Konzept der PrinzHöfte-Schule Bassum                                                                                             - 1 - Inhalt 
0.  Präambel 
A  Systemische Grundgedanken  1.   Ökologie als struktureller Lehrplan 1.1 Zur Ökologie des Lernens 1.2 Eigendynamik ist ein charakteristisches Merkmal lebender Systeme 1.3 Rückkopplung  2.   Systemische Erkenntnisse: Anmerkungen und Beispiele und deren Anwendung 2.1 „Jedes rationale System ist emotional begründet“ 2.2 Der Fehler, ein vorwärtstreibendes Element im Lernprozess 2.3 Denken und Planen in Qualitäten 2.4 Denken in Prozessen          3.   Fantasie und Kreativität als alle Lernprozesse begleitende Momente 3.1 Fantasie und Kreativität sind Wegekompentenzen 3.2 Die Stellung des Wissens  4.   Einbindung der Schule in reale Lebenszusammenhänge 4.1 Schule auf Reisen 4.2 Schule als Ort der beruflichen Orientierung 
B   Pädagogische Leitlinien  1.   Bildung und Erziehung in einer sich wandelnden Welt  2.   Institutionelle Bedingungen  3.  Pädagogik vom Kinde aus  4.  Bildungsziele 
C   Das pädagogische Konzept  1.   Lernverständnis 1.1 Lernen ohne Zwang 1.2 Vielfalt von Lernformen 1.3 Lernen in Angebotsform 1.4 Spielen 1.5 Verhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen 1.6 Geschlechterverhältnis 1.7 Aufnahme von lern- und körperbehinderten Kindern  2.    Pädagogische Bedingungen 2.1 Ganztagsschule 2.2 Kooperation mit dem Freinetkindergarten PrinzHöfte 2.3 Altersgemischte Gruppen und Stammgruppen 2.4 Curriculum und Vergleichbarkeit, Lernniveaus und Abschlüsse  3.   Organisation des Schulalltags 3.1 Schulentwicklung mit Kindern 3.2 Arbeitsformen  4.    Selbstverwaltung
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0.  Präambel: Der sokratische Eid  
Als Lehrer und Erzieher verpflichte ich mich, 

 die Eigenart eines jeden Kindes zu achten und gegen jedermann zu verteidigen;

 für seine körperliche und seelische Unversehrtheit einzustehen;

 auf seine Regungen zu achten, ihm zuzuhören, es ernst zu nehmen;

 zu allem, was ich seiner Person antue, seine Zustimmung zu suchen, wie ich es bei einem Erwachsenen täte;

 das Gesetz seiner Entwicklung, soweit es erkennbar ist, zum Guten auszulegen und dem Kind zu ermöglichen, dieses Gesetz anzunehmen; 

 seine Anlagen herauszufordern und zu fördern;

 es zu schützen, wo es schwach ist, ihm bei der Überwindung von Angst und Schuld, Bosheit und Lüge, Zweifel und Misstrauen, Wehleidigkeit und Selbstsucht beizustehen, wo es das braucht;

 seinen Willen nicht zu brechen - auch wo er unsinnig erscheint; ihm vielmehr dabei zu helfen, seinen Willen in die Herrschaft seiner Vernunft zu nehmen; es also den mündigen Verstandesgebrauch und die Kunst der Verständigung wie des Verstehens zu lehren;

 es bereit zu machen, Verantwortung in der Gemeinschaft und für diese zu übernehmen;

 es die Welt erfahren zu lassen, wie sie ist, ohne es der Welt zu unterwerfen, wie sie ist;

 es erfahren zu lassen, was und wie das gemeinte gute Leben ist;

 ihm eine Vision von der besseren Welt zu geben und die Zuversicht, dass sie erreichbar ist.   
Damit verpflichte ich mich auch, 

 so gut ich kann, selber vorzuleben, wie man mit den Schwierigkeiten, den Anfechtungen und den Chancen unserer Welt und mit den eigenen immer begrenzten Gaben, mit der eigenen immer gegebenen Schuld zurechtkommt;

 nach meinen Kräften dafür zu sorgen, dass die kommenden Generationen eine Welt vorfinden, in der es sich zu leben lohnt und die ererbten Lasten und Schwierigkeiten nicht deren Ideen und Möglichkeiten erdrücken;

 meine Überzeugungen und Taten öffentlich zu begründen, mich der Kritik - besonders der Betroffenen und Sachkundigen - auszusetzen, meine Urteile gewissenhaft zu prüfen;

