann eingeschritten, wenn es wirklich nötig war, und haben ansonsten den Kindern das Schlichten von Streitereien und Ähnlichem überlassen“, fiel Studierenden im Rahmen der Hospitationen auf. Lehrerinnen/Lehrer beobachteten hingegen, dass die Lehrerinnen/Lehrer der Grundschule Harmonie „Kreisgespräche (an)leiteten“. Dass das miteinander Sprechen, Aushandeln, Diskutieren, Begründen, Analysieren, Argumentieren, … an dieser Schule einen hohen Stellenwert besitzt, kann anhand durchgeführter Beobachtungen festgestellt werden. Die Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass die Sprache nicht nur eines der wichtigsten Kommunikationsmittel darstellt, sondern dass nicht nur in der heutigen Zeit die sichere Beherrschung der Sprache, der gewandte Umgang mit Sprache und die Sprachkenntnisse wichtig sind. „Immer in Gesprächen mit Kindern zu sein – ohne dabei Macht auszuüben“, kann als permanentes in Kontakt Treten der Lehrerinnen und Lehrer mit den Kindern gedeutet werden. Dabei wird nicht „schulgemeistert“, sondern der sach- und fachbezogene Austausch zwischen Personen oder Personengruppen wird forciert. Durch den ständigen Kontakt mit den Kindern fließen Informationen hin und her.

 

 

 

Zumuten und Kontrollieren

 

Die Beobachtungen, dass Lehrerinnen und Lehrer „unerschütterlich an den Leistungswillen der Kinder glauben“ (P), „den Schülern sehr viel Selbstverantwortung zugestehen und zumuten“ (St), „Schüler/innen versuchen lassen, Probleme selbständig oder mit Hilfe anderer Schüler/innen zu lösen – erst dann wurde ein Lösungsvorschlag von Lehrer/innenseite gegeben“ (St), „den Kindern auch die Kompetenzen zutrauten, ihre Arbeit selbst zu organisieren“ (P), fanden sich ebenso bei den Niederschriften wie Aussagen, dass „Lehrer/innen gelassen auf Dinge reagieren, die anderenorts Stress auslösen oder schon vorab unmöglich würden“ (wM).

 

 

 

Aus den folgenden Beobachtungen kann die Vermutung abgeleitet werden, dass bei Kindern in der Grundschule Harmonie deswegen ein geringeres Aggressions- und Konfliktpotential vorhanden ist als an anderen Schulen, weil die Lehrerinnen und Lehrer „nicht wie ,Polizisten’ hinter den Kindern her waren (L), „nicht permanent meckern, nörgeln und Ruhe einfordern“ (P). Kinder gehen mit der Lehrperson eine Vereinbarung ein, suchen und bearbeiten nach eigenen Interessen die selbst gewählte Arbeit, werden dabei von den Lehrerinnen und Lehrern unterstützt. Sie wissen, dass die Beraterinnen/Berater oder Helferinnen/Helfer bei Problemen oder Schwierigkeiten in der Nähe sind. Ihre Arbeit wird ernst genommen, geschätzt. Bei der Präsentation über das im Laufe des Vormittags Geleistete vor den Mitschülerinnen/Mitschülern wird darüber Rechenschaft abgelegt. Durch kritisches Nachfragen – sowohl von Mitschülerinnen/Mitschülern als auch von Lehrkräften – muss darauf Stellung bezogen werden. Das heißt, dass die erbrachte Leistung dadurch nicht nur selbst beurteilt werden kann, sondern auch eine Fremdbeurteilung erfährt. Für das Lösen von Fragen, die die Kinder haben, stehen ihnen auf dem Weg alle personellen und materiellen Mittel zur Verfügung. Emotional gesehen, merken die Kinder, dass Lehrerinnen und Lehrer „sich weit zurück nahmen, nehmen konnten, ohne den Kindern fern zu sein“ (P), dass „(they) have very respectful attitude towards children“ (L) und „sich für alle Schüler verantwortlich fühlen und diesbezüglich ansprechbar sind” (St). Weiters kann angenommen werden, dass diese gebotenen Lernvoraussetzungen gute Lernleistungen durch die individuelle Selbstentfaltungsmöglichkeit darstellen. Der selbst gewählte Wechsel zwischen sozialer, emotionaler, intellektueller und körperlicher Bildung stellt die besten Voraussetzungen dar, im Austausch mit anderen in dem gemeinsam abgesteckten Rahmen „Schule“ das „Demokratie-Lernen“ zu praktizieren und dabei die demokratischen Grundeinstellungen zu erleben. „Ich habe den Eindruck, dass sie gerne an dieser Schule arbeiten“, gibt die Beobachtung einer hospitierenden Person (L) wieder und lässt die Vermutung zu, dass dieser Eindruck nicht nur von ihr/ihm, sondern auch von den Schülerinnen und Schülern der Grundschule Harmonie wahrgenommen wird.

 

 

 

Fair sein und Wertschätzen

 

bildet den Abschluss der Beobachtungen zu den Lehrerinnen- und Lehreraktivitäten im Laufe eines Vormittags. Dass Lehrerinnen und Lehrer „sehr fair den Schülern gegenüber sind“ (St), „Kinder wertschätzen“ (L), „are like one team, like pupil´s friends“ (L) rundet das harmonische Gesamtbild vom Kollegium der Grundschule Harmonie ab, obwohl in diesem Kollegium die unterschiedlichsten Lehrerinnen- und Lehrercharaktere zu finden sind.

 

 

 

Lehrerinnen- und Lehrerebene

 

Hier wird festgehalten, in welcher Form die Kolleginnen und Kollegen der Grundschule Harmonie über die Kinder kommunizieren und wie das gegenseitige Respektieren und Kooperieren von den Probandinnen/Probanden gesehen wurde. Es ist aus den Rückmeldungen ersichtlich, dass keine wertenden Aussagen vorgenommen werden, sondern genaue Schülerinnen- und Schülerbeobachtungen durchgeführt werden und sachliche Schilderungen im Vordergrund stehen. So wurde festgehalten, „dass immer über aktuelle Situationen beraten wird und Probleme offen angesprochen werden – regelmäßige Teamsitzungen unterstützen diesen Prozess“ (L). Aus einer weiteren Beobachtung, dass die Lehrerinnen und Lehrer „in der Morgenkonferenz in einer sehr wertschätzenden Art über Kinder berichten, die schwierig sind und Schwierigkeiten bereiten“, lässt sich ableiten, dass mit den Kindern nicht nur wertschätzend gearbeitet wird, sondern höchst professionell, kritisch beobachtend und reflektierend über die Kinder, die Schwierigkeiten und Probleme haben und machen, gesprochen wird. Dass sich Lehrerinnen und Lehrer „immer wieder absprachen, informierten, Abläufe klärten“ (St), „sich gegenseitig helfen und unterstützen“ (P), „einander respektieren (St), „die Bereitschaft zeigten, schon sehr früh vor dem Unterricht zu kommen, um sich auszutauschen, sehr flexibel waren (kranke Lehrer…), gut die Übersicht bewahrten“, kann so gedeutet werden, dass sowohl der respektvolle Umgang und das kollegiale Miteinander als auch das Helfen, Diskutieren, Aushandeln, Austauschen, Absprechen … auch im Kollegium Priorität besitzen und die individuelle Selbstentfaltung im Kollegium ebenso groß geschrieben wird. Je mehr unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungswelten zugelassen werden, desto vielfältiger und anregender wird durch demokratische Strukturen das soziale Leben, welches wieder zum Wachstum individueller und kollektiver Erfahrungen führt. Dieses Kriterium stellte bereits John Dewey für eine demokratische Gruppe auf und ist im Kollegium der Grundschule Harmonie vorzufinden. 61

 

 

 

 

 

4. 1. 3. 3 Eltern – Bestandteil einer funktionierenden Schulkultur

 

Ist jemand traditionell geführte Schulen gewohnt, wird die Frage nach „Im Laufe des Vormittags habe ich beobachtet, dass Eltern …“ verwundern. Was soll an einem Ort – in der Schule –, an dem am Vormittag Kinder lernen sollen, die Frage nach den Eltern? An der Grundschule Harmonie wird das traditionelle Bild von Schule auf den Kopf gestellt. Eltern werden als Teil eines funktionierenden Ganzen angesehen, als Partner, die ebenso für das Wohl ihrer Kinder verantwortlich sind. Bei den Rückmeldungen im Bereich der Elternbeobachtung wurde zwischen „Teilnahme der Eltern am Unterrichtsgeschehen“, „Verhältnis zwischen Eltern und Lehrerinnen und Lehrern“ und Art der „Mithilfe“ in der Schule unterschieden.

 

 

 

Teilnahme am Unterrichtsgeschehen

 

Sowohl die hospitierenden Lehrerinnen und Lehrer als auch die Studierenden, die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter hielten bei ihren ähnlichen Beobachtungen fest, dass Eltern „in der Schule mitarbeiten“ (L), „are helpers, they are useful“ (L), „in der Schule engagiert mitarbeiten“ (St). Diese Beobachtung wurde auch vom Clown, der an der Schule war, so zum Ausdruck gebracht, nämlich, dass Eltern „in der Schule mitgearbeitet haben“. Aus den Aussagen der Studierenden geht hervor, dass Eltern „aktiv ins Schulgeschehen eingebunden werden bzw. sich selbst einbringen, soweit sie es wünschen“, „selbstverständlich in der Schule ein- und ausgehen und eigene Bereiche (Golf, Druckerei ...) unterhalten“, „in die Schule kommen, um zu helfen, um Kurse anzubieten, um mit den Lehrern über ihre Kinder zu sprechen, um der Schule Hilfe/Arbeitskraft anzubieten, …)“, „mit Kritik am Unterrichtsgeschehen, aber auch mit Erstaunen über die Erfolge ihrer Kinder am Schulleben teilnehmen“, „freiwillig Arbeitsgemeinschaften anboten, die gerne von den Kindern wahrgenommen wurden“. Diese Beobachtungen decken sich genau mit denen, die Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen ihrer Hospitation an der Grundschule tätigten. Die Mitarbeit der Eltern wurde in der Form beobachtet, dass sie, „sich ins Unterrichtsgeschehen mit eingebracht haben (AG´s)“, „ständig angekommen sind und ihre Mitarbeit angeboten haben“, „Materialien vorbei brachten“, „sich frei in der Schule bewegt haben, mit im Klassenzimmer waren, Geschwisterkinder mitgebracht haben“. Eine Praktikantin/ein Praktikant hielt fest, dass Eltern „ihre Kinder abholen und hinbringen, mit den Lehrern über ihr Kind und die Schule sprechen, mithelfen“.

 

 

 

Aus diesen vielen unterschiedlichen Rückmeldungen kann angenommen werden, dass – so wie es die unterschiedlichen Beobachtungen der Probandinnen und Probanden zeigen – die Eltern an der Grundschule Harmonie willkommen sind und eine aktive Rolle im Unterrichtsgeschehen einnehmen. Es zeigt sich weiters, dass Eltern „einfach da waren“ (P), keineswegs als Störenfriede gelten, sondern dass ihre Mitarbeit und Unterstützung von der Schule als sehr positiv betrachtet wird. Es kommt so vor, als ob sich die Eltern an der Schule ebenso wohl fühlen. Würde dies nicht zutreffen, würden Eltern nicht an die Schule kommen, nicht ihre Arbeit und Unterstützung anbieten, nicht „selbstverständlich ein- und ausgehen“ und mit den Lehrerinnen und Lehrern mitarbeiten. Dadurch ist „die Schule“ an und für sich nicht abgehoben (ebenso wenig wie die Lehrerinnen und Lehrer), sondern stellt einen Teil im Leben der Kinder dar. Aus den Beobachtungen, dass viele Eltern aktiv in das Schulleben integriert sind, kann angenommen werden, dass die Eltern die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer schätzen und dass auch sie sich bei ihnen an- und aufgenommen fühlen. Die Lehrerinnen stellen keine Amtsautoritäten dar, sie werden als natürliche Autoritäten wahrgenommen und die Eltern scheinen zu wissen, dass die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort als „Fachfrauen“ und als „Fachmänner“ im Bereich der Pädagogik mit ihren Kindern den Schulalltag gestalten.

 

 

 

Verhältnis zu Lehrerinnen und Lehrern

 

Um das Verhältnis der Eltern zu den Lehrerinnen und Lehrern zu beleuchten, kann als erstes die Beobachtung (LA) wieder gegeben werden, dass Eltern „ernst genommen werden“. Dem schließen sich Aussagen (L) an, die lauten, dass Eltern „sehr willkommen sind, mit im Lehrerzimmer sitzen“ (L), „intensiv mit eingebunden sind“ (L), „mit in die Lernarbeit einbezogen werden“ (L), „den Unterricht begleiten“, „ein offenes Verhältnis zu den Lehrern haben“ (L), „sich mit Lehrern berieten. Absprachen trafen (eine Mutter)“, „im Schulgebäude ein- und ausgehen, ohne sich bei den Lehrern ständig an- und abzumelden“, „nicht als schulfremde Personen behandelt werden“. Auch bei diesen Rückmeldungen spiegelt sich der demokratische Geist, der in der Schule herrscht, wider. Aufgrund der Rückmeldungen entsteht der Eindruck, dass aufgrund dessen, dass die Eltern ernst genommen werden und ein positives Verhältnis zu den Lehrerinnen und Lehrern der Schule haben, sich auch das Schulklima positiv auswirkt. Dies spiegelt die Aussage wider (E), dass Eltern „präsent waren … sie wurden in der Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen wird, als Experten ihrer eigenen Kinder angesehen, als Ansprechpartner … die Eltern sind ein natürlicher Teil dieser Schule … auch sie waren herzlich willkommen.“ Dass die Eltern als gleichberechtigte Partner an der Grundschule Harmonie angesehen werden, erkennt man an folgender Rückmeldung, dass nämlich Eltern „bei Gesprächen über ihr schwieriges Kind an der Beseitigung des Problems beteiligt sind“. Es kann angenommen werden, dass derartige Gespräche für beide Seiten nicht sehr angenehm sind. Und trotzdem stehen auch hier die Lehrerinnen und Lehrer nicht als die Belehrenden und Besserwisser da, sondern sie sind daran interessiert, die Probleme, die ein Kind hat, gemeinsam mit den Eltern zu lösen. Dass aber nicht allen Eltern die Form der individuellen Betreuung und Förderung Recht ist, zeigt folgende Beobachtung: „Im Laufe des Vormittags habe ich gehört, dass Eltern – so wurde es in der Lehrerinnenkonferenz vor Schulbeginn berichtet – ein Kind in einer anderen Grundschule angemeldet haben, weil sie mit der offenen Arbeit in der „Harmonie“ offenbar nicht einverstanden waren.

 

 

 

Die Grundschule Harmonie hat als staatliche Regelschule einen ganz normalen Schulsprengel, also keine ausgesuchte Elternschaft. Etwa 20 bis 25% Kinder und Eltern anderer Schulbezirke finden ihren Weg zur Grundschule Harmonie, 5% zieht es woanders hin. Dass dem so ist, ist erklärbar. Jede/r Erwachsene, die/der in unserer Gesellschaft lebt, wurde in ihren/seinen Kinder- und Jugendjahren mit der Bildungsinstitution Schule konfrontiert. Jeder Elternteil hat auf seine Art „Schule erlebt“. Aus diesem Grund fühlen sich auch sehr viele Eltern dazu berufen, genau zu wissen, welche schulischen Inhalte dem eigenen Kind zugemutet werden können bzw. welche vermittelt werden sollen bzw. müss(t)en und vor allem in welcher Form dies zu geschehen habe. Möglicherweise hatten einige Eltern negative Erlebnisse in ihrer eigenen Schulzeit (gehabt) und haben in ihrem Gedächtnis noch das traditionelle Bild von Schule vor sich. Wird davon ausgegangen, dann passen demokratisches Lernen, Mitentscheiden, Ausdiskutieren, Verhandeln, Übernehmen der eigenen Unterrichtsplanung und in weiterer Folge Übernahme der Verantwortung für sich selbst, gemeinsames Lernen und Erwerb von Sozialkompetenz u. v. m. nicht in das bestehende Bild von Schule. Hier trifft genau das ein, was im Kapitel „Das Fundament – ,Demokratie-Lernen’ innerhalb der Familie und Grundschule“ kurz angeschnitten wurde, nämlich dass in der Schule bezogen auf das demokratische Verhalten Auffassungsunterschiede zwischen Eltern und Lehrpersonen auftreten können. Es treten nicht nur unterschiedliche Sichtweisen beim „Demokratie-Lernen“ auf, sondern Unterschiedlichkeiten beginnen bereits bei der Auffassung von Lernen. Dass Lernen in der Schule nicht nur als Drill und ausschließliche Weitergabe von den Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen verstanden wird, sondern als Entwicklung, Förderung, Festigung von vielen Kompetenzen, wird in der Form nicht von allen Eltern so gesehen, aber zunehmend von mehr.

 

 

 

Mithilfe in der Schule

 

Lehrerinnen und Lehrer, Studentinnen und Studenten hielten fest, dass die Eltern bei ihrer Mitarbeit (ähnlich den assistant teachers) hauptsächlich „in der Druckerei anwesend waren und den Lehrkräften hilfreich zur Seite standen“ (L), dabei „selbständig Bereiche übernommen haben“. Die Druckerei stellt heute noch eine wichtige Drehscheibe innerhalb des nach Grundzügen der Freinet-Pädagogik geführten und organisierten Schulalltags dar.

 

 

 

 

 

4. 1. 4. Demokratische Schulstrukturen

 

Auf die Frage, welche demokratische Strukturen, Kinderrechte, Mitbestimmungsrechte, Selbstbestimmungsrechte im Rahmen der Hospitation wahrgenommen wurden, kristallisierten sich bei den unterschiedlich wahrgenommenen Gesprächskreisen die Bereiche „Planung von Unterricht“, „Kreisgespräche“, „Montagsversammlung“ und die „Morgenkonferenz“ heraus.

 

 

 

 

 

4. 1. 4. 1. Planung von Unterricht

 

Bei der Untersuchung der Rückmeldungen der Probandinnen und Probanden unterscheiden sich hier die Aussagen der Lehrerinnen und Lehrer von denen der Studierenden. Nehmen Studierende „selbständiges Verwalten der Schulzeit, eigenständige Entscheidungen betreffend der Lernzeit, des Lernortes und des Lerninhaltes“ wahr, erkennen weitere Probandinnen/Probanden (St) an der „Arbeitsphase: Selbstbestimmung der Arbeitsformen und -weisen“, die demokratischen Strukturen. Diese Aussagen ähneln jenen, die lauten, „Kinder können konkret sagen, was sie tun möchten“ (St), oder „Entscheidungen, wie der Schulalltag aussieht, bestimmen die Kinder“. Die Studierenden hielten fest, dass sie an der„Bewegungsfreiheit in der Schule und auf dem Schulgelände“, erkennen, welche unterschiedlichen, demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten Schülerinnen und Schüler bei ihren eigenen Lernvorhaben geboten werden. Als eine weitere Form der demokratischen Mitbestimmung wurde der Bereich der Planung angesehen, „weil hier gemeinsam mit den Kindern der Tag geplant wird und nicht nur ein so genannter Morgenkreis bzw. Wochenende-Erzählkreis stattfindet, sondern eine sehr produktive Gesprächskultur gefördert wird“ und weil im Rahmen der „Organisationskreise eigene Entscheidungen darüber (getroffen werden), woran ein Kind arbeitet (und) die Verfolgung eigener Projekte (der Kinder möglich ist).

 

 

 

Die Lehrerinnen und Lehrer, die an der Grundschule Harmonie hospitierten, hielten zu den von ihnen festgehaltenen demokratischen Strukturen Folgendes fest: „Arbeiten haben Bezug zum Leben“, „Selbständigkeit der Kinder wird gefördert“, „Verantwortung für das eigene Tun wird von den Kindern übernommen“, „die Schüler/innen dürfen nach Absprache mit den Lehrer/innen den Klassenraum wechseln“ und sehen demokratische Mitentscheidungsmöglichkeiten pragmatischer als die Studierenden. Die Rückmeldungen „children´s right, how they took decisions“ (L), „children could decide what tasks they will do“ (L), „they could choose the way to learn things, the working group, theme…“ (L), „children have the right to make their own decisions with regard to their learning, time structure, with whom they want to co-operate, or when they want to present something” (L) können ebenfalls in die Kategorie „Planung von Unterricht” aufgenommen werden. (Interessant dazu findet sich die Meinung) eine® ehemalige(n) Schülerin/ein(es) Schüler(s) zählt es auch zu den (über) demokratischen Strukturen innerhalb des Schulalltags, (. Diese wurden so beschrieben ), dass „die Kinder …(können) sich die Referats(9themen selbst aussuchen“.

 

 

 

Aufgrund dieser unterschiedlichen Beobachtung kann geschlossen werden, dass die ehemalige Schülerin/der ehemalige Schüler, ihre/seine demokratische Mitentscheidung deswegen so (eng sieht) bewertet, weil für sie/ihn die gemeinsamen Planungsgespräche, die Sitzungen wie Klassenrat, Schulversammlung, Montagskonferenz als Selbstverständlichkeit angenommen wurden. Studierende, die noch vor kurzer Zeit selbst in der Schülerinnen- bzw. Schülerrolle waren, entdeckten im Rahmen der Hospitation vielleicht die vielen Rechte, die an der Grundschule Harmonie zum Tragen kommen dadurch, dass sie diese selbst nie genießen konnten. Die unterschiedliche Sichtweise der Lehrerinnen und Lehrer kann daher rühren, dass sie zwar die hohen Ziele, die hinter den demokratischen Strukturen verborgen sind, erkannt und niedergeschrieben haben, nicht aber die konkreten Schülerinnen- und Schüleraktivitäten im Rahmen der gemeinsamen und/oder individuellen Unterrichtsplanung.

 

 

 

 

 

4. 1. 4. 2. Kreisgespräche

 

Undifferenziert wurden alle Kreisgespräche, an deren Abhaltung man demokratische Elemente innerhalb der Schule erkennen sollte, angegeben. So findet bzw. finden sich darunter

 

  • die Nennungen der Kreisgespräche (vier) „beim Morgenkreis in der Klasse werden aktuelle Geschehnisse erläutert und geklärt, Informationen werden weiter gegeben und Probleme gelöst. Die Gemeinschaft wird dadurch gefestigt und die Kinder haben die Möglichkeit, zu Wort zu kommen“ (St):

  • die Gesprächskreise in den Klassen;

  • die Kreisbesprechung in den Klassen: „Schüler sind dabei selbst verantwortlich“ (P);

  • das Gespräch: „alle Beteiligten diskutieren und argumentieren die anfallenden Diskussionspunkte“ (P);

  • auch der Morgenkreis (mit neun Nennungen) „Morgenkreis als Instrument der Demokratie“ (L), „Selbstbestimmung der Arbeitsvorhaben“ (St);

  • der Planungskreis: „Respekt gegenüber dem Wunsch, etwas selbst zu erlernen, erforschen schreiben, rechnen, … zu wollen“ (P);

  • der Präsentationskreis: „Regeln ergeben sich durch die permanent durchgeführten Kreisgespräche: Nicht das Gesetz des Stärkeren gilt, sondern durch die Einhaltung von gemeinsam definierten Regeln wie Handhebung (aus Lehrerin und Lehrer), konstruktive Rückmeldungen geben, Entscheidungen akzeptieren, die zuvor gemeinsam beschlossen wurden“ (P).

 

 

 

Aus diesen Beobachtungen ist ersichtlich, dass bei den Rückmeldungen der Probandinnen/Probanden die unterschiedlich geführten Kreisgespräche in den Bereich des Demokratie-Lernens fallen. So dienen die Gespräche einerseits dazu, die erlernte Gesprächsdisziplin anzuwenden, sie beziehen die Diskussion über aktuelle Geschehnisse mit ein und werden als Planungsgrundlage für das selbst bestimmte Lernen und für die Strukturierung des Tagesablaufs angesehen, z. B. „Morgenkreis mit Angabe der eigenen Tätigkeiten, in der die Schüler ihre Arbeitspläne besprachen“ (P).

 

 

 

Eindeutig jedoch wird von den Probandinnen/Probanden (L), (St), (P), (LA), (wM), (Pr) das „Kinderparlament“ (acht Nennungen), die Schulversammlung (zwei Meldungen), „Schulversammlung mit Sprecherinnen und Sprechern aus jeder Klasse“, das „Treffen der Delegierten einer Klasse (ich glaub es hieß Kinderparlament)“, „children parliament“, „institutionalisierter Kinderrat (oder –regierung?)“ als demokratisches Mitbestimmungsrecht der Kinder im Schulalltag angesehen. Aus acht Rückmeldungen (L) geht hervor, dass ein „(selbstgeleiteter) Klassenrat“, die „Klassenversammlung: Mitbestimmungsrecht beim Treffen von Entscheidungen“, „Klassenrat mit Kinderkreisleiter, die vielen tagtäglichen und alltäglichen Auseinandersetzungen (wM) das demokratische Leben an der Grundschule Harmonie widerspiegeln.

