In Europa Demokratie leben
Kontakte knüpfen
Korrespondenzen führen
Konflikte lösen
durch Kommunikation und Kooperation
von Schulen und Hochschulen
Projektinhalte umsetzen
Comenius-Schulentwicklungsprojekt
2004 – 2007
Dokumentation – Nummer 1/2005
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Impressum
Für den Inhalt verantwortlich
Mag. Pia-Maria Rabensteiner – Koordinatorin
pia-maria.rabensteiner@akademie.klu.at
Layout: Mag. Pia-Maria Rabensteiner und
Mag. Harald Wiltsche
Pädagogische Akademie des Bundes in Klagenfurt
Hubertusstraße 1, A-9022 Klagenfurt
Tel: +43/463/23 7 85; Fax: +43/463/23 7 85 99
Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung der jeweiligen Autorin/des jeweiligen
Autors wieder.
Juli 2005
3
INHALT
Das Projekt
Comenius Schulentwicklungsprojekt 2004-2007
„In Europa Demokratie leben“:
Zwischenbilanz der Projektaktivitäten im 1. Projektjahr –
Schuljahr 2004/05 5
Eine „Schule für alle“ in Europa 10
Involved Schools/involved institutions – April 2005 14
2nd Projectmeeting April 2005 – Eitorf/Germany
Invitation to the 2 nd Projectmeeting 16
Participients of the 2 nd meeting 18
Schoolreport/Schoolvisit
Gesamtgrundschule Harmonie – Eitorf 20
Minutes
Current minute 29
Minutes - Saturday 30
Minutes – Sunday 32
Minutes – Monday 41
Minutes – Tuesday 54
Publication and newspaper articles
Kinderrechte - Zur politischen Bildung in der Grundschule 68
Schulpraktische Überlegungen zum Thema Klassenrat 79
Die Kunst, das Lernen und die Demokratie 90
10 Jahre Grundschule Harmonie 94
Evaluation/Reports 101
Konkrete Umsetzungen seit dem Projekttreffen im Oktober
Besuch des österreichischen Bundespräsidenten, Herrn Dr. Heinz Fischer,
an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Kärnten 128
Aktivitäten im Rahmen der Schulentwicklung an der VS 20
im Schuljahr 2004/05 130
Fragebogen – „Demokratie lernen und leben“ 133
Praxisforschung
Projekt: Andere Länder – andere Sitten 143
Comenius 1 – Šolski razvojni projekti 2004/2005
Demokracija v šoli 144
Šolska pravila v Osnovni Šoli Žirovnica 2004/05 149
Activities of Debate club 167
Reflexion des Comenius-Projekttreffens an der PA in Klagenfurt 168
Termine für das nächste Treffen in Schuljahr 2005/06 169
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Das Projekt
5
Comenius-Schulentwicklungsprojekt 2004 – 2007
„In Europa Demokratie leben“
Mag. Pia-Maria Rabensteiner
Pädagogische Akademie des Bundes in Kärnten
Projektkoordinatorin
Zwischenbilanz der Projektaktivitäten im 1. Projektjahr – Schuljahr 2004/05
Schüler/innen, Student/innen, Lehrer/innen und Professor/innen aus sieben EULändern
nehmen mittlerweile an dem internationalen Schulentwicklungsprojekt mit
dem Titel „In Europa Demokratie leben“ teil. Beteiligt sind Schüler/innen und Schüler
aus Österreich, Slowenien, Deutschland, Spanien, Finnland, Estland und Litauen –
von der 1. bis zur 12. Schulstufe. Die kindorientierte Arbeit in den unterschiedlichen
Klassen bildet dabei den einen Schwerpunkt. Sitzungen im Klassenrat, Sitzungen im
Schulrat, Mitbestimmung bei Lerninhalten, Planung eigenen Unterrichts, Kennen
lernen und Konfrontation mit fremden Kulturen und fremden Religionen, Selbsttätigkeit
und kooperatives Handeln im Rahmen freier Arbeitsphasen uvm. sind einige der
schulischen Umsetzungen des Schulentwicklungsprojektes. Neben Umsetzungsmöglichkeiten
des „Demokratielernens“ in der Klasse und in der Schule werden Untersuchungen
zu Schulversammlungen und anderen Formen von Kinderparlamenten, Vergleiche
der Lehrpläne durchgeführt.
Welches Ziel steht dahinter?
• Wir diskutieren mit Kindern, zeigen ihnen, wie sie im schulischen Alltag mitbestimmen,
mitgestalten und auch mitverantworten können.
• Durch die vielen Gespräche sollen die Kinder die Wichtigkeit von Konsenseregelungen
erkennen. Das Miteinander und nicht das Gegeneinander sollte im Vordergrund
stehen. Das Lernen, Vereinbarungen einzuhalten und das Lernen, mit Konsequenzen
des Nichtbeachtens umzugehen.
• Wir besprechen und hinterfragen gemeinsam Regeln, Werte, Normen und legen
diese für den Schulalltag fest.
• Wir erziehen Kinder zu Mitgliedern unserer Gesellschaft, die ihre eigene Meinung
vertreten, zu dieser stehen, diese hinterfragen und auch anderen Meinungen kritisch
gegenüber stehen.
• Wir fördern sowohl die Individualität der Kinder, aber auch den Gemeinschaftssinn
und Solidarität.
