„Darum gab es für mich niemals diese starren Regeln, die so sorgsam ihre Schlingen um ein Schülerhirn legen. Alles löste sich in Anweisungen auf, die für den Schüler so wenig bindend sind wie für den Lehrer. Kann es der Schüler ohne die Anweisungen besser, dann mache er es ohne sie. Aber der Lehrer muss den Mut haben, sich zu blamieren. Er muss sich nicht als der Unfehlbare zeigen, der alles weiß und nie irrt, sondern als der Unermüdliche, der immer sucht und vielleicht manchmal findet. Warum Halbgott sein wollen? Warum nicht lieber Vollmensch?“                                                                                  Arnold Schönberg, Harmonielehre, Wien 1922 

 

Walter Hövel
KinderKonferenz
Kinder anders beobachten

Die KinderKonferenz der Grundschule Harmonie findet seit 1998 am ersten Konferenzmontag des Monats statt. Es nehmen alle Lehrerinnen, Sozialpädagoginnen und Lehramtsanwärterinnen an dieser zweistündigen Sitzung teil. Acht Jahre lang begleitete uns eine Mitarbeiterin der kommunalen Familienberatung und brachte ihr systemisches Denken aus der Beratungsarbeit in unsere ebenfalls systemische Menschen- und Lernbetrachtung ein. 

Viele Jahre lang nennen wir diese Konferenz nun schon „Kinderkonferenz“. Dies führte bei Besuchern oft zu der Frage, ob an dieser Konferenz Kinder teilnähmen. Andere Schulen nannten ihre Kinderparlamente „Kinderkonferenzen“. Wir überlegten oft den Namen zu präzisieren.

Fragen aus der KinderKonferenz

Aus der Arbeit erwachsen immer neue Fragen  

Wozu nutzt dem Kind sein Verhalten? Wozu brauchte das Kind das? Was stört es? Will es geleitet werden? Besteht es auf Selbstständigkeit? Handelt es selbstständig? Welches Selbstwertgefühl hat es? Welches Erwachsenen-, Lehrer-, Kinder-, Eigenverhalten nervt es? Wie geht es mit Konsum um? Wie reagiert es in Doublebind-, Unverständnis- oder Missverständnissituationen? Sieht es Probleme bei sich selbst? Welche? Sieht es Probleme bei Lehrern? Sieht es Probleme bei Mitschülern? Sieht und benennt es Probleme? Welche Probleme erkennt es?

Hat es Strategien zur Veränderung von Problemen? Was will es über gute Absichten hinaus machen? Will es überhaupt reden? Wo? Wie? Wann? Über was? Sind wir auf Augenhöhe? Wie stelle ich Gesprächssituationen her? Weiche ich dem Kind aus? Gibt das Kind die Erlaubnis zum Gespräch? Wann ist es zufrieden? Wann bleibt es länger bei einer Sache? Was muss passieren, damit es (positiv/negativ) reagiert? Was kann das Kind? Was kann ich? Welche Potentiale glaubst du zu sehen? Welches verdeckte Wissen glaubst du bei ihm zu sehen? Wo ist das Kind Experte? Ist es Experte der eignen Angelegenheiten? Was braucht es? Welches „Eigen-Lernprogramm“ braucht das Kind? Zu welchen Menschen hat es auffallend enge oder positive Beziehungen? 

Wir hatten diese Konferenzform eingeführt, um Kinder ganzheitlich und als gleichwertige Menschen zu verstehen. Wir wollten die Rechte der Kinder stärken. Wir katalogisierten die Kinder nicht in Schubladen von Schwächen, Förderbedarfen, Krankheiten und Behinderungen, Hochbegabungen und Außergewöhnlichkeiten. Wir schauten unsere Beziehungen im Dreieck „Kinder – Erwachsene – Lernen“ an. Wir schufen eine echte

