Walter Hövel

EinigeVerbindungen zu den Nazis in Eitorf

 

Wir schreiben das Jahr 1932, nicht 1933. Eitorf wählt mit den Stimmen des ZENTRUMs (später CDU) und den Stimmen der NSDAP Anton Ohligs (NSDAP) zum Bürgermeister. Damals wählte man Anton Ohligs, der vom ZENTRUM zur NSDAP gewechselt war, als „kluge Investition in die Zukunft“. Die Mehrheit der Eitorfer Ratsabgeordneten sollen Männer des ZENTRUMs gewesen sein. Ohligs Spezialität soll der Einsatz von Baltikumsdeutschen als seine „Privatarmee“ in Eitorf gewesen sein. Er belohnte sie mit Häusern. Heute findest du im Netz nur noch die Bürgermeister Viehoff, Storch, Patt und Diwo, erst nach intensiverer Recherche den Namen Ohligs.

 

Es ist der 17. März 1945, 17.50 Uhr – heute genau vor 76 Jahren. Ein Donnern liegt in der Luft. 32 Maschinen des 9. Airforce-Kommandos der Amerikaner nähern sich dem Herzen von Eitorf. Ein Bombenhagel geht nieder – wie schon an anderen Tagen im März, darunter der 8. März mit großflächigen Schäden. Bürgermeister Ohligs sitzt in seinem Dienstzimmer am Marktplatz und sagt zu einem Mitarbeiter Philipp Schmitz: „Die kritische Zeit ist vorbei. Ich glaube nicht, dass noch ein Teppich auf Eitorf gelegt wird. Das wäre doch sinnlos.“ Doch das ist ein Irrtum. In Sekunden wird der gesamte noch übrige Ortskern in Schutt und Asche gelegt. (by Inga Sprünken, 7. März 2021, https://rheinland-reporter.de/die-toten-unter-dem-marktplatz/, Das Motto: „Wir bringen Licht ins Dunkle“.)

 

Kein Wort von NSDAP, Nazis oder deren Verbrechen. Auch der Kölner Stadtanzeiger schreibt 2005 über Ohligs ohne Nennung der Partei. Als Vertreter der weltlichen Behörde war Herr Bürgermeister Ohligs anwesend“, schrieb der Männergesangverein Ottersbach in seine Chronik.

 

Um 2000 war ich im Heimatverein Eitorf. Meine Auskunft war in meiner Anwesenheit telefonisch, aber entschieden über den ehemaligen Bürgermeister: „Herr Ohligs war ein integrer Mann“.

 

Anton Ohligs wird noch immer geehrt. Gehen Sie im Eitorfer Rathaus die Treppe hoch. Dort finden Sie von Künstler*innen Bilder der Eitorfer Bürgermeister*innen, darunter Anton Ohligs (ohne NSDAP).

 

Eitorf war in der Nazizeit Dreh- und Angelpunkt. Hier war wichtige Kriegsproduktion mit Wolle für Uniformen, Stoßdämpfer für LKWs, Drogen und Medikamenten oder Lacken. Eitorfs Wälder waren mit drei (!) Abschussrampen für die V1 auf England und die Niederlande bestückt. Eitorf war Garnisions- und Flüchtlingsort vor allem für Köln mit am Kriegsende über 20.000 Einwohnern. Alle damals existierenden Eitorfer Firmen und „gute“ (Geld an allem verdienende) Bürger*innen hatten Zwangsarbeiter, für die bis heute keine Entschädigung von niemandem gezahlt wurde.