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• Wir geben den Kindern das „Handwerkszeug“ für das „Demokratielernen“, für den
Weg vom „ICH“ zum „DU“, für die Möglichkeiten der Begegnung mit dem „DU“ ab
der ersten Schulstufe.
• Die Schüler/innen erlernen einen respektvollen Umgang miteinander, sie lernen
Konflikte zu lösen, sie lernen aktiv handelnd interkulturelles, globales, vernetztes
Lernen.
• Sie lernen, ihr eigenes Lernen zu planen, dieses selbst in die Hand zu nehmen,
zu reflektieren.
Das ist ein Beitrag zur Persönlichkeitsbildung, zum Erwerb von Selbst-, Sach- und
Sozialkompetenz. In den teilnehmenden Klassen finden sich für dieses Projekt keine
ausgesuchten Kinder. Wir arbeiten mit …
• leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Kindern;
• mit Kindern, die unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten aufweisen;
• mit Kindern, die einem Ideal von „braven“ Kindern entsprechen und mit solchen,
die erst auf dem Weg dorthin sind;
• mit Kindern, die mit sich und der Umwelt Probleme haben;
• mit Kindern mit und ohne Handicaps;
• mit in- und ausländischen Kindern;
• mit Kindern, so wie wir sie in Tausenden von Klassen vorfinden – und dieses
Arbeiten ist nicht immer leicht.
In dieses Projekt sind Student/innen und Professor/innen mit einbezogen, die an unterschiedlichen
Untersuchungen zum umfassenden Themenbereich des Demokratielernens
in der Klasse/Schule durchführen. Es arbeiten neben der Pädagogischen
Akademie des Bundes in Kärnten, das Pädagogische Institut Ljubljana, die Universitäten
Siegen, Tallin, Villnius, Zaragoza und mit. Durch die Teilnahme universitärer
Institutionen sehen sich angehende Pädagog/innen nicht erst in der Schulklasse
mit der Thematik des Demokratielernens konfrontiert, sondern sie erlernen
dies im Rahmen ihrer Ausbildung kennen und setzen erworbenes Wissen wieder in
ihren Schulpraxisstunden um. Es ist notwendig, dass junge angehende Pädagoginnen
und Pädagogen sowohl in der Theorie mit politischer Bildung und „Demokratielernen“
als auch in der Praxis damit konfrontiert werden. Lehrer/innen sind nicht
mehr Vermittler/innen von Wissen, sondern sollen den Kindern als Berater/innen,
Helfer/innen, Begleiter/innen zur Seite stehen.
Comenius` Idee, dass es möglich ist, Allen alles zu lehren, ist in einer schnelllebigen,
dynamischen Gesellschaft, wie wir sie heute vorfinden, nicht mehr möglich. Die
große, weite Welt ist für viele Kinder von heute klein geworden. Reizüberflutungen,
lockende Freizeitangebote, geplante Freizeit, Überbetreuung von Eltern stehen vielfach
nicht „normalen“ Beziehungen zwischen Elternteilen untereinander und gestörten
Beziehungen zu Eltern, Ängsten und Aggressionen der Kinder, Konfliktbereitschaft,
sozialer Verwahrlosung gegenüber. Wir Pädagog/innen müssen uns genau
den Herausforderungen der Differenzierung, Individualisierung und Förderung
stellen, das Eingehen auf individuelle Interessen und Gruppeninteressen lernen und
darauf reagieren, uns in einer Zeit des lebenslangen Lernens selbst permanent wieter
zu bilden und zu fordern. Die Zeit der allwissenden Lehrerinnen und Lehrer ist
vorbei. D. h., dass das belehrende Moment, so wie wir vielfach Unterricht erfahren
haben, vorbei ist. Reagieren wir auf die Kinderinteressen, nehmen wir Kinder im
schulischen Geschehen wahr und ernst, holen wir die Kinder dort ab, wo sie stehen!
7
Wir befinden uns im ersten Abschnitt des gesamten Projektvorhabens. Der offizielle
Projektbeginn fand im Oktober 2004 hier in Kärnten statt (siehe auch Freinet Kooperativ
1/2005). Ohne es zu wissen, waren wir bei der Konkretisierung der Forschungsinhalte
und Forschungsziele in der Planungsphase dem europäischen Gedanken
des Europarates für das Thema „Demokratie in Europa leben und lernen“ im
Jahr 2005 voraus. Als Koordinatorin dieses Projekts erhielt ich vor allem aus Litauen
und aus Estland viele Anfragen, dass Schulen in diesem Projekt partizipieren wollen.
Eine Erweiterung innerhalb der einzelnen Staaten ist sicherlich denkbar, eine
weitere internationale Ausbreitung wäre zwar aufgrund der Forschungsmöglichkeiten
interessant, jedoch organisatorisch nur mehr schwer durchführbar.