Inklusionskonferenz, die sich die systemische Betrachtung selbst lernend beibrachte. Da das systemische, konstruktivistische Denken aus den Kommunikationswissenschaften entstand, dachten wir über die Bezeichnung „Kinderkommunikationskonferenz“ nach. Schließlich ging es uns darum den demokratischen Weg des Lernens für Alle zu verbreitern. Diesen Weg finden wir in dem Maße, wie es uns gelingt Wege zur Kommunikation mit Kindern zu finden. Der alles umschreibende Name wäre am ehesten: „Konstruktivistisch selbst organisierte und selbst bestimmte kollegiale Fallberatung zum eigenen Lernen unter Anerkennung der Kinder als Menschen und ihren eigenen Lernwegen“. Auch wenn es um unser eigenes und(!) das Eigenlernen der Kinder geht, blieben wir letztendlich beim Wort „KinderKonferenz“, da das Kind mit seinem Lernen und seinen Beziehungen im Mittelpunkt steht.

Fragen aus der KinderKonferenz

Wie lernt das Kind? Wendet es Wissen oder Selbsterkanntes an? Wie reagiert es auf träges Wissen? Wie arbeitet es? Wie spielt es? Spielt es mit anderen? Wann wird es aktiv? Wann entwickelt es Vertrauen? Wen versteht es? Wann entsteht Aggression? Wie weit gehen Aggressionen? Gegen sich selbst? Gegen andere? Gegen Dinge? Streitet es beim Spiel? Wie reagiert es auf Gewalt? Schlägt, schreit, weint, schweigt, beschimpft, verletzt es?

Läuft das Kind weg? Stört es „absichtlich“ oder gezielt? Stört die Störung? Wie bleibt es beim Arbeiten und Lernen? Hat es Probleme mit dem Hören, Sehen, andere körperliche Probleme und gibt es einfache Inklusionslösungen hierzu? Welche Barrieren können weggeräumt werden? Was oder wer hindert das Kind an seiner Teilhabe? 

Wann sehen wir Resignation? Wann fordert es Fürsorge? Wann reagiert es mit Gleichgültigkeit? Wann zeigt es Engagement? 

Wann entsteht übergroße Anhänglichkeit?

Der Verlauf der KinderKonferenz

Immer eine andere Kollegin, die die Sitzung auch leitet, beginnt mit der Vorstellung eines Problemfalls. Sie erzählt was sie bei einem Kind, ihr selbst, den Mitschülerinnen, den Eltern, was sie in Lern- Spiel-, Arbeits- Stress- oder Entspannungs-, Erfolgs- oder Misserfolgssituationen wahrnimmt. Es geht nicht darum, über „problematische“, „schwache“ oder „schwierige“ Kinder zu reden, sondern es geht um unsere Probleme, die wir in der LernKooperation mit Kindern haben, sehen und wahrnehmen. Sie berichtet über Unter- und Überforderung, Probleme, Lösung, Blockaden, Kompetenzen, Ansprechbarkeit, Beratungsannahme, Vermeidungsstrategien, wann das Kind lacht, wann es leise oder laut wird, wie es aggressiv, sanft oder auf andere Art reagiert. Sie berichtet wie sie selbst verhält, Mitschüler, das familiäre oder das Wohnumfeld.

Wir fragen nach, erinnern uns an vergleichbare Situationen, denken nach über die  Bereiche der Wahrnehmungsfähigkeit des Kindes, über Arbeitsleistung und Lernentwicklung, Verantwortungsübernahme, Selbständigkeit, Selbsteinschätzung, Selbstwertfühlens, Belastbarkeit in der Beziehungsgestaltung mit Lehrerinnen, Kindern und Eltern in

verschiedensten Situationen. Wir reden über Entwicklung der Persönlichkeit, Arbeitsstrategie und Lernkompetenzstufen. Wir fragen bei der Kollegin nach, wie es ihr mit dem Kind geht, wann sie es annehmen kann, wann sie auf Handlungen des Kindes  ungeduldig oder gar ungehalten reagiert, wann das Kind welche pädagogische oder inhaltliche Interventionen von Erwachsenen oder anderer Kinder annimmt. Auszüge aus dem Protokoll einer KinderKonferenz