 

 

 

Grundsätzlich kann aufgrund der vielen Rückmeldungen angenommen werden, dass nicht nur über den gesamten Schultag, sondern auch über die gesamte Schulwoche hindurch unterschiedliche Gesprächsrunden abgehalten werden, bei denen die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit vorfinden, ihre Interessen einzubringen. Zu der Schulkultur gehören nicht nur die klasseninternen Morgenkreis-, Planungs- und Präsentations- und Klassenratskreise, sondern auch die die gesamte Schule betreffenden Montagsversammlungen und das (alle vier Wochen) WÖCHENTLICH stattfindende Schülerinnen- und Schülerparlament. Gesprächsrunden finden jedoch nicht nur im Kreis der Kinder statt, sondern werden ebenso von den Lehrerinnen und Lehrern der Grundschule Harmonie in Form der täglich stattfindenden Morgenkonferenzen und der einmal in der Woche stattfindenden Montagskonferenz abgehalten. Besonders interessant erscheinen die weiteren Beobachtungen der Probandinnen/Probanden, aus welchen sie das demokratische Leben an der Schule erkennen. So wurden folgende Rückmeldungen gegeben: „Das längerfristige Auskommen ohne Lehrer“, (L), „die Möglichkeit, sich in der Schule frei zu bewegen“ (Sch), „die offenen Klassentüren“ (L), „das erreichbare Telefon, das von allen Schülern genutzt werden darf“ und das „offene Lehrerzimmer“ (L). Daraus kann man schließen, dass die Lehrerinnen und Lehrer für den Lernprozess der Kinder nur eine sekundäre Rolle spielen, wenn „das längerfristige Auskommen ohne Lehrer“ funktioniert. Es kann aber auch bedeuten, dass die Schülerinnen und Schüler tatsächlich selbst in der Lage sind, den eigenen Arbeiten nach- und ohne die Belehrung durch die Lehrerin/den Lehrer auszukommen. Aufgrund dieser Beobachtung kann daraus geschlossen werden, dass die Schülerinnen und Schüler erkannt haben, dass sie nicht für die Lehrerin/den Lehrer, Noten, Tests oder Rankings lernen, sondern für sich selbst. Selbst gewählte Aufgaben beendet man nicht, wenn jemand, der im Moment nicht anwesend ist, nicht da ist. Dass die offenen Klassentüren und das offene Lehrerzimmer auffallen, kann so gedeutet werden, dass dies an wenigen Schulen vorkommt und noch immer einen Sensation darstellt. Kann ein Telefon von allen Kindern benutzt werden, lässt dies darauf schließen, dass hier den Kindern ein ganz normaler Umgang mit diesem Kommunikationsmedium ermöglicht wird. Fragt man danach, warum dies in anderen Schulen nicht sein kann, würde man eventuell die Antwort erhalten, dass damit „Schindluder“ betrieben werden könnte. Ist das gesamte Schulgeschehen auf Vertrauen aufgebaut und funktioniert Schule in dieser Atmosphäre, wie sie in Harmonie gezeigt wird, dann fällt dieses Argument bereits weg.

 

 

 

 

 

4. 1. 4. 3 Montagsversammlung mit den Schülerinnen und Schülern

 

Die Montagsversammlung, als „aktive Teilnahme am schulischen Gesamtgeschehen – Kinder erleben eine pulsierende Gemeinschaft“ (P), „Kinder sagen bei der Morgenkonferenz anscheinend das, was sie meinen, und nicht das, was der Lehrer hören will“ (St), „Montags-Morgenkreis der Schule“ (St), bei der alle Schülerinnen und Schüler der Schule ihre Meinung kundtun können, bei der die Geburtstage aller Kinder gefeiert werden, bei der klassenübergreifende oder für andere spannende klasseninterne Tätigkeiten, Angebote von Experten, Gästen, Studies oder Eltern besprochen werden, von Schülerinnen und Schülern die Frage der Woche für alle Klassen gestellt wird und an deren Beantwortung alle Kinder arbeiten können und bei anstehenden Problemen diese von allen diskutiert und gelöst werden, stellt für die Probandinnen/Probanden demokratische Alltagskultur dar. Sowohl die Lehrerinnen/Lehrer als auch die Studierenden inkludieren dabei jedoch auch die Morgenkonferenz des Lehrer/innenkollegiums (vier Meldungen) und die „allmorgendliche Teambesprechung des Lehrerkollegiums“.

 

 

 

Bei der Montagsversammlung kommen zu Schulbeginn alle Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, die Lehramtsanwärterinnen/Lehramtsanwärter, Assistenten, Hauswart, an dem Tag mitarbeitende Eltern, Gäste und die Praktikantinnen/Praktikanten der Grundschule Harmonie zusammen. 29 Personen gaben an, im Rahmen der Hospitation/en an der Montagsversammlung teilgenommen zu haben, 12 Personen verneinten dies. Das Zusammenkommen aller bei dieser Versammlung hielten 30 Personen für notwendig, weil sich die Kinder dabei gegenseitig informieren können. 27 Personen meinten, dass dies notwendig sei, weil alle Kinder zusammen kommen. Dass bei dieser Montagsversammlung auf die Interessen der Kinder eingegangen wird, bejahten 24 Personen. 20 Personen meinten, dass durch den Austausch von Berichten und Arbeitsergebnissen die Versammlung eine Notwendigkeit darstellt. Da bei der Montagsversammlung auch die Geburtstage aller Kinder gefeiert werden, gaben 16 Personen an, dass dies einen wichtigen Grund für ein gemeinsames Zusammenkommen darstellt. 14 Personen hielten fest, dass das gemeinsame Singen des „Harmonie-Liedes“ in diesem Zusammenhang notwendig erscheint.

 

 

 

Die Begründung, warum grundsätzlich ein gemeinsamer Wochenbeginn in der Form, wie er an der Grundschule Harmonie praktiziert wird, notwendig ist, wurde folgend begründet: weil

 

die Gemeinschaft unter den Kindern und die Verbundenheit bzw. Identifikation mit der Schule gefördert wird“ (LA);

 

hier eine Schulgemeinschaft entstehen kann – und die ist wichtig, weil sie ein sicheres Fundament für die Entwicklung der/des Einzelnen sein wird“ (St);

 

die Kinder zu Wort kommen und ihre Interessen öffentlich vertreten können und ernst genommen werden“ (St);

 

eigentlich nicht das Lied, die Information, die Geburtstage oder die Arbeitsergebnisse im Vordergrund stehen, sondern die Gemeinsamkeit. – Schule als kleine Kommune“ (P);

 

dadurch das Gemeinschaftsleben gefördert wird“ (P);

 

wichtige Vorhaben für die kommende Schulwoche in Erinnerung gerufen werden“ (L);

 

ein Gefühl der Zusammengehörigkeit in der gesamten Schule vermittelt wird“ (St);

 

die Kinder sich hier als Schulgemeinschaft erleben können – Identitätsstiftung; weil die Kinder erkennen, dass sie selbst mitgestalten können“ (L);

 

they intensify the feeling for the common thing“ (L);

 

the meetings help to create some form of corporate identity” (L).

 

 

 

Auffallend bei diesen Äußerungen ist, dass neben den aktuellen Bezügen, die bei der Montagsversammlung hergestellt werden, neben der Grobplanung für die kommende Arbeitswoche und die Präsentationen im Plenum bei vielen Hospitierenden das gemeinschafts- und sinnstiftende Element – das Entwickeln, das Erleben, das Mitgestalten eines Gemeinschaftsgefühls – angeführt wurde. Es kann angenommen werden, dass durch diese gemeinschaftsfördernde Versammlung ein gutes Verhältnis zwischen den Kindern und den Lehrerinnen und Lehrern entspringt, aufgebaut, gefördert und gepflegt wird. Hier zeigt sich aber vor allem ein ganz wichtiger Schritt bezogen auf das Demokratie-Lernen. Hier merken die Kinder, dass sie einen Teil der großen Schulgesellschaft darstellen und dass sie diese durch ihr Engagement, ihr Interesse, ihre Forschungen und Fragen, ihre Präsentationen, Ideen, kritische Anmerkungen u. v. m. mitgestalten können. Die Kinder erlernen hier, dass nicht alles von „oben“ geregelt wird bzw. nicht alles geregelt werden kann. Das Mitbestimmungs- und Mitspracherecht beinhaltet auch die Mitverantwortung, der sich niemand entziehen kann. Es kommt auf das aktive Mittun jeder einzelnen Person an, um sowohl die eigenen Interessen als auch die Interessen der Gemeinschaft miteinander zu verbinden. Peter Henkenborg (2004) bezeichnet dies folgend: „Die Schulkultur und anspruchsvolle Lernsituationen selbst sollen die Funktion einer Erziehung zur Demokratie mit übernehmen, indem Schüler und Schülerinnen durch eigene Erfahrungen und eigenes Handeln in der Schule den Sinn von Politik und Demokratie praktizieren, erleben und verstehen und dadurch Demokratiekompetenzen entwickeln können. Demokratie-Lernen kann sich nicht alleine auf (traditionellen) Unterricht und verbale Argumentationen stützen, sondern erfordert ,Modelllernen’, d. h. die Chance, sich an modellhaften Personen, Objekten, Sachverhalten oder Beziehungen und Erfahrungen zu orientieren, sie zu beobachten, zu erfahren und zu verarbeiten…“ 62 Die Montagsversammlung wird vom Leiter der Schule geleitet.

 

 

 

 

 

4. 1. 4. 4. Die tägliche Morgenkonferenz des Kollegiums

 

An der Grundschule Harmonie wird jeden Tag vor Unterrichtsbeginn eine Morgenkonferenz abgehalten, die abwechselnd von den Kolleginnen und Kollegen geleitet und protokolliert wird. Die Tagesordnung erstreckt sich von organisatorischen bis hin zu pädagogischen Belangen. Die Tagesordnung wird von den Kolleginnen und Kollegen gemeinsam durch die Reihenfolge der Wortmeldungen erstellt. Dringendes und Vordergründiges wird sofort besprochen bzw. einer Lösung zugeführt. Reicht die Zeit dafür nicht mehr aus, werden Dinge auf den kommenden Tag verlegt. Von den Hospitantinnen und Hospitanten wurde die Morgenkonferenz/wurden die Morgenkonferenzen von 16 Personen bereits mehrere Male besucht. Das erste Mal waren 22 Personen bei dieser Konferenz anwesend. Sieben Personen nahmen an diesem Austausch, der unter den Kolleginnen und Kollegen stattfindet, in den auch die Assistenten, Lehramtsanwärterinnen/Lehramtsanwärter, Praktikantinnen und Praktikanten eingebunden sind, teil. Dass währenddessen – die Konferenzzimmertür steht offen – auch die Schülerinnen und Schüler in den Raum kommen können und dass dies vor allem nicht stört, sei hier kurz erwähnt.

 

 

 

Die Morgenkonferenzen, so wie sie an der Grundschule Harmonie ablaufen, waren 21 Personen zuvor noch nicht bekannt. 12 Personen kannten sie durch die Beschreibungen aus der Literatur, neun Personen kannten sie aufgrund von Vorinformationen, die im Rahmen ihrer Ausbildung gemacht wurden. Acht Personen erhielten bereits vor ihrem Hospitationsbesuch diesbezügliche Informationen von Kolleginnen oder Kollegen. Im Rahmen eines Seminars wurden vier Personen über die Art und Weise der Morgenkonferenzen aufgeklärt, drei Personen war dies aufgrund von erhaltenen Informationen im Zuge eines Seminarbesuchs bereits bekannt. Eine Person kannte diese Form von Besprechungen von einem Fernsehbeitrag, eine Person kannte sie von einer anderen Schule und vier Personen gaben an, dies von der eigenen Schule bereits zu kennen.

 

Dass diese täglich vor Unterrichtsbeginn durchgeführten Konferenzen sinnvoll sind, das befanden 36 der befragten Personen. Zwei Personen konnten sich nicht so recht entscheiden und antworteten mit „Jein“, zwei Personen fanden die täglichen Konferenzen für nicht sinnvoll.

 

 

 

Als Begründung für die Notwendigkeit bzw. Sinnhaftigkeit dieser Morgenkonferenzen gaben die Probandinnen und Probanden unterschiedliche Rückmeldungen. Diese konnten danach in verschiedene Kategorien unterteilt werden und es kristallisierten sich nachfolgend aufgelistete Gründe für die Abhaltung von Morgenkonferenzen heraus:

 

  • Intensiver Informationsaustausch

  • Möglichkeit, Probleme gemeinsam zu lösen

  • Strukturierung des Arbeitstages/Schulorganisation

  • Berücksichtigung der Interessen der Lehrerinnen und Lehrer

  • Verstärkte Kooperation und Kommunikation

  • Stärkung des Gemeinschaftsgefühls

 

 

 

Intensiver Informationsaustausch

 

Fast ausschließlich die Lehrerinnen und Lehrer merkten bei ihren Rückmeldungen an, dass die Argumente wie „der „Austausch von aktuellen Begebenheiten“, die „Information des Kollegiums“, ein „transparenter Informationsfluss“, der „Austausch untereinander“, „Austausch von wichtigen Meldungen, Planung des Tagesablaufes“, „zum Austausch aktueller Begebenheiten, was wiederum das Arbeitsklima begünstigt, da man nicht alleine mit seinen Problemen dasteht“, der „Informationsaustausch unter den Kolleg/innen“, „alle Kolleginnen sind über Aktivitäten des Tages informiert“, „Was steht an?“ für die Abhaltung einer täglichen Morgenkonferenz sprechen. All teachers are informed about the work that´s going on in classes, the problems of individual children, they can cooperate with colleagues and plan their own work“ – diese Rückmeldung kam von zwei Hospitantinnen/Hospitanten aus dem Ausland.

 

 

 

Gegenseitige Information ist ein wichtiger Punkt für gemeinsames Arbeiten“ (P), „alle wissen Bescheid, was in der Schule tagtäglich passiert“, „allein schon durch den Informationsaustausch Klärung von Sachverhalten „Was muss noch gemacht werden?“ „Gibt’s es AG´s?“ Wer kann dieses oder jenes übernehmen?“ „Wer hat Erfahrung mit …?“ (E) stellen weitere Äußerungen der Probandinnen/Probanden dar. Hier finden sich die Ansichten der Studierenden, die meinen, dass eine Morgenkonferenz notwendig ist, weil hier „regelmäßiger Austausch, Arbeit an einem eigenen Schulprofil, Rücksprachen, Planung und Organisation“ stattfinden. Weiters wurde festgehalten: „Die Lehrer können untereinander organisatorische, die Schüler betreffende, die Schule im Allgemeinen betreffende Absprachen treffen, so dass auf dem ,schnellen’ Dienstweg Probleme geklärt werden und der Schulalltag (fast) reibungslos ablaufen kann.“

 

 

 

Verallgemeinernd kann gesagt werden, dass das „Um“ und „Auf“ transparenter Schulorganisation der gleiche Informationsstand für alle Kolleginnen und Kollegen darstellt. Ähnlich wie bei der Sicht über den notwendigen, schnellen, tagtäglichen Informationsaustausch wurde von den Hospitantinnen/Hospitanten durch die Morgenkonferenz die

 

 

 

Möglichkeit, Probleme gemeinsam zu lösen

 

angesehen. Bei diesem Bereich stammen nur zwei Aussagen von Studierenden. Für sie stellt die Morgenkonferenz Folgendes dar: „Alle Lehrer/innen werden auf etwaige Probleme aufmerksam gemacht. Verbesserungsvorschläge werden gegeben und Hilfen werden von den Lehrer/innen angenommen“ und „gemeinsam werden Probleme angegangen“. Aus der Sicht der Lehrerinnen/Lehrer wurde die Abhaltung einer täglichen Morgenkonferenz für notwendig empfunden, weil die „schnelle Aufarbeitung von auftretenden Problemen/Konflikten erleichtert wird“. Um „konkrete Probleme direkt anzugehen“, die „Besprechung schwieriger Situationen“ durchzuführen, damit „aktuelle Probleme sofort und effektiv diskutiert und behoben werden können“. Eine weitere Aussage (L) lautete: „Viele kleine Probleme können gleich besprochen/gelöst werden, bevor sie größer werden bzw. wenn sie wirklich aktuell sind, Maßnahmen können sofort gesetzt werden, nicht erst nach einigen Wochen – in der nächsten offiziellen Konferenz; Nachteil: Uhrzeit um 7.15 Uhr – noch mehr Stress am frühen Morgen.“ First of all you are hear(e)d, you are able to say your problems and worries“, „current problems can be discussed and partly solved“, „charing problems can help to cope with them“, stellen weitere Lehrerinnen- bzw. Lehreraussagen dar.

 

Können Probleme vor allen Kolleginnen und Kollegen offen auf den Tisch kommen, können diese besprochen werden und sucht man gemeinsam nach möglichen Lösungen, deutet dies auf einen hohen Grad an Problemlösungskompetenz der Lehrerinnen und Lehrer der Schule hin. Probleme werden thematisiert, es hat niemand Angst davor, als „schlechte Lehrerin/schlechter Lehrer“ da zu stehen. Sache ist und bleibt Sache und wird nicht als persönlicher Angriff oder persönliche Verteidigung gesehen. Das deutet aber auch wieder darauf hin, wie hoch die soziale Kompetenz der Kolleginnen und Kollegen ist. Ratschläge geben und Ratschläge annehmen gehört gelernt und kann nur in einem kontinuierlich wachsenden Vertrauensumfeld geschehen. Ein gemeinsames „Angehen“ der Probleme kann so gedeutet werden, dass bei Problemen die Kolleginnen und Kollegen niemals alleine da stehen, sondern immer auch ein Team hinter sich wissen. Es bildet sich das, was seit einigen Jahren in allen Betrieben und Institutionen angestrebt wird, eine „cooperative identity“.

 

Probleme, die den Schulalltag betreffen, können Probleme sein, die Schülerinnen oder Schüler machen bzw. haben, Probleme mit Eltern, Probleme mit der Schulbehörde u. v. m. und „Knackpunkte“ darstellen. Werden diese gemeinsam in Angriff genommen, wird darüber diskutiert, erscheint die Problemlösung für die Einzelperson leichter bewältigbar. Werden Probleme im Kollegium thematisiert, werden gleichzeitig auch alle Kolleginnen und Kollegen damit konfrontiert. Ein Wegsehen oder ein „Das geht mich nichts an!“ wird somit unmöglich. Ein tatsächliches gemeinsames und miteinander Arbeiten zeigt gerade bei der gemeinsamen Suche nach der Problemlösung bzw. der Problembewältigung seine Stärke. Das wiederum fördert das „Wir-Gefühl“, stärkt die Gruppe und die Gemeinschaft.

 

Hier hab ich Selbstgeschriebenes nach unten verschoben

 

Strukturierung des Arbeitstages/Schulorganisation

 

Bei dieser Kategorie, warum die Hospitierenden eine Morgenkonferenz für notwendig erachten, gab es Rückmeldungen von mehreren Personen (L), (St), (P), (LA), (P). Nicht nur, dass „Übersicht über alle Aktivitäten“ (LA) herrscht, sondern auch „der Schulalltag wird gemeinsam geplant, Vertretung wird organisiert, wichtige organisatorische Dinge können geklärt werden“ (L), „der Tag wird strukturiert“ (P), „organisatorischer Kleinkram kann sofort erledigt werden“ (P), „effiziente und adäquate Planung ist gut möglich“ (L), „bekannt geben und/oder gemeinsames Erstellen des Lehrerinnen-Arbeitstages und gegenseitiger Austausch über geplante Aktivitäten“ (P) können erfolgen. Die Morgenkonferenz wird weiters deswegen für notwendig empfunden, um „wichtige Dinge und den Tagesablauf schon vorher zu besprechen. So kann man Verwirrungen und Missverständnissen vorbeugen“ (Sch), „um alle für den Tag relevanten Gegebenheiten zu besprechen, damit jeder (Schüler und Lehrer) weiß, was ansteht und was zu tun ist. Individuelle Arbeitsvorhaben der Schüler können in der Gemeinschaft besprochen werden …“ oder „weil gleich in der Früh Organisatorisches besprochen werden kann und die Schulleiter/in nicht ständig den Unterricht stören muss …“ (L). Es ist klar ersichtlich, warum die täglich stattfindenden Morgenkonferenzen die Schulorganisation erleichtern: Durch den täglichen Austausch von Informationen kann eine gemeinsame Planung leicht vonstatten gehen. Alle organisatorischen Belange können sofort erledigt werden und müssen nicht von einer Konferenz bis zur anderen warten. („Traditionelle“ Konferenzen, wie sie wahrscheinlich die meisten Lehrerinnen und Lehrer kennen, finden in den meisten Schulen in regelmäßigem Monatsrhythmus statt.)

 

 

 

Berücksichtigung der Interessen der Lehrerinnen und Lehrer

 

Dass bei einer täglich stattfindenden Morgenkonferenz natürlich auch die Interessen der Kollegenschaft Berücksichtigung finden, geht aus den folgenden Rückmeldungen hervor: „Befindlichkeiten, Anliegen, Pläne können in diesen Konferenzen vorgebracht und fixiert werden“ (L), „jede Lehrerin/jeder Lehrer kann etwas einbringen“ (LA). Unter diesem Aspekt sind die Morgenkonferenzen notwendig, weil „nur auf diese Weise echte Partizipation möglich ist“ (St) und es ein „zwischenmenschliches Miteinander“ (L) gibt. Aus den Rückmeldungen zeigt sich, dass auch die Kollegenschaft ihre Interessen einbringen kann und dass das demokratische Miteinander auch auf der Lehrerinnen- und Lehrerebene stattfindet.

 

 

 

Kooperation/Kommunikation

 

Auch im Sinne einer verstärkten Kooperation und Kommunikation im Kollegium untereinander wird von den Probandinnen/Probanden die Morgenkonferenz als notwendig erachtet. Weil „sich die Lehrer abstimmen können, wenn jemand fehlt, klassenübergreifend gearbeitet werden soll oder ein Lehrer einen anderen unterstützen soll“ (Pr.), „eine schnelle und unkomplizierte Kommunikation“ (LA) dadurch gegeben ist, eine „Qualitätssteigerung“ eintritt, „da man über Bewährtes berichten kann“ (L) und „Absprachen“ (L) getroffen werden können. Nicht nur die Kooperation und die Kommunikation untereinander wird verstärkt und intensiviert, sondern es kann auch angenommen werden, dass dadurch die

 

 

 

Gemeinschaft

 

und das Gemeinschaftsgefühl gesteigert werden. Diese Beobachtungen der Probandinnen/Probanden geben diese Annahme wieder. „Das Kollegium hat eine gemeinsame Zeit, um über alles Wichtige zu reden, alle sind anwesend und bleiben immer auf aktuellem Stand der Dinge“ (St) und „das Arbeitsklima unter den Lehrerinnen und Lehrern“ wird besser (P), „gemeinsame Aktivitäten sind dadurch viel häufiger“ (P), ein „starkes Gefühl, dass die Schule eine Gesellschaft ist“ (LA), tritt zutage. Als Begründungen, dass die Morgenkonferenzen für notwendig erachtet werden, gaben die Probandinnen und Probanden „den Zusammenhalt des Kollegiums“ (LA) und „um gemeinsam in den neuen Tag zu starten“ an. Die Vermutung liegt nahe, dass durch das intensive Arbeiten und durch das starke Einbeziehen des Kollegiums das Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl und die Verbundenheit mit der Schule und dem Schulleben intensiviert werden.

 

 

 

Bei der Beantwortung der gestellten Frage wurde eine Anmerkung gemacht, die lautete: „Prinzipiell ja, aber vielleicht zu mühsam, wenn schon nicht täglich, dann mindestens 1 x pro Woche“ (P). Warum die tägliche Morgenkonferenz als nicht notwendig angesehen wurde, lautete: „Wenn sie lediglich bedeuten, früher aufstehen zu müssen, da sie nicht ertragreich genutzt werden und wenn die Beteiligten nicht teilnehmen WOLLEN“ (wM) und „jeden Tag wäre zu viel“ (P).

 

 

 

???Überschrift???

 

Diese Form der „selbstorganisierten kooperativen Führung“ einer Schule durch das gesamte Kollegium und den Schulleiter ist einerseits aus dem Verständnis der demokratischen Organisation und aufgeteilten Führung einer Freinetklasse durch die Schülerinnen und Schüler selbst und die Klassenlehrerin oder den Klassenlehrer entstanden, Die Frühkonferenz entspräche hierbei dem täglichen Planungskreis der Freinetklasse, die montägliche Konferenz dem Klassenrat und den Präsentationsphasen.