 mich dann jedoch allen Personen und Verhältnissen zu widersetzen - dem Druck der öffentlichen Meinung, dem Verbandsinteresse, der Dienstvorschrift - wenn diese meine hier bekundeten Vorsätze behindern.  
Ich bekräftige diese Verpflichtung durch die Bereitschaft, mich jederzeit an den in ihr enthaltenen Maßstäben messen zu lassen. 
(Hartmut v. Hentig, Schule neu denken, München 1993, S. 258) 
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A  Systemische Grundgedanken 
Das Konzept der PrinzHöfte-Schule Bassum ist in seiner Art im Bundesgebiet einzigartig. Es erfüllt sowohl in der Theorie als auch in der Praxis alle Merkmale, die erforderlich sind, die PrinzHöftepädagogik als eigenständige reformpädagogische Richtung neben zum Beispiel Montessori- oder Waldorfpädagogik zu etablieren. Wir wagen den Versuch, freinetpädagogische und systemische Theorie und Praxis mit eigenen Anteilen, wie der Ökologie des Lernens zu einer modernen, neuartigen pädagogischen Richtung zu verknüpfen, die wir nach dem Ort ihres Entstehens die PrinzHöftepädagogik nennen wollen. 
Vor allem vier Punkte möchten wir besonders hervorheben. In allen sind wesentliche Merkmale des systemischen Denkens enthalten. Sie geben praktische planerische Hilfestellung, dienen aber auch als theoretischer Hintergrund und als analytisches Werkzeug. 
1. Ökologie als „struktureller Lehrplan“ 
2. Systemische Erkenntnisse und hier insbesondere die auf der Grundlage der Theorie der „Autopoiese" (Selbstorganisation) formulierten menschenfreundlichen, ethischen Kriterien 
3. Fantasie und Kreativität als alle Lernprozesse begleitende Momente 
4. Einbindung der Schule in reale Lebenszusammenhänge    
1.  Ökologie als „struktureller Lehrplan“ 
1.1 Zur Ökologie des Lernens   Die Ökologie des Lernens bedeutet nicht vorrangig, dass sich unsere Schule vor allem durch ökologische Inhalte auszeichnen soll. Wichtiger ist uns vielmehr, dass ökologische Systeme sich prinzipiell durch lebensfreundliche Charaktermerkmale auszeichnen. Sie alle kann man unter der Überschrift „Selbstorganisation“ zusammenfassen. Ökologische Systeme sind in der Lage, sich selbst zu organisieren und zu erhalten. Interessanterweise ist die Überschrift, unter der man in kürzester Form die wesentlichen Kennzeichen der Freinetpädagogik zusammenfassen könnte, ebenfalls der Begriff der Selbstorganisation, hier der Selbstorganisation des Lernens. Diese Ähnlichkeit kann kein Zufall sein. Begreift man freinetpädagogische Lerngruppen, in denen fast immer zur gleichen Zeit sehr vielen Aktivitäten nachgegangen wird, ebenfalls als ein komplexes System, so wird es verständlich, warum sich ökologische Systeme und die Freinetpädagogik gewissermaßen dieselbe Überschrift „ausgesucht“ haben. 
Wir nennen zunächst die Kriterien für lebensfreundliche Systeme. Auf den ersten Blick erscheinen sie ziemlich sperrig und unnötig theoretisch. An praktischen Beispielen möchten wir jedoch erklären, was die Ökologie des Lernens leistet und auch deutlich machen, warum wir in ihrem Zusammenhang von einem strukturellen Lehrplan sprechen.
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Selbstorganisation als Oberbegriff ist: 