Die Klassenlehrerin erzählt wir unterbrechen durch Fragen, ergänzen durch eigene Beobachtungen und Gedanken (in der Reihenfolge des Verlaufs): 

„Das Kind zeigt Unlust, es wirkt belastet, manchmal glauben wir, dass es zu einer List greift, um nicht zu arbeiten. Es schaut nicht wie andere Kinder, Trauer und Ablehnung scheinen in seinem Blick zu sein. Es hat ständig Stress, ist langsam, es fehlt ihm Energie. Die Lehrerin hat das Gefühl nicht an das Kind heranzukommen, abgelehnt zu werden. Es kann sich „ausschalten“. Seine Handlungen sind oft, ’unpassend’, nicht extrovertiert aggressiv, eher zieht es sich in eine uns nicht erreichbare oder verstehbare Innenwelt zurück. Es redet nicht über sich selbst, es hat schon lange zugemacht.

Fragen aus der KinderKonferenz

Was kann das Kind nicht? Was vermeidet es? Was macht es, wenn es nichts macht? 

Zu welchen Menschen hat es auffallend negative Beziehungen? Was oder wen sucht es? Erkennt es was anderen nutzt? Erkennt es, wo sein Handeln ihm und anderen schadet? Was mag es nicht? Hast du eine Strategie mit dem Kind zusammen zu arbeiten? Ist deine Strategie demokratisch? Hast du eine Strategie des eigenen Vorgehens? Bist du willens von dem Kind zu lernen? 

Wie sieht das Kind Schule? Sieht das Kind die Schule als Zwangsveranstaltung, Flucht vor Zuhause, Treffpunkt mit Freunden,

Lernchance, Arbeitsplatz, als zweites Zuhause, als Selbstverständlichkeit,…? 

Nutzt das Kind die eigene Gesprächsführung zur Verteidigung, oder ziellos, automatisiert, zur Selbstdarstellung, um Dominanz zu erlangen, zur eigenen Lernstrategieentwicklung, um gesehen zu werden, zur Beziehungsaufnahme,  zur Bindungsüberprüfung, zum SelbstVerstehen, aus Spaß am Reden, zuhörend, …? 

Was können wir mit dem Kind an der Arbeitsorganisation ändern? Was können wir am Lernprogramm ändern? 

Es ist ‚genügsam’, in seinen guten Phasen eine ‚nettes Faultier’. Es hat das zweite Schuljahr auf Antrag der Mutter wiederholt. Dieses Mehr an Zeit hat ihm keinen entscheidenden Gewinn gebracht. Es hat eine schwere Zeit des Leidens durch die Trennung seiner Eltern hinter sich. Die Mutter hat den Vater aus Erziehung und Schule herausgehalten. Jetzt ist die Trennung vollzogen, das Kind lebt bei der Mutter, die Verhältnisse sind geklärt. Es gibt nun feste Besuchszeiten beim Vater, der sich jetzt gezielter und bewusster um seinen Sohn kümmert. Das Kind ist ausgesprochener Experte für Tiere. Erst erzählte es so gut wie nichts, jetzt entpuppt es sich als ein begnadeter Geschichtenerzähler im Kreis. Sein Sprachschatz ist auf einem hohen Niveau, es gebraucht – ohne das es altklug wirkt- auffallend oft Fremdwörter. Im vorigen Jahr hatte es mit einem Mitschüler eine ‚negative Stütze’, es hat sich nach dem Weggehen keinen ‚Ersatzpartner’ besorgt. Wir fragen nach seinem Selbstwertgefühl, kommen aber nicht weiter. Es fügt sich nur eine weitere Facette seines Verhaltens hinzu. Es dreht sich oft einfach nur im Kreis, wie ein Hospitalismus geschädigter Löwe. Es schreibt nicht gerne, seine geschriebenen Texte sind weit entfernt von seinem mündlichen Können, seine Schrift ist nicht entwickelt. Es vermeidet Schreiben wo es nur geht. Aber es wendet sich immer wieder an hospitierende Gäste und bittet sie mit ihm oder für ihn zu schreiben. Einem Kollegen fällt der Freinetkindergarten PrinzHöfte in Norddeutschland ein. Dort gab es ‚Sekretäre’. Dies sind Kinder, die bereits schreiben können und für noch nicht schreibende Kinder aufschreiben. Also wird sofort beschlossen, dass wir im Klassenrat anfragen, wer für unser Kind –falls es will - als Sekretäre zur Verfügung stehen möchten. Wenn es oft unglücklich und freudlos erscheint, so verändert sich seine gesamte Aura, wenn es im Forum die Fische füttert und pflegt. Das Kind scheint alles das gerne zu