Das 2. Projekttreffen fand Ende April 2005 in Deutschland, an der Gesamtgrundschule
Harmonie in Eitorf (Nordrhein-Westfalen) statt. In den Dokumentationen, die
auf drei Ebenen erfolgen, wird die Entwicklung der unterschiedlichen Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten
von Demokratie in Klasse/Schule der beteiligten Schulen im
Zeitraum von 2004 bis 2007 festhalten. Aus der Dokumentation des Projekts, die auf
drei Ebenen erfolgt (Bilder, DVD, schriftlicher Bericht), soll die Entwicklung der
unterschiedlichen Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten von Demokratie in der Klasse/
Schule der beteiligten Schulen im Zeitraum von 2004 bis 2007 festgehalten
werden. Siehe auch: http://www.akademie.klu.at/Projekte/RAP_Gesdok.pdf
Für Pädagoginnen und Pädagogen stellt die Arbeit mit Kindern eine permanente
Herausforderung dar und die unterschiedlichen Aspekte des „Demokratielernens“ in
der Klasse und der gesamten Organisation Schule, der nationale und internationale
Vergleich sollen dazu beitragen, Forschungsergebnisse wieder im eigenen Wirkungsbereich
umzusetzen. Wir sind bei der Weitergabe demokratischer Werte Vorbilder.
Seien wir nicht nur Vorbilder, die kindorientiertes Arbeiten einfordern, tun wir es, leben
wir es!
8
Demokratisches Arbeiten, Lösen anstehender
Probleme, Zivilcourage,
Einsatz für Kinder, die keine Lobby
hinter sich haben, die Probleme haben
und vieles mehr können nicht nur
für die eigene Weiterentwicklung förderlich
sein, sondern ein Beitrag für
ein friedliches Neben- und Miteinander
darstellen. Die unterschiedlichen
Sichtweisen und Facetten von Demokratie,
Aspekte des interkulturellen
Lernens, der Friedenserziehung, der
Kinderrechte, der Menschenrechte
und die Auseinandersetzung mit Demokratie
durch vertiefende Literatur
usw. sollten nicht nur zur persönlichen
Professionalisierung dienen.
Weitere Ziele dieses Projekts sind
auch die Verbreiterung reformpädagogischer,
vor allem kindorientierter
Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten
in den Schulklassen der beteiligten Länder. Im Rahmen der Aktionstage 2005 konnte
unser gemeinsames Projekt bei der Konferenz „Demokratie-Bildung in Europa.
Herausforderungen für Österreich im April 2005“ einem breiten Publikum bei der
Projekt- und IdeenBÖRSE vorgestellt werden.
Die Studierenden der Pädagogischen Akademie des Bundes in Kärnten konnten sich
am „Aktionstag der Politischen Bildung“, am 3. 5. 2005, zu den vielen Facetten des
Demokratielernens Gedanken gemacht, Informationen eingeholt.
Den krönenden Abschluss
bildete der Besuch
unseres Herrn
Bundespräsidenten Dr.
Heinz Fischer. Als
oberster Repräsentant
der Republik Österreich
beantwortete er den
Studentinnen und Studenten
Fragen zum
Thema Demokratie.
Wann hat man sonst die
Gelegenheit, mit dem
Herrn Bundespräsidenten
Fragen zur Demokratie
zu diskutieren?
9
Als Zeichen der Verbundenheit und Solidarität mit dem gemeinsamen Projekt „In
Europa Demokratie leben“ kamen sowohl Kollegin Beate Traar-Krammer, Direktorin
der Volksschule Klagenfurt-Viktring, als auch der Rektor der Grundschule Harmonie,
Herr Walter Hövel, der extra wegen des Besuchs unseres Herrn Bundespräsidenten
von Köln hierher nach Klagenfurt reiste. Für viele Studentinnen und Studenten,
Kolleginnen und Kollegen hinterließ der Besuch des Herrn Bundespräsidenten einen
bleibenden Eindruck.
Am 20. Mai 2005 trafen einander alle Teilnehmer/innen der österreichischen Delegation,
um gemeinsam die Eindrücke des 2. Projekttreffens zu evaluieren. Dieses
Treffen fand an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Kärnten statt. Nicht nur
Kolleg/innen der PA, sondern auch Herr Dir. Dkfm. Dr. Josef Hieden, AL OStR Mag.
Dr. Friedrich Fuchs und AL Brigitta Kolmitz nahmen daran teil. Sowohl der Film, der
beim zweiten Projekttreffen gedreht wurde, als auch eine eindrucksvolle Powerpoint-
Präsentation ließen die Eindrücke wieder Revue passieren. Die Gesamtdokumentation
des 2. Projekttreffens, in der alle Aktivitäten der teilnehmenden Partnerinstitutionen
festgehalten sind, ist einsehbar unter:
http://www.akademie.klu.at/Projekte/RAP_Gesdok Projekttreffen 2.pdf
Die Vorbereitungen für das kommende Treffen im Schuljahr 2005/06 in Estland und
in Litauen laufen bereits auf Hochtouren. In der kommenden Dokumentation wird
darüber wieder berichtet.
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Eine „Schule für alle“ in Europa
Walter Hövel
Rektor der Gesamtgrundschule Harmonie, Eitorf
In unserer Gemeinde gibt es mehr und mehr Eltern, die ihre Kinder zur einer
Gesamtschule schicken wollen. Die Begründungen sind sehr verschieden. Die einen
wünschen sich mehr Förderarbeit, die anderen das Mehr an pädagogischem
Engagement eines sehr sozial ausgerichteten Gesamtschulkonzepts, die nächsten
einfach mehr Zeit für die Entwicklung ihrer Kinder. Da gibt es jene, die vom
pädagogischen Konzept der Gesamtschule überzeugt sind, jene, die diese Form der
Ganztagsschule favorisieren. Jene, die glauben, das Abitur sei in der Oberstufe der
Gesamtschule „leichter zu machen“. Die einen wollen dem (zu Unrecht!) schlechten
Ruf der Hauptschule ausweichen, die anderen der „Lernfleißmentalität“ der
Realschule, oder dem „konsequenten Aussortieren des Gymnasiums als „Lern für die
Note oder geh’ zur Haupt- oder Realschule’“. Es gibt jene, die ihr Kind einfach mit
Freunden, die sich für die Gesamtschule entschieden haben, gemeinsam zur
weiterführenden Schule schicken wollen.