 Eigendynamik 

 Flexibilität 

 Rückkopplung 

 Vielfalt

 Begrenzung

 Durchlässigkeit

 Vernetzung

 Wechselwirkung

 Kooperation  Selbstorganisation ist das leitende Kriterium für die Planung und Gestaltung der Lernorte und der Erfahrungsbereiche. Lebensfreundliche Strukturmerkmale bilden die Hintergrundfolie der Lernprozesse und Erfahrungen. So besteht die Möglichkeit, dass Menschen, die in diesen Zusammenhängen leben, eine Intuition ausbilden, die geprägt ist durch lebensfreundliche Charaktermerkmale. Daran ist die Hoffnung geknüpft, in diesen Menschen bilde sich eine Art ökologischer Hintergrundfolie des Denkens und Fühlens aus, die ständig präsent, aber nicht ständig bewusst ist. Weil sie sich auf die grundlegenden Strukturen bezieht, in denen gelernt wird und nicht auf konkrete Inhalte oder Lernziele, sprechen wir von ihr als einem strukturellen Lehrplan.  
Ein Satz, der uns besonders bei der Bearbeitung von Schwierigkeiten leitet, heißt, „..dass wir als menschliche Wesen nur die Welt haben, die wir zusammen mit anderen hervorbringen - ob wir die anderen mögen oder nicht."  (Maturana/Varela, Der Baum der Erkenntnis, S.256, 1984)  
Wir verdeutlichen jetzt an zwei Beispielen, wie mit der „Ökologie des Lernens“ gearbeitet werden kann. Dazu wählen wir die Kriterien „Rückkopplung“ und „Eigendynamik“ aus, weil sie für unser Alltagsverständnis vielleicht besonders unklar erscheinen.   
1.2  Eigendynamik ist ein Charaktermerkmal lebender Systeme  Jedes System, gleichgültig, ob es sich um eine Lerngruppe in der Schule oder um ein Biotop handelt, verhält sich aufgrund seiner eigenen, inneren Verhältnisse in dynamischer Art und Weise. Häufig bemerken wir das Wirken der Eigendynamik erst dann, wenn Dinge geschehen, die wir nicht geplant und mit denen wir nicht gerechnet haben.  Am Beispiel der sogenannten „Disziplinprobleme" soll gezeigt werden, was systemische Betrachtung unter dem Gesichtspunkt „Eigendynamik“ konkret bedeutet. Das Wort „Disziplinproblem" kommt im pädagogischen Alltag ständig vor. Systemisch betrachtet kann man davon ausgehen, dass eine Person, die diesen Begriff benutzt, gute Chancen hat, immer wieder das zu erleben, was sie selbst ein Disziplinproblem nennt.   Beispiel:  Warum Verstehen und Bewerten nicht dasselbe sind  „Da hat sich der Lars doch wieder dreimal grundlos auf den Boden geworfen!"  (Äußerung einer Lehrerin, als sie nach einer Deutschstunde ins Lehrerzimmer kommt.)  Vorgang: Ein Kind wirft sich im Deutschunterricht auf den Boden.  Verstehen: grundlos
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Die Lehrerin kommt also zu dem Ergebnis, dass es keinen Grund für das Verhalten des Kindes gibt.  
Im Prozess des Verstehens geht es darum, die innere Logik eines Vorgangs oder einer Handlung zu ergründen, hier die des Kindes. Da kein Mensch ohne jeden inneren Grund eine Handlung begeht, ist die Verstehensebene des Kindes sicher eine andere, auch dann, wenn sich die Lehrerin keine vorstellen kann und das Kind sie nicht äußert. 
Ein Merkmal des Disziplinproblems ist es also, dass hier mindestens zwei unterschiedliche Bewertungsebenen immer wieder aneinander ankoppeln, ohne dass es zu einer gemeinsamen Bewertung kommt. 
Wiederholung: Sie steckt im Wort „wieder". 
Der Problemteil dieses Vorganges entsteht erst durch häufige Wiederholung mit gleichen oder ähnlichen Mustern. 
Verfestigung zum gemeinsamen Verhaltensmuster: „dreimal" 
Ein Disziplinproblem ist unter diesem Betrachtungswinkel dadurch charakterisiert, dass ein sich wiederholender Vorgang immer wieder auf die gleiche Weise bewertet wird. Er ist wiederum Grundlage gleicher oder ähnlicher Handlungen. Damit soll das Problem gelöst werden, doch in der Wiederholung verfestigt sich das, was da Problem genannt wird. Tatsächlich bildet sich ein gemeinsames Verhaltensmuster heraus. 
Bewerten: grundlos 
In der Bewertung sagt die Lehrerin zunächst etwas über sich selbst aus. Sie kann in dem Verhalten des Kindes keinen Grund erkennen. Wenn sie aber sagt, das Kind verhalte sich grundlos, so ist ihre persönliche Bewertung als Eigenschaft auf das Kind übergegangen. Systemisch gesehen hat die Lehrerin also ihre Beobachterkategorie in eine Systemeigenschaft überführt. 
Wir sehen: Eigendynamische Prozesse, die zu keinen Lösungen, sondern zu Verhärtungen führen, haben ihre Quelle häufig darin, dass die Verstehens- und die Bewertungsebene der am Prozess beteiligten Personen zusammenfallen. Erst die Konsequenzen dieses Verhaltens führen dann zum verfestigten Disziplinproblem: 
„Grundlos" besagt, es gibt keinen Grund für das Verhalten des Kindes. Gemeint ist, dass es keinen „sinnvollen“ Grund gibt.  