Fragen aus der KinderKonferenz

Was können wir an der Umgebung ändern? Was können wir an der Beziehung ändern? Was können wir an den Bindungen ändern? 

Schreibt das Kind eigene Texte? Arbeitet es an eigenen Themen? Hat es eigene Fragen? Malt es? Tanzt es? Mag es Rechtschreibung? Wie verhält es sich zu Mathe? Liest es? Was? Redet es gerne? Hört es zu? Gestaltet es? Macht es Musik? Präsentiert es Ergebnisse?

Arbeitet oder spielt es mit Material? Macht es Sport? Schreibt es in einer eigenen lesbaren Schrift? Kann es sich richtig einschätzen? Verträgt es Kritik? Verträgt es Misserfolge? Hat es Erfolge? Lacht es? Wovor hat es Angst? Was freut es? Wobei „verliert“ es sich? Wann, wo, wie, kann das Kind sich entspannen? 

Was nimmst du mit aus der Kommunikationskonferenz?

tun, was nicht Schule ist. Es ist in Mathe extrem schwach. Es hat noch fast zwei Jahre Zeit bei uns. Es liest nicht viel und das in einer Umgebung mit Bücher verschlingenden Mitschülern und Büchereien in allen Teilen der Schule. Es hat ‚Aussetzer’, es sitzt vieles aus. Es verläuft sich in seinem eigenen Kopf’. Es ist mit seinen eigenen Zwischenergebnissen nicht zufrieden und bringt – enttäuscht von sich selbst – seine Arbeiten nicht zu Ende. Und dies basiert auf einer recht realistischen Einschätzung. Es wirkt kraftlos, es kann sich selbst – auch im Sportunterricht – nicht hochziehen. Wir fragen uns noch einmal Richtung Eltern, ob das Kind nicht –zumindest eine Zeit – ‚lästig’ war, oder es diesen Eindruck gewinnen musste. Es taucht gerne unter. Worauf die Frage gestellt wird, ob es schwimmen kann. Nun taucht die entscheidende Frage auf, was wir und es tun sollen. Und wir waren entscheidungsfähig. Wir werden auf keinen Fall an seinem ‚Sozial- und Arbeitsverhalten’ arbeiten. Wir werden es den größten Teil seines schulischen Alltages alles das machen lassen, was für es nicht Schule ist. Es soll als anerkannter Experte über Tiere forschen und erzählen, es soll basteln, bauen und am Computer Powerpoints und Oberflächenprogramme erstellen. Vor allem aber werden wir es lassen. Wir haben beschlossen es zu fragen, ob es in Mathe und Schreiben von vorne anfangen will, ohne ein Jahr zu wiederholen. Das heißt, dass es einige Stunden pro Woche in unserer Lounge und in der Klasse mit Mirja, einer ihn begleitenden Kollegin verbringt, um das gesamte Lernen in diesen Bereichen noch einmal zu durchlaufen. Die Klassenlehrerin arbeitet mit ihm nur auf seine Anfrage in der Klasse.  

Ergebnisse der KinderKonferenz

Es war einverstanden. In der Folgezeit verlor es „seinen Blick“. Es brachte seine Chamäleons und seine selbst gezähmte Zauneidechse mit, arbeitete immer kooperativer und freudiger. Alle zwei Wochen gab es ein kurzes Treffen von Kind, Mutter und Klassenlehrerin bei dem die Perspektive für die nächste Zeit besprochen wird. Die Kulturtechniken holte es langsam auf. 