 

Andererseits greifen hier Begriffe der „Organisationsentwicklung“ und der „Leadershipausbildungen“, etwa wie coaching, Verrantwortungsübernahme, Führungsqualifizierung, Veränderung durch Bewegung, permanente Ziel- und Leistungsvereinbarung, Selbstevaluation (im Sinne von „von Daten zu Taten“) und selbst organisierte Prozessbeobachtung (Monotoring), fest installierte Mitarbeitergespräche, Teamtraining, stetige Erneurung und Überarbeitung der verbindlichen Vereinbarungen, Projekt-, Zeit- und Qualitätsmanegment, kollegiale Stressbewältigung und Freiwilligkeit.“

 

(zitiert nach Hövel, unveröffentlichtes Manuskript, 2007) oder du setzt es so rein und/oder verweist auf Schley und/oder Hövel)

 

 

 

 

 

Walter Hövel, Eine Schule an der auch Freinet eine Rolle spielt, FuV Nr.90/1999

 

 

 

Marta Fontana, Walter Hövel, Cómo trabajar con Técnicas y experiencias Freinet hechas un taller internacional de ensenantes, In Cuánta libertad podemos expresar ?, Zaragosa 1996

 

 

 

!!! Walter Hövel, Eine Schule nach Freinet organisieren? In: Pädagogik, Februar 1993

 

 

 

 

4. 1. 5. Schulatmosphäre

 

Auffallend ist – und es wurde bereits einleitend erwähnt –, dass die Schulatmosphäre von allen hospitierenden Personen als sehr positiv zurück gemeldet wurde. So wurde Folgendes festgehalten: „Betritt man die Schule, spürt man eine Atmosphäre des Miteinander trotz unterschiedlicher Charaktere (sowohl auf Lehrerinnen- und Lehrerseite als auch auf Schülerinnen- und Schülerseite.“ (P) „Ich habe mich den gesamten Vormittag über sehr wohl gefühlt. Es kam nie eine ungute Stimmung auf.“ (P)

 

 

 

Die Antworten auf die Fragen nach dem Verhältnis Schüler/innen – Lehrer/innen, Schüler/innen – Schulleitung, Schulleitung – Kollegium werden vorrangig behandelt. Dies nicht deswegen, weil im hierarchischen System Schule bei der Schulleitung begonnen wird, sondern weil durch die Schulleitung alle Schulaktivitäten entweder gefördert oder gehemmt werden können. Die Schulleitung stellt eine Schaltstelle in der Verbindung zu dem Kollegium, zu den Eltern und zu den Schülerinnen und Schülern dar. Demokratie-Lernen in der Schule kann von der Schulleitung gefördert oder ignoriert werden. Gegen eine nicht innovative Schulleitung können sowohl engagierte Kolleginnen und Kollegen als auch Eltern nichts unternehmen. Wird, wie im Falle der Grundschule Harmonie, jedoch demokratisches Leben von der Schulleiterstelle vorgelebt, wird dieses im Kollegium mitgetragen, auf die Schülerinnen- und Schülerebene transferiert, werden die Eltern und alle am Schulgeschehen Beteiligten bei diesem wichtigen Prozess integriert, kann Schule absolut gut gelingen.

 

 

 

Das Schüler/innen-Lehrer/innen-Verhältnis wurde von allen Hospitierenden (47) als sehr positiv empfunden. Das Verhältnis zwischen den Schülerinnen und Schülern und der Schulleitung wurde von 46 Personen als positiv empfunden. 41 Personen votierten für ein positives Verhältnis Schulleitung – Kolleginnen/Kollegen und ebenso viele für das Engagement der Schulleitung. Diese hohen positiven Übereinstimmungen können auch mit der Frage nach dem Schulklima zusammenhängend betrachtet werden. So wurde aus der Sicht der Studierenden folgendes schriftlich festgehalten: „Der Schulleiter, die Lehrer und die Schüler hatten Zeit, meine Fragen zu beantworten, und waren sehr freundlich und hilfsbereit. Ohne Problem durfte ich in jede Klasse „reinschnuppern“, ohne dass die Lehrer sich dadurch gestört fühlten. In anderen Schulen hatte ich immer das Gefühl, dass Hospitanten oder Praktikanten doch eher störend für den Lehrer sind und kaum Hilfe bekommen.“ „Ich empfand das Klima sehr gut, weil alle Schüler/innen, Lehrer/innen und die Schulleitung an einem Strang ziehen und zusammenhalten.“

 

 

 

Es zeigt sich, dass genau das Zusammenspiel Schulleitung–Kollegium–Schülerinnen/Schüler–Eltern ein positives Schulklima ausmachen. Da ein positives Schulklima nicht vom Himmel fällt, sondern dass daran gemeinsam gearbeitet werden muss, zeigt die Grundschule Harmonie. Nichts wird ihnen „drüber gestülpt“, nichts wird ihnen von Leitungsseite verordnet, sondern es werden Diskussionen geführt. Es werden keine Abstimmungen durchgeführt. Wird über ein Thema länger diskutiert, ohne eine gemeinsame Entscheidung treffen zu können, erfolgen von den Lehrerinnen und Lehrern Schlussstatements. „Dann wissen wir alle, was zu tun ist. Jeder sagt, was sie/er meint, und wir akzeptieren die breite Form des so genannten Maximalkonsenses. Wir versuchen immer einen Konsens herzustellen. Abstimmungen gab es bei uns nur wenige Male. Ein einziges Mal konnte kein Konsens hergestellt werden, das wissen alle im Kollegium, die Diskussion ist noch offen und kann jederzeit wieder weiter geführt werden.“ 63

 

 

 

45 von 47 Personen hielten fest, dass ihnen sowohl die Gastfreundschaft, die ihnen entgegen gebracht wurde, als auch das Mitspracherecht der Kinder (44), das Verhältnis der Kolleg/innen untereinander (39) gefiel.

 

 

 

Eine hohe positive Zustimmung entfiel auf das Schulgebäude (45) auf die Gartenanlage/Schulgarten (40) und auf die Druckerei (38). 38 Personen schien das Arbeitsverhalten der Kinder zu gefallen, drei Personen beschrieben dies als mittelmäßig und zwei Personen gefiel dies gar nicht. Sehr hohe Zustimmung erhielten außerdem die Morgenkreisgespräche in den Klassen (36), die Morgenkonferenzen (35), die Ausstattung der Schule (35), die Planungsgespräche (32), die Kollegialität (31), das jahrgangsübergreifende Klassensystem (31) – drei Personen gefiel dies jedoch gar nicht –, die Elternmitarbeit (30), die Angebote – Arbeitsgemeinschaften (27), die Montagskonferenzen (26). Sieben Personen war der Arbeitslärm in der Klasse/einzelnen Klassen zu hoch, mit der Art der Leistungsbeurteilung konnten sich drei Personen nicht identifizieren und neun Personen gefiel die vorgefundene Ordnung nicht.

 

 

 

Die Frage nach dem Schulklima empfanden 37 Personen als sehr gut, 10 Personen als gut. Die Begründungen, die die Hospitantinnen/Hospitanten dafür abgaben, waren: „In welcher Schule stehen die Lehrer schon offen zu ihren Schwächen und bekommen ehrlich gemeinte Unterstützung von den Kolleginnen?“ (L), „Probleme werden offen angesprochen, jeder kann sich interessensbezogen einbringen“ (L), „Austausch findet ohne Vorbehalte statt“ (St), „die gelebte Öffnung und Transparenz empfinde ich besonders wohltuend“ (L), „Ich fühlte mich wohl, da es auch irgendwie allen andern so zu gehen scheint Schülern, Lehrern, Eltern – allen“ (E), „Schule wird hier intensiv als Miteinander empfunden“ (L), „Super Zusammenarbeit der einzelnen Lehrer/ innen – keine der Klassen „abgeschlossen“ (St), „They are like a family for a common cause“ (L).

 

 

 

Liest man diese Rückmeldungen der Hospitierenden, dann hat man den Eindruck, dass an der Grundschule Harmonie die Offenheit des Kollegiums und die Kooperation die angenehme Atmosphäre ausmachen. Es stellt sich so dar, als verbreite sich dieser Gemeinschaftsgedanke, das kooperative Element, das respektvolle Umgehen miteinander und untereinander im gesamten Haus. Zu dieser Empfindung gesellt sich jedoch auch der optische Eindruck, den man, sobald man die Schule betritt, erhält. Nicht nur, dass im Schulgebäude die unterschiedlichsten Kinderarbeiten ästhetisch präsentiert werden, sondern man erkennt, dass das Lernen auch in den Gängen und im Forum der Schule stattfinden kann. Über die Freude an der Arbeit hielt eine Hospitantin/ein Hospitant fest: „Ich kann nur für die Klassen, in denen ich war, und die Flure sowie das Lehrerzimmer sprechen. Aber dort geht es mit sehr viel Freude, aber gleichzeitig mit großer Ernsthaftigkeit vor.“ (wM) Positives Schulklima wird aber auch auf andere Weise vermittelt, das zeigt folgende Beobachtung: „Alle wirken ausgeglichener als an anderen Schulen, die ich kenne.“ (St). Die Vermutung liegt nahe, dass das gegenseitige Respektieren und Wertschätzen ebenfalls zum guten Gesamtklima beitragen. „Da alle Beteiligten die anderen respektieren und achten und die Lehrer diese Umgangsweisen den Schülern vorleben“ (St), kann dies sehr wohl darin begründet sein. Bezeichnend für das positive Klima, das an der Schule herrscht, können die beiden nachfolgenden Beobachtungen verstanden werden: „Ich würde es mit einer Verpackung vergleichen, die hält, was sie verspricht: Harmonie“ (L) und „Ich wäre sehr gerne an einer solchen Grundschule gewesen …“ (LA).

 

Bezogen auf die Vergleichbarkeit mit anderen Schulen sowohl im Inland als auch im Ausland, gaben 31 Personen an, dies (leider nicht!) zu wissen. Sporadisch gäbe es in Deutschland und Österreich ansatzweise vergleichbare Schulen. „Harmonie kann man nicht mit andern Schulen vergleichen. Der Unterricht in den einzelnen Klassen ist vergleichbar, aber nicht die Gesamtatmosphäre und das Engagement der Lehrerinnen. (L)

 

 

 

 

 

4. 1. 5. 1. Warum sollte man die Grundschule Harmonie gesehen haben?

 

Eine Menge an Rückmeldungen wurde bei der Begründung für eine Weiterempfehlung der Grundschule Harmonie getätigt. Dabei konnten die Meinungen der Probandinnen/Probanden in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden. Die Einteilung erfolgte in

 

  • Einblicke gewinnen in offene Schulkultur/Überdenken traditioneller Schulstruktur

  • Learning by observating

  • Die Schule als angenehmen Lernort erfahren

  • Schule, die sich an den Bedürfnissen der Kinder orientiert

  • Einzigartigkeit der Schule

  • Funktionieren alternativer Pädagogik

  • Erfahrungen sammeln

  • Schulatmosphäre

 

 

 

Einblicke gewinnen in offene Schulkultur/Überdenken traditioneller Schulstruktur

 

Aufgrund der Rückmeldungen erscheint der Sinn und Zweck einer Hospitation der zu sein, dass durch das teilnehmende Beobachten das Unterrichts- und Lerngeschehen in einer anderen Klasse oder in einer anderen Schule kritisch betrachtet wird, um daraus für die eigene Tätigkeit, für das Kollegium, für die eigene Institution Beobachtetes, Wahrgenommenes, Anregungen, neu gewonnene Eindrücke, Ideen u. v. m. mitzunehmen und danach im eigenen Schulsystem im Sinne einer Verbesserung oder Weiterentwicklung umzusetzen. Ein Vergleich zwischen der Ist-Situation und der Soll-Situation wird durchgeführt, eine kritische Reflexion des Gesehenen, das Einbetten und Eingliedern in eigene vorhandene Ansichten, Vorstellungen, Muster, Rahmenbedingungen usw. erfolgt.

 

Die Hospitantinnen/Hospitanten empfehlen die Grundschule Harmonie für eine Hospitation weiter, weil „sie einen guten Einblick in das freie Arbeiten und neue, „andere“, offenere Schulkultur bietet“ (St.), „andere Schulen sich selten trauen, eine solch offene Struktur (die wirklich viele Bereiche des Schullebens umfasst) zu praktizieren. Folgende Vorteile können hier bewusst erlebt werden: Meinem Eindruck entsprechend wirken die Schüler/innen sehr viel selbstbewusster und -bestimmter“ (St), „weil es ein einmaliges Erlebnis ist. Die Schule schafft es tatsächlich, das ideale Schulsystem anzubieten. Es ist sehr beeindruckend“ (LA), „sie interessante Anregungen zur Auseinandersetzung gibt (Überdenken der traditionellen Schulstruktur etc.)“ (St), „man quasi sehen kann, was Kinder alles können und wie Schule produktiv sein könnte!!! Hier habe ich theoretische Ideen in der Praxis umgesetzt sehen können, was mir gezeigt hat, dass sehr viel mehr möglich ist, als an vielen anderen Schulen passiert“ (LA), „es sich um eine sinnvolle Alternative zu klassischen Schulen handelt und daher durchaus interessant ist“ (Sch), „sie viele Anregungen und Eindrücke mitnehmen können“ (L), „man dort über den Tellerrand hinausblicken und eine andere Form es Unterrichts erleben kann.“ (L), „sie erleben können, das alternative Konzepte tatsächlich in der Praxis standhalten können“(LA), „es interessant ist, eine Schule zu besuchen, in der in allen Klassen nach einem reformpädagogischen Konzept unterrichtet wird“ (L), „learning about the new way of teaching and learning“ (L).

 

 

 

Diese Rückmeldungen ergeben für mich in Summe und auf den ersten Blick ein sehr abgerundetes, positives Bild. Auffallend ist jedoch, dass die Studierenden und die Lehramtsanwärterinnen/Lehramtsanwärter sehr reformfreudig erscheinen und systemkritische Bemerkungen anbringen, während die Lehrerinnen/Lehrer nur „viele Anregungen und Eindrücke“ mitzunehmen scheinen. Schauen zuerst Genannte in erster Linie nicht an sofort übernehmbare Rezepte, die schnell wirken sollen, sondern auch auf das, was Kinder in dieser Schule zu leisten im Stande sind, fehlt dies bei den Lehrerinnen/Lehrern. Ebenso unverständlich erscheint die Aussage: „Learning about the new way of teaching and learning“. The „new way” – angenommen werden kann, dass damit reformpädagogische, kindorientierte Zugänge gemeint sind – ist nun mehr als hundert Jahre alt und in vielen europäischen Schulen noch immer nicht umgesetzt. (Wenn das eine Probandin aus einem ehemaligen szialistischem Land sagt, wäre es verständlich!)

 

 

 

Learning by observating

 

Das habe ich bereits oft getan, da man erstaunliche Dinge sieht, jede Menge lernen und entdecken kann und ein tolles Bild davon bekommt, wie Schule sein kann“ (St), gibt hervorragend das wieder, welchen Sinn und Zweck Hospitationen erfüllen. Mag in der Literatur noch so viel wunderbar dargestellt, erklärt und ausgeführt sein, bleiben die subjektiv gewonnenen Eindrücke tiefer im Gedächtnis. Die ersten visuell wahrgenommenen Eindrücke sind es – als Beispiel seien hier nur Helligkeit, Farbenspiel, Ästhetik, Lautstärke, Ordnung uvm. genannt – die sich im Gedächtnis als Bild einprägen. Kommen dann noch die Akteure, die Lehrerinnen/Lehrer, die Schülerinnen/Schüler, die Eltern ins Bild und nehmen wir den Umgang, der untereinander und miteinander gepflegt wird, akustisch wahr, beginnt sich ein Gesamteindruck heraus zu kristallisieren, der, wie in diesem Falle, von vielen Hospitantinnen/Hospitanten mit der Assoziation der guten Atmosphäre verbunden wird. Auf vorhandene Erfahrungen wird zurückgegriffen, Neues mischt sich dazu und es entwickelt sich langsam, aber stetig ein neues Bild der Lebenswirklichkeit. Dinge, die man sich zuvor nicht vorstellen konnte, werden auf einmal erklärt. Der Erkenntnisprozess, der Prozess der Inquiry, bedeutet: „Wir lernen für Dewey nicht durch bloßes Hinsehen … Erkenntnisse gewinnen wir … wenn unser gewohnter Handlungsablauf gestört wird … 64 Auf die fünf Phasen, die bereits auf Seite 77 beschrieben wurden, bedeutet dies „eine Veränderung von Welt …“ 65 It is difficult to believe if you havn´t seen one and only have heared about such school.” (L), „I can recommend visiting this school because it´s different, therefore interesting, impressive and arouses curiosity” (L), „There is so much to see and to learn” (L), gibt dies treffend wieder. Weil es immer wieder, auch bei kurzem Besuch (ein Vormittag) sehr ergiebig sein kann“ (wM), erklärt den Wert von Hospitationen ebenso. Eine Hospitation an der Grundschule würden Probandinnen/Probanden aus weiteren Gründen weiter empfehlen, weil: „der eigene Horizont zum Thema Pädagogik wird erweitert“ (L), „ich es interessant finde, andere Schulen zu besuchen und sich ein Bild von alternativen Unterrichtsmethoden zu machen. Ich finde, als Lehrer sollte man für alles offen sein und nicht erstarren“ (L), „sie sich viele Anregungen für ihren Unterricht mitnehmen können, aber auch um einen Eindruck zu bekommen, dass es auch andere Methoden gibt, um den Lehrstoff weiter zu vermitteln“ (St), „sie geeignet ist – mindestens! – in eine anregende bis heftige Diskussion zu kommen, die die Einstellungen zu und Erwartungen an Schule klärt. Für die, die auf der Suche nach einer „anderen“ Schule sind, lohnt sich ein Besuch sowieso“ (St), „man diese Schule einfach gesehen haben muss “ (P).

 

 

 

Die Schule als angenehmen Lernort erfahren

 

Als weiterer Grund, warum eine Hospitation von den Probandinnen/Probanden anderen Kolleginnen/Kollegen weiter empfohlen werden kann, liegt aufgrund der Rückmeldungen darin zu finden, dass „den Lehrerinnen und Lehrern gezeigt werden kann, dass, wenn sich Kinder in der Schule wohl fühlen, Leistung kein Thema ist, sie ist einfach da“ (P). Festgestellt wurde weiters, dass sich „die Lehrerinnen und Lehrer auch sichtlich wohl fühlen (Anti-Burn-out)“ (P), „die Schule und ihre Umgebung sehens- und nachahmenswert sind“ (L), „dass Schule auch anders gelebt werden kann“ (L) und „children learn in their own ways and are prepared to become self-confident and democratic citizens“ (L). Am deutlichsten spiegelt folgende Rückmeldung wider, dass die Schule für die Schülerinnen und Schüler als ein angenehmer Lernort erfahren und erlebt werden kann, weil „dort in einer Regelschule andere Wege probiert werden: jahrgangsübergreifender Unterricht, sich Zeit für Tätigkeiten nehmen können, akzeptiert wird, wenn Kinder erst später einen Lernbereich angehen (z. B. das Lesen) und (Lehrer) daraus kein Problem machen, Lehrer Ruhe ausstrahlen“ (L), und diese Kriterien auch zu einem positiven Lernerfolg beitragen.

 

 

 

Diese Rückmeldungen, die vor allem von Lehrerinnen/Lehrern und Professorinnen/Professoren getätigt wurden, zeigen, dass ein angenehmes Lernumfeld zu Lernerfolgen der Schülerinnen und Schüler beiträgt. Gerade auch die Qualität des jahrgangsübergreifenden Lernens, das von- und miteinander Lernen auf unterschiedlichen Lern- und Leistungsniveaus trägt dazu bei. Ebenso verhält es sich bei der Weitergebe von Spielregeln, die in jeder Klasse gemeinsam ausgemacht werden. So verhält es sich in einer jahrgangsgemischten Klasse wie in der Gesellschaft außerhalb der Schule. Während draußen die Weitergabe von Werten, Normen und Regeln von einer Generation auf die andere erfolgt, so erfolgt dies im Kleinen in der Klasse. Dabei erlernen Erstklässler durch aktives Tun im Gesamtgeschehen das Einbringen eigener Interessen, Wünsche und Anliegen. Eigenaktivität, das Erlernen von Übernahme und Verantwortung für eigenes Tun und Handeln, aber auch das Eingliedern und Einordnen in ein bestehendes System. Hier spiegeln sich wiederum Deweys Überlegungen von Pädagogik und Demokratie als Lebensform im Mikrokosmos Schule wider. Bei den „shared values handelt es sich um eben diejenigen Einstellungen und Fähigkeiten, die ein demokratisches Miteinander ermöglichen.

 

Jochen Hering, Walter Hövel, Miteinander reden – miteinander arbeiten, In: Harald Eichelberger (Hrsg.), Freinetpädagogik & moderne Schule, Innsbruck 2003

 

 

 

Die Schule ist gerade unter diesem Gesichtspunkt anderen Sozialisationsinstanzen als Ort der Erziehung zur Demokratie überlegen, eben weil sie den Raum für tatsächliche Begegnungen, für konkrete Auseinandersetzungen mit dem zunächst Fremden eröffnen kann, und zwar in einem relativ frühen Lebensabschnitt. Sowohl die grundlegenden Kompetenzen des intelligenten Problemlösungshandelns wie auch die Früchte der Kooperation können hier wie nirgends sonst eingeübt werden.“ 66 Von der Lehrerinnen- und Lehrerseite wird dabei auch die individuelle Betreuung und Förderung jedes einzelnen Kindes durchgeführt und gelingt. Es gelingt vor allem auch dadurch, dass nach folgendem Motto gehandelt werden kann: „Schick die Leistungsstarken auf den Weg, dann hast du Zeit für die Leistungsschwächeren.“ Durch die Absprachen in den Planungsgesprächen wird, wie bereits erwähnt wurde, gemeinsam zwischen den Lehrpersonen und den Kindern der individuelle Tagesplan festgesetzt. Dies bedeutet ein Abgehen vom traditionellen Unterricht, bei dem alle „gleichgeschaltet“ sind, und führt dazu, dass „Schule auch anders gelebt werden kann“. Dafür ist nicht nur das persönliche Engagement der Lehrerinnen und Lehrer ausschlaggebend, sondern es bedarf einer Umorganisation schulischen Alltags. Wenn – und das zeigt das klassische Bild von Schule – tradierte Schulorganisation möglich ist, dann kann durch die Veränderung dieser starren Schulorganisation eine neue, für Schülerinnen und Schüler als auch für Lehrerinnen und Lehrer flexiblere Schulorganisation gelingen. Dass dies sowohl pädagogisch als auch organisatorisch funktioniert, beweisen die Rückmeldungen der Probandinnen/Probanden, wenn festgehalten wird, dass diese „Schule sehens- und nachahmenswert ist“.

 

 

 

Schule, die sich an den Bedürfnissen der Kinder orientiert

 

Wie soeben angeführt, wird klar, warum die Probandinnen/Probanden eine Hospitation an die Grundschule Harmonie weiter empfehlen würden. Dies aus dem Grund, weil „der „Unterricht“ an die Bedürfnisse der Schüler angepasst ist. Der Lehrer steht nicht mehr vorne, dem die Schüler sowieso nicht zuhören, sondern hilft den Schülern. Dieses führt zu einem effektiven Lernen. Die Organe der demokratischen Klasse sollten ebenfalls kennen gelernt werden, da hier die Schüler selbst (mit)bestimmen und jederzeit ihre Meinung kritisch äußern dürfen.“ (St), „man sehen kann, wie Schülerinnen- und Schülerinteressen tatsächlich ernst genommen werden, wie man auf Schwierigkeiten im Schulalltag reagieren kann, wie kooperatives Handeln in der Schule gelebt werden kann“ (P), „sehen kann, dass menschliche Bildung aus vielen Einzelfacetten besteht und kognitives Wissen nicht im Vordergrund stehen darf“ (P).

 

 

 

Einzigartigkeit der Schule

 

Die folgend aufgelisteten Rückmeldungen können so interpretiert werden, dass durch das Zusammenspiel von allen an der Schule Beteiligten sowohl das kooperative Gestalten des beweglichen Ordnungsrahmens als auch die Umsetzung von Reformpädagogik das Bild von „Einzigartigkeit“ dieser Schule entstehen lässt. Die Beweggründe für die Weiterempfehlung zu einer Hospitation liegen bei den Probandinnen/Probanden darin begründet, weil „die Lehrer/innen hier keine „Einzelkämpfer“ sind, sich aktiv und hilfreich unterstützen und nach dem Unterricht nicht gleich das Schulgebäude fluchtartig verlassen, obwohl sie daheim auch eine Familie haben“ (L), „die Schule aus dem normalen Rahmen heraus ragt“ (Cl), „durch Walter Hövel der Begriff Schule ein positives Bild erhalten hat. Die Kinder, wie eigentlich in allen Freinet-Einrichtungen, einen hohen Bildungsstandard haben. Das Kind als Mensch angesehen wird! Und weil ich denke, dass jeder, der im Bereich der sozialen Arbeit tätig ist, sei es Erzieher, Lehrer usw., zum Thema Lebensweltorientierung und Lernweltorientierung an dieser Schule nicht vorbei kann“ (E), „es einzigartig ist, diese Schule zu besichtigen, zu hospitieren“ (St), „die Arbeitsweise der Schule ganz anders ist und man seine eigene Position dadurch besser findet (was kann ich für mich mitnehmen? Könnte ich auch so arbeiten? Ja, warum oder nein, warum nicht?)“ (L), „I can recommend visiting this school because there is something different from the other schools“. (L)

 

Interessant erscheint die Beobachtung einer Person, die mit Pädagogik überhaupt nichts zu tun hat. So schreibt der Clown, „dass die Schule aus dem normalen Rahmen heraus ragt“, geht dabei leider nicht näher darauf ein. Es kann jedoch einerseits mit bereits beschriebener Schulatmosphäre zu tun haben; andererseits auch damit, dass sich die Schülerinnen und Schüler aufgrund der Gewohnheit, sich z. B. bei den frei gewählten Arbeiten ruhig durch das Schulhaus zu bewegen, zusammenhängen. Demnach kann vermutet werden, dass der Clown eine ähnliche Beobachtung getätigt hat, wie eine Lehrerin/ein Lehrer: „200 Kinder kamen ohne Radau in die Aula und verließen diese auch wieder leise“ (Seite 205) und dass „die Abwesenheit aggressiven Verhaltens“ (Seite 206) von ihm bei seiner Clown-Vorstellung ebenfalls beobachtet wurde.

 

Ein Slogan der Schule heißt: „Wir kreieren Normalität“.