 

In Eitorf gab es einen Gebetsraum in einer Synagoge (die steht heute noch), einen jüdischen Friedhof und viele jüdische, Sinti- und Roma-Familien und Linke. Sie wanderten aus oder wurden erbarmungslos - meist in KZs - umgebracht. In Eitorf gab es ein Standgericht und und mit der Klinik in Hademar die Eutanesie, also den Mord an Behinderten. Gerade in Eitorf gab es das. Dieser Ort Eitorf war zudem mit seiner Jugendherberge und anderen Einrichtungen Ferienort der deutschen „Kraft durch Freude“. Bei einem Karnevalsumzug stand auf einem Transparent „Itze, wir kriegen dich doch“, Itze wohnte am Marktplatz. Ein sehr hoher Anteil der Bevölkerung war in der NSDAP. Auf einem anderen Bild ist der Eitorfer Marktplatz bei einer Nazi-Feier gefüllt mit Eitorfer*innen, viele in Uniform. Kein Wunder, dass die Alliierten mit Bombenteppichen antworteten.

 

Nicht nur ein Nazi überlebte hier: Hans Schick (* 22. April 1889 in Eitorf; †13. Juli 1969) war ein zeitweise exkommunizierter deutscher Priester, Historiker und SS-Sturmbannführer. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war er von 1945 bis 1948 interniert. Anschließend arbeitete er als Referent beim Caritasverband des Bistums Kölns. 1964 war er in Eitorf ansässig und wieder als Priester eingesetzt." (wikipedia) Wie bei meinen Onkeln der SS-Aufseher Reiner Hövel von der Kreissparkasse Köln oder dem SA-Mann Josef Semrau die Gemeinde Frechen, hielten (fast) alle Firmen zu ihren „alten Mitarbeiter*innen“.

 

Brigitte Frank (* 29, Dezember 1895 in Eitorf an der Sieg als Maria Brigitte Herbst; † 9. März 1959 in München) war die Ehefrau des nationalsozialistischen Juristen und Generalgouverneurs von Polen, Dort trug sie den Spottnamen „Königin von Polen“. Hans Frank hieß der "Schlächter von Polen." … Brigitte Herbst kam 1895 als Tochter des Spinnereibesitzers Otto Herbst und dessen Frau Martha, geb. Langer, in Eitorf an der Sieg zur Welt.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Brigitte_Frank) Hans und seine Gattin Brigitte Frank gehörten zur ersten Garde der NSDAP-Faschisten in Deutschland. Sie regierten nicht, aber herrschten. Sie sahen sich nie als Verbrecher.

 

Der gebildete Hans Frank und seine Frau hatte, wie ganz Eitorf,  Blut an den Fingern. Sie hatten die Verantwortung für den Tod von Millionen von Menschen. Niemals, wie die Mehrzahl der Deutschen, zeigten sie Reue für das was sie taten. Stattdessen erzählten sie die Geschichten vom "Müssen" oder vom "Wir aber nicht".

 

Meine Mutter (1920 - 2008), eine begeisterte Nationalsozialistin, erzählte mir: „Was, du ziehst nach Eitorf? ... Frau Diwo war BDM-Führerin und glühende Anhängerin vom Hitler. Ihre Spezialität war die Denunziation“. Ich kannte Frau Diwo (CDU) schon. Sie saß im Hauptpersonalrat in Düsseldorf für die „Katholischen Lehrerinnen“. Ich war damals für die Gewerkschaft, die GEW dort. Ich vergesse nie, wie sie am Ende ihrer Bürgermeisteramtszeit mit offenen Capriolet winkend durch Eitorf fuhr. Niemand winkte zurück.

 

Es ist etwa 1998. Ich habe ein wenig Zeit im Rathaus und finde im Standesamt das dünnste Buch unter den Mitschriften des Eitorfer Rats. Ich finde darin das Protokoll der ersten Sitzung des Rats nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich finde die Erklärung zur Nazizeit. Kein Wort steht darin von Schuld, Verbrechen, Geschäften mit Menschen und Morden. Es ist blamabel was dort formuliert wurde. Ich schämete mich Eitorfer zu sein.

 

Heute gibt es einige 100jährige in Eitorf, die auch vom Bürgermeister geehrt werden. Sie waren junge Frauen in der Nazizeit. Wäre ich da nicht vorsichtiger?