Das muss zur Konfusion führen. Systemisch gesehen ist nämlich jedes Verhalten sinnvoll, weil es der Dynamik entspringt, die dem System - hier dem Kind - eigen ist. Sein Verhalten ist Ausdruck seines momentanen Zustandes und seiner Art, sich selbst lebensfähig zu halten.  
Aus beobachtender Perspektive mag der Vorgang noch so sinnlos erscheinen. Die Wiederholung des Vorgangs zeigt, dass offenbar kein Konsens über das sinnvolle Verhalten gefunden worden ist. Diesen Vorgang, in dem Menschen - vereinfacht gesagt - in ihren Handlungen einander begegnen und eine gemeinsame Sichtweise ihrer Verhaltensweisen und der Situationen, die sie erzeugen, finden oder auch nicht, nennt Maturana „strukturelle Kopplung“ (vergl. Humberto Maturana, Erkennen: die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit, Braunschweig 1985, S.243f).
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Ein möglicher Lösungsansatz solcher nicht-konsensueller Prozesse liegt in dem scheinbar paradox wirkendem Satz: „Das Problem ist die Lösung.“ 
Er lenkt den Blick in ganz andere Sektoren. Wenn ich nämlich frage: „Für was ist das, was ich als Problem sehe, eine Lösung?" öffnet sich der Horizont in Richtung Verstehen. Andere Verhaltensbereiche werden möglich und damit die Chance zur „Lösung", die von beiden akzeptiert und in gleicher Weise interpretiert wird. Im Sinne von Maturana hat dann eine konsensuelle Verhaltenskoordination stattgefunden.   
1.3  Rückkopplung 
Am Begriff „Rückkopplung“ wird nun exemplarisch gezeigt, was die Anwendung systemischer Kriterien auf die Organisationsstruktur von Lerngruppen mit Selbstorganisationscharakter bedeutet. Analog gilt das für jede Gruppe, die nicht nach autoritären Mustern geordnet ist. 
Beispiel: Die Versammlung 
In der Freinetpädagogik gibt es die Institution des Klassenrates oder den Morgenkreis. In freien Schulen wird eine ähnliche Form z.B. Besprechung, bei uns Versammlung genannt. Gemeinsam ist allen, dass damit ein zeitlicher und räumlicher Ort geschaffen wird, an dem alle Mitglieder der Gruppe regelmäßig zusammenkommen, um gemeinsam die sie betreffenden Angelegenheiten zu regeln. 
An diesem Ort entsteht erst das, was wir eine Gruppe nennen. Hier bilden sich die Verhaltensweisen aus, die diese Gruppe kennzeichnen und mit denen sie als Gruppe reagiert. 
Es ist der Ort, an dem man sich vergewissert, dass es diese Gruppe noch gibt. Hier wird die Weiterexistenz der Gruppe erst möglich gemacht. Es wird all das zur Sprache gebracht, was für die Mitglieder dieser Gruppe wichtig sein könnte.  
Hier werden Konflikte geregelt, bzw. Regelungsinstrumente entwickelt, es werden gemeinsame Projekte erörtert und beschlossen, es finden Absprachen zur Organisation statt, unbrauchbare oder überholte Beschlüsse werden abgeschafft. 
Es ist der Ort demokratischer Willensbildung, ein Ort individueller Verankerung, ein Ort sozialer Verantwortung, noch einmal genannt, der Ort, an dem sich die soziale Gruppe bildet, bzw. immer wieder konstituiert. Hier wird der Rahmen geschaffen, in dem die unterschiedlichen individuellen Fähigkeiten sich entfalten und der Unterschied zwischen Freiheit und Beliebigkeit erfahrbar wird. Es ist ein zentraler Punkt für die Lebensfähigkeit der Gruppe, hier findet das statt, was in systemischer Betrachtung „Rückkopplung" heißt. Die einzelnen Mitglieder des Systems beziehen sich aufeinander, bilden ein System konsensueller Verhaltenskoordinationen aus, und in diesem Gefüge finden die Abstimmungen der Aktivitäten statt. Es wird so ein gemeinsamer „Sinn“ herausgebildet. 
Das entscheidende „Instrument“ für diese Vorgänge ist die Sprache.
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Der aufmerksame und besonders pflegliche Umgang mit diesem Ort der Rückkopplung, seinen Regeln und nicht zuletzt mit der Sprache, ergibt sich aus systemischer Betrachtung. Wenn der zentrale Punkt der Gruppe missachtet oder geschädigt wird, hat dieses unmittelbare Auswirkungen auf die Existenzfähigkeit der Gruppe. 
Viele LehrerInnen, die in selbstorganisierte Lernformen wechseln, verkennen häufig die Wichtigkeit dieses Punktes für das gesamte Gelingen des „Systemwechsels".  
In der Phase, in der Menschen mit selbstorganisierten Lernformen vertraut gemacht werden, ist es notwendig, dass die Orte der Rückkopplung gepflegt werden. Sonst kommt es nicht zur Herausbildung neuer Qualitäten, sondern es setzt sich die Eigendynamik der alten, auf bisherigen Erfahrungen beruhenden Muster durch. Das Fortlassen der zentralen autoritären Funktionen, die im „alten System“ alleine die LehrerIn innehatte, führt auf diesem Weg zur Installation von sogenannten „Kinderchefs“ in verschiedenen Kleingruppen, die ohne Kontrolle der Gruppe handeln und schließlich die ganze Gruppe regelrecht beherrschen können. 