 

 

 

Funktionieren alternativer Pädagogik

 

Eine Weiterempfehlung, die Grundschule Harmonie zu besuchen, würde sich aufgrund der Rückmeldungen lohnen, weil „sie so sehen, wie eine Schule funktionieren kann und wie Pädagogik funktionieren kann“ (L), „dort eine andere pädagogische Linie ist als in anderen Schulen“ (Schü)., „man sehen kann, dass Schule auch anders funktionieren kann“ (St), „ich sie nachahmenswert finde, da sie vom üblichen reglementierten Schulalltag abweicht“ (LA). Aufgrund dieser Beobachtungen kann festgestellt werden, dass in einem starren Schulsystem reformpädagogische Ideen in der Tat positiv umgesetzt werden können. Warum – so stellt sich die Frage – benötigen die reformpädagogischen Modelle noch immer einer Rechtfertigung für positiv geleistete Arbeit und Umsetzung? Wäre es nicht höchst an der Zeit – so kann aufgrund der Rückmeldungen abgeleitet werden – dass sich das tradierte und starre Schulsystem, bei dem Kinder noch viel zu viel „belehrt“ werden und die Eigenaktivität größtenteils ausgeschlossen bleibt, für seine Pädagogik rechtfertigen muss.

 

Ich habe einmal zu einem Vater, der „mehr Struktur und mehr Druck“ für sein Kind einforderte, gesagt: „Auch Sie machen aus meiner Schule keine Schule!“.

 

 

 

Erfahrungen sammeln

 

Eine Hospitation wird deshalb weiterempfohlen, weil „sie offene Arbeitsformen, demokratisches Miteinander, Lehrerpersönlichkeit Walter Hövel erleben können“ (L), „erfahrbar wird, dass Kinder selbstverantwortlicher arbeiten, als viele denken“ (P), „sie ermutigend wirkt“ (P), „es einfach ein Genuss ist, das mal erleben zu dürfen. Man kann auch viele Eindrücke sammeln, die man in kleinen Teilen ev. in der eigenen Klasse umsetzen kann“ (L).

 

 

 

Schulatmosphäre

 

Auf die Aussagen der Probandinnen/Probanden bezüglich der Schulatmosphäre wurde bereits eingegangen. Dass jedoch diese als Hospitationsempfehlung angegeben wurde, darf an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben. So wurde festgehalten, dass „die besondere Atmosphäre nicht zu beschreiben ist und viele Anregungen für die eigene pädagogische Arbeit entnommen werden können“ (L) und „mir die Zusammenarbeit so gut gefiel“ (St). Auffallend waren ebenso „the attitude, atmosphere, methods“ (L)

 

 

 

Von einem Hospitationsbesuch an der Grundschule Harmonie sollte jedoch laut Rückmeldungen der Hospitantinnen/Hospitanten abgeraten werden, weil „jetzt schon so viele da sind“, „Lehrerinnen und Lehrer, die keinen demokratischen Ansatz in ihrem Unterricht haben, den Lebensfrust bekommen würden“ und „falls jemand diesen Konzepten von vornherein kategorisch ablehnend gegenüber steht, da die voreingestellte Perspektive all das, was ich gut finde, ins Negative kehren würde“.

 

 

 

 

 

4. 1. 6. Hospitationseindrücke

 

4. 1. 6. 1. Übertragbarkeit auf das Regelschulwesen

 

Im Zuge der Fragebogenerhebung wurden die Probandinnen/Probanden danach gefragt, welche Hospitationseindrücke auf das Regelschulwesen übertragbar wären. Der Grundtenor, was davon, was an der Grundschule Harmonie gesehen wurde, im Regelschulwesen umsetzbar und möglich wäre, lautete: „Fast alles“. Um diese Aussagen zu präzisieren, wurden Unterteilungen, die sich aufgrund der Rückmeldungen ergaben, getroffen. Demnach könnten an den Schulen folgende Elemente übernommen werden:

 

 

 

Demokratie in der Klasse und Schule

 

Die demokratischen Einrichtungen, wie „Kinderparlament, Schüler/innenparlament“, „Schulversammlung“, „Montagsversammlung“, „Morgenkonferenz“, sahen fast die Hälfte der Hospitantinnen/Hospitanten als übertragbar an. Noch konkreter lauteten die Rückmeldungen, dass „demokratische Strukturen – Schüler mitsprechen lassen bei wichtigen Entscheidungen“ (L), und die „demokratische Gestaltung des Unterrichts mit den Kindern“ (L) im Schulalltag an allen Schulen integrierbar wären. Darunter fallen weiters die „tägliche Kommunikation bei offenen Türen“ (L), das grundsätzliche „Öffnen von Klassentüren“ (vier Meldungen), „Beratungen“ (P), „Mitbestimmungsrecht der Kinder“ (L), „der Umgang mit Kindern sowie die Form des Unterrichts“ (LA). „Die Elemente der Demokratie lassen sich sehr gut auf das gesamte Schulsystem übertragen“, kann nicht nur zusammenfassend angemerkt werden, sondern stellt die Aussage einer Lehrerin/eines Lehrers dar.

 

 

 

Organisation innerhalb der Klassen/innerhalb der Schule

 

Der „Morgenkreis“ (fünf Meldungen), der „Klassenrat“ (vier Meldungen), „die Präsentationen“ (P) sowie die „Gestaltung von Schulhöfen zu Lebensräumen durch Kinder!“ (L), die „Offenheit des Unterrichts, der Inhalte, der Begegnungsformen“ (St) „oder einfach: die Freinetsche Haltung“ (St) stellen Elemente dar, die innerhalb der jeweiligen Klassenstrukturen umgesetzt werden könnten. Innerhalb der Schule könnten nach Meinung der Probandinnen/Probanden „jahrgangsübergreifender Unterricht“ (St), (P), (L), (E) und (Cl) bzw. „Auflösung des Jahrgangsklassensystems“ (L) ebenso wie „die Form der Leistungsbeurteilung“ (P) oder „Noten erst ab der vierten Klasse (oder gar keine)“, „learning without marks“ (L) und die „Auflösung der 45-Minuten-Unterrichtseinheiten“ (L) übernommen werden.

 

 

 

Geht man davon aus, dass sich die Hospitantinnen/Hospitanten mit einem Transfer dessen, was sie gesehen haben, identifizieren und eine Änderung aktiv mitgestalten würden, müssten bei der Umstellung neben dem Engagement der Kolleginnen und Kollegen die Änderung innerhalb der Schulorganisation und eine Aufklärungskampagne für Eltern mit berücksichtigt werden. Dabei könnte nicht nur das starre und seit Jahrzehnten unveränderte Jahrgangsprinzip thematisiert werden, sondern unter Einbeziehung der Kolleginnen/Kollegen und der Eltern die Sinnhatigkeit alternativer Leistungsbeurteilungsmöglichkeiten und reformpädagogischer Inhalte und Modelle beraten werden.

 

 

 

Kooperation mit allen Schulpartner/innen – im Sinne der Schülerinnen und Schüler

 

So wurde bereits festgehalten (L), (P), dass die „Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrern, Schülern, Schulleitung“ unbedingt notwendig ist. „Demokratie in der Schule zu leben: zwischen Direktor/in, Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern“ (L) wird durch die Rückmeldungen der Probandinnen/Probanden unterstrichen.

 

 

 

Geht man von den Überlegungen der Probandinnen/Probanden weiter und erfolgt „die Zusammenarbeit mit den Eltern“ (St) und „eine regelmäßige Mitarbeit der Eltern im Unterricht“ (L), können diese auch nachvollziehen, wie die Schülerinnen und Schüler den Unterricht durch „selbst organisiertes Lernen“ (L), (E) bzw. durch „selbst gesteuertes Lernen“(P) gestalten und dass dies zur Stärkung ihrer Kompetenzen beiträgt. So wäre in weiterer Folge auf das gesamte Schulsystem übertragbar, dass „Lernzeiten (eingeführt werden), in denen Schüler im vorgegebenen Rahmen bestimmen können, was, wann, wie und mit wem sie lernen“ (St), „die Arbeit nach individuellen Arbeitsplänen“ (P), „das Auswählen des zu bearbeitenden Lehrstoffes“ (St) und „mehr Eigenverantwortung für die einzelnen Schüler“ (St), (LA).

 

 

 

Von den Hospitantinnen/Hospitanten wurde ebenso als umsetzbar im gesamten Schulsystem Folgendes angemerkt: „Respekt vor Schülerinnen- und Schülerleistungen“ (P) und „Wertschätzung gegenüber Schülerinnen und Schülern“ (P). Wird dies als übertragbar angesehen, kann davon ausgegangen werden, dass dies anscheinend im herkömmlichen Schulsystem tatsächlich abgeht. Liest man die Beobachtungen der Hospitantinnen/Hospitanten von respektvollem Umgang der Lehrerinnen/Lehrer der Grundschule Harmonie mit den Kindern (siehe Seite 216 – 224), kann das diesbezügliche Fehlen im herkömmlichen Unterricht leicht der Fall sein.

 

 

 

Was weiters noch als übertragbar angesehen wurde, zeigt diese Aussage: „Wenn man die Kollegen nicht als Konkurrenz sieht, dann könnte man auch die Zusammenarbeit der Lehrer übertragen (Morgenkonferenzen ) (L). Abschließend steht folgende Beobachtung auf die Frage nach Elementen, die im Rahmen der Hospitation gesehen und auf das gesamte Schulsystem übertragen werden sollte/könnte: „Illusorisch, aber wahr – eigentlich alle. Mit dem Mut und der Einstellung des Kollegiums zu Kindern könnte man beginnen.“ (St)

 

 

 

 

4. 1. 6. 2. Übertragbarkeit auf eigenes Wirken

 

Zuerst werden Rückmeldungen von den Hospitantinnen/Hospitanten zur Fragestellung, welche Elemente, die von ihnen im Rahmen der Hospitation wahrgenommen wurden und auf ihr eigenes Wirken übertragen könnten, verschriftlicht. Danach wird festgehalten, welche konkreten Schritte die Hospitation bei ihnen in der Tat bewirkt haben und was im Unterricht umgesetzt wurde.

 

 

 

Das könnte übernommen/umgesetzt werden

 

Die Übernahme der vielen Kreisgespräche Morgenkreis (sieben Meldungen), Planungskreis (drei Meldungen), Klassenrat (zwei Meldungen), weiters „die Gespräche mit den Schüler/innen (zwei Meldungen) wurden sowohl von den Lehrerinnen/Lehrern und Studierenden als sofort umsetzbar angegeben. Das Kinderparlament bzw. Schüler/innenparlament wurde nur mehr von zwei Lehrerinnen/ Lehrern angegeben. Dafür wurden Aussagen festgehalten wie: „Sämtliche demokratischen Elemente möchte ich in meinen späteren Unterricht einbauen, sowie das an der Schule möglich ist“ (St), „den Schülern ermöglichen, sich kritisch äußern zu dürfen (z. B. in der Klassenversammlung) und entsprechende Organe innerhalb der Klasse oder der Schule schaffen (Klassen-, Schulversammlung …)“ (St), „die Schüler ihre Arbeiten präsentieren und diese von den Mitschülern beurteilen zu lassen (z. b. Dichterlesung, Tages- oder Wochenabschlusskreis …)“ (St), „das demokratische Verhalten; nicht die Großen sagen den Kleinen, wie es geht, sondern die Kinder haben Rechte“ (L), „Kinderwünsche zu berücksichtigen, die das gelingende Lernen zum Ziel haben“ (L).

 

 

 

Sowohl von Lehrerinnen/Lehrern als auch von Studierenden wurde angegeben, dass Elemente des offenen Unterrichts (sechs Meldungen) auf das eigene Wirken in der Klasse übertragbar wären. Den Kindern mehr Freiheit (zwei Meldungen) zuzugestehen bzw. diese zu respektieren, waren ebenso bei den Rückmeldungen zu finden wie „Respekt vor der Integrität jeder Schülerin/jedes Schülers“, „den Kindern viel zutrauen und Eigenverantwortlichkeit einfordern“ (St), „die Selbstbestimmung der Kinder unterstützen“ (L). Bezogen auf die Unterrichtsarbeit hielten Lehrerinnen/Lehrer fest, dass Folgendes auf den eigenen Wirkungskreis übertragbar wäre: „Sinn der Arbeiten überdenken“, „Schule als Lernort“ (nutzen), „mehr Einzelgespräche mit Schülern über deren Leistungsstand etc. (zu führen), um individueller arbeiten zu können. Ansonsten sind es eher kleine Impulse, die man nicht genau in Worte fassen kann“, „Schwierigkeiten sehe ich in den jahrgangsübergreifenden Klassen, denn hier müsste das Konzept einer gesamten Schule geändert werden“, „Schüler/innen in die Planung des Unterrichts einbeziehen“, „Schüler/innen mehr eigenverantwortliches Arbeiten zutrauen“, „die Möglichkeit, einzelnen Schülern in der Freiarbeit am Gang einen Tisch – RUHE – zur Verfügung zu stellen, um dort weiter zu arbeiten …“, „student´s self-planned learning“, „individual work of children according to their abilities and wishes and the role of a teacher as a mentor and assistant“, „weekly planning of work, let children choose the topic and the way on it“.

 

 

 

Studierende hielten fest, dass sie sich vorstellen könnten, „Schüler/innen nicht sofort bei jedem kleinen Problem zur Hand gehen, sondern selbständiges Versuchen und Problemlösen fördern“, „ich werde so viel wie möglich versuchen zu integrieren und nach dem Prinzip try and error arbeiten, insbesondere finde ich die Einbeziehung in Lehrinhalte wichtig“, „Schüler/innen in die Planung des Unterrichts mit einbeziehen“ (LA). Die Zusammenarbeit mit den Eltern, „auch die zahlreichen Lernangebote und die Zusammenarbeit mit den Eltern, die Transparenz des Unterrichtsgeschehens usw …“ (St), „Transparenz und Einbeziehung der Eltern“ (L), wurden unter oben angeführter Fragestellung rückgemeldet. „Das Problem dabei ist, dass alle dabei mitspielen müssten, doch das ist leider nicht der Fall“, zeigt die resignierende Rückmeldung einer Lehrerin/eines Lehrers. „Schwer zu sagen, angesichts der immer stärkeren zentralen Vorgaben seitens der Schulbehörde, momentan ist eher eine Rückentwicklung im Gange, die es sehr schwer macht, demokratische Elemente am Gymnasium durchzuziehen, fürchte ich“ (LA), stellt ebenso eine sehr ernüchternde und deprimierend klingende Stimmung dar. Durch diese Aussagen kann angenommen werden, dass die vielen Hospitationseindrücke, die die beiden Personen von der Hospitation als umsetzbar wahrnahmen, nicht nur eine grundsätzliche Veränderung des gesamten Kollegiums beinhalten müsste, sondern dass befürchtet wird, die hehren Wünsche gar nicht umsetzen zu können.

 

 

 

Das wurde übernommen/umgesetzt

 

Nur eine einzige Probandinnen/ein einziger Proband gab an, den Morgenkreis, der gesehen wurde, umgesetzt zu haben. Zu erklären wäre dies insofern, dass nämlich das Führen von Gesprächen sehr zeitaufwendig ist. Diese Zeit geht – so meinen wahrscheinlich viele Kolleginnen/Kollegen – in traditionell geführten Klassen als so genannter „Stoff“ am Ende dann doch ab. Als weiteres Kriterium, Kreisgespräche nicht durchgeführt zu haben, könnte sein, dass schon alleine das in den Kreis Gehen nicht nur Zeit in Anspruch nimmt, sondern vielfach mit dem Tische Zurechtrücken, Sessel Tragen und hin und wieder Sessel Umwerfen, mit Gedränge … vor allem aber auch mit Lärm zu tun hat. Dass dies bei anfänglichen Kreisgesprächen geschieht, kann angenommen werden. Die eigene Erfahrung zeigt aber, dass das ritualisiert abgehaltene Kreisgespräche sehr schnell und sehr unkompliziert, blitzschnell und auch in angemessener Lautstärke geschehen kann. Das Erlernen der Gesprächsdisziplin, das kritische Reflektieren, das Argumentieren usw. kann doch nur durch eigene Aktivität geschehen, Kommunikationskompetenz kann man sich nur erwerben, indem man miteinander kommuniziert. Im Lehrplan der Volksschule ist daher das „Sprechen“ im Unterrichtsgegenstand Deutsch mit einer Wochenstunde ausgewiesen. Es kann vermutet werden, dass der Sprechanteil der Lehrerinnen/Lehrer dabei jedoch höher ist als der der Kinder.

 

 

 

Die Hospitation bewirkte bei den Probandinnen/Probanden, dass sie sich danach in verstärkter Form mit Literatur (sieben Meldungen) auseinander gesetzt haben (L), (P), (LA), St). Vier Lehrerinnen/Lehrer gaben an, danach Fortbildungen besucht bzw. initiiert zu haben: „ich war begeistert und habe die freinetpädagogische Entwicklungsreihe besucht“, „das geht auch bei meiner Weiterbildung bei Freinetmodulen über…“, „I attended a seminar ,step’ by ,step’“. Über die Hospitation erfolgten nicht nur in den einzelnen Schulen Berichte (16), sondern weiters führten die Hospitantinnen/Hospitanten verstärkt Diskussionen im Kollegium über das Gesehene durch. Eine Aussage einer Hospitantin/eines Hospitanten zeigt, wie die ernüchternden Tatsachen in den Schulen manchenorts aussehen, wenn Folgendes rückgemeldet wird: Die Hospitation hat bei mir bewirkt, dass ich „einen Hospitationsbericht bei einer Konferenz abgegeben habe und mir ein Interesse entgegen gebracht wurde, als ob ich von der Konferenz der Schulmilchbeauftragten gesprochen hätte“ (P).

 

 

 

Diese Aussage lässt darauf schließen, dass in diesem Kollegium reformpädagogischen Umsetzungsmöglichkeiten keinerlei Bedeutung zugemessen wird. Das muss einerseits gar nichts mit dem zu tun haben, dass man sich vielleicht persönlich zwar für die Sache interessiert, im schulischen Alltag damit jedoch nicht konfrontiert werden will. Die Auseinandersetzung mit etwas Neuem könnte deswegen abgelehnt werden, weil es ein Mehr an Arbeit bedeutet, eines verstärkten Einsatzes bedarf, viel Schreibarbeiten durchgeführt werden müssen (Schüler/innenbeobachtungen, Beschreibungen, Beurteilungen, Elternarbeit, die Lehrerinnen/Lehrer vom „hohen Ross“ herunter holt u. v. m.). Auf der anderen Seite könnte es sein, dass viele Kolleginnen/Kollegen aufgrund fehl geleiteter Bildungspolitik (Stundenkürzungen, Streichung von Stunden für die Betreuung von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache, verstärkter „Druck“ und verstärkte Kontrolle von oben, …), durch inkompetente, veränderungsscheue Leiterinnen und Leiter resignieren oder dass ein Kollegium Veränderungen ablehnt. Es kann aber auch sein – und dieses Argument wird vielfach verwendet –, dass die Meinung vertreten wird, dass „Altbewährtes nicht einfach so über Bord geworfen werden sollte, weil es ja doch seine guten Seiten habe“. „Ordnung und Disziplin haben noch keinem geschadet.“ „Durch zu viel Freiheit,“ so könnte angenommen werden, „verliere die Jugend wiederum nur noch mehr an Ehrgeiz, Wissen, Höflichkeit, …, das Benehmen werde soundso immer schlechter.“ Als weitere Argumente gegen die Veränderungen könnte verwendet werden: „Wäre das so gut, dann hätte man das schon viel früher eingeführt …“ „Wir haben schon so oft gesagt bekommen, was wir alles falsch machen, dass wir keine Propheten mehr brauchen“ „Uns ist schon so oft mit überzeugter Brust gesagt worden wie es anders gehen sollte. Aber beim Probieren hat es nie geklappt.“ „Seit der misslungenen Einführung der Mengenrechnung glaube ich all diesen Neuerungen nicht mehr!“

 

 

 

Otto Herz hat vor zwanzig Jahren einmal eine Liste der besten zehn Innovationskiller erstellt.

 

Sind Innovationskiller Neurosen der lehrerschaft? Auf jeden Fall sind

 

Neurosen Innovationskiller, sie legen schöpferisches Potential lahm ...

 

Der pädagogische Kern unternehmerischer Entfaltung ist koevolutives Lernen ...

 

Bei der Einteilung der Rückmeldung der Probandinnen- bzw. Probandenmeinung zu dieser Fragestellung entstand die Kategorie „Planung und Umsetzung im Unterricht“. Sechs Personen gaben an, Eindrücke umgesetzt zu haben, erläutern diese jedoch nicht näher. Eine Probandin/ein Proband hielt zur Fragestellung der eigenen Umsetzung aufgrund der Hospitation fest, dass sie/er sich: „Gedanken über das Lehren und lernen in der Schule mache“ (P). Während eine Person festhielt, dass sie „konsequent dokumentiere, was in der Klasse geschieht“ (L), gab eine andere Person an, dass sie die „Stunden im Blockpraktikum schüler/innenzentriert geplant habe“ (St). Drei Lehrerinnen/Lehrer hielten fest, dass er/sie „Anregungen in die pädagogische Arbeit integriere“, „eigenes Lehrerinnenverhalten vermehrt reflektiere, weiterführende Literatur lese, schulinterne Strukturen vermehrt reflektiere“, „die Leistungs- und Begeisterungsfähigkeit der Kinder nochmals ernster nehmen werde, da sie einen immer überraschen können, so sehr man auch glaubt, man wisse, was komme“.

 

 

 

Die verstärkte Auseinandersetzung mit Inhalten aus der Freinet-Pädagogik meldeten vier Hospitantinnen/Hospitanten zurück. „Habe mich schon früher über die Freinet-Pädagogik informiert, bin nun noch überzeugter davon und versuche, meinen eigenen Unterricht nach Möglichkeit zu verändern.“ (P) Die Eindrücke, die beim Hospitationsbesuch gewonnen wurden, hinterließen auch noch folgende andere Spuren, nämlich, dass „die Hospitation in die Lehrerinnenausbildung eingeplant (wurde)“ (P), „weitere Besuche mit Studierenden durchgeführt (wurden)“ (wM), „Aufsätze und Vorträge über die Grundschule Harmonie geschrieben (wurden), Lehrerinnen und Lehramtsanwärter/innen an die Schule (geschickt werden) (L). Einen kritischen Blick hinter die „Verpackung“ will eine Lehramtsanwärterin/ein Lehramtsanwärter werfen, indem gemeint wird: „Außerdem bin ich viel kritischer geworden, wenn andere Schulen in ihrem Schulprogramm vorgeben, z. B. dass ihnen Demokratie in der Schule wichtig ist, man davon aber im Alltag wenig sehen kann …“

 

 

 

 

 

4. 1. 6. 3. Übertragbarkeit auf Lehrerinnen- und Lehrerbildung

 

Verstärkter Praxisbezug während der Ausbildung

 

Aufgrund der Rückmeldungen der Hospitantinnen und Hospitanten stellt sich heraus, dass im Rahmen einer veränderten Schulpraxis der Wunsch nach „mehr Praktika“ (E), „mehr Praktika, kürzere(m) Studium, länger(er) LA-Zeit“ (St), „längere(n) Praxiszeiten (vgl. Blockpraktikum)“ (L) Berücksichtigung finden sollten. So hielten zwei Lehrerinnen/Lehrer fest: „Ein Blockpraktikum während der Ausbildung ist viel zu wenig, um einen Eindruck vom Lehreralltag zu bekommen, geschweige denn neue Unterrichtsformen kennen zu lernen und auch zu erproben.“ bzw. „in der Ausbildung sollte bereits vor dem Studium und vor allem während des Studiums ein wesentlich höherer Praxisteil Pflicht sein“. Ähnlich sieht es eine Studentin/ein Student, die/der meinte: „Den Studierenden sollte es auch ermöglicht werden, mehr aktiv in den Schulen während ihres Studiums tätig zu sein, mehr eigene Ideen „ausprobieren“ zu dürfen.“

 

 

 

Verknüpfung von Theorie und Praxis

 

Von den Probandinnen/Probanden wurde jedoch nicht nur ein Mehr an schulpraktischem Einsatz als Veränderungswunsch deponiert, sondern auch der damit zusammenhängende, intensivere und verknüpft gehörende „Theorie-Praxis-Bezug“ (St), (P). „Die frühzeitige Verzahnung von akademischer und praktischer Ausbildung (aber das hat nichts mit Eitorf zu tun)“ (St), sieht eine weitere Probandin/ein weiterer Proband (LA) folgend und fordert: „eine engere Verbindung von theoretischen Seminaren und der Praxis. Denn wenn man selbst erfahren kann, dass die Theorie nicht nur in Büchern steht, weckt die Lust, diese Dinge man selbst auszuprobieren.“ In die gleiche Kerbe schlagen Lehrerinnen/ Lehrer, indem sie meinten: „LA müssen in offenen Lernformen arbeiten, um dieses Arbeiten selbst zu erfahren.“ „Alle Lehrer/innen sollten die verschiedenen pädagogischen Modelle kennen lernen, ausprobieren können, um in ihrer pädagogischen Praxis möglichst viele „Register“ ziehen zu können“, „mehr Einblicke in verschiedene Unterrichtsformen – wie kann Unterricht noch ablaufen?“ Eine weitere Verbindungsmöglichkeit zwischen der Theorie und der Praxis wurde von einer Professorin/einem Professor gesehen, dass sich Studierende „über die Mitentscheidungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler nicht nur theoretisches, sondern auch praktisches Wissen aneignen“ sollten.

