Mit Ute Geuß war ich 1987 Verbindungslehrer*in an der Hauptschule Wuppertaler Straße in Köln-Buchheim. Die Schüler*innen gaben den "Buchheimer Trichter" (in gewollter Anspielung auf den "Nürnberger Trichter" als Mittel der Wissenseinflößung) raus, ihre "Schüler*innenzeitung". Welch eine Übertragung auf CORONAzeiten 35 Jahre später möglich ist!

 

 

 

Das Interview selbst wurde vom damaligen Rektor Manfred Dahl verboten.

Somit erschienen die folgenden,

 

"Ergänzungen zum Interview mit Walter Hövel zur Aids-Frage".

 

 

 

Einige Menschen an unserer Schule waren der Meinung, daß in meinem Interview einige Dinge missverständlich ausgedrückt sind. Da dies in der Tat so ist, möchte ich noch einige Sätze zu diesem Thema schreiben:

 

Ich halte AIDS für eine sehr gefährliche Krankheit, vor der sich jeder auf jede Weise schützen sollte. Auch bin ich der Meinung, daß an den Schulen alle Menschen, die dort arbeiten oder lernen, so gut wie irgendwie möglich über die Ursachen, Folgen und Schutzmaßnahmen Informationen bekommen sollten.

 

Meine Kritik setzt erst dort an, wo das Trinken aus der Coladose der Mitschüler, das Küssen der Freundin oder des Freundes oder der Besuch des Zahnarztes unter AIDS-Infektions-Verdacht kommt.

 

Es kann durchaus sein, daß diese Dinge zur Infektion führen, aber wenn wir alle Gefahren weiterdenken, haben wir bald einen Zustand, wo keiner mehr mit anderen Menschen Kontakt aufnehmen könnte, wo wir uns am Besten in Gummitütchen packen können, um mit anderen nicht in Berührung kommen zu dürfen. In diesem Sinne halte ich es für „idiotisch“ zu glauben, man könne sich wirklich vor dieser Krankheit schützen. Das konsequente Weiterdenken dieses Schutzdenkens führt uns in eine unmenschliche, kontaktfeindliche Gesellschaft.

 

Hinzu kommt, daß es zwei Arten von Aufklärung über AIDS gibt, die ich bedenklich finde. Die erste Art ist oben beschrieben. Diesen Leuten unterstelle ich allerdings nicht (!), daß sie eine Gesellschaft der Kontaktlosigkeit wollen, sondern, daß sie wirklich vor dieser Krankheit warnen wollen.Allerdings sollten sie sich Gedanken darüber machen, welche Nebenfolgen ihr gut gemeintes Verhalten haben kann.

 

Die andere Art der Aufklärung kommt von Leuten, die diese Krankheit dazu benutzen, das zu sagen, was sie schon immer gedacht haben: Jugendliche sollen nichts mit Liebe und Sexualität zu tun haben, diese gehöre nur in die Ehe.Ich sehe schon, daß sexueller Kontakt schwieriger geworden ist, daß es vielleicht bei vielen zu einem viel vorsichtigerem sexuellen Verhalten gekommen ist. Aber meiner Meinung nach haben Jugendliche das Recht auf Austausch von Zärtlichkeiten, das Recht auf Sexualität.

 

Hier den richtigen Weg zwischen Sexualität und dem Schutz vor AIDS zu finden, halte auch ich für schwierig. Aber Angst und Panik scheinen mir nicht der richtige Weg.

 

 

In diesem Sinne,

 

Walter Hövel