Es kam den Zielen von Schule näher denn je. Und näher zu sich selbst. Lernen in einer befreiten und demokratischen Umgebung kann wie eine Lerntherapie wirken. Allerdings braucht der Mensch dazu weder einen Coach noch eine Therapie. Selbstbestimmtes Lernen als Aufbau der eigenen Lernerpersönlichkeit bleibt die Absicht unseres Handelns.

Dies ist die Wiedergabe dieser KinderKonferenz mit großen Lücken. Es ist noch vieles anderes gefragt und gesagt worden. Es fehlen auch die Teile, in der wir die Rolle der Lehrerin hinterfragten. Jede Konferenz hat ihren eigenen Verlauf! In der einen steht mehr das Handeln und Verhalten der

Fragen aus der KinderKonferenz

Haben wir ein Bild, eine Metapher, ein Slogan für das, was wir sehen? Wie ist das Systemnetz zu beschreiben, in dem die Personen und Störsituationen geschehen? Können wir das Problem benennen? Können wir unser Ziel benennen? Kann das Kind sein Ziel benennen? 

Erinnert das Gehörte an etwas Bekanntes? Gibt es Ähnlichkeiten und Unterschiede zu vorherigen Erfahrungen und Begegnungen? 

Was kann ich erreichen? Was will ich erreichen? Was will das Kind erreichen? Was will das Kind? Was sind meine Fragen (ohne warum)? Habe ich das Gefühl einen klaren Blick auf das Kind zu haben? Oder ist er vernebelt, diffus, doppelt, widersprüchlich, versteckt, verschwommen, unsichtbar, …? 

Macht das Kind seinen Weg selbst?

Lehrerin im Mittelpunkt, in den anderen die Untersuchung der Wahrnehmungs- und Denkfähigkeit des Kindes, das familiäre und soziale Umfeld, die von Eltern übertragenen Ängste oder familiären Aufstellungen, das Zuhilfeholen außerschulischer Experten, konkrete einzelne Ideen und Maßnahmen zur Verbesserung der Methodik der Arbeitsprozesse, der Strukturierung von Lernen oder einer besseren Sinnfindung der schulischen Arbeit. Maßnahmen können ein Klassenwechsel, Vereinbarungen mit Eltern über das häusliche „Lernprogramm“, besondere Aufgaben in der Gemeinschaft, Leadershipausbildung, Veränderungen des Arbeitsplatzes, paradoxe Interventionen oder laterale Entscheidungen sein. 

Wir beschließen Strukturen unserer Schule, Teilbereiche oder Einstellung zu erweitern oder zu verändern. Wir arbeiten an der Erweiterung unseres Verhaltens- und

Handlungsrepertoires, der Überprüfung der Ergebnisse unserer Entscheidungen und der Reflexion der eigenen Haltung.

Die KinderKonferenz lernerwärts

Diese Kommunikationskonferenz ist seit 1997 tragendes Element unseres Schulprogramms. Sie ist nicht Mittel eines kompensierenden Förder- oder Verstärkerprogramms, sondern das gesamte Arbeiten und Lernen unseres Schulalltags ist die Forderung an jedes Kind und jede Lehrerin, die Selbstförderung des eigenen Lernens zu erlernen. In einer schlechten Schule kann das Kind durch Noten, Sitzenbleiben und das in eine „untere“ Schulform, wie Förderschule oder Hauptschule, das Hinausselektiertwerden erfahren. Das selektierende Schulwesen provoziert dass das Kind nicht gefördert und so auch nicht gefordert wird. 

In einer fördernden Schule kann es passieren, dass Kinder sich „auf die Förderung verlassen lernen“. Dies kann zum Erreichen schulischer Mindestleistungen führen, aber muss nicht die Entwicklung der vollen Lernkompetenz bedeuten. Wir versuchen nicht das optimale Lernprogramm für ein Kind, sondern es dem Kind zu ermöglichen, sein originäres Lernprogramm selbst zu finden.