 

 

 

Betrachtet man diese Forderungen, kann davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung bis jetzt kein wirklicher Brückenschlag zwischen dem theoretischen Input und der praktischen Umsetzung gelang. Vor allem reformpädagogische Modelle dürften im Rahmen der Ausbildung noch immer zu kurz kommen. Daher erscheint der geäußerte Wunsch, dass „neuere, modernere Methoden der Unterrichtsgestaltung und der Art und Weise, Wissen so zu vermitteln“ (St), verstärkt umgesetzt werden sollten, seine Berechtigung zu besitzen. Im gleichen Zuge müssten demnach an der Ausbildungsstätte Lehrveranstaltungen, bei denen die „Organisation von offenem Unterricht“ (L) vermittelt wird, den Studierenden angeboten werden. The trainees should be more involved in decision-making concerning the content of their lectures“ (L).

 

 

 

Wird der „offene” Unterricht thematisiert, müssen von Seiten der Lehrpersonen nicht nur die Planungen, sondern auch die Einstellungen „offen“ gelegt werden. Das würde in vielen Fällen ein Abgehen von gleichen Vorbereitungen bedeuten, das hieße, einen Mehraufwand an Vorbereitungen zu tätigen, das hieße, sich hin und wieder auch der Kritik der Kinder aussetzen zu müssen, das hieße Kooperation mit den Kindern (ev. auch mit den Kolleginnen/Kollegen) und das Abgehen von der Belehrung. Ein „offen“-Legen der Einstellungen Kindern gegenüber wäre an vielen Schulen notwendig. Kinder, Eltern, Kolleginnen und Kollegen wüssten, woran sie bei der Lehrerin/bei dem Lehrer sind. Warum nicht nur die Thematisierung, sondern vor allem die Umsetzung reformpädagogischer Ideen auch im Bereich der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung vielerorts noch immer nicht greift, als „Schreckgespenst“ herum geistert, stimmt sehr verwunderlich. Es kann aufgrund der Rückmeldungen der Probandinnen und Probanden angenommen werden, dass bei vielen Leiterinnen/Leitern, Kolleginnen/Kollegen, Studierenden … die Angst vorherrscht, das „Dozieren“ abzugeben. Warum sollten auf einmal die Kinder mitentscheiden, mitplanen, mitorganisieren? Würde das gestattet werden, käme unweigerlich die Angst auf, dass die Lehrerinnen/Lehrer nichts mehr „auszurichten“ haben. Die Autorität gäbe es dann im Schulgefüge nicht mehr. Dass es derartige Befürchtungen gibt, kann aus eigener Erfahrung in unterschiedlichen Kollegien bestätigt werden. Die Forderung, das Dozieren abzugeben und anstelle dessen mit den Kindern in kooperativer Form zu arbeiten, zeugt von einer sehr alten Forderung der Freinet-Pädagoginnen und -pädagogen. „Das bestehende Erziehungssystem behauptet von sich, dass es die Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen fördern will. In Wirklichkeit jedoch ist es organisiert und auf der Basis der Unterwerfung unter unumstößliche Regeln und unangreifbare Lehrpläne, sowie auf der Basis des formellen Gehorsams gegenüber den Lehrenden, die man nicht umsonst die „Schulmeister“ nennt. Die Autoritätsbeziehungen wollen wir nicht abschaffen, indem man die Erwachsenen aus der Schule verschwinden läßt, sondern indem man sie eingliedert in eine Kollektivität, die auf der Basis der Zusammenarbeit organisiert ist und in der sie nicht mehr die führende Rolle spielen. Wir lehnen die Haltung eines aufgeklärten Monarchen ab, welcher zwar aus Sorge um die Kinder handelt, aber dabei überzeugt ist, am besten ihre Bedürfnisse und ihre Bestrebungen zu kennen. Wir dagegen haben uns entschlossen, die Kinder zu beobachten, ihnen das Wort zu geben. Dabei fürchten wir uns trotzdem nicht davor, unseren eigenen Standpunkt darzulegen, besonders, wenn ihnen dies dazu dient, ihren Standpunkt besser zu präzisieren. Wir wollen eine kooperative Schule schaffen, wo die Erwachsenen, die selbst kooperativ zusammenarbeiten, ihre Rolle als Erwachsene nicht aufgeben, aber wo die Kinder einen ständig wachsenden Anteil an der Verantwortung übernehmen, um sich so auf ihr soziales und persönliches Leben vorzubereiten. Was uns am wichtigsten erscheint, ist die Veränderung des Gesamt-Klimas. Statt der Gehorsamsbeziehungen gegenüber dem Lehrer und der Konkurrenz mit den Klassenkameraden sollen Vertrauen, Eigeninitiative und Kooperation das Klassenklima bestimmen.“ 67 Dass diese Forderung sich nicht nur auf das Klassenklima, sprich die Situation innerhalb einer Klasse, beschränkt, ist klar und kann daher als Veränderungsmöglichkeit innerhalb eines gesamten Kollegiums gesehen werden. Wird die Kooperation innerhalb der Klasse, innerhalb der Schule gefordert, dann ist somit aber auch die Ausbildungsstätte aufgerufen, kooperative Lehr- und Lernkultur innerhalb ihres Ausbildungssystems gemeinsam mit den Studierenden umzusetzen.

 

 

 

Inhaltlich gesehen, müsste laut einer Rückmeldung „vieles!!!“ (P) bei der Lehrerinnen- und Lehrerbildung verändert bzw. berücksichtigt werden. Die gleiche Person meinte weiters: „Aber das Wichtigste wäre, den Studierenden an den Ausbildungsstätten mehr Persönlichkeit, Motivation, Demokratiebewusstsein, … mitzugeben.“ Im Sinne, die Persönlichkeiten der Kinder ernst zu nehmen und dieses Ernstnehmen als Studierende „erlernen“ zu können, darauf müsste aufgrund folgender Aussage im Bereich der Persönlichkeitsbildung verstärkt hingearbeitet werden: „Menschlichkeit und Verständnis sind für mich sehr wichtig im Lehrberuf. Leider kommen diese beiden Punkte noch viel zu kurz. Schule könnte sehr schön sein, würden sich alle mehr achten“ (L). „Zusammenhalt!!!“, (St) „Teamwork und mehr Selbstständigkeit“ (St), „Selbsterfahrung für Studierende“ (L), spiegeln weitere Verbesserungsmöglichkeiten wider.

 

 

 

Betrachtet man die Aussagen dieser Personen, kann angenommen werden, dass im Rahmen der derzeitigen Ausbildung Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen, die den kognitiven Bereich betreffen, stärker zum Tragen kommen als jene, die den soziokulturellen Bereich betreffen. In der sich schnell wandelnden Zeit sollten sich demnach die Studierenden verstärkt damit auseinander setzen, wie die Schülerinnen und Schüler von heute in den Unterricht mit einbezogen werden sollten. Fordern die Studierenden selbst die Einbeziehung ihrer Interessen in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung („selbst gewählten Interessen mehr nachgehen können“), wird dies ebenso von Lehrerinnen- und Lehrerseite vor Ort in den Klassen so gesehen, wünschen es sich diese für die Studierenden („Mitarbeit im Unterricht bei Lehrern, die offen unterrichten“ (L)), könnten und müssten diese Aspekte demnach sowohl in den Fachwissenschaften, Fachdidaktiken als auch in den schulpraktischen Studien berücksichtigt werden. Die „Ausbildung an der Basis mit möglichst vielen unterschiedlichen Möglichkeiten, Schule kennen zu lernen“ (Cl), könnte, so kann daraus geschlossen werden, bei ausgebildeten Praxislehrerinnen und -lehrern gut gelingen. Das würde auch dem Wunsch entsprechen, „die Lehrer/innenbildung gehört grundlegend geändert! Weg von den Schulbüchern, Mut zur Freiheit und Offenheit“ (L). Weitere Forderungen an die Lehrerinnen- und Lehrerbildungsinstitutionen lauteten: „Man sollte die Leute ermuntern, viel mehr auszuprobieren. Deswegen sollte man ihnen auch mehr Freiraum gewähren“. (L) „Vertiefte psychologische Ausbildung, um mit verhaltensauffälligen Schülern umgehen zu können“ (L), „das soziale Verhalten der Lehrer fördern, Probleme erkennen und Konflikte lösen lernen, introducing more alternative teaching methods to the students at ped. Universities” …“ (L), stellen weitere Prämissen der Probandinnen/Probanden an ein pädagogisches Ausbildungszentrum dar.

 

 

 

Eine deutsche Studentin/ein deutscher Student hielt Folgendes fest: „Ich kann nur von der Lehrer/innenausbildung an der eigenen Universität ausgehen, die in hohem Maße über derartige Arbeitsformen informiert und berichtet. Meines Erachtens kann die Lehrerbildung nicht mehr leisten, da es auf das eigene Interesse, die Persönlichkeit, das Engagement und die Arbeitsbereitschaft der Studierenden/Lehrer ankommt.“ Diese positiv stimmende Aussage muss, wenn sie auch für die Universität gilt, an der die Studentin/der Student diese diesbezüglich positiven Erfahrungen gemacht hat, verifiziert werden. Glaubt man nicht nur den Medienberichten, sondern auch der Aussage des deutschen Bundespräsidenten im Rahmen der Verleihung des deutschen Schulpreises im Dezember 2006 in Berlin, dass an vielen schulischen Institutionen Bildung nicht gut transportiert wird, dann scheint diese Universität eine Vorreiterrolle einzunehmen. Oder die Uni Siegen kann das, weil sie uns haben: Sie können mit unserer Praxis beweisen, was siein ihrer Theorie behaupten! Zumindest stellen es so immer wieder Studentinnen dar!

 

 

 

Ausbildungsschulen – Herzstück bei der Verknüpfung von Theorie und Praxis

 

Wird von den Probandinnen/Probanden eine verstärkte Einbeziehung einer veränderten Lehrerinnen- und Lehrerbildung sowohl von der Theorie als auch von der Praxis gefordert, erscheint es logisch, dass dies vor allem an Ausbildungsschulen ermöglicht werden müsste. „Modellbildung durch zertifizierte Ausbildungsschulen“ (P), „Ausbildungsschulen für Lehrer/innen“ (St), „Praxisarbeit an Schulen mit offenen Unterrichtsmethoden“ (L), „Mehr Praxisnähe, neuere Pädagogik zu vermitteln und zu praktizieren (auch an den Schulen)“ (St), stellten den Grundtenor der Rückmeldungen der Probandinnen/Probanden dar. Gerade bei der Verschränkung von humanwissenschaftlicher Betreuung in den Bereichen der Erziehungs- und Unterrichtswissenschaft, Soziologie, Psychologie und der Religionspädagogik mit den schulpraktischen Studien könnten sich an den zukünftigen Pädagogischen Hochschulen positive Synergieeffekte ergeben. Die Einbeziehung von Fachdidaktikerinnen und -didaktikern, Fachwissenschafterinnen und -wissenschaftern, die mit den Ausbildungslehrerinnen und -lehrern konstruktiv in Form eines Betreuerinnen- bzw. Betreuerteams zusammenarbeiten könnten, würde im Rahmen der modularisierten schulpraktischen Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen für Studierende nicht nur ein gutes Übungsfeld in den einzelnen Schulklassen, sondern auch eine hoch professionelle Betreuung darstellen. Im Zuge dieser geplanten modularen Ausbildungen an den Pädagogischen Hochschulen in Österreich bestünde die Möglichkeit, in der Planungsphase nicht nur auf die alten und gewohnten Modelle der Schulpraxis zurückzugreifen, sondern – im Sinne einer Verbesserung – in der Praxis Bewährtes mit positiv Veränderbarem einzuplanen. Anstelle eines frühen eigenen Tagespraktikums könnten gezielte Beobachtungs- und Fördermaßnahmen erarbeitet bzw. praktiziert werden. Die verstärkte und intensive theoretische und praktische Auseinandersetzung mit dem soziokulturellen Bereich, mit der Entwicklungs- und Lernpsychologie (wie und was denken die 7- 10-Jährigen u. v. m., wie kann die/der Lehrerin/Lehrer darauf reagieren), könnte anhand konkreter Lernfelder, Ereignisse, Projekte, Langzeitarbeiten geplant und besprochen werden. Kann ich als Lehrerin/als Lehrer nicht genau beobachten, merke ich die kleinen Veränderungen in Leistung, Verhalten, sozialem Miteinander u. v. m. nicht gut, nicht genau, eventuell auch überhaupt nicht, werde ich auch entsprechend gering bis schlecht Fördermaßnahmen bei Schülerinnen und Schülern feststellen können.

 

 

 

Dokumentation und Evaluation von Projekten“ (L) Diese Aussage kann so gedeutet werden, dass die Dokumentation und Evaluation von Projekten im Rahmen der Ausbildung zu kurz zu kommen scheint. Die Dokumentation über geleistete Schülerinnen- und Schülerarbeit bedarf genauer Beobachtungskriterien. Die Dokumentation über geleistete Arbeit der Schülerinnen und Schüler muss zuvor den Studierenden erklärt werden. Wird dies in Form von z. B. Portfolios auch bei der Arbeit mit Studierenden in deren Ausbildungszeit durchgeführt, wäre ein positiver Zugang zu Dokumentationen gegeben. Das Einbringen eigener Interessen als Studentin/Student, der Mitarbeit innerhalb der seminaristisch geführten Lehrveranstaltungen, durch die Selbstreflexion der Studierenden in Form von Lerntagebüchern oder Portfolios u. v. m. könnte dazu führen, dass auch die Studierenden im Rahmen ihrer Ausbildung mit unterschiedlichen „Ergebnissen“ und vor allem mit deren Präsentationsmöglichkeiten konfrontiert werden. Übertragen auf die Umsetzung innerhalb der schulpraktischen Studien müsste ein qualitativ hoch gestecktes Zusammenarbeiten von Studierenden, Ausbildungsbetreuerinnen und -betreuern, aber auch von Ausbildungslehrerinnen und -lehrern möglich sein. Die Vermittlung, wie Dokumentationen und Evaluationen durchgeführt werden können, sollte dabei nicht in dem Sinn der „Belehrung“ verstanden werden, sondern könnte in Form eines kooperativen Lernens – gemeinsam als Lehrende und Lernende – erfolgen. Durch die aktive Einbeziehung beider Seiten – der Ausbilderinnen/Ausbilder als auch der Studierenden – könnten beim Erwerb von Kompetenzen die Lehrenden- bzw. Lernendenrolle immer wieder gewechselt werden.

 

 

 

Tutorensystem für Junglehrer/innen“ (L) könnte nicht nur für Lehrerinnen und Lehrer, die bereits in der Praxis stehen, angedacht werden, sondern könnte im Zuge der Ausbildung auch an den Ausbildungsschulen vorgelebt werden. Dabei könnten sich aus den Betreuerinnen/Betreuern – wie bereits erwähnt – gemeinsam mit den Ausbildungslehrerinnen/Ausbildungslehrern und den Studierenden rotierende Teams ergeben. Dabei könnten nicht nur die integrativ geforderten Kenntnisse besser berücksichtigt werden, sondern vor allem die Maßnahmen wie „Fördern“ und „Fordern“, „Differenzieren“ und „Individualisieren“ ihre Berücksichtigung finden. So könnte auch dem entsprochen werden, was die Lehrerinnen/ Lehrer forderten, nämlich, dass „Fachleiter/innen mehr begleiten und weniger beurteilen (sollten), sich nicht über die LA stellen, sondern mit ihnen gemeinsam an ihrem Lernbegriff arbeiten“ (L) und dass „Fach- und Seminarleiter/innen demokratischer mit den Lehramtsanwärter/innen umgehen, sie selbst bestimmt lernen lassen“ (L).

 

 

 

Fort- und Weiterbildung

 

Forderungen wie: „die Grundschule Harmonie sollte zur Ausbildungsschule gemacht werden“ (L), „nach der Ausbildung, in der Fortbildung: Seminare, in denen die Möglichkeit besteht, sich über bereits vorhandene alternative Unterrichtsformen auszutauschen oder Seminare, in denen Unterrichtsmaterialien für die Schaffung einer Lernumgebung vorgestellt werden könnten – Austausch“ (L), „berufsbegleitende reformpädagogische Fort- und Weiterbildung“ (L), könnten in den Curricula der Aus-, Weiter- und Fortbildung ebenso eine Berücksichtigung finden.

 

 

 

Hospitationen

 

Die Hospitantinnen/Hospitanten gaben folgende Rückmeldungen zu dieser Fragestellung ab: „Bereits während des Studiums als auch während des Referendariats sollten Hospitationen an unterschiedlichen Schulen und Schulformen stattfinden“ (LA), „mehr (verpflichtende) Hospitationen und Praktika in den Schulen selbst. Vor allem in „modernen“ Schulen, die vom lehrerzentrierten Frontalunterricht abweichen“ (St), „solche Hospitationen sollten in der Lehrer/innenbildung Pflicht sein!“ (L), „auf jeden Fall von Anfang des Studiums an verpflichtende und regelmäßige Hospitationen in allen Schulformen“ (LA), „Hospitationsmöglichkeiten in reformpädagogischen Klassen und anschließend Möglichkeiten, Ideen selbst in der Praxis auszuprobieren – ohne Noten, „nur“ als Erfahrung und Ermutigung“ (L) und „wöchentlicher Erfahrungsaustausch, damit sich wirklich etwas verändert“ (L).

 

 

 

Diese Aussagen zeugen davon, dass nicht nur das Interesse an Hospitationen besteht und dass Hospitationen dann durchgeführt werden soll(t)en, wenn jemand bereits in der Schule reformpädagogisch oder schülerinnen- bzw. schülerorientiert aktiv wirkt, sondern dass sich die Notwendigkeit von Hospitationen auch im Rahmen der Ausbildung ergibt. Wie bereits erwähnt, kann nicht nur durch das eigene Sehen, Hören und Erleben gelernt werden. Der „normale“, kindgerechte Umgang mit den Schülerinnen/Schülern kann durch die Hospitation wahrgenommen, in das eigene Lehrerinnen- bzw. Lehrerrepertoire aufgenommen und danach umgesetzt werden. Der positive Wert, den Hospitationen darstellen, wird unter anderem auch durch die Rückmeldungen, die im Rahmen dieser Arbeit interpretiert bzw. offen gelegt werden, verdeutlicht.

 

 

 

Abschließend muss festgehalten werden, dass sich Unterschiede bei den Ausführungen der Probandinnen/Probanden bei der „Übertragbarkeit in das Regelschulwesen“ und bei der „Übertragbarkeit auf eigenes Wirken“ ergaben. Es kann angenommen werden, dass die Hospitationen nicht lange zurück liegen, so dass die Eindrücke, die bei der Hospitation getätigt wurden, nicht so schnell auf das eigene Unterrichten umgemünzt werden konnten. Um vom traditionellen Unterricht auf den Unterricht, der die Kinderinteressen berücksichtigt, „umzusteigen“, bedarf es nicht nur guter theoretischer Überlegungen und praktischer Umsetzungsmöglichkeiten, sondern auch Zeit. Es spielen vielfach nicht nur der eigene Wille, der Leidensdruck, dass das Unterrichten anstrengend und frustrierend ist, u. v. m. eine zentrale Rolle, den Unterricht verändern zu wollen, sondern vielfach auch das Lehrerinnen- bzw. Lehrerkollegium, das bereit ist, vom traditionellen Unterricht abzugehen. Sollte auch von Seiten der Bildungspolitik der tatsächliche Wunsch vorhanden sein, dass „Politische Bildung“, dass „Demokratieerziehung“, dass die Stärkung und Förderung von Kompetenzen u. v. m. im Vordergrund stehen sollen, dann müssten auch dementsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Diese könnten sich darin äußern, dass im Rahmen der Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung und Lehrerinnen- und Lehrerweiterbildung mehr investiert wird. Eine fundierte Persönlichkeitsbildung und Schulung im Bereich der Reformpädagogik neben wissenschaftlicher Betreuung und Forschung könnte dabei angedacht werden.

 

 

 

 

4. 1. 6. 4. Gesamteindruck in Form einer Metapher

 

In diesem Kapitel sind in Form einer Metapher die Eindrücke der Hospitantinnen/Hospitanten festgehalten. Als bildhafte Darstellung ist die Grundschule Harmonie

 

  • ein Haus des Lernens und der Gemeinschaft“

  • wie ein Ameisenhaufen – lebendig und produktiv!“

  • ein Regenbogen, unter dem Kinder glückliches Lernen erleben“

  • eine Lernwerkstatt“

  • Lernquelle“

  • ein Ort, an dem Schule gelingt“

  • Kinderrepublik Harmonie“

  • eine kleine Welt, von der Karl Marx träumte“

  • Taubenschlag“

  • bunte Blumenwiese“

  • nomen est omen“

  • Villa Kunterbunt“

  • ein Sonnenaufgang am Morgenhimmel“

  • ein Paradies für jedes Kind, welches lernen und sich entfalten möchte“

  • ein Garten, in dem Vielfalt Platz hat“

  • Erkenne mich und du wirst mich lieben; das Wesentliche eines Menschen nimmst du nie äußerlich wahr.“

  • ein bunter, lebendiger Haufen“

  • ein riesiges Labyrinth mit vielen Ein- und noch mehr Ausgängen“

  • Jeder sucht sich seinen Weg, teilt sich Teilstrecken miteinander und findet seinen Ausgang...“

  • eine große Familie“

  • ein Rad/ein Kreis: alles abgerundet, gut laufend …“

  • eine Oase für Kinder“

  • Fernrohr in die Zukunft“

  • Sonne und lachende Kindergesichter“

  • eine zarte Blüte im Distelfeld“

  • It´s unbelievable!“

  • a bee-hive“

  • If I wouldn´t have seen it, I woldn´t believe it can work”

  • see it, think about it, try it”

  • to me the school seemed like a „DEMOCRATIC BEEHIVE“

 

 

 

 

 

4. 1. 6. 5 Evaluierung der Hospitationseindrücke

 

Bis auf drei Personen gaben die Probandinnen/Probanden an, in unterschiedlichen Formen und in unterschiedlichen Wirkungskreisen über die Hospitation berichtet zu haben. 29 Personen berichteten, Diskussionen mit weiteren Hospitationspartnerinnen/Hospitationspartnern geführt zu haben. 18 Personen lieferten über ihre Hospitation einen Bericht in mündlicher Form ab, 17 Personen legten einen Bericht in schriftlicher Form vor. Zu einem Informations- und Diskussionsaustausch kam es in der Lehrerinnen- und Lehrerbildungsstätte bei 14 Personen. Neun Personen diskutierten über die Hospitationseindrücke innerhalb des Kolleginnen- bzw. Kollegenkreises. Acht Personen berichteten über die Hospitation auch den Schulkindern und drei Personen sandten ein schriftliches Feedback an die Grundschule Harmonie.

 

 

 

Nachfolgende Informationen sollten sich aufgrund der Rückmeldungen der Probandinnen/Probanden in einem Flyer, sollte der von der Grundschule Harmonie über die Schule erstellt werden, beinhalten:

 

Unterricht

 

  • Praktizierte offene Unterrichtsformen, motivierende Lernbedingungen, Selbständigkeit der Kinder

  • Offene Arbeitsformen

  • Zahlreiche Arbeits- und Lernangebote

  • Multimediale Erziehung

  • Außerschulische Lernmöglichkeiten

  • Vermittlung von Fremdsprachen

  • Praxis- und handlungsorientiertes Lernen

  • Man lernt viel und selbständig

  • Lernen kann Spaß machen und doch bzw. erst recht dabei erfolgreich produktiv sein

 

 

 

Philosophie der Schule

 

  • In Harmonie wird Harmonie gelebt

  • Etwas zur Philosophie der Schule

  • Untermauert mit empirischer Evidenz, um den Sorgen, die Kinder könnten in einer demokratischen Schule und in einem offenen Unterricht zu wenig lernen – oder würden naiv in eine Leistungsgesellschaft entlassen – entgegen zu wirken

  • Engagiertes Kollegium

  • Grenzenloses Miteinander

 

 

 

Demokratische Strukturen

 

  • Demokratische Zusammenarbeit von Schülern und Lehrern

  • Mitspracherecht der Schüler (2)

  • Selbstbestimmung

  • Verantwortungsübernahme für alles von allen

 

 

 

Schulatmosphäre

 

  • Die tolle Arbeitsatmosphäre und Selbstständigkeit der Kinder

  • Diese Atmosphäre muss man selbst erleben, spüren

  • Freundliche Atmosphäre

 

 

 

Jahrgangsübergreifender Unterricht

 

  • Jahrgangsübergreifendes Klassensystem

  • Jahrgangsübergreifend, freies Arbeiten

 

 

 

Kooperationen

 

  • Kooperation mit Universitäten und Studenten

  • Partnerschulen, Partnerklassen

  • Beziehungen zu ausländischen Schulen

 

 

 

Elternmitarbeit

 

  • Elternmitarbeit

  • Eltern wirken mit

 

 

 

Weitere Anmerkungen

 

  • ??? WEM ??? Geldgebern: Stattet diese Schule aus; Eltern: Keine Angst – eure Kinder sind gut aufgehoben.

  • Einen Werbeflyer braucht diese Schule nicht.

  • Nominierung für den Deutschen Schulpreis

  • Wem? – Nur eine Hospitationsfahrt kann vielleicht etwas bewirken. Hier lernen die Kinder nicht für die Schule, sondern für das Leben.

  • Nein, wenn man die Schule nicht persönlich erlebt hat, kann man damit wenig anfangen.