Systemische Erkenntnis hat mit dem Irrtum aufgeräumt, dass allein das Abschaffen missliebiger oder störender Faktoren ein neues System oder Verhalten begründet. Im Gegenteil, das Erklärungsmodell der Selbstorganisation macht es verständlich, warum sich Änderungen so nicht vollziehen können. Die Eigendynamik eines Systems ist so gerichtet, dass es sich ständig erhält und zwar in dem Zustand, in dem es sich gerade befindet. Deshalb müssen parallel zur Abschaffung einzelner Faktoren neue Systemstrukturen aufgebaut und mit viel Aufmerksamkeit und Anfangsenergie bedacht werden. Eine solche Struktur ist die Versammlung in ihren beschriebenen Funktionen.  
Beispiel: Streitschlichter Eine zweite Möglichkeit zum Aufbau neuer Systemstrukturen sehen wir im Einsatz der „Streitschlichter". Sie sind alle in Mediation ausgebildet. Ihre Aufgabe besteht nicht nur darin, Konfliktlösungen zwischen den Streitenden zu vermitteln, sondern sie haben die Autorität, bei Regelverletzungen und Grenzüberschreitungen Maßnahmen verhängen zu können. Man könnte also sagen, dass sie das Recht der Sanktionierung ausüben, welches im alten System ebenfalls der LehrerIn obliegt. Wenn man also möchte, dass in einem selbstorganisierten System die Autorität des Umgangs mit Regelverletzungen nicht mehr allein bei der LehrerIn liegen soll, so ist es keineswegs ausreichend, diese wesentliche Funktion ersatzlos zu streichen, sondern an ihre Stelle muss eine neue Struktur treten.   
2.   Systemische Erkenntnisse: Anmerkungen und Beispiele und de- ren Anwendung 
2.1 „Jedes rationale System ist emotional begründet." (Humberto Maturana, Ontologie des Konversierens, in: Kratky/Wallner, Hrsg., Grundprinzipien der Selbstorganisation, Darmstadt 1990, S. 144)  
Wir leben in einer Gesellschaft, die viel davon hält, dass eine Handlung rational ausgeführt sein soll. Wir merken das in Situationen, in denen die Emotionen überschäumen und wir in der Regel aufgefordert werden, doch bitte sachlich zu bleiben. 
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Diese Betonung der Sachlichkeit hat eine Abwertung der Emotion als Kehrseite. Sie äußert sich auf schulischer Seite darin, dass Lehrpläne und Rahmenrichtlinien einen deutlichen Schwerpunkt in der rationalen Erkenntnis setzen. Soziales vielleicht noch, Emotionales aber - gehört in der Regel nicht mehr zum Lern- und Leistungsbegriff von Schulen. Die pädagogische Arbeit zeigt allerdings eine ganz andere Seite.  
Immer wieder stellt sich heraus, dass Konflikte in einer Gruppe vorhanden sind und meistens mit heftigen Emotionen ausgetragen werden. Es gehört ebenfalls zum alltäglichen Bild von Schule, dass man diese Vorfälle als „Ausrutscher“ wertet, um anschließend zum Eigentlichen, zum Rational-Kognitiven übergehen zu können. 
Maturana hat mit seinen Forschungen und Erkenntnissen deutlich gemacht, dass die Betonung des vorrangig Rationalem einer näheren Prüfung nicht standhalten kann.  
Tatsächlich nämlich ist jede rationale Handlung in einer Emotion begründet. 
Das ist eine der grundlegendsten Erkenntnisse systemischer Betrachtung. Die verschiedenen Systeme des Zusammenlebens unterscheiden sich durch unterschiedliche Grundemotionen. Ausgehend von den verschiedenen Grundemotionen werden unterschiedliche sogenannte „Konversationsnetze und Handlungsräume“ gebildet. Wir möchten diesen Zusammenhang ein wenig beleuchten: 
Als wichtige Grundemotionen sind zunächst zu nennen: Liebe und Zuneigung, Verpflichtung, Selbstverleugnung, Hass, Angst. 
Jeder Mensch bildet auf der Basis der Grundemotionen sein individuelles Muster aus, in dem er typischerweise handelt und in Kontakt zu seinen Mitmenschen tritt. Diese sind seine Konversations- und Handlungsmuster. Gleiche Handlungen indes können auf unterschiedlichen Emotionen beruhen. Deshalb ist es ein wesentlicher Unterschied, ob sie auf der Grundemotion „Liebe“, „Verpflichtung" oder gar „Angst" beruhen. 
Unterschiedliche Grundemotionen haben natürlich auch verschiedene Systeme des menschlichen Zusammenlebens zur Folge. Während aus Liebe und Zuneigung soziale Systeme erwachsen, begründet Verpflichtung eher Arbeitsverhältnisse. Angst und Selbstverleugnung sind eher in hierarchischen Machtstrukturen zu finden (vergl. ebd. S.149 ff). 
Die bei Menschen ausgebildeten Muster sind immer ein Geflecht, das auf verschiedenen Grundemotionen beruht, manchmal in so widersprüchlicher Art, dass dadurch schweres Leiden verursacht werden kann.  