Wir sehen alle Bereiche unserer Schule unter dem Begriff des eigen-verantwortlichen und selbst bestimmten Lernens. Das bedeutet, dass alle Kinder lernen, sich selbst in jeder Phase und jeder Art ihrer Arbeit zu fordern und fördern. Lernen bedarf der Hilfe der Gemeinschaft, der Hilfe von außen, der Hilfe von Experten und Informationsmitteln. Menschliches Lernen ist immer ein individuell verantwortetes und gesteuertes Lernen im Kontext des Wissens, Denkens und Handelns der Gesellschaft. Jedes individuelle Lernen ist erst in dieser Lerngemeinschaft entstanden und entwickelt worden. Es spielt bei Menschen, hier Kindern einer Grundschule, „nur“ noch eine Rolle, ob sie eigenständig lernen wollen und können, ob sie uns und sich selbst ihr Ja zu Erziehung und zum Lernen geben. Wenn sie dies tun, gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Fordern und Fördern, es wird zum kooperativen Lernen in einer „fordernden Umgebung“, die selbst verantwortetes, offenes und demokratisches Lernen als Grundprinzip ihrer Arbeit sieht. 

Durch unsere KinderKonferenz-Arbeit kennen alle Lehrerinnen und Lehrer (fast) alle Kinder unserer Schule. Bei einer selbst organisierten supervisionierenden Fallberatung gibt es keine Konkurrenz zwischen Lehrerpersonen. Probleme sind nicht lästig, peinlich oder Signale des individuellen Lehrerinnen- oder Lehrer-Versagens sind. „Problemlösen heißt“ bei uns im Sinne Karl Poppers „leben“ und als Institution Schule ‚lernen’. Kinderkonferenzen sind fantastische schulinterne Fortbildungen auf allen Ebenen der Soziologie, Psychologie, Pädagogik und Politik (nicht nur im Sinne Deweys).  

Unsere Grundhaltung

Wir suchen nicht die „Schwierigkeiten des Schülers“ oder den „schwierigen Schüler“. Wir arbeiten am Bezug jedes Menschen zu sich selbst, zu anderen Kindern, Erwachsenen, zur Schule und zur Welt. Wir lassen uns auf jedes Kind neu ein! Wir stecken sie nicht in Analyseschubladen durch stigmatisierende und distanzierende Diagnose a la MCDler, ADHSler, Autisten, Lernbehinderte, Hochbegabte, Unterforderte, Erziehungsschwierige oder Förderschüler, um sie dann mit didaktisch-pädagogischen Medikamenten oder Heilmethoden zu behandeln. Wir entscheiden uns gegen die gebannte Defizitorientierung der grundsätzlich zuerst kompensatorischen Erziehung. Wir setzen an die vorhandenen erreichbaren Möglichkeiten jedes Kindes an. Wir sehen Kompetenzen der Menschen zuerst und haben die weitere Entdeckung und Entwicklung von Kompetenzen zum endlichen Ziel unserer Arbeit. 

Wir schauen uns besonders unsere Gestaltung der Beziehungsverhältnisse als Lehrerin, Kollegium und Institution Grundschule Harmonie zu jedem Kind und der von ihm mitgebrachten Umgebung an. Die Beziehungen entscheiden mit dem Lerner selbst über von ihm selbst ausgesuchte Inhalte seines eigen verantworteten und selbst gesteuerten Lernens. Diese Prozesse der aktiven Beziehungsgestaltung brauchen eine Atmosphäre der demokratischen Kommunikation. Die Inhalte des Lernens verlangen nach Strukturen des Zusammen-Lernens einer Schule und Formen des Erlernens für jeden Einzelnen. Diese Strukturen bauen wir mit dieser Grundhaltung im ganzen Bereich der Schule und in der KinderKonferenz im Besonderen auf. Im gleichen Sinne arbeiten wir mit Kindern in den täglichen Klassenräten, den Beratungsgesprächen „Kind-Eltern-Schule“, in allen Situationen unseres schulischen Alltags.