  • Schaut sie euch an, staunet ;-) und schneidet euch eine Scheibe davon ab!

  • Gartenanlage

  • Ausstattung der Schule

  • Druckerei

 

 

 

4. 1. 6. 6. Mitteilungen an die Grundschule Harmonie

 

Diese Informationen wollten die Probandinnen/Probanden am Ende des Fragebogens der Grundschule Harmonie noch mitteilen:

 

  • Vielen Dank für die interessanten Erfahrungen; es wird nicht das letzte Praktikum gewesen sein!

  • Hoffentlich wächst die Akzeptanz von Eltern, Institutionen und anderen. Aber immer schön selbstkritisch bleiben … ;-)

  • Mit Sicherheit sind die Antworten (aus Zeitgründen) nicht vollständig, dennoch hoffe ich, das Wichtigste genannt und Ihnen weiter geholfen zu haben ... Viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

  • Die Schule ist fantastisch …

  • Diese Form, wie sie sich in Harmonie entwickelt hat (mit Betonung auf entwickelt), lässt sich nicht verordnen. Dazu müssten sich die Lehrerbildner/innen auch einmal in diese Richtung entwickeln, damit sie dieses Gefühl (die Entwicklung geht durch den Bauch) weitergeben können.

  • Ich bewundere die Lehrer/innen dieser Schule, dass sie so weit gekommen sind. Ich weiß, dass dies ein sehr steiniger Weg ist, bis zu solch einem Konzept zu gelangen und dieses erfolgreich umzusetzen. Meine Hochachtung!

  • Es wäre noch viel mehr zu sagen, aber dazu fehlt mir die Zeit!

  • An dieser Stelle möchte ich mich für die schönen Stunden in der Grundschule Harmonie bedanken. Ich bin gerne Lehrerin, jetzt aber habe ich noch mehr wunderschöne Möglichkeiten gefunden, um meinen Beruf noch schöner zu machen. Es hat mir sehr gut gefallen und ich werde versuchen, meinen Unterricht zu verändern. Danke!!!

  • Nachdem der jahrgangsübergreifende Unterricht erst seit zwei Jahren an dieser Schule stattfindet, würde ich mir die „Veränderungen“ gerne bei einer nochmaligen Hospitation anschauen und Berichte über die Erfahrungen anhören.

  • Vielen Dank, dass ich die Möglichkeit hatte, die Schule Harmonie zu besuchen.

  • Bitte macht weiter so!

  • Die Hospitation an dieser Schule war sehr interessant.

  • Mir hat das Praktikum großen Spaß gemacht; ich habe mit einem anderen Praktikanten zusammen einen Tanzkurs gegeben (Kinder müssen nicht immer nur in der Klasse sitzen).

  • Diese Schule hat mir von allen Schulen, die ich bisher gesehen habe, am besten gefallen.

  • Danke für die Möglichkeit der Hospitation, Bewunderung für die konsequent gelebte Umsetzung von Demokratie, Offenheit und Transparenz. Herzlichen Dank für die Gastfreundschaft!

  • Es war ganz toll bei euch in Eitorf und ich hoffe fest, dass ich demnächst wieder Gelegenheit bekomme, in eurer Schule zu hospitieren.

  • Hospitanten kurz vorstellen/zu begrüßen

  • Hospitationstage festlegen mit kommentierender Begleitung

  • I am very happy to have seen this.

  • I enyojed the way the students worked, the teachers were satisfied with their work and parents were satisfied with teachers.

  • The way of work I saw in Harmonie gave me a lot of material to think about and to improve my own way of work in the class.

  • The first at our work come children and then teachers and marks.

 

 

 

 

4. 2. Ergebnisse in Kurzform

 

Fast durchgängig finden sich positive Hospitationsrückmeldungen. Den tiefsten Eindruck dürften bei den Hospitantinnen und Hospitanten die Schulatmosphäre wie auch die Beziehungsebene zwischen den Schülerinnen und Schülern und den Lehrerinnen und Lehrern hinterlassen haben. Am beeindruckendsten fand ich die Aussage einer Probandin/eines Probanden, dass die Lehrerinnen und Lehrer der Grundschule Harmonie „unerschütterlich an den Leistungswillen der Kinder glauben“. Alleine diese Aussage zeigt deutlich, welche Einstellung das gesamte Kollegium zum Lernen der Kinder besitzt. Das Lernen und der Lernwille der Kinder bedeutet nicht Belehrung oder das Antwortgeben auf nie gestellte Kinderfragen, sondern beruht auf dem Forscher- und Entdeckerdrang der Kinder. „Am Anfang jeder Eroberung steht nicht das abstrakte Wissen – das kommt normalerweise in dem Maße, wie es im Leben gebraucht wird –, sondern die Erfahrung, die Übung und die Arbeit. 68 Dieser Ausspruch, der von Célestin Freinet geprägt wurde, spiegelt die Einstellung der Kolleginnen und Kollegen wider. Walter Hövel (2005) meint dazu: „Lernen braucht Vertrauen der Erwachsenen und der Kinder in sich selbst. Vertrauen in die grundlegende Fähigkeit des Menschen, Lernen zu können und zu wollen. Die Entwicklung der Lernaktivität braucht als elementare Voraussetzung, will sie den ,Zwang’ eliminieren, Wohlbefinden … Wenn diese Voraussetzungen immer wieder geschaffen und garantiert (!) sind, können Menschen sich um die gesamte Palette ihrer Lernfähigkeit kümmern. Durch die Abfolge von kooperativer Planung, individueller und kooperativer Arbeit, durch Präsentation und Dokumentation, durch Würdigung, Evaluation und Versprachlichung der Reflektion der eigenen Arbeit begeben sich die Kinder 3 bis 5 Jahre lang in eine Lernkompetenzspirale, in der das Lernenlernen gelernt wird.“ 69

 

 

 

Aufgrund der Beobachtungen, dass die Kolleginnen und Kollegen genau darüber Bescheid wissen, woran die Kinder arbeiten und wo die Schwächen und die Stärken der Kinder zu finden sind, stellt sich die Frage, inwieweit und in welcher Form Studierende innerhalb unseres Ausbildungssystems Informationen über die Aufzeichnungsformen des Schülerinnen- bzw. des Schülerstandes und deren Veränderungen erhalten oder sich diesbezüglich selbst welche beschaffen. Wie werden Veränderungen in verbaler, beobachteter und nicht wertender Form schriftlich festgehalten? Welche Kriterien werden als Ausgangspunkt, als „normgerecht“ angenommen? Wo werden Informationen, die Lehrerinnen und Lehrer über die Kinder tätigen, festgehalten? Es kann aufgrund der Rückmeldungen angenommen werden, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer der Grundschule Harmonie auch diesbezüglich austauschen. Wenn sich jede Kollegin/jeder Kollege auch für andere als nur ihrer/seiner Klasse zugeteilten Kinder zuständig und verantwortlich fühlt und auf Probleme und Anfragen der Kinder durch Hilfestellungen unterschiedlicher Art reagiert, setzt dies nicht nur sehr hohe Kooperationsbereitschaft voraus, sondern auch Teamarbeit und Teamfähigkeit.

 

 

 

Die Eltern als ein wichtiges Bindeglied zwischen der „Institution Schule“ und dem Kind werden an der Grundschule Harmonie als gleichwertige Partner angesehen und in die Bildungs- und Erziehungsaufgabe eingebunden. Die Eltern werden weder als Bittsteller oder als Konkurrenten angesehen, sondern deren Sach- und Fachwissen wird als bereichernd angesehen. Problemlösungen bei Schülerinnen/ Schülern, die Probleme haben, werden gemeinsam mit den Eltern, Kolleginnen/ Kollegen und dem betreffenden Kind angestrebt und in Angriff genommen.

 

 

 

Für einige der Probandinnen/Probanden war reformpädagogischer Unterricht bereits vor dem Hospitationsbesuch sowohl in der Theorie als auch in der Praxis bekannt; für eine der Hospitantinnen/Hospitanten jedoch nicht, und gerade für sie ergaben sich durch die Hospitation neue Perspektiven von gelebter Schulkultur. Gesehenes, als umsetzbar sowohl für den eigenen Wirkungskreis als auch für die Regelschule empfunden, und Vorschläge für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung wurden schriftlich festgehalten. Grundsätzlich kann angemerkt werden, dass aufgrund der Rückmeldungen davon auszugehen sein kann, dass im derzeitigen Schulsystem noch immer das tradierte Bild klassischen Unterrichts vorherrscht. Frei nach dem Motto „Mach´ ma hin und wieder a bissl offenen Unterricht, dann wird´s schon passen“, werden die Kinder abgespeist. Die Lehrerin/der Lehrer hat noch immer das Szepter in der Hand, ist noch immer für das zuständig, was die Kinder zu lernen haben, Bescheid zu wissen haben. Würden viele Kolleginnen und Kollegen den Lehrplan der Volksschule zur Hand nehmen, würden sie genau jene Freiheiten darin finden, die das Lernen für die Kinder anregend, interessant, abwechslungsreich und vor allem mit einem auffordernden Charakter ermöglichen. Aussagen, wie „Das geht an unserer Schule nicht“, können nur zum Teil kritiklos hingenommen werden. Sollte es an einer Schule tatsächlich nicht möglich sein, dass aufgrund geringer Kommunikation und Kooperation, aufgrund schlechten Schulklimas, aufgrund des Konkurrenzverhaltens …, jede Veränderung abgeblockt werden sollte, kann kindorientiertes Arbeiten immer noch im eigenen Klassenverband umgesetzt werden. Findet man eine Schulleitung vor, die auf Kooperation, Kommunikation und ein Miteinander achtet, kann fast nicht angenommen werden, dass man sich Neuerungen gegenüber verschließt.

 

 

 

Bezogen auf die Auswirkungen für die Lehrer/innenbildung, -ausbildung und -fortbildung müsste überdacht werden, in welcher Form die Studierenden auf die Schule des 21. Jahrhunderts vorbereitet werden sollen. Betrachtet man die Schule des 21. Jahrhunderts aus dem Blickwinkel der „Politischen Bildung“ und deren Bedeutung sowohl für die Schule als auch für die Gesellschaft, in die die Schülerinnen und Schüler ja einmal „entlassen“ werden, so ist dringender Handlungsbedarf geboten. Alle reden über Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler in der Schule erwerben sollen. Wo erlernen die Studierenden, die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer diese Kompetenzen? Der Erwerb von z. B. Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz, von Kooperations- und Kommunikationskompetenz, von Handlungskompetenzen u. v. m. kann nicht durch Drill und Druck oder durch das Pauken von Theorie erfolgen. Das heißt für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung, dass im soziokulturellen Bereich noch viel mehr angeboten bzw. getan werden muss. „Politische Bildung“ und Demokratie-Lernen finden nicht in einem einzelnen Unterrichtsgegenstand statt, sondern sollte als Unterrichtsprinzip, so oft es der Rahmen erlaubt, umgesetzt werden. Eine Person wahrnehmen, mit ihr in ein Gespräch kommen, Konflikte mit Hilfe von Sprache und unterschiedlichen Konfliktlösungsstrategien zu lösen, Empathiefähigkeit zu erwerben u. v. m. müssten verstärkt in den modularen Ausbildungssystemen verankert werden. Die Herausforderungen an die Lehrerinnen und Lehrer werden wahrscheinlich auch in der kommenden Zeit immer größer. Daher muss bei einer sich so schnell wandelnden Zeit nicht darauf gewartet werden, bis sich das System von oben herab verändert, sondern eine Unterstützung für Kinder und Jugendliche bei diesen Veränderungen müsste durch die ausgebildeten Pädagoginnen/Pädagogen von unten nach oben erfolgen. Eine Neugestaltung der schulpraktischen Studien und der Lehrerinnen- und Lehrerbildung bzw. der Integration reformpädagogischer Inhalte wurde von den Probandinnen/Probanden bei der Fragebogenerhebung als Wunsch deponiert.

 

 

 

Es zeigt sich aufgrund der Rückmeldungen, dass sich Hospitationen lohnen, dass dadurch der eigene Lehrerinnen- und Lehrerhorizont erweitert werden, dass ein Austausch von Informationen für die eigene Weiterentwicklung gewinnbringend sein kann. Deshalb wird auch die Forderung aufgestellt, Hospitationen an Schulen durchzuführen, die innovativ sind, die den Anforderungen der heutigen Gesellschaft – bezogen auf das Individualisieren und Differenzieren, auf das Berücksichtigen und Integrieren der Individualinteressen und der Interessen der Gemeinschaft … Rücksicht nimmt – entspricht, und Schulentwicklung zum Wohl aller Beteiligten und gemeinsam mit diesen durchführt, in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung zu integrieren.

 

 

 

Passendes Abschlusszitat wird noch gesucht:

 

 

 

Ihr sagt: Der Umgang

 

Mit Kindern ermüdet uns.

 

Ihr habt recht.

 

Ihr sagt: Denn wir müssen zu ihrer

 

Begriffswelt hinuntersteigen.

 

Hinuntersteigen, uns herabneigen,

 

Beugen, kleiner machen.

 

Ihr irrt euch.

 

Nicht das ermüdet uns, sondern

 

Dass wir zu ihren Gefühlen

 

Emporklimmen müssen.

 

Emporklimmen., uns ausstrecken,

 

Auf die Zehenspitzen stellen,

 

Hinlangen.

 

Um nicht zu verletzen.

 

 

 

Janusz Korczak

 

 

 

(hier zitiert nach Fragen und Versuche Heft 90, Dezember 1999)

 

 

 

5. 0. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK

 

 

 

Diese Seiten sind überhaupt noch nicht fertig überlegt bzw. auch noch nicht korrigiert auf Inhalt/Stil/Ausdruck/Schrift … - daran wird erst morgen weiter gearbeitet

 

- und danach kann nichts mehr folgen

 

 

 

 

 

Die Beschäftigung mit den Demokratie-Theorien bewirkte, dass ich auf offene Fragen zu diesem Themenbereich Antworten erhielt. Das Wissen um die Demokratie-Theorien erscheint mir notwendig, um auf den unterschiedlichen Niveaus, auf denen man sich im zwischenmenschlichen Miteinander bewegt, dieses einfließen lassen zu können. Das betrifft einerseits den persönlichen, familiären Kreis und den Freundeskreis, aber auch den beruflichen und den gesellschaftspolitischen Bereich.

 

 

 

Das Demokratie-Lernen und der Schwerpunkt meiner pädagogischen Arbeit weist Ähnlichkeiten zu der athenischen Demokratietheorie auf. Die Rahmenbedingungen bei der Umsetzung meiner basisdemokratischen Überlegungen – seien es die innerhalb eines Klassenverbandes, Schulverbandes, Studentinnen- oder Studentenverbandes – empfinde ich gewissermaßen gleich der der „polis“. Zum Unterschied zur athenischen „polis“ finden sich in meiner „polis“ Mitbestimmung aller Beteiligten und keine Ausgrenzungen. Dies betrifft sowohl meine derzeitigen Betätigungsfelder in der Schule als auch in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung. Die Rahmenbedingungen, die nicht verändert werden können, bilden die gesetzlichen Grundlagen wie Lehrplan, Verordnungen, Erlässe, Studienpläne, Curriculum. Diese im schulischen Bereich zu verändern ist weder möglich noch notwendig und erlauben bei genauer Betrachtung ein großzügiges Umsetzen demokratiepolitischer Aspekte im Unterricht und einen großen Bewegungsfreiraum. Bei der Neugestaltung der Curricula für die künftige Pädagogische Hochschule fließen Ideen, handlungsorientiert das Demokratie-Lernen zu erlernen, zu erleben, zu praktizieren, ein. So wird den Studierenden die Möglichkeit geboten, sich im Rahmen ihrer Ausbildung neben dem theoretischen Rüstzeug auch die praktischen Übungen des breiten Spektrums des Demokratie-Lernens innerhalb der „Politischen Bildung“ anzueignen.

 

 

 

Demokratie-Lernen als Teilaspekt der „Politischen Bildung“ bietet uns Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit, sowohl die Kinder in der Schulklasse als auch die Studierenden in den Hörsälen zu verantwortungsvollen, demokratiebewussten Bürgerinnen und Bürger zu „erziehen“, wobei „Pseudo-Mitsprache“ und „Pro-Forma-Demokratien“ auszuschließen sind. Nicht nur das „Handheben im Zuge einer Wahl soll gelernt werden, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit Sach- und Personalfragen, die sowohl im politischen Lernen als auch im Demokratie-Lernen neben der Stärkung der kommunikativen Kompetenz, die Selbst- und Sozialkompetenz, die Handlungskompetenz erweitern. 70

 

 

 

Demokratie-Lernen, erfolgt, wie mehrmals bereits erwähnt, in den Familien, danach in den schulischen Institutionen. Kommen die Kinder in die Schulen, wird plötzlich im Bereich der Erziehung differenziert, während dies vorher bei den Familien nicht geschieht. Hier können Kinder bis zum 6. Lebensjahr noch immer mit allen Ausprägungen von Erziehungsmaßnahmen – von autoritär bis laissez fair – konfrontiert werden. Der Staat, so erkennt man, gewinnt immer mehr Interesse daran, Bildung früher anzusetzen – siehe z. B. das Sprachlernen und die Frage, die sich auftut ist die, ob nicht auch demokratische Bildung früher anzusetzen wäre. Mit Partizipation im eigenen Lebens- und Lernprozess kann bereits vor der Institution Schule im Kindergarten begonnen werden.

 

 

 

Daraus ergäben sich vier Konsequenzen:

 

1. Wie kommt man an Familien und deren unterschiedliche Auffassung von Erziehung, Bildung, Demokratie-Lernen usw. heran? Ein an Bildung und an der Weitergabe demokratischer Werte interessiertes Familienministerium könnte entsprechende Familienprogramme erstellen.

 

2. Wie und in welcher Form werden die Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet, um ihrerseits so kompetent zu sein, dass die als qualifizierte Trainerinnen und Trainer für Teamarbeit, Kooperations- und Kommunikationsarbeit, Konfliktlösungsarbeit, Spracherwerbsarbeit, emotionale Arbeit u. v. m. nicht nur im schulischen Bereich, sondern auch im außerschulischen Bereich einsetzbar wären. Dies hieße als Herausforderung an die Lehrerinnen- und Lehrerbildung, dass sich bereits in der Erstausbildung, später in der Fort- und Weiterbildung, die Vermittlung demokratischer Inhalte in den Studienplänen manifestieren und etablieren müssten.

 

3. Wie und in welcher Form werden Personen auf die Weitergabe demokratischer Bildung ausgebildet, die sowohl mit Jugendlichen, jüngeren und älteren Erwachsenen in der außerschulischen Erwachsenenbildung arbeiten und zusammenkommen? Inwieweit müsste für die Bürgerinnen und Bürger von politischer Seite her die Notwendigkeit demokratischer Bildung z. B. via Medien propagiert werden. Die Folge wäre, dass aber auch verstärkt in diesem Bereich finanzielle Aufwendungen getroffen werden müssten, um an alle Bevölkerungsgruppen heran zu kommen.

 

4. Die finanzielle „Umschichtung“ – und hier ist sehr wohl auch die Wirtschaft gefordert – stellt eine weitere Herausforderung an das politische System dar. Im Zeitalter der sozialen Konflikte und durch Globalisierung könnten Gewinne aus der Wirtschaft zum Wohl Aller umverteilt werden. Sollte Demokratieerziehung zu einer Anpassungserziehung degradieren, bei der sich alle anzupassen haben, die beim Parlamentarismus stehen bleiben will nach den Spielregeln der Unterdrückten oder sollte die Demokratie als Mittel zur Lösung von gesellschaftlichen Konflikten eingesetzt werden? Demokratie-Lernen wird zwar von einer Generation auf die andere übertragen, muss daher neu begründet werden, kann aber auch jedes Mal mit neuen Inhalten gefüllt werden. Dass die Schule als alleiniger Multiplikator dient, ist klar. Neben den Familien sind alle gesellschaftspolitisch relevanten Institutionen notwendig.

 

 

 

Alles das, was Kolleginnen und Kollegen, die in unterschiedlichen internationalen Schule arbeiten, ihren Kindern an Demokratiebewusstsein mitgeben, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wir legen damit die Weichen für eine Zukunft, die nur unter Einbeziehung der Demokratisierung vor den zukünftigen schwierigen und anstehenden Problemen bewältigt werden können. Die Ungleichheit der unterschiedlichen Lebenssituationen auf der Welt, die Überbevölkerung, die Globalisierung, die Gewinnmaximierung auf der einen Seite und die Ausbeutung auf der anderen Seite u. v. m. werden gelöst werden müssen. Die Frage stellt sich, kann Wirtschaft demokratisiert, kann das Militär demokratisiert, wie können die Medien demokratisiert werden? Wer kann die digitale Kultur oder die Kirchen oder die Schulen demokratisieren?

 

 

 

Die demokratischen Erziehungssysteme stehen am Anfang. Kommen dann die größeren Fragen, wird es sich zeigen, zu welch großartigen Möglichkeiten Demokratie noch fähig. Gelingt Demokratie im 21. Jahrhundert nicht mehr, können Zeiten der Tyrannis wieder auf uns zukommen, auf Zeiten, in denen religiöse fundamentalistische Kirchenfürsten oder Tyrannen das Wort haben? Wollen wir das vermeiden, dann braucht es unser aller positiver Einstellung zu Demokratie, zu demokratischen und gesellschaftspolitischen Werten. Ziel der Politik müsste in allen demokratischen Staaten sein, dass – sowohl durch konservativ regierte Länder – verantwortungsbewusste, demokratische Erziehung einen höheren Stellenwert erhält. Entscheidend ist alleine die Tatsache, was sie für die Bildung tun und ob sie demokratiefreundlich, und somit bildungsfeindlich agieren.

 

 

 

Um mit dem „Demokratie lernen“ weiterzukommen, darf nicht auf die Demokratiefähigkeit der Wirtschaft, der Kirchen, der Politik, der Schulen und der Lehrer und ihrer Ausbildung geschimpft oder gar gewartet werden.

 

Es ist vielmehr die Demokratie, ihre Ideologie, - die sich mit der Einsicht in die Entwicklung der ökonomischen Verhältnisse verändert, - die von demokratisch denkenden Theoretikern und Praktikern immer weiter vorangetrieben werden muss.

 

So sagte Rousseau, sicherlich ein verdienter Vordenker und Vorreiter der Demokratie noch in seinem „Emile“ (S,70, 1970): „Behandelt einen Zögling, wie es seinem Alter entspricht. Weist ihm von Anfang an seinen Platz zu und haltet ihn darin fest, dass er gar keinen Ausbruch mehr versucht. Dann befolgt er schon die wichtigste Lehre der Weisheit, ehe er weiß, was Weisheit ist. …Er braucht nur zu wissen, dass er schwach ist und ihr stark seid, dass er also notwendiger Weise von euch abhängig ist. Er soll früh das naturgewollte Joch fühlen, das schwere Joch der Notwendigkeit, unter das sich jeder Sterbliche beugen muß. …Der Zwang der Verhältnisse muß der Zügel sein, der ihn hält, nicht die Autorität.“

 

Wie weit weg ist das von heutigen Ansprüchen an demokratisches Denken und demokratische Erziehung!

 

Wie weit weg sind Begriffe wie „Humankapital“, „Demokratische Partei“, oder „die Berechtigung der Anwesenheit der anderen“ (Maturana 1987) oder Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion“ (Schüssel 2006). Oder „Demokratie ist die Herrschaft der Mehrheit – die Minderheit muss sich der Mehrheit fügen.(Homepage der Stadt Salzburg 2007) –oder Demokratie bedeutet Ausreden-Lassen und Zuhören-Können ...(BLK-Programm, Leben & Lernen 2006) von dem was in einer demokratischen Zukunft „Demokratie“ bedeuten wird.

 

Heute ist es die Aufgabe der Bildung, der Erziehung und ihrer Wissenschaften alle positiven Versuche und Erfolge der Demokratie im Lernen und Leben innerhalb und außerhalb der Schule aufzuspüren, zu erforschen zu dokumentieren und öffentlich zu machen, damit alle, die mit Bildung und Erziehung zu tun haben, die Chance erhalten auf ihre eigene Art und Weise an ihren Arbeitsplätzen in Schule, Hochschule und Ausbildung das „Demokratielernen“ voranzutreiben.

 

Ich hoffe mit meiner Arbeit ein wenig dazu bei zu tragen.

 

 

 

Wenn sich die Theorie mit der Praxis vermischt, ist die pädagogische Wissenschaft auf ihrem Höhepunkt.“ A.Makarenko, zitiert nach Elise Freinet, Erziehung ohne Zwang, Stuttgart 1981, S.117)

 

Und auch die Erzieher müssten schließlich einsehen, dass eine demokratische Gesellschaft einen demokratischen Unterricht voraussetzt.“ (ebenda, S. 168)

 

 

 

An dieser Stelle sei allen Hospitantinnen und Hospitanten für das Beantworten des Fragebogens herzlichst gedankt.