In der Schule finden wir sehr leicht etwas Entsprechendes: Wenn an einer Schule, in einem Kollegium, mitunter in einer ganzen Schulform, die Grundemotion „Verpflichtung“ als Grundlage herrscht, dann entstehen daraus Schulen, in denen es vorrangig um die kognitiven Leistungen geht. Diese zu erbringen und die Richtlinien zu erfüllen, ist der Kern dieser Verpflichtung und zugleich der Maßstab ihres Erfolges. Wenn wir den einzelnen Menschen sehen, wenn wir an seiner individuellen Entwicklung interessiert sind, wenn die sozialen Verhaltensweisen jedes Einzelnen und der ganzen Gruppe die Grundlage des pädagogischen Handels sind, dann entscheidet sich eine Schule für  eine andere Grundemotion, welche diese Schule bestimmen und tragen soll.  
Es ist dies die Emotion der Zuneigung. Für diesen Weg hat sich unsere Schule entschieden. Warum?
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Schon beim Erwerb der Sprache zeigen sich die Wirkungen der verschiedenen Grundemotionen. René Spitz hat durch seine Untersuchungen der Sprachfähigkeit bei Kindern gezeigt, wie eng ihre positive Entwicklung mit dem Gefühl von Zuneigung und Liebe verbunden ist. Auch Bruno Bettelheim hat überzeugend nachgewiesen, dass mit der Grundemotion „Liebe" schwierige Leiden von Kindern gemildert werden können (siehe: B. Bettelheim/ D. Karlin, Liebe als Therapie, München 1983). 
Was für die Entwicklung von Sprache, wie auch für therapeutische Situationen als gute Grundlage gilt, das soll auch die Basis sein, auf der Kinder in unserer Schule lernen. 
Entscheidend für die Weiterentwicklung von lebensfreundlichen Systemen ist es also, auf welcher emotionalen Basis Menschen lernen. 
Hier liegt ein wesentlicher Einflussbereich von Schule!   
2.2   Der Fehler, ein vorwärtstreibendes Element im Lernprozess 
Am Beispiel der Rolle des Fehlers im Lernprozess ist gut zu erkennen, welche Bedeutung es hat, mit welcher Grundemotion der Vorgang des Fehlermachens verknüpft ist.  
Die meisten Menschen empfinden den Fehler als etwas Negatives. Angst und Liebesentzug waren die vorherrschenden Grundemotionen, die sich oft in ihrem Leben und der entsprechenden Lerngeschichte mit diesem Vorgang verbunden haben. Die Folgen gehen in verschiedene Richtungen:  - Lernblockaden bei bestimmten Fächern - Vorspiegelung falscher Tatsachen  („so tun, als ob", „schlau gucken und nichts wissen" und die hochentwickelte Kul-  tur der Mogelzettel sind bekannte schulische Phänomene) - Verschüttung von Interessen - Angst bei Prüfungen - Abhängigkeit von beurteilenden Personen - Entscheidungsschwäche - Vermeidung unsicherer Situationen  Man sieht: Es ist überhaupt nicht egal, mit welcher Grundemotion gelernt wird. Die Folgen können sehr gravierend sein. Häufig gehen die negativen Erfahrungen so weit, dass sich Menschen nichts mehr zutrauen. Es kann sein, dass eine negative Erfahrung mit einem bestimmten Lernsektor dazu führt, damit verbundene Berufe auf keinen Fall zu ergreifen. 
Der Umgang mit Fehlern stellt also ein wesentliches Hindernis dar, wenn man möchte, dass Menschen ihr schöpferisches Potential in vielen Bereichen entwickeln können. 
Tatsächlich ist der Fehler ein vorwärtstreibendes Element im Lernprozess, seine Vermeidung durch „Nichthandeln" ist aber leider eine der am weitesten verbreiteten Folgen. Damit wird zugleich der Weg zu Handlungsänderungen blockiert. 
Der Systemiker Gregory Bateson hat für die Bedeutung des Fehlers ein eindrucksvolles Beispiel gefunden. Er vergleicht den Prozess eines Systems mit einem Hochseiltänzer. 
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In unserem Zusammenhang wollen wir das Beispiel auf die Bedeutung des Fehlers im Lernprozess anwenden. Der Hochseiltänzer macht auf jeden Fall einen Fehler, wenn er die Balance verliert. Aber genau das muss er tun, um in Balance zu bleiben. Nur durch viele kleine Fehler gelingt es ihm, in der Stabilität zu bleiben.  
„Das gesunde System, (...) lässt sich mit einem Akrobaten auf einem Hochseil vergleichen. Um die fortdauernde Wahrheit seiner Grundprämisse ( >Ich bin auf dem Seil<) aufrechtzuerhalten, muss er die Freiheit besitzen, sich von einer unstabilen Position zur anderen zu bewegen, d.h. gewisse Variablen, wie die Stellung der Arme und die Häufigkeit seiner Armbewegungen müssen eine große Flexibilität besitzen, die er verwendet, um die Stabilität anderer, fundamentalerer und allgemeinerer Charakteristika beizubehalten. Wären seine Arme festgebunden (...) dann müsste er fallen. (...)  Die Analogie vom Akrobaten ist auf einer höheren Ebene anwendbar. Während der Zeit, in welcher er lernt, seine Arme richtig zu bewegen, ist er auf ein Sicherheitsnetz angewiesen, d.h. er muss gerade die Freiheit haben, vom Seil zu fallen."                                  (Gregory Bateson, Ökologie und Flexibilität in urbaner Zivilisation, in: Ökologie des Geistes, Frankfurt 1985, S. 638f).  