Fragen aus der KinderKonferenz

Braucht das Kind Hilfe? Braucht die Mutter Hilfe? Braucht die Familie Hilfe? Gibt es materielle Gründe zur Hilfe? Gibt es familiäre Gründe zur Hilfe? Gibt es psychologische Gründe zur Hilfe? Gibt es medizinische Gründe zur Hilfe? Gibt es psychologische Gründe zur Hilfe? Wer kann diese Hilfen geben (Sie sind nicht Aufgabe der Schule!)? 

Gibt es pädagogische Gründe zur Hilfe? 

Will es keine Hilfe? Will es in Frieden gelassen werden? Will es überhaupt Hilfe? 

Erfährt das Kind Gewalt? Gibt es einen Verdacht auf Missbrauch?  

 

So werden Strukturen endlich zu dem, was sie sein sollen, zu helfenden Orientierungen und nicht zu vorgegebenen oder erzwungenen Lern- und Lebenswegen. Wir bewerten und benoten nicht, wir suchen Werte und Wertvolles. Wir suchen Wege und Chancen, die uns an Prozessen orientierte Lösungen für jedes einzelne Lernprogramm finden lassen. Wir stellen und führen in unserer Konferenz Kinder nicht vor, sondern wir stellen Verhalten, Umfeld und Prozesse dar, um sie, das Kind und unser bisheriges und zukünftiges Handeln zu verstehen, zu entscheiden und zu verantworten. Wir fragen immer wieder „Und was nun?“ und dies braucht auch immer wieder Kraft, Mut und viel Wissen.

Wir nehmen keine isolierte Sicht auf ein Kind, sondern suchen immer wieder die Erweiterung unseres Engagements. Ziel jeder Erörterung dieser Konferenz ist die Verschiedenheit und Vielfalt der Kinder durch die individuelle Besonderheit aller Maßnahmen zu würdigen. Sie brauchen flexible, viable und immer einzigartige Unterstützung von Lernenden und Lehrenden. Alle unsere Konzepte müssen ein Angebot an das Kind bleiben, professionell, überzeugend und erfolgreich, und von jedem Kind durchschaubar, in eigenes positives Handeln umsetzbar. Wenn wir uns unseres Könnens und unserer Verantwortung bewusst sind, finden wir auch heraus, warum ein Kind zu unseren Vorschlägen Nein sagt und sagen darf.

Wir schauen im Sinne Vygotzkys immer auf die nächste Zone der Entwicklungsmöglichkeit des Lernens jedes Kindes und von dort aus auf die Lernumgebung. Wir schauen uns die Klasse an, die Cliquen, die Peergroups und besondere, wie etwa die Ganztagsgruppe. Wir schauen auf ihre Lernwege genauso wie auf die Straße vor ihrem Haus. Wir analysieren das Lebensumfeld, wir beziehen möglichst alle Aspekte mit ein, achten aber auf unsere Grenzen und möglichen

Fragen aus der KinderKonferenz

Will ich mit dem Kind arbeiten? Kann das jemand anders besser als ich? Was kann ich nicht? Wer kann das Kind unterstützen? Wer kann mich unterstützen? Was belastet dich im Umgang mit dem Kind? Belastest du das Kind? Was mache ich wie die Mutter oder der Vater, was mache ich anders? Stimmen die Arbeits-Lern- Erziehungs-Ziele der Familie und Schule überein? Welche Unterschiede gibt es? 

Manipuliere ich das Kind oder sein Verhalten? Willst du das Kind verändern, oder solange beraten, bis es einen eigenen Weg geht? Traust du ihm zu den eigenen Weg zu gehen?

Fragst du es nach den eigenen Lösungen? Was braucht das Kind, die Lehrerin, die Schule, das System? 

Was muss passieren, damit du eine andere Person oder ihr Verhalten ablehnst? Was ist es, was dich stört? Was erkennst du in Systemen, die dich stören? 

Was macht das Kind nach der Schule? Hat es Freunde? 

Bist du sicher, dass du das Kind nicht “zwangsbeglücken” willst? Weißt du, was das Kind selbst will? Was will das Kind? Erkennt es, was es will? Erkennt es, was ihm nutzt?