 

1 Ebda., S. 185

 

2 Ebda., S. 187

 

3 Ebda., S. 197

 

4 Schmidt M., Demokratietheorien., a. a. O., S. 166

 

5 Ebda., S. 166

 

6 Ebda., S. 166

 

7 Ebda., S. 167

 

8 Ebda., S. 177

 

9 Ebda., S. 177 f.

 

10 Saage R., Demokratietheorien., a. a. O., S. 223

 

11 Ebda., S. 218

 

12 Ebda., S. 248

 

13 Ebda., S. 249

 

14 Ebda., S. 250

 

15 Schmidt M., Demokratietheorien., a. a. O., S. 209

 

16 Ebda., S. 201

 

17 Ebda., S. 220

 

18 Vgl. Saage R., a. a. O., S. 25

 

19 Schmidt M., Demokratietheorien., a. a. O., S. 226

 

20 Vgl. ebda., S. 240 – 268

 

21 Ebda., S. 261

 

22 Ebda., S. 261

 

23 Vgl. ebda., S. 260 f.

 

24 Ebda., S. 264

 

25 Vgl. ebda., S. 266 f.

 

 

27 Larcher D., Globales Lernen in der Risikogesellschaft. In: Hallitzky M., Mohrs Th., Globales Lernen. Schulpädagogik für WeltbürgerInnen. Schneider Verlag. Baltmannsweiler 2005, S. 146

 

28 Bortz J., Döring N., Forschungsmethoden und Evaluation. Springer Verlag. Heidelberg 2005 3, S. 39 f.

 

29 Ebda., S. 137

 

30 Ebda., S. 137

 

31 Ebda., S. 258

 

32 Ebda., S. 308

 

33 Ebda., S. 137

 

34 Vgl. ebda., S. 307

 

35 Vgl. Brüsemeister Th., Qualitative Forschung. Westdeutscher Verlag. Wiesbaden 2000, S. 13 ff.

 

36 Ebda., S. 331

 

37 Bei Börtz J. und Döring N. ist nachzulesen, dass Objektivität nicht die „höhere Wahrheit“ darstellt, sondern den interpersonalen Konsens. Das bedeutet, dass unterschiedliche Forscher bei der Untersuchung desselben Sachverhaltes mit denselben Methoden zu ähnlichen Resultaten kommen können. Vgl. ebda., S. 194

 

38 Ebda., S. 327

 

39 Ebda., S. 327 ff.

 

40 Schelle C., Einstellungen von Schülern und Schülerinnen zu Gesellschaft, Politik und Demokratie – Hermeneutische Rekonstruktionen und Konsequenzen für die Fachdidaktik. In: Breit G., Schiele S. (Hrsg.), Demokratie-Lernen als Aufgabe der politischen Bildung, a. a. O., S. 131

 

41 Henkenborg P., Politische Bildung als Schulprinzip: Demokratie-Lernen im Schulalltag. In: Sander W. (Hrsg.), Handbuch politische Bildung, a. a. O., S. 267

 

42 Es entwickelte sich aufgrund historischer Ereignisse über Jahre hindurch „die Demokratie“. Damals noch negativ besetzt, konnte auf keine Theorie oder auf keine vergleichbare, praktische Umsetzung zurückgegriffen werden. Bei der direkten athenischen Demokratie, die sich ihren Weg über den Abbau von monarchischem und oligarchischem Einfluss bahnen musste, wurden für damalige Verhältnisse radikale gesellschaftsverändernde Einschnitte unternommen. Mitbestimmung der männlichen Bürger, Losentscheid, Gleichheits- und Freiheitsstreben wurden in der unmittelbaren Demokratie umgesetzt. Nach dem Zusammenbruch der athenischen Demokratie gab es Jahrhunderte lang keine so große Mitsprachemöglichkeit des „demos“, bis sich Machiavelli mit der attischen Demokratie auseinander setzte und an die Denkweise der antiken Philosophen anknüpfte. Liberalere Demokratie-Theorien findet man in dem Zeitabschnitt der Französischen Revolution, wobei diese zum Teil auch in die heutigen gesellschaftspolitischen Diskussionen eingebaut weiter gesponnen werden könnten. Jean-Jacques Rousseaus Auseinandersetzung mit den Begriffen Freiheit, Gleichheit und der Demokratie als Selbstbestimmung des Volkes, wurden im Rahmen der Arbeit näher untersucht.

 

43 Die Auseinandersetzung mit Überlegungen von John Dewey Célestin Freinet, die den Kindern auch im schulischen Bereich Rechte zusprechen, liegt mir als Reformpädagogin sehr am Herzen. Gebe ich den Schulkindern und den Student/innen im Rahmen der Ausbildung und den Kolleg/innen im Rahmen von Schulentwicklung die Möglichkeit, sich am demokratischen Prozess zu beteiligen, wird auch sichtbar, dass „Demokratie-Lernen“ bestimmte Lebens-, Gesellschafts- und Herrschaftsformen betrifft. Wird „Demokratie-Lernen“, das als Teilaspekt der „Politischen Bildung“ gilt, in der Schule umgesetzt, liegt die Recherche nach dem Ursprung, der Idee, der Wirkung von „Politischer Bildung“ nahe.

 

44 Dietrich O., Politische Ziele der Freinet-Pädagogik. Aus dem Französischen: Collectif I. C. E. M. – Pédagogie Freinet: „Perspectives d’éducacion populaire“., Beltz Verlag. Weinheim und Basel 1982, S. 61 ff.

 

45 Diese Schule stellt einen Projektpartner im internationalen Schulenwicklungsprojekt „In Europa Demokratie leben“ dar. Durch die intensive Arbeit im Rahmen des Comenius-Schulentwicklungsprojektes bildet der unterschiedliche Zugang zum „Demokratie-Lernen“ in Deutschland, Estland, Litauen, Slowenien und Österreich eine weitere Komponente dar, die nicht unberücksichtigt bleiben sollte.

 

 

46 Hövel W., „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Demokratielernen in der Grundschule? In: Rabensteiner G., Rabensteiner P.-M. (Hrsg.), Kooperative Lehr- und Lernkultur, a. a. O., S. 40 f.

 

47 Henkenborg P., Politische Bildung als Schulprinzip: Demokratie-Lernen im Schulalltag. In: Sander W., Handbuch politische Bildung, a. a. O., S. 267

 

48 Ebda., S. 270

 

49 Hentig H. v., Die Schule neu denken. Eine Übung in praktischer Vernunft. Hanser Verlag. Wien, München 1993. S. 220

 

50 Rabensteiner P.-M., Schulpraktische Überlegungen zum Thema Klassenrat. In: Rabensteiner G., Rabensteiner P.-M. (Hrsg.), Kooperative Lehr- und Lernkultur, a. a. O., S. 57

 

51 Baudig V., Politikunterricht an Sonderschulen. In: Sander W., Handbuch politischer Bildung, a. a. O., S. 247

 

52 Jörke D., Demokratie als Erfahrung, a. a. O., S. 204

 

53 Ebda., S. 157

 

54 Ebda., S. 204

 

55 Rabensteiner P.-M., Schulpraktische Überlegungen zum Thema Klassenrat. In: Rabensteiner G., Rabensteiner P.-M., Kooperative Lehr- und Lernkultur, a. a. O., S. 56 f.

 

56 Aufgrund der diesbezüglich geführten Gespräche mit dem Schulleiter erhielt ich dazu folgende Auskunft. Es werden bei solchen Beobachtungen vorerst Gespräche mit den Kindern selbst geführt. Kinder, die sich dabei den zu erfüllenden Aufgaben entziehen, haben meist Probleme mit sich und der Umwelt. Das Lösen dieser Probleme wird im gesamten Kollegium als vorrangige Aufgabe angesehen.

 

57 Bohnsack F., John Dewey, a. a. O., S. 62

 

58 Die Assistenten sind Personen, die an der Schule als so genannte „1-Euro-Leute“ tätig sind. Sie erhalten für ihre geleisteten Arbeiten € 1,-- pro Stunde + Grundlohn (Hartz-IV-Verordnung – vergleichbar mit dem alten Sozialgeld). Die Assistenten arbeiten in Anlehnung an das System der teaching-assistante.

 

59 Bohnert F., John Dewey, a. a. O., S. 75

 

60 Ebda., S. 42

 

61 Vgl. Jörke D., Demokratie als Erfahrung, a. a. O., S.157

 

62 Henkenborg P., Die Institution Schule und ihre Bedeutung für die politische Bildung. In: Breit G., Schiele S. (Hrsg.), Demokratie braucht politische Bildung, a. a. O., S. 132

 

63 Diese Auskunft basiert auf einem Gespräch mit Walter Hövel, Schulleiter der Grundschule Harmonie, das im Zuge der Nominierung für den deutschen Schulpreis geführt wurde.– 11. 12. 2006 – Berlin

 

64 Bohnsack F., John Dewey, a. a. O., S. 31

 

65 Ebda., S. 31

 

66 Jörke D., Demokratie als Erfahrung, a. a. O., S. 195

 

67 Dietrich I. (Hrsg.), Politische Ziele der Freinet-Pädagogik, a. a. O., S. 79 f.

 

68 Hering J., Hövel W. (Hrsg.), Immer noch der Zeit voraus. Kindheit, Schule und Gesellschaft aus dem Blickwinkel der Freinetpädagogik. Pädagogik Kooperative. Bremen 1999 2, S. 156

 

69 Hövel W., Grundschule „Harmonie“ - ein selbst verantwortetes staatliches Modell. In: Lanthaler E., Meraner R. (Hrsg.), Neue Lernkultur in Kindergarten und Schule. Pädagogisches Institut für die deutsche Sprachgruppe. Verlag Dipdruck. Bruneck 2005, S. 210 – 223

 

70 Vgl. Rabensteiner P.-M., Schulpraktische Überlegungen zum Thema Klassenrat. In: Rabensteiner G., Rabensteiner P.-M., Kooperative Lehr- und Lernkultur, a. a. O., S. 54

 

2. 3. Education for Democratic Citizenship „Education for Democratic Citizenship“, vom Europarat beschlossen, stellt in denLändern Europas bereits eine sprachliche Übersetzungsschwierigkeit dar. Mit denBezeichnungen „civic education“, „citizenship education“, „democratic citizenship“,„political education“, „Demokratie-Lernen“, „Demokratische Staatsbürgerschafts-lehre“, „Politische Bildung“, „Staatsbürgerkunde“, „Zivilgesellschaftliche Bildung“ ...werden in den Staaten West-, Mittel- und Osteuropas unterschiedliche Asso-ziationen verbunden. So kann einerseits der im deutschsprachigen Raum verwen-dete Begriff „Politische Bildung“, also „political education“, im angelsächsischenRaum mit „political indoctrination“ verbunden werden. Andererseits kann mit „citi-zenship education“ – sprich „staatsbürgerliche Erziehung“ – die „Staatsbürger-kunde“ im ehemaligen DDR-Staat in Verbindung gebracht werden. So hat Karl-heinz Dürr, Referatsleiter für „Europa – Einheit und Vielfalt“ in der Landeszentralefür „Politische Bildung“ in Baden-Württemberg, bei der deutschsprachigen Ausar-beitung des Konzepts „Strategies for Learning Democratic Citizenship“ 1 „civiceducation“ mit „Demokratie-Lernen“ übersetzt, wobei „Demokratie-Lernen“ in derFachliteratur bereits zuvor aufscheint und als Teil der „Politischen Bildung“ ver-standen wird. Im folgenden Kapitel werden vorerst die Konzepte „citizenship education“ und „ci-vic education“ im angelsächsischen Raum erklärt, danach werden die inhaltlichenAuslegungen der Begriffe „Demokratie-Bildung“, „Demokratie-Erziehung“ und „De-mokratie-Lernen“ beleuchtet. In Deutschland und Österreich ist „Politische Bil-dung“ seit vielen Jahren in den Curricula fest verankert und es gibt zu den unter-schiedlichen Theorieansätzen und praktischen Umsetzungen breite Diskussionen.Die Auseinandersetzung mit „citizenship education“ und „civic education“, wie sieim englischsprachigen Raum vorgefunden wird, findet deswegen statt, weil in derkontinuierlichen Weiterarbeit auf diesem Gebiet auch auf Handlungskompetenzenzurück gegriffen wird, die in Nordamerika, Kanada und England im schulischenund außerschulischen Bereich umgesetzt werden. 2. 3. 1. „Citizenship education” and „Civic education” in den angelsächsi-1 Dürr K., Martins F., Spajić-Vrkaš V., Demokratie-Lernen in Europa. Wien 2004schen Ländern2. 3. 1. 1. „Civic education“ in den USADie in den angelsächsischen Ländern wie den USA, Kanada und Großbritanniengebräuchlichen Bezeichnungen „citizenship“ (Staatsangehörigkeit bzw. Staatsbür-gerschaft) und „civic education“ (zivilgesellschaftliche Bildung bzw. Bürgerinnen-und Bürgerbildung) spiegeln die zivilgesellschaftlichen bzw. demokratischen Kom-petenzen wider, die damit erreicht werden sollen. In einem demokratisch geführtenStaat besitzt jede Bürgerin und jeder Bürger die Freiheit freien Denkens und Han-delns. Eigenverantwortliches, selbst organisiertes Handeln für sich und die Gruppesoll für die Lösung eigener als auch für die Lösung gesellschaftlicher Problemedienen. Vertraut wird nicht auf das Handeln des Staates und auf die Eigenverant-wortlichkeit jedes Menschen, sondern auf Handlungen, die für die Gemeinschaftnutzbringend und Problem lösend sind. In den USA wird unter „civic education“,wie Margaret Stimman Branson 2 es formulierte, Folgendes verstanden: Civiceducation in a democracy is education in self government. Democratic selfgovernment means that citizens are actively involved in their own governance;they do not just passively accept the dictums of others or acquiesce of the demandof others... Civic education in a democratic society most assuredly needs to beconcerned with promoting understanding of the ideals of democracy and a rea-soned commitment to the values and principles of democracy ... Sharing is es-sential in a democratic society – the sharing of power, of resources, and of res-ponsibilities. In a democratic society the possibility of effecting social change isever present, if citizens have the knowledge, the skills and the will to bring it about.That knowledge, those skills and the will or necessary traits of private and publiccharacter are the products of a good civic education.” 3„Civic education“, die zivilgesellschaftliche Bildung, umfasst „civic knowlegde“(Wissen um Regeln, Formen, Funktionen usw. der Zivilgesellschaft), „civic skills“(intellektuelle und teilhabende Fähigkeiten, die benötigt werden, um zivilgesell-schaftlich handeln zu können) und „civic disposals“ (charakteristische zivilgesell-schaftliche Dispositionen und Eigenschaften. Im Rahmen der „civic knowledge“sollen zivilgesellschaftliche und demokratische Kompetenzen erworben werden.2 Direktorin des „Center of Civil Education” in Washington3Stimman Branson M., The Role of Civic Education. A Forthcoming Education Policy Task Force Position Paper from theCommunitarian Network. Washington 1998. www.civiced.org/articles_role.html. vom 14. 4. 2006, S. 2 f.2

