Walter Hövel

Sinti und Roma

Eine stille Replik

 

Der Schreiber, Arnfrid Schenk, ist ein Kind der Bundesrepublik. Ein echter Deutscher. Er schreibt über Sinti und Roma und den Schulleiter Thorsten Seiß aus Gelsenkirchen. Sie werden die Probleme des Chefredakteurs und des Dienstherrn nicht lösen. Aber er schreibt, die Probleme auf und bekommt eine ganze Seite in der Wochenzeitschrift 'Die Zeit' vom 30. März 2023.

 

Er, Herr Seiß hat viele deutsche Sinti und Roma, aber auch 'ausländische' Sinti und Roma an seiner Schule, er meint Sinti und Roma, die kein Deutsch können.

 

Als erstes verstehen sie beide, Schenk und Seiß nicht, dass alle(!) sehr(!) verschiedene Menschen sind. Es sind Sinti untereinander, 'deutsche' Sinti und Roma und ausländisch sprechende, fast ausgestorbene Jenische, Unterschichtler, jetzige und ehemalige Mittelschichtler, Flüchtlinge und hier Lebende, Geduldete und Ungeduldete, Opfer der Nazis in Deutschland, Opfer der deutschen und ausländischen Faschisten in neuen und ehemals besetzen Gebieten, Mitglieder von Clans und Parallelgesellschaften, verschiedener deutscher und nicht-deutscher Kulturen, gläubige Katholiken und Ungläubige, gebildete und ungebildete, musizierende und 'unmusikalische', weibliche und männliche, zwei- und einprachige, das alte und das neue Romanes sprechende, Tabu- und Tradionsbelastete, Menschen eben, ....

 

Deutsche Schublade auf und zu

Ab jetzt können Arnfrid Schenk und Thorsten Seiß Versteher und Freunde sein, ungeniert 'in dieser Masche machen'. Da drohen sie mit deutscher Polizei. „Manchmal hilft Thorsten Seiß ein Anruf bei der Polizei“.

 

Ich habe eigentlich keine Lust den Artikel weiter zu lesen. Wahrscheinlich droht Thorsten Seiß gleich, oder lässt drohen, mit erheblichen Strafgeldern wegen Fehlens in der 'Schulzeit'. Sie, Arnfrid Schenk und Thorsten Seiß, scheinen echte Rechte zu sein, sie pochen auf gültiges Recht.

 

Ja, sie gehen einen deutschen Weg. Sie kennen nur die deutsche Pflichtschulen und die Sinti und Roma. Sie „verlängern mit ihren Eltern die Ferien, im Sommer bis zu einem Monat.“

 

Ich las in der Schule einmal das Grimm'sche Märchen von 'Hänsel und Gretel'. Ein Sintijunge sagte: „So lebten meine Vorfahren. Sie mussten im Wald leben, aus Schutz vor den Menschen, die damals lebten“.

 

Die Mehrheit meines deutschen Volkes ist notfalls antiziganistisch. Sie gebrauchen das Z-Wort für solche Menschen. Zumindest Thorsten Seiß weiß noch nicht mal, was Jenische sind oder für was sie stehen.

 

Wissen sie überhaupt warum und seit wann die Menschen 'verreisen, mit Wohnwagen, auf ihre Art? Sind die Sinti und Roma Nomaden, die nur gezüchtigt, also seßhaft gemacht werden müssen? Nein, die Reisen der Sinti und Roma sind „Fluchtbewegungen“. Sie mussten immer fliehen, vor den Deut-schen und anderen Völkern. Sie wurden immer schuldig gemacht, verfolgt und getötet.

 

Wir haben einen großen Teil dieser Menschen als deutsche Nazis, deren Besatzer und Besetzer, deren Wirtschaftsbosse arm gemacht. Viele von ihnen waren relativ reiche Leute, Kohlen- und Pa-pierhändler, die mit Gold und Geld umgehen konnten, Korbflechter, Händler und Besitzer. Die Deutschen enteigneten sie wie die Juden. Sie wollten ihr Geld und ihre Leben.