Es mag noch viele weitere Gründe geben. Aber im Gesamten spiegelt das
Schulauswahlverhalten vieler Eltern eine große Unsicherheit wieder. Die Bildungsverantwortlichen
unserer Gesellschaft streiten und feilschen um PISA-Bundeslandgefälle
und PISA-Interpretationen zur Verhinderung von Konsequenzen, „Einheitsschule“,
„Verbundschule“, Gesamtschule, Realschule, Gymnasium und Hauptschule,
Waldorfschule oder Privat- oder Hochbegabtenschule anstatt den Eltern
Orientierung und Sicherheit zu geben. Deutschland präsentiert sich in der Bildung
zerstritten, ohne ein gemeinsames einheitliches Konzept oder gesellschaftlichen
Konsens.
Außer Deutschland, Österreich und die Schweiz kennt kein anderes Land Europas,
und weder die USA, Kanada, Australien noch andere entwickelte Länder dieser Welt,
diesen Streit. Was ist bei unseren Nachbarn und Freunden anders? Was ist bei uns
geschehen?
1973 wurden in der Bundesrepublik gegen den entschiedenen Widerstand der CDU
und CSU innerhalb eines Jahres die ersten 100 Gesamtschulen in Westberlin und in
Hessen gegründet, bis heute gibt es gerade mal 800 in ganz Deutschland. Diese
„Gesamt“schulen wurden und werden als Schulen der Klassen 5 bis 10 - mit oder
ohne anschließende (eigenständige) Oberstufe - neben den bestehenden Schulen
der Sekundarstufe I, den Real- und Hauptschulen und Gymnasien angeboten.
11
Dies ist einmalig in der Bildungspolitik der gesamten Welt. Nur Deutschland und
einige Kantone der Schweiz glauben nach nur 4 Jahren Grundschule ein gegliedertes
Schulsystem anbieten und dahinein und daneben unverbindlich eine integrierte
Schulform wie die „Gesamt“schule setzen zu müssen.
Europa und die uns bedeutenden Ländern der Welt haben erstens eine möglichst
lange gemeinsame Bildung für alle. Zweitens haben sie klar, dass ihre Grundschule
der wichtigste, weil grundlegende Teil ihres Schulwesen ist. Drittens dauert die
Grundschule überall länger als 4 Jahre ist. Und viertens folgt, außer noch in
Liechtenstein und Hongkong, immer eine einzige „Schule für alle“. Niemand käme
auf die Idee, dass eine „Gesamt“schule mit dem 5. Schuljahr beginnen könnte. Sie
beginnt am Anfang, und das ist die erste Klasse der Grundschule. Die Aufteilung in
verschiedene Bildungswege kennen die anderen Länder erst nach der gemeinsamen
Grundbildung oder Grundschule ab Klasse 9 bis 12.
Die überwiegende Zahl der europäischen Länder lassen ihre Kinder 6 bis 9 Jahre in
die Grundschule gehen1. Erst dann trennen sich die Bildungswege der Kinder und
Jugendlichen. In diesen Ländern denkt niemand, nicht die konservativste, sozialistischste,
grünste oder liberalste aller Parteien -selbst bei Problemen in der Bildungüber
die Einführung oder Wiedereinführung eines gegliederten Schulsystems nach.
Und dies ist so, weil die “Schule für alle“ eine Frage des historischen demokratischen
Grundverständnisses in Europa und in der demokratischen Welt ist!
Diese Gedanke der „Schule für alle“ begann mit den ersten demokratischen bürgerlichen
Forderungen nach Rechten und Gerechtigkeit für alle Menschen! 1632 fordert
ein Comenius eine „Schule für alle“ mit den Klassen 1 bis 7 von 6 bis 12 Jahren.
Wilhelm von Humboldt schrieb 1819 für die preußische Regierung(!) einen Schulgesetzentwurf
und forderte die „Verwirklichung der Menschenbildung“ durch eine einheitliche
Schule mit 9 Klassen von 6 bis 14 Jahren.
In Deutschland ist die erste Demokratie erst nach dem ersten Weltkrieg entstanden.
Und diese Demokratie war leider eine sehr schwache. So schaffte man es damals
nicht, den deutschen Bildungs- und Demokratieidealen Goethes, Schillers oder der
Gebrüder Humboldt zu folgen. 1919 wurde von den Demokraten dem preußischen
Adel, dem Militär und stockkonservativem Bürgertum in der Verfassung der Weimarer
Republik ein Kompromiss abgerungen: Die „Schule für alle“ wurde auf die ersten
4 Jahre der Schulzeit beschränkt. Das ist das, was wir heute die 4jährige Grundschule
nennen. Wir haben 4 Jahre „Schule für alle“ und dann „weiterführende“
gegliederte Schulen seit 1919. In den USA wurde die einheitliche Erziehung aller
Menschen bis Klasse 10 im Jahre 1900 eingeführt, die Grundschule dauert 6 Jahre,
dann folgt eine einheitliche weiterführende Schule von heute weiteren 6 Jahren.