Grenzüberschreitungen, die uns aus der Schule hinausführen. Wir denken uns „Dazu-Lern-Programme“ aus, ohne das konkrete Handeln aller Beteiligten zu vernachlässigen. Wir machen Verhaltensaspekte für Kinder transparent und beschreiben nicht Einschränkungen und Verbote, sondern entwerfen sofortige Möglichkeiten des positiven Handelns und gegebenenfalls der Einübung eines anderen Verhaltens. Wir kombinieren Leistung und Persönlichkeit unter handlungsorienterten Aspekten. Wir bieten keine isolierten Programme an! Beide Aspekte der Erfahrung im Sinne Deweys „Experiences“ werden zugelassen und dem Kind das eigene Lernen in Beziehung zur Schule gelassen. Diese „Lösungen“ dürfen weder für das Kind, die Mitschülerinnen, die Lehrenden, noch die Eltern eine größere Belastung sein. Neue Maßnahmen und Aktivitäten müssen entlastend sein! Ein höherer Einsatz, mehr Anstrengung, mehr Sich-Mühen darf nicht von sich selbst entfremden, sondern muss befriedigen. Wir finden immer Nicht-Sinniges oder Überflüssiges, das wir dafür weglassen können.

Das System ist der Gegenstand der Untersuchung, dieses kann in seinen Inhalten und Formen verändert werden, nicht Menschen, die verändern sich nur selbst. Wir brauchen keine durch und durch lässige Menschen, sondern wir müssen unsere Systeme durchlässig gestalten. 

Unsere Arbeit orientiert sich an unseren Richtlinien und Lehrpläne, unter besonderer Betonung der Entwicklung von demokratischen Grundhaltungen beim Lernen und Leben, der Entwicklung von Kompetenzen auf allen Ebenen. Dabei schauen wir mit einem systemischen Blick auf unser eigenes Schaffen. Wir gehen von einer demokratischen Haltung gegenüber dem Lernen und den Lernern aus, erarbeiten Beschreibungen von möglichem positiven Verhalten, kommen zu Verhandlungen mit den Kindern, uns selbst und den Eltern und streben positive Handlungen an, die wiederum zu einer eigenverantwortlichen Haltung führt. Wir setzen unsere Haltung in konkrete Handlung um. 

Dabei geht es nicht darum, dass Kind “möglichst freiwillig” unsere Haltung zu übernehmen haben. Unsere Hauptaufgabe ist, weil wir beim Lernen sind, dass sich die Kinder der eigenen Verantwortung für den Aufbau des einen Verhaltens bewusst sind und sie sich selbst befähigen, sich selbst zu steuern und zu bestimmen. Unsere Verantwortung ist unser eigenes Erwachsenen-Handeln zu begreifen, zu kennen und so anzubieten, dass es Sache der Kinder ist, was sie übernehmen und was nicht.

Unsere Arbeit darf nie zur therapeutischen oder sozialen Arbeit mutieren, sie ist und bleibt Arbeit am Lernen selbst. Wir sind verantwortlich dafür wie eine Schule lernt (- nicht wie die Kinder lernen -) und wie wir die Lernumgebung Schule optimal gestalten, damit die Kinder für ihr eigenes Fordern und das Verantworten des eigenen Lernens, selbst und für sich selbst, lernen können, indem sie es tun! Das Lernen ist Sache der Kinder.

Während wir Erwachsene noch lernen, „das Kind“ anders zu beobachten, ist es vielleicht eher so, dass die Kinder uns beobachten. Sie beobachten uns, um erwachsen zu werden. So werden sie ein Stück wie wir.

 

Und damit wären wir dann im guten alten pädagogischen Sinne wieder dabei, unser eigenes Handeln zu beobachten, damit Kinder nicht so werden wie wir waren. Sie sollten die Chance bekommen, die zu werden, die sie sind. Und wir hätten die Chance beobachtend zu verstehen, wie sie werden, wer sie sind.