Lernen in Schulen müsste sich also grundlegend wandeln. Anstatt Fehler als etwas Falsches zu sanktionieren - so geschieht es in allen Tests und Klausuren - müsste es einen völlig anderen Umgang mit ihnen geben. Die wesentliche Erkenntnis, wie Menschen lernen, gewinnt man nicht daraus, ob und wie viele Fehler sie machen, sondern wie sie mit Fehlern umgehen. So gesehen müsste jede Lernsituation gespickt sein mit Möglichkeiten, Fehler zu machen. Solche Lernsituationen stellen ein wesentliches Qualitätsmerkmal von Schule dar.   
2.3   Denken und Planen in Qualitäten 
Offene Lernsituationen sind nicht beliebig. Sie erfordern Planung auf der einen Seite, aber auch immer eine bestimmte Sicht auf die Dinge, die in einem offenen Prozess geschehen. Aus systemischer Sicht hat es sich bewährt, zwischen einem „Produkt“ und einer „Qualität“ zu unterscheiden. 
Worum es dabei geht, hat der bekannte Kybernetiker Frederic Vester in einem anschaulichen Beispiel verdeutlicht: 
Fast alle Menschen in unserer technisierten Welt würden die Frage, ob sie eine Waschmaschine benötigen, entschieden bejahen. Was sie tatsächlich benötigen, ist saubere Wäsche.  
Die Qualität „saubere Wäsche" und das Produkt „Waschmaschine" befinden sich in einer symbiotischen Beziehung. Das Produkt enthält die Qualität, aber die Qualität ist nicht an dieses Produkt gebunden. Die Schwierigkeit besteht in der engen Beziehung beider. Daraus folgt das Denken in Produktkategorien; dieses ist statisch und zielfixiert. Ziele werden folgerichtig als bestimmte Ereignisse oder Erreichung von Produkten definiert, wobei unbenannt Qualitäten enthalten sind, um die es eigentlich geht.
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In Pädagogik übersetzt: Fast alle reformpädagogisch beseelten Menschen halten einen Morgenkreis für einen unverzichtbaren Bestandteil jeder guten Grundschularbeit. Tatsächlich brauchen alle Beteiligten einen Ort, an dem sie sich austauschen und zusammen planend gestalten können. Ob dafür der Morgenkreis immer das beste Mittel - das beste Produkt - ist, scheint fraglich. 
Denken in Produkten verhindert also häufig das Finden neuer, kreativer Lösungen. 
Weil aber eine Schule, die auch neue pädagogische Erfindungen mit den SchülerInnen zusammen machen will, viele solcher kreativen, intelligenten Lösungen braucht, ist das Erlernen von Planen und Denken in Qualitäten ein wichtiges Lernfeld.  
Erstes Beispiel: Warum das Prinzip „mehr desselben“ nur selten hilft 
Die Grundschule durchläuft ein Kind „erfolgreich", wenn es in zwei von drei Lehrgängen (Lesen, Schreiben, Rechnen) die Anforderungen erfüllt.  
Klaus (erfundener Name) hatte dieses Kriterium erfüllt; er entsprach den Anforderungen des Rechen- und des Leselehrgangs und war so in die 5. Klasse einer Orientierungsstufe gekommen. Klaus hatte jedoch eine Schwierigkeit, die alles überschattete, eine extreme Rechtschreibschwäche (Ca. 90% der von ihm geschriebenen Worte entsprachen nicht den Regeln der deutschen Rechtschreibung). Immer, wenn Klaus schreiben sollte, brach er in Tränen aus. Allein die Tatsache, dass irgendwann in einer Unterrichtsstunde etwas geschrieben werden würde, blockierte seine Möglichkeiten, sich mit Inhalten auseinander zu setzen. Dazu - wahrscheinlich nicht zufällig - war er hypermotorisch. Sein größter Wunsch war, möglichst schnell das Ende der Schulzeit zu erreichen und nie wieder schreiben zu müssen. Er saß keine zwei Minuten „ruhig auf einem Stuhl", wie es bei Kindern mit dieser Verhaltensweise so oft heißt. So weit die offensichtlichen Symptome dieses Kinderleids. 
Man hatte mit dem Lösungsansatz „immer mehr desselben" versucht, diesem Kind die Rechtschreibung beizubringen und ihm dabei zu einer so tiefen Leiderfahrung verholfen, dass sich dieses Leid und diese Schwäche wie ein großer Felsblock in seinen  Weg  gelegt  hatten.  Die  Lösung‚  „immer  mehr  desselben“, häufig  auch  „Üben, Üben“ genannt, führte in diesem Fall dazu, diesen Menschen immer wieder vor diesen Felsen laufen zu lassen. Dieses Muster war nun leider so oft angewandt worden, dass zunächst das Schreiben und schließlich die ganze Schule mit der Grundemotion „Angst“ verknüpft wurden. Wir verdanken der systemischen Sichtweise die Erkenntnis, dass Handlungen nicht für sich alleine stehen, sondern mit den Gefühlen, den Emotionen verknüpft werden, die sich bei ihrer Ausübung einstellen. 