Dänemark beginnt in Europa im Jahre 1958 mit einer zunächst 7jährigen Grundschule,
die anderen Länder folgen in den nächsten Jahren zu einem Standard von 6
bis 10 Jahren Grundschule. Bei „kürzerer“ Grundschule folgt immer eine „Schule für
alle“ bis zum 10. oder 12. Schuljahr. Deutschland, Österreich, Liechtenstein und
Hongkong, verpassen die Mitfahrt, sie ließen ein gegliedertes Schulsystem bestehen.
1 Frankreich hat eine sehr eigene Situation mit dem Schuleintrittsalter von 3 Jahren. Hier wird die
Grundschule in 2 Teile geteilt mit einmal 3 und einmal 5 Jahren. Italien hat noch 5 Jahre Grundschule,
die englischsprachigen Länder alle 6 Jahre , die PISA-Spitzenreiter Finnland und Korea 9
Jahre. Selbst Liechtenstein und Hongkong haben 5 bzw. 6 Jahre.
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In Deutschland blockieren die Einen, sie wollen am Hergebrachten festhalten. Die
Anderen, nicht in der Lage einen Konsens herzustellen, begehen den Irrweg einer
Bildungspolitik mit der aufgesetzten und daneben gesetzten „Gesamtschule“. Diese
neue 4. Schulform wird in den Folgejahren einige bemerkenswerte pädagogische Akzente
setzen. Sie musste in ihrer Konkurrenzsituation und mit ihrem Demokratieanspruch
als eine Alternative in der „Bildungslandschaft, oder besser im Bildungsdschungel
der so genannten Sekundarstufe I (Klassen 5 bis 10) schaffen. Es gelang
ihr ein eigenes von vielen Eltern gewünschtes pädagogisches Profil zu entwickeln.
Aber ihrem Anspruch eine „Schule für alle“ zu sein, konnte sie nicht gerecht werden,
da bei weitem nicht alle in diese Schule gehen und, weil sie in ihren Klassen durch
ein Kurs- und Leistungssystem weiterhin Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten
unterscheidet, auch, wenn sie für einige Stunden und Fächer in einer Klasse
sitzen. Bei der Einschulung werden auch Gesamtschüler durch staatlich vorgegebene
Quoten und durch staatlich vorgeschriebene Abschlüsse, die sich wiederum am
gegliederten Schulwesen orientieren, unterschieden.
Es ist nicht einfach die Frage der formalen Einführung einer „Schule für alle“. Die Entscheidung
der anderen Länder und ihrer Menschen für eine „Schule für alle“ als einer
Entscheidung für eine demokratische Grundeinstellung, führt dann in vielen Ländern
auch zu einer anderen Haltung der Regierungen, der Bildungspolitikerinnen und –
politikern und der Menschen bei allen schulischen Entscheidungen. Hier wird mehr
Geld für Bildung ausgegeben, auch bei knappen Kassen Prioritäten für die Kinder
und die Bildung gesetzt. Hier wird mehr investiert in eine bessere Ausbildung von
mehr Erziehern und Lehrern. Hier ist Schule wichtiger und hier entsteht dann auch
die Einstellung, dass jedes Kind wichtig ist, kein Kind aussortiert werden oder ins
schulische Abseits geraten darf. Hier wird jedes Kind gefördert, ob „ausländisch“, ob
„arm“ oder „reich“, ob „minderbegabt“, „gehandikapt“ oder anders als die Anderen.
Demokratie ist und bleibt, wenn alle für alle etwas tun und die Kinder der Anderen
genauso wichtig sind wie die Eigenen.
Wir sollten von unseren Nachbarn lernen, es gibt für uns immer noch keine andere
Zukunft als die Zukunft unserer Kinder. Und eine solche Bildung muss heraus aus
dem Parteiengezänk. Es geht um alle Kinder. Was andere Politiker anderer Länder
können, sollten wir auch können, ob konservativ oder rot oder grün, hier ist der
Konsens von Demokraten verlangt, für die Kinder. Wenn nun in unserer Gemeinde
überlegt wird, eine Realschule zu gründen, die mit der Hauptschule in ein Haus
ziehen wird, kann dies möglicherweise den Ruf der Hauptschule verbessern. Wenn
dies dann noch „Gesamtschule“ oder so ähnlich genannt würde, könnte dies zu
einem weiteren bisher in der Gemeinde nicht vorhandenem pädagogischen Profil im
Sinne eines weiteren Angebots führen. Wenn diese Haupt-Real-Verbundschule das
Gymnasium als Eliteschule stärken und die bestehenden „Gesamtschulen“ in „Haupt-
Real-Verbundschulen“ verwandeln soll, wäre dies der Versuch zu einem zwei gegliederten
Schulsystem zu kommen. In Hamburg zum Beispiel, wurde dies schon vor
vielen Jahren erfolglos erprobt. Aber auch kosmetische Operationen können zu mehr
Selbstbewusstsein oder mehr Attraktivität führen.
Die Frage wäre also, ob wir kleinste Brötchen backen und die Realschulen und Gesamtschulen
loswerden wollen, um die dann umbenannte Haupt-Real-Verbundschule
wieder in Richtung einer „Volksschule“ mit „volkstümlicher“ Bildung stärken
wollen. Oder ob die Gemeinde den gesetzlich beschriebenen Weg der Befragung der
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Eltern zur Errichtung einer Gesamtschule geht. Die Befürchtungen sollten sich in
Grenzen halten. Erfahrungsgemäß geht es Gymnasien bei benachbarten Gesamtschulen
nicht schlechter!
