Walter Hövel

 

Schule und Wirtschaft

 

 

Ich fragte einen Bekannten, der eine recht erfolgreiche Firma führt. Es gelang ihm in den US-amerikani-

schen Markt einzudringen. Ich fragte ihn, wie heute erfolgreiche Firmen mit dem krankheits-bedingten oder menschlichen Ausfällen ihrer Mitarbeiter*innen umgehen.

 

Die Grundschule Harmonie schickt Menschen, die nicht mehr arbeiten können nach Hause. Wir ersetzen sie auf verschiedene Arten und fordern eine Einsatzreserve von den Ministerien. Im United Kingdom gibt es z.B. immerhin einen Haushaltsposten, der die Arbeit von anzurufenden „Ersatzlehrer*innen“ mit Bezahlung ermöglicht.

 

Der Bekannte aus der Wirtschaft hob kurz die Augenbrauen bis ihm scheinbar nur eine Antwort blieb: „Es gibt keine! Es darf niemand ausfallen, niemand fällt aus. Und wenn doch, dann müssen die restlichen Mitarbeiter die Lücke füllen.“

 

Also nicht wie im Fußball, wo in jedem Spiel bis zu drei Leuten ausgewechselt werden und der Rest des zweiten Teams hochbezahlt nicht zum Spielen kommt.

 

In der Wirtschaft geht es nicht anders. Mehr qualifizierte Leute gibt’s nicht. Die guten bekommen woanders einen Job. Nur, wenn du wechselst bist du nicht mehr unbedingt so gut. Aber wir arbeiten jetzt schon einen 'neuen Mann' ein. Wir müssen „die Firma versorgen“, so der Bekannte.

 

Jetzt ist das Dumme am Lehrerjob, dass die Schul-Firma eine „Scheißfirma“ ist. Schule kostet unendlich viel und bringt keine kurzfristigen Profite. Sie macht gar keine Profite. Es ist gar keine Firma. Obwohl sie nach den Gesetzen der Wirtschaft laufen soll. Hier wird nur Humankapital für die Verwertbarkeit der privaten Industrie und für die „Verwaltung“ und die Bürokratie des Staates und seinen Machtapparat ausgebildet.

 

Das wäre kein so großes Problem, lebten wir mit höheren Staatsausgaben für die Bildung wie in Finnland, Tschechien, Frankreich, England und der Schweiz. Unser Staat glaubt sich noch in besonderer Weise an den Kindern dieser Gesellschaft und somit an den Lehrerinnen und Lehrern auslassen zu müssen. Sie sparen in dem Bereich Bildung immer zuerst, schon immer und konsequent. Sie wollen dabei heute wie der bayrische Schulminister „die Hauptschulen zu Schulen der Ausländer“ machen oder glauben weiter „an das Gymnasium und die Rechtschreibung“.

 

Auf jeden Fall machen Politikerinnen und Politiker Lehrerinnen und Lehrer zu „Dienstherren“ und halten die Schulen finanziell „so knapp“, dass immer mehr Menschen für eine bessere Bildung zusätzlich zahlen würden. Der Betrieb wird dabei aus Steuermittel bezahlt, also Geldern, die denen die für andere arbeiten, vorenthalten werden.

 

Und das Größte ist, dass von „den Teams“ an den Schulen verlangt wird, dass sie jeden Tag so spielen wie Bundesligamannschaften. Ministerien stört es wenig, dass Torhüter*innen es am Rücken haben, Vertei-diger*innen Alkoholiker sind und die Spieler*in mit der Nummer 6 gleichzeitig Trainer*in, Manager*in, Vereinspräsident*in und Mannschaftsärzt*in sind und Stürmer*innen mehr Stunden beim Therapeuten verbringen als Trainingseinheiten auf dem Platz. So fällt das Spielen auch schon mal aus, bis es „bis 12 Uhr verboten“ wurde. Es gibt jetzt auch schon Absteiger. Das wird Schulschließungen genannt.

 

Stattdessen gibt es Preise für die Besonderen, wie einst im „realen Sozialismus“. Da wurdest du ein „verdienter Lehrer des Volkes“. Nicht nur die länger Ausgebildeten, auch die „Guten“ sollen eine finanzielle Belohnung bekommen. Aber das halte ich angesichts der Menge von Auszuzeichnenden für ein leeres Versprechen.

 

Die Veranstaltung Schule ist ein Skandal an Kinder und Eltern.

 

Aber die einen schweigen. Ihr Kinder kommen eh ans Gymnasium. Die anderen schweigen, damit ihre Kinder ans Gymnasium kommen. Die Firmenleitungen halten zusammen.

 

Wie klappt das an der Grundschule Harmonie?

An der Grundschule Harmonie ist seit 1995 keine einzige Stunde ausgefallen. Wir sind so etwas wie ein Privatunternehmen im staatlichen Sektor oder ein staatliches Unternehmen mit dem privaten Anspruch für Menschen da zu sein.

 

Ein Grund: Bei uns wird keiner gezwungen, das zu tun, was die anderen auch tun. Keiner darf die Klassentür hinter sich zumachen und tun was sie oder er will. Bei uns muss jede/r das tun, was sie oder er am Besten kann.

 

Die Musikerin (zudem machten alle eine Ausbildung in Musik) macht viel Musik mit den Kindern. Die Literaturbegeisterten lassen die Kinder selber schreiben und bieten Bücher und Dichter*innen an, die Naturwissenschaftler*innen experimentieren, forschen und fragen viel, die anderen malen und spielen Theater. Die Mathematiker*innen machen kluge Mathematik mit Materialien, die anderen machen alle Englisch. Alle können Rollenspiel, Kooperation und Sport. Wir lernen alles von der Natur, von Menschen, von der Arbeit, außerhalb der Schule, in der Welt der Region und am Computer. Alle lernen. Wir lernen Inklusion und Demokratie.

 

Wir hörten auf zu unterrichten, zu belehren, aber können etwas. Wir haben die Freiheit des Lernens wiederentdeckt und die Kinder bestimmen ihr Lernen selbst. Wir animieren zum Lernen ohne als Lehrer*in wieder zu bestimmen. Wir fordern nicht, sondern fördern jeden Menschen.

 

Wir sitzen jeden Tag im Kreis mit den Kindern und gehen den Fragen nach „Was willst du lernen?“, „Wie kannst du das lernen, was du lernen willst?“, „Was ist nicht langweilig für dich?“, „Was gibt einen Sinn für dich?“, „Woher weißt du, dass du lernen kannst oder willst?“, „Wie lernst du?“, „Wie entsteht deine Freude an deinem Lernen?“, „Mit wem lernst du am besten?“, „Wie muss deine Lernumgebung aussehen?“, „Wann lernst du, wie lange?“, „Wie mache ich Projekte, wie finde ich meine eigenen Themen?“, „Wie finde ich mich selbst“, und, und, und.

 

Wir haben zig mal in der Schule unsere Schule erfunden.