 

Sie sperrten sie in KZs, führten Versuche an ihnen durch, machten sie zu 'Kapos' und töteten sie. Die Deutschen und anderen Faschisten isolierten sie in Vergangenheit und Gegenwart. Als 'gute Rassisten, Sklav*innen- und Arbeiter*innenhalter und Herrenmenschen' machten die Deutschen sich zu Führer*innen. Wir tragen immer noch Schuld an diesen Völkern und Menschen. Wir haben uns immer noch nicht in der 3. oder 4. Generation genügend und in der Mehrzahl verändert. Wir sagen noch immer „Jetzt soll es aber gut sein“, „Das ist Vergangenheit“ bis „Das hat es (so) nicht gegeben“ oder „Das waren unsere Vorfahren“. Auch lachen sie ein „Du und deine Nazis“. Wie anno dazumal.

 

Deutsche Schublade auf und zu

Wie sagte meine pensionierte Kollegin Ute Geuss aus Köln: „Die Kinder aus östlichen Ländern hassen die Schule und die Lehrer*innen. Sie wissen nicht, dass es da welche gibt, die zu ihnen halten. Schule ist nach ihrer und ihrer Eltern Erfahrung immer staatlich gegen sie eingestellt“.

 

Natürlich ist es normal: „Bei Einschulungen kommt es vor, dass ein Viertel der gemeldeten Erstklässler fehlt“. Es gibt eben eine Mischung aus Anpassung und Misstrauen, nicht nur bei Sinti und Roma.

 

Der Schulleiter Thorsten Seiß 'drückt oft beide Augen zu' und es kommt zu „Zwangszuweisungen“, erfährt der Artikelschreiber Arnfrid Schenk von ihm am Telefon(!). Der Schulleiter drückt wahr-scheinlich beide Augen zu, stellt sich blind, damit er seine Schüler*innenzahlen reinbekommt, die er in der Schulstatistik bereits vorher angab.

 

Er fährt volle deutsche Geschütze auf: „Polizei (!) und kommunaler Ordnungsdienst (!) fahren dann zu der Familie und holen das Kind (!) in die Klasse (!). Zuvor blieb in solchen Fällen(!) die Inter-vention(!) der Schulsozialarbeiter(!) ebenso wie Mahn(!)briefe und Bußgeldbescheide(!) frucht-los(!)“. (Die Ausrufungszeichen sind vom jetzigen Autor).

 

In den meisten Klassen „sprechen die meisten Schüler und Schülerinnen kein Deutsch(!), in der KiTa waren sie nicht(!) und es fehle auch das Verständnis(!) von Regeln(!). Viele wüssten nicht, wie man einen Stift halte(!). Unterricht(!) im herkömmlichen Sinne(!) sei so nicht möglich“. (Wie vorher.)

 

Ich fange von hinten an: Was ist Unterricht im herkömmlichen Sinne? Der Unterricht von 2023, der von 1983, von 1948, von 1923 oder von 1893. Alle sie sind 'herkömmlich' - und falsch! Das weiß der Mensch heute schon längst.

 

Wie hat man einen Stift zu halten? Den Stift der Mittelschichtenfamilie oder den Stift der Schule?

 

Wessen Regeln? Die des Rektors, der Lehrer*in oder die der Schüler*innen, beschlossen im Kin-derparlament oder im Klassenrat? ... Fremdworte?

 

In Kitas, wo es für nicht alle Kinder unserer Gesellschaft Platz gibt?

 

Die Eltern reden nicht Deutsch? In Romanes, Friesisch, Dänisch, Bayrisch, Allemannisch, Säch-sisch, Kurdisch, Türkisch, Ukrainisch, Russisch, Jüdisch, Polnisch, Fränkisch, Griechisch, Platt, Arabisch, Rheinisch, Englisch, Sorbisch oder sonstwie. Ist Integration nur eine Eindeutschung, damit sie die Befehle der Vorgesetzten jetzt und später im Straßenverkehr oder beim Bund ver-stehen?