Oder die Frage wäre, ob wir uns nach dem Vorbild unserer Nachbarn und Freunde
auf einen Weg zu einer „europäischen Schule für alle“ machen und aus der bestehenden,
ausgesprochen erfolgreichen eigenen Grundschule heraus eine europäische
„Schule für alle“ entwickeln.
Eine europäische demokratische „Schule für alle“, beginnt mit der ersten Klasse. Es
müsste die Grundschule verlängert werden. Vielleicht erst auf 6 Jahre2, vielleicht eine
Verlängerung auf 8 oder 9 oder gar 10 Jahre, wie alle anderen Europäer. Die Gebäude
stehen in meiner Gemeinde schon alle ganz dicht bei einander, aber noch
nicht die Ansichten.
Aber daran sollten wir gemeinsam arbeiten, uns die Beispiele der anderen anschauen.
Die Zeit, vor allem in Zeiten einer rasend schnellen Globalisierung, lässt
manchen Streit überflüssig werden. Das gegliedert Schulwesen ist es in Europa
schon lange überwunden und wir liegen bekanntlich mitten drin.
Walter Hövel
2 Die NRW-Landesregierung ließ diese Möglichkeit wissenschaftlich und politisch von einer Bildungskommission
„Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft“ 1995 gut begründet erarbeiten. Leider entschied
die Regierung sich dann für andere „Reformen“. So geht es auch heute noch den Humboldts.
14
Involved Schools/involved institutions – Schoolyear 2004/05
Austria Volksschule der Akademie des Bundes in Kärnten
Pädagogische Akademie des Bundes in Kärnten
Hubertusstraße 1, A-9022 Klagenfurt
Tel: +43/463/23 7 85; Fax: +43/463/23 7 85 99
http://www.akademie.klu.at
office@akademie.klu.at
pia-maria.rabensteiner@akademie.klu.at
Volksschule 20, Klagenfurt-Viktring
Schulstraße 1, A-9073 Viktring
Tel: +43/463/28 11 02; Fax +43/463/28 11 02
direktion@vs-klagenfurt20.ksn.at
Estonia Pärnu-Jaagupi Gümnaasium
Koolo 3, EST-87201 Pärnu-Jaagupi
Tel: +372/44 97 155; Fax: +372/44 97 158
pjg@jaagupi.parnu.ee
Universität Tallin
Germany Grundschule Harmonie
St. Martinsweg 5, D-53783 Eitorf
Tel: +49/2243/91 26 20
grundschule.harmonie@web.de
gs-harmonie.homepage4u.net
Universität Siegen - Fachbereich 2
D-57068 Siegen
falko@paedagogik.uni-siegen.de (Dr. Falko Peschel)
oase@paedagogik.uni-siegen.de (Prof. Dr. Brügelmann)
Lithuania Klaipeda Zemyna Secondary School
Kretingos 23, LT-Klaipeda
Tel: +370/46 40 31 04
zem12@centras.lt
Universität Villnius
Slovenia Osnovna šola Žirovnica
Zabreznica 4, SLO-4274 Žirovnica
Tel: +386/5 809 157;
Info@os-zirovnica.org
http://ww.os-zirovnica.org
Pedagoški Inštitut
RPCPI-Korak za Korakom
Gerbičeva 62, SLO-1000 Ljubljana
Tel: +386/1 429 20 20
Spain Faculty of Education
San Juan Bosco, 7, E-50009 Zaragoza
Tel: +34/976 76 13 06 (1309)
cmolina@unizar.es ¸jrsolsan@unizar.es
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2 nd Projectmeeting April 2005
Invitation to the 2 nd Projectmeeting
Participients of the 2 nd meeting
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Einladung/Povabilo/Invitation/Invitacion/Kvietimas/Kutse
to the 2 nd Project-Meeting
Comenius-Schulentwicklungsprojekt
“To live democracy in Europe”
Time: 23 rd April 2005 (10.00 a. m.) – 27 th April 2005 (10.00 a. m.)
Location: Gesamtgrundschule Harmonie
St. Martinsweg 5
D-53783 Eitorf
(Tel. +49/2243/91 26 20)
grundschule.harmonie@web.de
Program:
Saturday, 23 th of April 2005
Arrival in the host families
Sunday, 24 th of April 2005
Sunday morning - Working groups
Sunday afternoon – Visiting the “House of History” in Bonn (History of democracy in
Germany)
Visiting a pub in Cologne
Monday, 25 th of April 2005
Monday morning - Hospitation in the school “GGS Harmonie”
Monday afternoon – Working groups
Monday night – A cultural evening aut the school with parents and other guests
Tuesday, 26 th of April 2005
Tuesday morning – Working groups on democracy with children
Tuesday night – Meeting at Siegen University with members of the highschool
Wednesday, 27 th of April 2005
Wednesday morning – Working groups
Departure
I am happy to meet you in Germany.