Die Notwendigkeit einer aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, an derPolitik und Regierung werden dabei aufgezeigt. Weiters geht es um das Wesender Zivilgesellschaft, um das Netzwerk aus freiwilligen, politischen, sozialen undwirtschaftlichen Verbindungen, welche wichtige Komponenten in einer konstitutio-nellen Republik darstellen. Dabei geht es auch um das Verständnis, dass die Ver-antwortung über die Zivilgesellschaft nicht dem Staat übergeben wird, sondern je-de Bürgerin und jeder Bürger durch aktive Partizipation zum Gemeinwohl beiträgt.Es werden weiters sowohl historische, philosophische, wirtschaftliche Grundpfeilerdes amerikanischen politischen Systems gelehrt und auch Werte, Prinzipien,Rechte und Pflichten, Menschenrechte, Gleichberechtigung, Patriotismus usw.vermittelt. Das Verständnis für die Macht im Staat (lokal, national, international),demokratische Systeme, die Sicherung und den Schutz der Rechte wird dabei ver-mittelt. Ebenso erfolgt die Aufklärung über das amerikanische Rechtssystem, dieRechtsgrundsätze und die Bedeutung der zivilgesellschaftlichen Partizipation,welches dieses System möglich macht. Die Rolle der USA im internationalen Kon-text wird beleuchtet, damit die Bürgerinnen und Bürger ein besseres Verständnisüber internationale staatliche und nichtstaatliche Organisationen erhalten. Als einewesentliche Aufgabe wird die Klärung der Frage, wie die Bürgerinnen und Bürgerihr eigenes Engagement im politischen Leben und in der zivilgesellschaftlichenGemeinschaft verstehen, angesehen. Dabei wird das Leben in der Nachbarschaft,in den Kommunen und in der Nation gelehrt. Wenn Bürgerinnen und Bürger gehörtwerden wollen, müssen sie am politischen Prozess teilhaben. Sie sollen lernen,dass ihre Beteiligung an Wahlen und Kampagnen berücksichtigt werden, dass dieErreichung ihrer individuellen Ziele und die Erreichung der allgemeinen Zieledurch die Teilnahme am politischen Leben und in der Zivilgesellschaft Hand inHand gehen. Private Ziele und Ziele, die für die Gemeinde, den Staat, die Nationgesteckt werden, sind leichter zu erreichen, wenn die Bürgerinnen und Bürger in-formiert sind und verantwortungsvoll handeln. 4„Civic education“ beinhaltet neben dem kognitiven Wissen über die Staatsbürger-kunde auch die „civil skills“, die intellektuellen Fähigkeiten, sich kritisch mit politi-schen Sachverhalten auseinander zu setzen. Dabei geht es um das Politikver-ständnis und die Kritikfähigkeit, um die Fähigkeit der Identifizierung (Identität mit4 Vgl. ebda., S. 3 f.3nationalen Symbolen wie Fahne, Hymne usw. und immateriellen Werten wie Pa-triotismus, Zivilgesellschaft, Minderheitenrechte, ...), um die Fähigkeit, Vorgängeund Prozesse im Alltagsleben wahrzunehmen, zu erkennen, zu erklären, zu unter-scheiden, zu beschreiben, zu analysieren. In einer selbst verwalteten Gesellschaftsind die Bürgerinnen und Bürger auch Entscheidungsträgerinnen und -träger. Da-her müssen sie für Entscheidungen, die sie treffen, Fähigkeiten entwickeln undvertiefen, um ihre Positionen klarzulegen. Eine verantwortungsvolle und effektiveBeteiligung am politischen Geschehen in der Zivilgesellschaft benötigt von der „ci-vil society“ – der Zivilgesellschaft – den Erwerb der „civil skills“. Erlernt werden da-bei die Fähigkeiten und Interaktionen, die eine funktionierende Kommunikation(ein Fragen, Antworten, Überlegen und Handeln), ein kooperatives Miteinanderbetreffen. Dazu gehören auch das Lösen von Problemen in fairer und friedlicherForm und das Übernehmen von Verantwortung. Das „monitoring“, eine weitereFähigkeit, bezieht sich auf das Überwachen politischer Prozesse und auch dasÜben des „monitoring“ selbst seitens der Bürgerinnen und Bürger. 5 „Civic edu-cation“ beinhaltet Merkmale, die sich auch im privaten und öffentlichen „character“äußern. Diese „civic dispositions“ sollen das Wissen um die Selbstverantwortungjedes einzelnen Individuums erzeugen und das Wissen, dass eine einzelne Per-son ohne die anderen nicht existieren kann. Selbstdisziplin und Respekt gegen-über dem Wert menschlicher Würde jedes Individuums wird von allen verlangt.Unter den „Civic dispositions“ wird das Gemeinschaftsgefühl verstanden. 6Der Schule, in der diese Handlungskompetenzen vermittelt und in der demokrati-sche Haltungen aufgebaut werden, kommt auch hier eine zentrale Bedeutung zu.Die nordamerikanischen Konzepte gehen von der Grundkonzeption der „civic so-cieties“ aus, die sich trotz ihrer trennenden kulturellen Unterschiede auf einen Mi-nimalkonsens im gemeinsamen Zusammenleben einigen, d. h., dass für ein friedli-ches Zusammenleben Spielregeln gemeinsam erstellt werden. Eine Konzeptionder „civic education“, bei der diese Kompetenzen erworben werden und die in derSchule erfolgt, verfolgt das Ziel, dass bei einem friedlichen Zusammenleben vielerder höchste Wert im Staat das Wohl des Individuums darstellt. Damit jedem dasfriedliche Zusammenleben ermöglicht wird, müssen die einzelnen Vorstellungenaufeinander abgestimmt werden. Die Schule gibt in diesem Fall keine definierten5 Vgl. ebda., S. 4 f.6 Vgl. ebda., S. 5 f.4Wertvorstellungen weiter, sondern trachtet danach, dass die Schülerinnen undSchüler Fähigkeiten erlernen, eigene Wertvorstellungen zu erklären und toleranteKommunikation zu führen. 7Liest man in den Ausführungen von Margaret Stimman Branson in „The Role ofCivic Education“ weiter, wird in den USA – und im Projekt der Kultusminister (BLK)„Demokratie lernen und leben“ – darauf Wert gelegt, dass alle partizipatorischenFähigkeiten und Fertigkeiten bereits bei den jüngsten Schülerinnen und Schülernbegonnen und die gesamte Schulzeit hindurch umgesetzt werden sollen. Die jün-geren Schülerinnen und Schüler können in kleinen Gruppen diese Interaktionenihrem Entwicklungsstand entsprechend erlernen, dabei Meinungen austauschen,Pläne formulieren, aufmerksam zuhören, Fragen stellen, Konflikte durch Mediationlösen, Kompromisse schließen oder Konsenslösungen finden. Ältere Schülerinnenund Schüler sollen dazu befähigt werden, beobachtende und öffentliche Politik be-einflussende Fähigkeiten zu entwickeln. Dies erfolgt nicht nur durch den persön-lichen Austausch, sondern unter Einbeziehung elektronischer Medien und Bücher.Die Teilnahme an öffentlichen Treffen, Versammlungen oder Sitzungen – seien esSchulversammlungen, Sitzungen in Klassenräten, Kinderparlamenten oder inSchulgremien, in der Gemeinde, auf dem Land, in der Stadt, bei öffentlichen An-hörungen ... stellt eine Verpflichtung für jede Schülerin und jeden Schüler dar.Notwendig dafür sind nicht nur die eigenen Erfahrungen, sondern gut geplante,strukturierte Gelegenheiten, diese Erfahrungen unter fachkundiger Anleitung er-fahrener Mentorinnen und Mentoren zu reflektieren. 8Die Konzeption von „civic education“ sieht vor, dass in einer gut funktionierendenGesellschaft nicht nur Fähigkeiten für kritisches Denken, gute Kommunikation, ge-meinsame Problemlösungen und Lebensweltgestaltungen entwickelt werden sol-len, sondern dass durch soziales und politisches Handeln diese umgesetzt wer-den. Zivilgesellschaftliches Lernen beinhaltet demnach „Sprechen und Aushan-deln“ und die „Gestaltung der Lebenswelt“. In den Bereich „Sprechen und Aushandeln“ fallen Methoden des kooperativen Lernens, der Konfliktlösungen, der Kom-7 Vgl. Frank S., „Civic education“ – was ist das? BLK-Pogramm „Demokratie lernen und leben“ – www.blk-demokratie.de -25. 5. 2005, S. 1 ff.8Stimman Branson M., The Role of Civic Education. A Forthcoming Education Policy Task Force Position Paper from theCommunitarian Network, a. a. O., S. 5 5munikation – hier speziell der Deliberation –, in den Bereich „Gestaltung der Le-benswelt“ fallen Methoden des selbst gesteuerten Lernens, der Partizipation, desProjektlernens, des „service learning“ und das „Youth Leadership Training“. 9 Einemethodische Möglichkeit des Gesellschaftslernens im Rahmen des „Demokratie-Lernens“ im deutschsprachigen Raum sieht Joachim Detjen (2002) in der in der„civic education“ verankerten Deliberation gegeben. Dabei werden durch dieSprechkompetenz, das freie und vernunftgeleitete Sprechen, das Diskutieren undDebattieren, Konfliktlösungen und Konsensfindungen ermöglicht. Ebenso ist in der„civic education“ das „service learning“, das handlungsorientierte und auf Erfah-rungen basierende Lernen, in Form von Projekten zu finden. Neben kognitivemWissen und sozialem Lernen werden das Übernehmen von Verantwortung unddas selbständige Entscheiden praktiziert. „Youth Leadership Training“, ebenfallsentnommen aus der „civic education“ Nordamerikas, beinhaltet das für die Parti-zipation in der Bürgergesellschaft durch das Leiten, Gestalten, Teilhaben, Verant-worten, Entwickeln von Konzepten, Bilden von Teams u. v. m. im gesellschaftli-chen Umfeld notwendige Know-how. Dies erlernen die Jugendlichen durch die ak-tive Teilnahme in der Gemeinschaft. 10Bei der Übertragung dieses Modells auf die deutschen Verhältnisse wurden derLeiter der Grundschule Harmonie – Walter Hövel – und die Leiterin der benach-barten Grundschule – Uschi Resch – von der BLK als Referent bzw. als Referentineingeladen. Anlässlich der Verleihung des Deutschen Schulpreises im Dezember2006 in Berlin erklärte der Schulleiter in einem Gespräch, dass konsequenterwei-se an der Grundschule Harmonie im Frühjahr 2007 mit einer „Leadership-Ausbil-dung“ für Kinder begonnen wird. Die Ausbildungsbereiche werden zunächst sein:KreisarbeitMusikPräsentationPause und SpielExperimenteMathematik9 Vgl. Frank S., „Civic education“ – was ist das?, a. a. O., S. 4 10 Vgl. Detjen J., Die gesellschaftliche Infrastruktur der Demokratie kennen und sich gesellschaftlich beteiligen – Gesell-schaftslernen im Rahmen des Demokratie-Lernens. In: Breit G., Schiele S. (Hrsg.), Demokratie-Lernen als Aufgabe derpolitischen Bildung. Schwalbach 2002, S. 87 f.6Umgang mit dem Computer/Arbeit am ComputerKunstPresse, Zeitung, InformationenSchulversammlungTeamarbeitWeisen-Ausbildung (Kinder„gerichte“)Umgang und Arbeit mit Material(ien)MedienZirkusBus, SchulwegTheater2. 3. 1. 2. „Citizenship education“ in England In England gab es seit Mitte der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts einen heftigenMeinungsaustausch darüber, inwieweit „citizenship education” eine öffentliche An-gelegenheit darstellt und ob dabei eine reine Wissens- und Fachvermittlung histo-rischer und politischer Inhalte als Grundlage für das Verständnis politischer Prozesse erfolgen soll. Weiters wurde darüber diskutiert, wie den Schülerinnen undSchülern komplexe Lern- und Lösungsstrategien unter Einbeziehung der Entwick-lung und Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten („skills“), Werten („values“)und Einstellungen („attitudes“) näher gebracht werden können, damit „civil edu-cation“ umgesetzt werden kann. Die unterschiedlichen Auffassungen zu diesembreiten Themenbereich und die Diskussionen, ob „civic education“ in den Lehrplä-nen verankert werden sollte, gehen auf das Jahr 1965 zurück. In diesem Jahr wur-de die Schulpflicht bis zum 16. Lebensjahr angehoben. In der Zeit der Thatcher-Regierung gab es eine klare ablehnende Haltung gegenüber der verpflichtendenEinführung von „civic education“ oder „citizenship education“ in Englands Schulen.Mit dem politischen Kurswechsel im Mai 1997, als die Labour Party die Regie-rungsgeschäfte übernahm, wurde eine andere Linie im Bereich der „citizenshipeducation“ verfolgt. Einerseits durch die lange Zeit fehlende verbindliche politische Bildung und an-dererseits durch stärker werdendes Desinteresse der Jugendlichen an politischen7Belangen erfolgte im Jahr 2002 zum ersten Mal die verpflichtende Einführung von„citizenship education“ als Kernfach im Bereich der Schulbildung.11 David Kerr(2002) hält in seinem Artikel fest, dass zuvor politische Bildung zwar nicht weitweg von realpolitischen und bildungspolitischen Tagesordnungspunkten war, auf-grund der Arbeit der Gutachterkommission – die sich sowohl mit der Umsetzungder „citizenship education“ als auch dem „Demokratie-Lernen“ in den Schulen aus-einander setzte – zum ersten Mal jedoch die gesetzliche Verankerung in den eng-lischen Curricula erfolgte. Dabei wurden vier Hauptschwerpunkte – das Curricu-lum, die Gemeinschaft, die globalen und die internationalen Herausforderungenbetreffend – herausgearbeitet. In den Ausführungen über „citizenship“ und „citizen-ship education“ findet sich die Philosophie der Labour Party wieder, die die zivilge-sellschaftliche Verantwortung der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft für die Ge-sellschaft in Zusammenarbeit mit der Regierung sieht. 12Die „Crick-Gruppe“ 13 setzt(e) sich seit ihrem Bestehen im Jahr 1997 mit der Er-reichung von zwei Zielen auseinander: Richtlinien für „citizenship education“ vor-zubereiten und deren Umsetzungsmöglichkeiten in der Schule festzulegen. Derneue Hauptgegenstand wurde zunächst für Schülerinnen und Schüler im Alter von11 bis 16 Jahren festgesetzt. „Citizenship education“ wurde für die 5- bis 11-jäh-rigen Schülerinnen und Schüler gesetzlich nicht vorgeschrieben. Im Schulalltagsollte „citizenship education“ durch Kooperation, Kommunikation, Verantwortungübernehmen, respektvollem Umgang miteinander usw. im Gegenstand „personal,social and health education“ 14 zum Ausdruck gebracht werden. Der Kompetenz-erwerb sollte selbst handelnd in der Schule erfolgen, um sofort im Alltagslebenumgesetzt werden zu können. Dem vorausgehend, wurden viele Diskussionen da-rüber geführt, wie „citizenship“ und „citizenship education“ definiert werden undwelche Rolle in der modernen Gesellschaft bei der Vermittlung von „citizenship“dabei die Schule spielen soll. 11 Vgl. Sliwka A., Vorbild auch für Deutschland: „Education for Citizenship“ in England. In: Edelstein W., Fauser P. (Hrsg.),Beiträge zur Demokratiepädagogik. Eine Schriftenreihe des BLK-Programm „Demokratie lernen und leben“. Berlin 2005,S.212 Vgl. Kerr D., The Making of Citizenship in the National Curriculum (England): Issues and Challanges. National Foundationfor Educational Research. 2000, S. 2 f.13 Sir Bernard Crick, 1929 geborener britischer Politologe und Vorsitzender der „Citizenship Advisory Group“14PSHE – ähnlich unserem Sachunterricht8Der Versuch, dabei neue Definitionen für die sich immer schneller wandelnde Ge-sellschaft zu finden, löste in England die Auseinandersetzung mit dem Thema Ge-sellschaft aus und untermauerte die festgesetzten Vorschläge über „citizenship“und „citizenship education“. Zu den vier Hauptaspekten von „citizenship“ zählenunter anderem die Kenntnisse über die gesellschaftlichen Rechte und Pflichten,die Einsichten und Einstellungen, die Herausforderungen an eine multikulturelleGesellschaft, der internationale, transnationale, kosmopolitische Weitblick, die so-zialen Rechte, die lokalen, nationalen und internationalen Beteiligungsmöglichkei-ten innerhalb der demokratischen Gesellschaft. Diese Aspekte lösten bei der For-mulierung der Ziele für „citizenship education“ eine breite Diskussion aus und be-einflussten die Niederschriften für die Curricula, die Stellung der Schule innerhalbder Gesellschaft und die Aufgaben der Lehrerinnen und Lehrer. 15Bei „citizenship education“ wird im englischen Schulsystem 16 unterschieden in„education about citizenship“, „education through citizenship”, „education for citi-zenship” 17 .„Education about citizenship“ umfasst die theoretische Wissensver-mittlung über Staats- und Regierungsformen, politische Prozesse, ... während un-ter „education through citizenship“ die demokratiepolitischen Grunderfahrungen,Partizipationsmodelle, Lehr- und Lernformen, die praktisch handelnd im Unterrichtumgesetzt werden, verstanden werden. „Education for citizenship“ beinhaltet dieUmsetzung des erworbenen Wissens um die demokratischen Werte und Normensowie demokratischer Fertigkeiten und Handlungen als aktive Bürgerinnen undBürger innerhalb der Gesellschaft. Die Kernbereiche der „citizenship education“ weisen auf:Social and moral responsibility (soziale und moralische Verantwortung),Community involvement (Engagement in und für die Gemeinde),Political literacy (Anleitung zum politischen Handeln). Diese vier Kernbereiche der „citizenship education“ sind für die vier „key stages“15 Vgl. Kerr D., Citizenship Education in England: The Making of a New Subject – OJSSE 2/2003. - http://www.sowi-onlinejournal.de/2003-2/index.html - 27. 12. 2005, S. 1 ff. 16 Das „National Curriculum“ nach der „Education Reform Act 1988“ teilt die schulpflichtigen Schülerinnen und Schüler invier „key stages“ ein: Key stage 1: 5- bis 7-jährige Schülerinnen und Schüler; Key stage 2: 7- bis 11-jährige Schülerinnenund Schüler; Key stage 3: 11- bis 14-jährige Schülerinnen und Schüler; Key stage 4: 14- bis 16-jährige Schülerinnen undSchüler 17 Vgl. Sliwka A., Vorbild auch für Deutschland: „Education for Citizenship“ in England. In: Edelstein W., Fauser P. (Hrsg.),Beiträge zur Demokratiepädagogik, a. a. O., S. 2 f.9als ergebnisorientierte Bildungsstandards definiert. Die externe Evaluierung erfolgtüber die englische Schulinspektionsbehörde, das „Office for Standards in Educa-tion – Ofsted“, die die Erreichung der Bildungsstandards durch externe Evaluie-rung überprüft. Da sich an Englands Schulen unterschiedlich schnell und unter-schiedlich intensiv Umsetzungsmöglichkeiten entwickelten, wird die Handhabungvon „citizenship education“ mit großer Flexibilität gehandelt. Dieser Umstand gehtauch auf die Tatsache zurück, dass die gesetzliche Verankerung eines einheitli-chen Curriculums bis zum Ende des 20. Jahrhunderts fehlte. Dadurch entwickel-ten sich die Weitergabe politischer und gesellschaftspolitischer Interessen und de-mokratischer Einstellungen in unterschiedlich ausgeprägter Form. Verankert ist imderzeit geltenden Curriculum, dass 5 % der Zeit, die Schülerinnen und Schüler inder Schule verbringen, für „citizenship education“ aufgewendet werden muss.Schulautonom kann „citizenship education“ in Form von Projekten, Modulen,Blockveranstaltungen interdisziplinär, fächerübergreifend und in Hinblick auf aktiveBürgerinnen und Bürger („active citizens“) umgesetzt werden. Eltern werden vonder Schule am Ende der „key stage 3“ über den Leistungs- und Entwicklungsstandder 11- bis 14-Jährigen informiert. Eine zentrale Rolle bei der „citizenship educa-tion“ kommt der gesamten Schule zu, die sich je nach Schulstandort, Einzugs- undkulturellem Wirkungskreis die Umsetzung der Ziele selbst wählen kann. Dabei ein-bezogen ist die Schulaufsicht, die die Umsetzung in ihrem Wirkungskreis unter-stützen und evaluieren soll. „Civic education“ setzt auf das Ziel der Nachhaltigkeitbei Schülerinnen und Schülern. Nach ihrem Schulbesuch sollen sie die währendder Schulzeit erworbenen Einstellungen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Wissenum die demokratiepolitischen Belange im Staat und in der Zivilgesellschaft um-setzen. 18 Durch die „citizenship education“ werden Herausforderungen nicht nuran Schülerinnen und Schüler gestellt, sondern diese betreffen die Lehrerinnen undLehrer, die Schulentwicklung, die Schulpartnerschaft und die Schulaufsicht. DieGemeinden sind durch Kooperationsvereinbarungen mit der Schule und mit ande-ren sozialen Einrichtungen in die „citizenship education“ einbezogen. Die Lehrer-innen und Lehrer werden vorbereitet und weitergebildet, die Schulaufsicht ist aktiveinbezogen. Die betreffenden Jugendlichen selbst müssen die geforderten Kom-petenzen erfüllen, und dies geht auch an deren Familien und in deren Umfeldnicht ohne Veränderungen vor sich. In der Praxis findet die aktive demokratische18 Vgl. Sliwka A., Vorbild auch für Deutschland: „Education for Citizenship“ in England. In: Edelstein W., Fauser P. (Hrsg.),Beiträge zur Demokratiepädagogik., a. a. O., S. 3 ff.10Lebensform – „ the way of life“ – innerhalb der Zivilgesellschaft, in der Schule undin den Kommunen durch die Schaffung von „community forums“ statt.Die in dieser Arbeit ausgesuchte „Grundschule Harmonie“ arbeitet mit der „LarkRise Lower School“ in der Grafschaft Bedfordshire zusammen. Auf kontinentalerSeite ist dies eine Schule, die aus der Tradition der demokratischen und reformpä-dagogischen Pädagogik ein großes Know-how von selbst verantwortetem undselbst organisiertem Lernen anzubieten hat, auf britischer Seite eine Schule ist,die sich über die Entwicklung einer Erziehungskultur ausgehend vom Konzept der„Citizenship Education“ zu einer ebenso erfolgreichen und demokratischen Schuleentwickelt hat. Hier kommt es nun zu „traditionellem“ Schülerinnen- und Schüler-austausch per „Übernachten in der Schule“, und Korrespondenzen zwischen denSchülerinnen und Schülern. E-Mail-Korrespondenz, selbst organisiertes digitalesSprachlernen per headphones und webcams und unterrichtlichem Austausch vonLehrkräften ergänzen dieses Programm. Entscheidend aber wird die inhaltlicheZusammen- und Parallelarbeit der Schulleitungen, der Lehrerinnen- und Lehrer-konferenzen und der Kinderparlamente bzw. der „Pupil ́s Councils“. Das stellendie Themenschwerpunkte dar: self-assessment of children and teachers, self or-ganized and self responsible learning and evaluation of the question „How learningbecomes effective“? 19 “Through discussions and class evaluations we seek todiscover the learning methods that are valued and succedd in motivating all lear-ners in the lesson. The work is located in the sociology of childhood discipline inshaping the reality of life in the classrooms. The adults are finding ways of explo-ring the world through the perspective of the pupils which is centred in the dia-logue” 20. 2. 3. 2. „Demokratiebildung“, „Demokratieerziehung“, „Demokratie-Lernen“im deutschsprachigen RaumBei den international verwendeten Bezeichnungen „civic education“, „citizenshipeducation“, „democratic citizenship“, „political education“ und deren deutschenÜbersetzungen assoziiert man in den einzelnen europäischen Ländern auch die19 Diese Auskunft basiert auf einem Gespräch mit Walter Hövel, Schulleiter der Grundschule Harmonie, das im Zuge derNominierung für den deutschen Schulpreis geführt wurde.– 11. 12. 2006 – Berlin20 Attard Sue, Headteacher of Lark Rise School – www.pupil-voice.org.uk – 27. 12. 2006 11unterschiedlichen Demokratieerfahrungen. Abgesehen von sprachlichen Ausle-gungen bzw. Interpretationen setzt die Beteiligung an Entscheidungsprozessen in-nerhalb der demokratischen Gesellschaftsstrukturen eine Schlüsselqualifikation je-der Bürgerin und jedes Bürgers voraus. Diese Schlüsselqualifikationen werden inder Schule, in der Familie, am Arbeitsplatz usw. lebenslang gelernt, weil Entschei-dungsprozesse während des gesamten Lebens erfolgen, wahrgenommen werdenkönnen und wahrgenommen werden sollen. In einer Demokratie stehen Bürgerinnen und Bürger in vielfältigen Beziehungenzueinander. Aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeit aller Bürgerinnen undBürger wird Demokratiebildung einerseits von den älteren auf die jüngeren Men-schen weiter gegeben und andererseits wird sich diese Bildung selbst angeeignet.Sybille Reinhardt (2004) hält dazu fest, dass beim „Demokratie-Lernen“ die Systemsicht 21 und die Bürgersicht 22 miteinander vereint werden sollen und sich da-raus aufgrund des breit gefächerten Spektrums für das „Demokratie-Lernen“ fünfKompetenzbereiche ergeben. Diese Kompetenzen weisen auf:Perspektivenübernahme, Konfliktfähigkeit, politische Urteilsfähigkeit,Partizipation und Analysieren gesellschaftlicher Teilsysteme undWissenschaftspropädeutik. Die Orientierung an diesen Kompetenzen könnte die Diskussion über das Präzi-sieren des „Demokratie-Lernens“ erleichtern. Ebenso genauer könnten das Lernenund die dafür notwendigen Bedingungen, die unterrichtlichen Prozesse und dieÜberprüfung der Kompetenzen mit Hilfe empirischer Forschungsmethoden durch-geführt werden. 23 „Demokratie-Lernen“ bezieht sich nicht nur auf das „Politik-Ler-nen“, sondern ist „tiefgründiger, breiter, problem- und lebensnäher sowie wenigerauf eine Fachwissenschaft bezogen. Demokratie-Lernen hat Bezugspunkte in vie-len Wissenschaftszweigen und ist im Prinzip auch auf fächerübergreifendes Ler-21Systemsicht: Benötigte Qualifikationen von Bürgerinnen und Bürgern, um ein demokratisches politisches System zuerhalten und weiter zu entwickeln. 22 Bürgersicht: Recht der Bürger auf Art der Demokratie und Entwicklungsschritte für das Lernen und die Bildung für dieDemokratie. 23 Vgl. Reinhardt S., Demokratie-Kompetenzen. In: Edelstein W., Fauser P. (Hrsg.), Beiträge zur Demokratiepädagogik, a.a. O., S. 1 ff. 12nen hin ausgelegt.“ 24„Demokratie-Lernen“ impliziert den Begriff „Demokratie“. Bei Gerhard Himmel-mann (2005) kann man dazu nachlesen, dass Demokratie noch nie ein Selbstläu-fer war und noch nie jemand als Demokrat geboren wurde. Die Quintessenz lautetdaher im Sinne Deweys, „dass „Demokratie-Lernen“, „Demokratie-Erziehung“oder, wie man will, „Demokratie-Bildung“ eine Aufgabe für jede neue Generationist, an der die Schule, vor allem natürlich die politische Bildung, ihren Anteil ernst-haft wahrnehmen muss.“25 Das wissenschaftliche Feld „Demokratie-Lernen“ istsehr breit gestreut und reduziert sich somit nicht nur auf das „Demokratie-Lernen“alleine, sondern inkludiert die „Demokratie-Pädagogik“ und „Demokratie-Didaktik“,richtet sich demnach auf die „Demokratie-Erziehung“ von Kindern, Jugendlichenund Erwachsenen. Beim „Demokratie-Lernen“ geht es nicht um einen positiv be-setzten „Demokratie-Werte-Begriff“, sondern um die reale, praktische Umsetzungder Demokratie-Kompetenzen im Denken, Handeln und Verhalten. „Demokratie-Lernen“ findet nie abgehoben vom eigenen Tun statt, ist eingebettet in mehrerewissenschaftliche Fachbereiche wie Entwicklungspsychologie, Soziologie, Philo-sophie, Pädagogik, Didaktik usw. Das Ziel sollte sein, dass sich aufgrund des „De-mokratie-Lernens“ der Unterricht „zu einer lebensnahen Denk- und Interpretations-gemeinschaft, zu einer Lebens- und Kommunikationsgemeinschaft und zu einerExperimentier- und Kooperationsgemeinschaft mit dem Ziel der Lösung prakti-scher Probleme in und außerhalb der Schule entwickelt“. 26In der Broschüre „Demokratie-Lernen in Europa“ – der Übersetzung des Originalsmit dem Titel „Strategies for Learning Democratic Citizenship“ – werden mit demBegriff „Education for Democratic Citizenship“ „jene vielfältigen Praktiken und Akti-vitäten zusammengefasst, die auf der praktischen Ebene ansetzen und dazu bei-tragen sollen, Schülern, Jugendlichen und Erwachsenen das Wissen und dieKompetenzen zu vermitteln, die sie befähigen, aktiv und verantwortungsvoll amEntscheidungsbildungsprozess in ihren Gemeinschaften mitzuwirken, zu ihremeigenen Wohl und zum Wohl der Gesellschaft als Ganzes. Damit soll zugleicheine demokratische Kultur gefördert und gefestigt werden, welche auf dem Be-24 Himmelmann G., Demokratie lernen als Lebens-, Gesellschafts- und Herrschaftsform. a. a. O., S. 22. 25 Ebda, S. 24f.26 Ebda., S. 266 ff.13wusstsein und der Verpflichtung gegenüber gemeinsamen Grundwerten aufbaut,wie zum Beispiel Menschenrecht und Grundfreiheiten, Gleichberechtigung trotzVielfalt und Rechtsstaatlichkeit. Der Prozess der Demokratiebildung schafft Gele-genheit zum lebenslangen Lernen, bei dem Informationen, Werte und Kompeten-zen erworben, angewandt und weiter verbreitet werden können, die mit demokra-tischen Prinzipien und Abläufen in einem breiten Spektrum von formalen und in-formellen Unterrichts- und Lernumgebungen verbunden sind.“27Wird Demokratie nicht nur als Herrschaftsform und als gesicherter Zustand gese-hen, sondern als ein sich ständig wandelnder gesellschaftlicher Prozess, so liegtes nahe, dass das „Demokratie-Lernen“ nicht statisch bleibt, sondern sich in Rich-tung zukünftiger Perspektiven verändert. John Dewey stellte fest, dass Demokratiemehr als nur eine Regierungsform, sondern die Form des Zusammenlebens unddie Form der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrungen darstellt. Be-zogen auf das „Demokratie-Lernen“ und auf die „Demokratie-Erziehung“ meinteer, dass „eine Gesellschaft, die nicht nur im Wandel begriffen ist, sondern diesenWandel – zum Besseren – als ihren Lebenszweck betrachtet, andere Normen undMethoden der Erziehung haben muß als eine, die lediglich ihren unverändertenFortbestand erstrebt“. 28Unsere pluralistische Gesellschaft, die durch die Zusammensetzung unterschiedli-cher Gesellschaftsgruppen gekennzeichnet ist, bringt eben durch ihre Verschie-denheiten im Zusammenleben Spannungen und Konflikte mit sich. Diese Span-nungen und Konflikte können sowohl aufgrund der unterschiedlichen Vorstellun-gen von Werten und Normen beruhen, als auch aufgrund unterschiedlicher Inter-essen in weltanschaulicher als auch religiöser Hinsicht resultieren. Gerade dieseAuseinandersetzung im Zusammenleben bedarf einer „Demokratie-Erziehung“, dieein friedliches Miteinander im Kleinen wie im Großen ermöglicht. „Demokratie-Er-ziehung“ hat zur Aufgabe, in einer Gesellschaft für aufgeklärte und verantwor-tungsvolle Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Sie sollen dabei nicht nur über dasentsprechende demokratiepolitische Wissen verfügen, sondern auch mit Fertigkei-ten und Kompetenzen ausgestattet werden, die für deren aktive Beteiligung in derGesellschaft notwendig ist. Da sich das Recht auf demokratische Beteiligung an27 Dürr K., Martins F., Spajić-Vrkaš V., Demokratie-Lernen in Europa, a. a. O., S. 13 28 Dewey J., Demokratie und Erziehung, a. a. O., S. 11314die Bürgerinnen und Bürger der Gesellschaft richtet, darf nicht vergessen werden,dass dabei auch wirklich alle damit gemeint sind und nicht von einem Idealbürge-rinnenbild und Idealbürgerbild ausgegangen wird. Alle sollen über deren Rechteund Pflichten, über Werte und Normen, soziale, ethische und religiöse Moralvor-stellungen unterrichtet werden. Demokratiekompetenzen – hier seien nur einigeexemplarisch angeführt:– Konfliktfähigkeit, Konfliktlösung, Kommunikation, Koope-ration, Partizipation, politische Urteilfähigkeit uvm. – und das Wissen um Demo-kratie können auf unterschiedliche Weise erlernt werden. Auch außerhalb der In-stitution Schule erfolgt „Demokratie-Erziehung“ in Jugend-, Erwachsenen- undFreizeitorganisationen, politischen und nicht politischen Vereinen und Verbänden,durch Medien..., wobei überall die kognitiven, sozialen und affektiven Dimensio-nen einbezogen sind. Der theoretische Hintergrund von „citicenship education“ findet sich bei nähererUntersuchung in den Theorien der Reformpädagoginnen und -pädagogen (JohnDewey, Helen Parkhurst, Celestin Freinet, Janusz Korczak, ...) wieder. Der libera-le und individualistische Ansatz von „education for citizenship“ stellt am BeispielEnglands eine Möglichkeit für „Demokratie-Erziehung“ und „Demokratie-Lernen“dar, bei dessen Erstellung Expertinnen und Experten beteiligt waren, die pädago-gisches Know-how mit demokratiepolitischen und gesellschaftspolitischen Wertenmiteinander verknüpften. Auffallend ist sowohl bei den nordamerikanischen alsauch englischen Ausführungen über „citizenship“ und „citizenship education“ dieenge Verflechtung von Schulleben und Leben innerhalb einer Gemeinschaft. Dieaktive Einbeziehung von außerschulischen Institutionen in das Schulleben wird inden deutschen und österreichischen Curricula nur gestreift und im alltäglichen Le-ben findet diese Verknüpfung selten statt. Hier wäre auch in Österreich Hand-lungsbedarf gegeben. Zu wünschen wäre es, dass nicht nur Politikerinnen und Po-litiker, sondern auch Pädagoginnen und Pädagogen bei einer neu ins Leben geru-fenen Diskussion mögliche Verbesserungsvorschläge rund um Gesamt- bzw.Ganztagsschule liefern. Nicht nur die Aspekte des „Demokratie-Lernens“ solltendabei aufgegriffen und diskutiert werden, sondern auch die Verzahnung von Schu-le und Gesellschaft. Dies wäre eine Möglichkeit, den Bildungs- und Erziehungsauf-trag, den Lehrerinnen und Lehrer für die Gesellschaft leisten, zu heben. Schulbil-dung geht am gesellschaftlichen Leben vorbei, solange nur kognitive Bildung imVordergrund steht und nicht der Erwerb von Handlungskompetenzen. Themen wie„Neue Lehr- und Lernkultur“, die vor vielen Jahren als neue Herausforderung fürLehrerinnen und Lehrer gegolten haben, sind mittlerweile zum Teil wieder in Ver-gessenheit geraten bzw. durch Kürzungen im Bildungsbereich nicht oder sehrschwer umsetzbar. Der Wert der Bildung müsste in unserem Land wieder einenhöheren, positiven Stellenwert erhalten. Dieser Aspekt müsste Hand in Hand mitverbesserten Möglichkeiten der Lehrer/innenaus-, -fort- und -weiterbildung gehen.Nicht Streichungen im Bildungsbereich, sondern Förderung und Vernetzung durchgelebte Demokratie im Sinne einer Weiterentwicklung Deweyscher Ideen könnten aufgegriffen und als Schritt zum lebenslangen Lernen gesehen werden.