 

80%“ würden „die Grundschullehrpläne nicht erreichen“. Das deutsche Gymnasium oder das 'von Goethe-Institut-Deutsch“? Meines Wissens gibt es keine Prüfung der „Grundschullehrpläne“! Es gibt kein 'Grundschulabitur'. In welchem Land, in welcher Zeit leben der Schreiber des Artikels und der Leiter der Schule in Gelsenkirchen?

 

Gilt das Beschriebene nicht für das Gros der Unterschichtler*innen? Gilt das nicht für alle 'Dummen'? Gilt das nicht für alle Flüchtlinge?

 

Sie, Autor und Schulleiter, scheinenl in einem fiktiven Land zu leben, wo „man zur Hälfte nur Lehrer ist, die anderen 50 Prozent sind wir Sozialarbeiter“. Diese Ausbildung gibt es jedenfalls in NRW nicht!

 

Wieviel Lehrer*innen und wie viel Sozialarbeiter*innen haben Sie bei wieviel Schüler*innen, Herr Seiß? Wie viele Stunden geben Sie? Wie viele Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen brauchen Sie?

 

Deutsche Schublade auf und zu

'German Angst' ist wieder in: „Der generelle Befund ist bundesweit ähnlich“. Es ist also ein „Befund“ des „bundesweiten“ Autoren Arnfrid Schenk. Es werden Vorurteile bedient. Sie sind Hunderte von Jahren alt. Aber so wurden junge Presseleute ausgebildet, von alten Deutschen oder deren Nachfolger*innen.

 

Die Studie, ist nicht eine unter vielen. Sie wurde von den Roma und Sinti selbst erstellt! Sie hat ein anderes Ergebnis: Sie schildert die heute noch übliche Unterdrückung der Sinti und Roma. Herr Schenk verwischt die Ergebnisse der Romnokher-Studie!

 

Er schreibt einfach: “Lehrer (Kindergarten-, Grundschul-, SekundarI oder II-Lehrer*innen, ver-schieden ausgebildet und bezahlt) nennen oft andere Gründe.“ Sie sind nicht die Betroffenen! Sie sind die Dienerinnen und Diener der staatlichen Pflichteinrichtungen. Der Autor des Zeitartikels und der Schulleiter sagen: „Für das miserable Abschneiden (der Schüler*innen?)“ sind die Roma und Sinti verantwortlich.

 

Alle Lehrer*innen machen „ähnliche Erfahrungen wie Rektor Seiß“ aus Gelsenkirchen. Kinder aus Sinti und Roma-Familien würden „zu oft fehlen“ (Wiederholungen: Schon Joseph Göbbels sagte sinngemäß 'Wiederhole deine Lügen nur oft genug. Sie werden zur Wahrheit'). Da nützen auch die Nennung uns unbekannt bleibender Lehrer*innen und ihre 'Beobachtungen' nichts. Teilweise nennt er ihre Namen nicht, weil sie Diskriminierung fürchten. In Wirklichkeit sind sie nur feige!

 

Deutsche Schublade auf und zu

Arnfrid schreibt das Z-Wort in Anführungsstrichen, er spricht ungeniert von Diskriminierung und Rassismus“vorwürfen“. (Es sind nur „Vorwürfe“.) Nicht, wie er schreibt, „die Mutter hat nichts ver-standen“, er will nicht verstehen! … „Alle lachen.“

 

Dass die Eltern der Sinti und Roma „nichts verstehen“, wissen wir schon. Er bringt es danach nochmals als Beweis gegen „das Nicht-Entschuldigen von Fehlzeiten“ von Roma und Sinti.

 

Er beschreibt Hilfe und Unterstützung privater, halbstaatlicher und staatlicher Stellen. Aber es nutzt nichts. Die Lage der Betroffenen wird zwar durch ihr Lernen besser, aber sie heilt nicht. Übrigens für alle Schüler*innen nicht. Schule wurde zwar auch für die Unterschichtler erfunden, sie bleibt aber die Erziehungsanstalt des Staates. Der Staat kämpft seit mehr als 250 Jahren gegen fehlende Abschlüsse, zu teure Schulen und teure Bildung.