Mag. Pia-Maria Rabensteiner, Coordinator
Pädagogische Akademie des Bundes in Kärnten
Hubertusstraße 1, A-9022 Klagenfurt
Tel +43/463/23 7 85 Fax +43/463/23 7 85 99; Tel/Fax priv. +43/463/282561
piaraben@gmx.at / pia-maria.rabensteiner@akademie.klu.at
12. 5. 2005
Grundschule
Harmonie
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Participients of the 2 nd meeting
18
Teilnehmer/innen
Vera Berger
Marc Bohlen
Elisabeth Brunnner-Wappis
Peter Bulovec
Meta Cuk
Sina Gerlach
Eva-Maria Grentner
Gitte Haane
Walter Hövel
Annette Käshammer
Juliane Koch
Polona Kranjc Kus
Claudia More
Miriam Patt
Falko Peschel
Claudia Preiml
Gerhard Rabensteiner
Pia-Maria Rabensteiner
Sara Roth
Michael Rumpelnik
Sonja Rutar
Christine Schaumann
Rieke Schiemann
Alma Schmitz
Ulli Schulte
Ingrid Sematon
Valentin Sodja
Ferdinand Stefan
Beate Traar-Krammer
Aili Vunk
Heike Wagner
Harald Wiltsche
19
Schoolreport/Schoolvisit
Gesamtgrundschule Harmonie - Eitorf
20
Gesamtgrundschule Harmonie
Eine Schule, an der auch Freinet eine Rolle spielt
Walter Hövel
Rektor der Gesamtgrundschule Harmonie, Eitorf
Ich arbeite an einer Schule3 mit einigen Erwachsenen. Sie alle, eine Diplompädagogin,
eine Sozialpädagogin, 7 Lehrerinnen, 2 Lehrer, ein Schriftsetzer, eine Sekretärin
und viele Mütter, Väter und ein Großvater haben etwas gemeinsam. Die Vermittlung
von Lehrstoff ist sekundär gegenüber der Begleitung der Kinder in ihren
eigenen Lernprozessen. Wir alle trauen den Kinder alles zu, Unsinniges, Dummes
oder Falsches, aber vor allem, dass sie lernen, trotz und mit Schule. Um es anders
auszudrücken, wir nehmen die Kinder als Menschen ernst. Wir sind erwachsene Dialogpartner,
Organisationshelfer, Berater, Lernanimateure und Mitlerner. Und wir versuchen
einschätzbar, berechenbar, zuverlässig, erreichbar für die Kinder zu sein.
Eine unserer Berechenbarkeiten besteht darin, dass wir an unserer Schule keine
„Schlägereien“ zulassen. Wir sind hier relativ zuverlässig, da wir jede unserer
Handlungen unterbrechen, wenn eine Schlägerei sich entwickelt oder bereits im Gange
ist. Die Kinder können uns einschätzen. Sie wissen, dass ein Gespräch folgt, ein
Klassenrat, auch mit „betroffenen Gästen“ aus anderen Klassen oder Schulen, wir
nicht das Elterngespräch
scheuen, Jungendgruppen4
oder „Furienprogramme“5 für
Mädchen (Lutz Wendeler,
Freie Schule PrinzHöfte) initiieren,
wir Übungen zu Verhaltensalternativen
machen,
oder schlichtweg sauer sind,
wenn einer die Hauptregel
missachtet und dies auch
zeigen und damit die Betroffenen
erreichen.
Dies alles ist eingebettet in
einen Schulalltag, in dem es
3 Es ist die "Grundschule Harmonie" in Eitorf in Nordrhein-Westfalen
4 Zu oft blockierten die sich immer wiederholenden Probleme der Jungen den Klassenrat. Wann immer es möglich war, etwa durch die Anwesenheit einer
Praktikantin, oder etwa eine Projektarbeit, bei der die Mädchen alleine arbeiteten, bildete ich mit den Buben einen eigenen Kreis. Am besten gelang es, als
Uschi Resch zu Gast war. Als Frau hatte sie eine noch größere positive Distanz. Die Jungs taten sich schwer, diesen Kreis alleine durch zu führen.
5 Hier lernen Mädchen von Jungen durch deren Anleitung und Begleitung, was diese - im Gegensatz zu vielen Mädchen - so gut können: sich wehren,
widersprechen, protestieren und andere Tugenden. Im Gegenzug sind dann Buben auch eher bereit sich von Mädchen Verhaltensweisen anzueignen, die
ihnen so schwer fallen.
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keinen Plan und kein Programm gibt, der den Lehrkräften das „kindgemäßoffenfreiarbeitende“
oder „werkstattstationenatelierorientierte“ oder „freinetmontessorigestalt-
humanistische“ Arbeiten vorschreibt, da es mehrheitlich verabschiedet vom
Schulleiter durchgesetzt wurde. Vielmehr arbeiten wir an einem „neuen heimlichen
Lehrplan“ (Wolfgang Mützelfeld). Eines der Grundelemente unserer Philosophie ist,
dass traditionelle Schule wahrscheinlich die Dinge des Lernens eher falsch gemacht
hat, wir aber, wenn wir’s nicht besser wissen, es genau so wie in die Schule machen
(alte freinetische Weisheit). Die Praxis der Didaktik behindert das Lernen der
Menschen. So halten wir den frontalen Unterricht (besser „direct teaching“) für eine
gute Form der Vermittlung von von den Kindern erfragten Inhalten, falls nicht alle
zuhören müssen, und uns selbst auch der Sinn des zu Vermittelnden einleuchtet und
wir uns selbst bei diesem
Thema für kompetent
halten. Aber die meiste
Zeit verbringen die Kinder
bei ihren „Verabredungen“
(Ulrike Strombach), in
ihren eigenen Arbeitsgruppen
und im Gespräch
im Kreis.
Die zweite Erkenntnis ist
die, dass Menschen nicht
auf die Grundlage einer
programmatischen Plattform
festzunageln sind,
auch wenn sie sie selbst
erarbeitet haben. Bei der programmatischen Festlegung der Arbeit können sie gar
nicht wissen, was für Lernsituationen die Kinder und die Situationen der Zukunft
verlangen werden. Und vor allem, woher soll ein Lehrer oder eine Lehrerin wissen,
was sie selbst zukünftig leisten können, wo sie sich hin entwickeln werden. Eine
Lehrperson, die sich selbst entwickeln soll, die die „Erlaubnis“ bekommt selbst zu
lernen und die eigene Professionalität zu erhöhen, kann doch nicht vorher eine
Forderung an sich selbst unterschreiben, wenn sie möglicherweise ein normaler
Mensch geblieben ist, und sich vor Unbekanntem fürchten könnte, auch wenn sie es
selbst einmal tun könnte. Es gilt also, am „geheimen Lehrplan“ zu arbeiten, im
alltäglichen pädagogischem Kleinkram entlang der Bedürfnisse der Kinder zu
kooperieren, es gilt, die eigene Arbeit ständig und immer wieder kritisch zu
reflektieren und das kooperativ zu tun. Es gilt, das eigene Tun immer wieder
einzuordnen, in vorhandene Denkmodelle, in entstehende oder eigene. Erst im
Nachherein ergibt es einen Sinn, dass bereits erreichte in einer Programmatik
festhalten zu wollen, damit es nur verloren geht, wenn es nicht mehr gebraucht wird,
damit es nicht versehentlich, aus Unaufmerksamkeit heraus verloren geht.
Die dritte Erkenntnis ist die, dass die Freinetpädagogik zwar meine Pädagogik ist,
der Eine aber eher Richtung Jürgen Reichen geht, oder der Andere auf die Richtlinien
der Grundschule als solche schwört, oder in der zweiten Ausbildungsphase zu
Stationsarbeitern geformt wurde, oder wir alle aber im Grunde genommen unsere
eigene Pädagogik entwickelt haben, und dieses Selbstbewusstsein vielleicht nach 6
Jahren Arbeit, so etwas wie einen eigenen pädagogischen Stil der gesamten Schule
hat entstehen lassen. Jede Lehrerin pflegt ihren eigenen Unterrichtsstil, wobei ge22
meinsame Elemente durch den ständigen Austausch immer wieder ausfindig zu
machen sind. Gleichzeitig aber ist die gesamte Schule eingebunden in ein gemeinsames
Flechtwerk von Ereignissen, Regeln und Organisationsformen. Alle arbeiten
auf den Gängen und im Forum, wo Tische und Stühle stehen, die Kinder arbeiten im
Lehrer/innenzimmer, im Sekretariat oder im Schulleiterzimmer, sie sitzen draußen,
vor der Klasse, auf Treppen, im Schulgarten oder auf der Wiese, gehen alleine in die
Druckerei oder benutzen die Lehrer/innentoilette.
Es gibt alle 14 Tage eine
Schulversammlung im Forum der
Schule, die von den Kindern
selbst geleitet wird, die auch für
die Zusammenstellung des Programms
verantwortlich sind. Hier
werden von den Kindern Ergebnisse
der Arbeit aus den Klassen
oder von Arbeitsgruppen vorgestellt,
Tänze, Freie Texte, Schattenspiele,
Singspiele, Kompositionen,
Projektergebnisse,
Theaterstücke und Lieder und
andere möglichen repräsentationswürdige
Dinge. Auch Probleme werden hier von über 200 Kindern und
Lehrer/innen besprochen. Diese Versammlung dauert in der Regel 30 bis 60
Minuten. Hier lernen die Kinder das Präsentieren ihrer eigenen Arbeit. Hier erfahren
sie, dass sie einen "Beitrag leisten" können. Das macht „leistungs-bewusst“, „selbstbewusst“
und gibt das Gefühl etwas Wert zu sein. Hier wird deutlich, dass die Arbeit,
die sie leisten, nicht nur ihnen nützt, sondern eben ein Beitrag zum Nutzen aller ist.
Und diese Erkenntnis macht den Nutzen für einen selbst noch größer.
Die Woche an unserer
Schule beginnt mit der
Montagsversammlung im
Forum unserer Schule aller
Menschen, die hier lernen
und arbeiten. Die
Schulleitung begrüßt
zunächst alle und leitet sie.
Es werden alle Geburtstage
seit der letzten Montagsversammlung
gefeiert.
Jedem Kind gehört eine
Strophe des „Happy
Birthday“s, und das „Cos
she’s a jolly good fellow“
schließt sich an. Kinder und Erwachsene tragen alle Nachrichten, die im Laufe der
Woche relevant sind mit, also etwa ein Projekt einer Klasse, ein Fest, Besuch oder
Sonstiges aus der Vielfalt der Ereignisse an der Schule. Hier werden auch Bitten,
Beschwerden oder Kritik vorgetragen, die die Schulöffentlichkeit angehen. Es folgt
die Beantwortung der letzten und der Vortrag der neuen „Frage der Woche“. Die
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Versammlung kann durch andere Elemente ergänzt werden, wie etwa das