 

Sorge hat Herr Seiß mit der „Bildungsferne der Eltern“, mit ihrem „Analphabeten“tum, das „fehlen“de „Verständnis für Bildung, ein Bewusstsein, wie wichtig Lesen und Schreiben, um an der Gesellschaft teilzuhaben“? Was geht ihn ihre Nähe zur Gesellschaft an? Schreibt Schenk aus beruflichem Interesse oder aus grundgesetzlichen Gründen? Hat der Schulleiter und der ihn zitierende Autor etwas über unsere Demokratie und unser Grundgesetz nicht verstanden?

 

Der Autor des Artikels, Arnfrid Schenk zitiert Thorsten Seiß weiter: „Je länger die Familien hier sind, umso mehr wachse ihr Interesse an Bildung, umso besser könne man mit ihnen zusammenarbeiten,“ Reichen Herrn Seiß und Herrn Schenk nicht die über 600 Jahre, die Sinti und Roma bei uns leben. Verwechseln sie „Bildung“ mit der Bereitschaft „mit uns zusammen-zuarbeiten“?

 

Herr Schenk zitiert Herrn Scherr von der Hochschule in Freiburg: „Die Bildungssituation von Sinti und Roma ist vor allem durch die schlechte soiale Lage bedingt.“ Und dies sei eine Folge historischer und auch gegenwärtiger Diskriminierung. Die Auswirkungen von Armut und Ausgrenzungen dürfen nicht als ethnische Eigenschaften der Sinti und Roma zu deuten“.

 

Daran halten sich Herr Schenk und Herr Seiß in den bisherigen Ausführungen allerdings nicht.

 

Deutsche Schublade auf und zu

Klappe zu, Affe tot. Weiter benutzt er mehrmals ungeniert das Z-Wort und zeigt ein Geschichtsbild das zwar antifaschistisch, nicht aber demokratisch ist. Er 'leiert sich ein paar Fakten 'aus dem Kreuz' und glaubt, dass damit der Artikel klar ist, hauptsache sie passen zudem, was er denkt. Aber er versucht einen Keil zwischen Roma und Sinti zu bringen. „Da ist bei uns Roma ein Riesen-problem“.

 

Aber so sind die Autor*innen ausgebildet. Nicht recherchieren, um die eigene Nichtahnung zu kompensieren, sondern viele Leute fragen und oberflächlich und gedankentreu deutsch bleiben.

 

Er spricht sich mit dem Opa von einer deutschen Sinto 'frei' und macht sich die Worte des Histo-rikers zu eigen: „Es ergibt sich kein einheitliches Bild. Doch in den Köpfen herrscht ein solches vor: Sinti und Roma als homogene Gruppe. Dabei sind die Unterschiede groß, was Herkunft, Bildungsniveau odere den sozialen Status anbelagt.“

 

Auf einmal weiß er es: „Es gibt 'Die' nicht“. Das wußten allerdings auch die Nazis und ihre Helfer. Er versucht jetzt sein 'Brecheisen' bei „Roma aus Ex-Jugoslawien“ und „Roma aus Südeuropa“ anzusetzen. Er will unser Denken 'neu' gestalten. Er will die unser Denken prägende „Wahr-nehmung“ der „Arbeitsimmigranten, die in Gettos aufgewachsen sind“ nach vorne holen und die Verfolgung und deutsche Tötung von Sinti und Roma wegschweigen. Er sucht neue „Vorbilder“.

 

Damit will er die „Bildungsmisere von Sinti und Roma … beheben“. Aber er wird keine Bildungsmisere verbessern. Sie hat ihren Ursprung nicht in der Existens von Sinti und Roma. Wir müssen nur woanders, (jetzt schon in der KiTa ansetzen,) sagen Deutsche, nicht erst heute. 'Unsere Bildung' soll unsere Rettung sein.

 

Deutsche Schublade auf und zu.