Immer, wenn Klaus schreiben will, spürt er diese Angst und schnell breitet sie sich auf sein gesamtes Lernverhalten in der Schule aus. Er verliert die Fähigkeit zu differenzieren, neue Handlungen zu erproben, weil ihm diese Angst im Nacken sitzt. 
Klaus hat im systemischen Sinne seine gesamte Flexibilität eingebüßt.   
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„Nicht viele menschliche Probleme (...) bleiben auf längere Zeit unverändert; sie neigen vielmehr dazu, sich zu verschlimmern und zu eskalieren, wenn keine oder eine falsche Lösung versucht wird, und ganz besonders dann, wenn mehr einer falschen Lösung angewendet wird. Ist dies der Fall, mag die Struktur der Problemsituation gleich oder ähnlich bleiben [wie bei Klaus, Anm. d. Verf.] während die Intensität des durch sie hervorgerufenen Leidens zunimmt" (Watzlawick, Weakland, Frisch: Lösung, Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels, Bern, Stuttgart, Toronto, 1982, S.52).  
Leider kommt es in diesem Prozess noch schlimmer: Klaus soll nämlich nicht nur üben, sondern auch noch stillsitzen, damit dieses Üben Erfolg haben soll. Leider wird bei ihm hypermotorisches Verhalten diagnostiziert. Man könnte die Hypermotorik als einen Versuch dieses Menschen betrachten, den Verlust seiner „Beweglichkeit", seiner Flexibilität, auszugleichen. Aber auch das wurde ihm nicht gestattet. Da doch „stillsitzen können" - als handelte es sich dabei um eine Grundfertigkeit - die Voraussetzung zum konzentrierten „Schreibenüben“ und das wiederum die Bedingung für das Erlernen der richtigen Schreibweise ist, wurde viel Energie darauf verwandt, dieses Kind im wahren Sinn des Wortes „ruhig zu stellen".  
Es ergibt sich ein Rückkopplungsprozess folgender Art. Klaus LehrerInnen versuchten, die zwei Variablen „Üben“ und „Stillsitzen“ aus den besten Motiven heraus positiv zu verändern. Tatsächlich wird damit aber die verfestigte Variable „nicht schreiben können“ noch weiter „betoniert“. Das ganze System fährt fest. Klaus will überhaupt nicht mehr arbeiten und verweigert schließlich sogar die Schule. Soweit die Beschreibung von Klaus' Lernproblem. 
Die folgende Zusammenfassung formuliert den geschilderten Prozess erneut, dieses Mal aber in systemischen Kategorien. Diese Zusammenfassung ist daher sehr abstrakt und vielleicht schwer verständlich. Sie kann ohne Verständnisprobleme für das Nachfolgende überschlagen werden.  
Über die Bedeutung der Flexibilität und der strukturellen Kopplung  
Sich „schriftlich mitteilen können" ist die Qualität, die man versucht hatte, dem Schüler Klaus beizubringen. Dabei wurde, systemisch gesprochen, seine gesamte Flexibilität in Bezug auf Schule lahmgelegt, oder, komplett in systemischen Kategorien ausgedrückt: Durch die strukturelle Kopplung zwischen der Einheit (Klaus) und dem Milieu (Schule), bzw. einer anderen Einheit (LehrerIn) auf der Basis der Grundemotion Angst, breitete sich das Strukturmerkmal des Milieus „mangelnde Flexibilität" über die gesamte Einheit aus und führte zum Verlust seiner Beweglichkeit und damit zum Verlust seiner Lebensfähigkeit in diesem Milieu.  
Mit den Worten Gregory Batesons hört sich das so an: „Wenn eine Variable [des Systems] unter Belastung einen Wert annehmen muss, der sich ihrer oberen oder unteren Toleranzgrenze nähert, werden wir sagen, dass das System ‚verfestigt‘ ist oder dass es ihm in dieser Hinsicht an ‚Flexibilität‘ mangelt. Weil aber die Variablen miteinander verknüpft sind, bedeutet die Verfestigung im Hinblick auf eine Variable gewöhnlich, dass andere Variablen nicht verändert werden können, ohne die verfestigte Variable voranzutreiben. Der Verlust von Flexibilität breitet sich über das gesamte System aus" (Gregory Bateson, Ökologie und Flexibilität in urbaner Zivilisation, in: Ökologie des Geistes, Frankfurt 1985, S. 636f).  
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Erst wenn man beginnt, Qualität und Produkt voneinander zu trennen, zeigen sich neue Lösungswege. Bei diesem Kind wurde die Qualität „sich mitteilen" an das Produkt „richtig schreiben können" gekettet, das wiederum an die Grundemotion „existentielle Angst" gekoppelt war. Das neue Erfahrungsfeld musste nun folgende Qualitätsmerkmale aufweisen: 
1. Grundemotion „Freude und Zuneigung“  2. Mitteilungsmöglichkeiten, die dem Schreiben als gleichwertig gegenübergestellt    werden. 
Daraus folgte: a) Klaus brauchte nicht mehr zu schreiben.  b) Er konnte die Art und Weise der Mitteilung selber wählen.  c) Er hatte keinen Nachteil bei der Bewertung.  d) Er sollte seine Darstellungs- und Erarbeitungsform so wählen, dass er mög-     lichst viel in Bewegung sein konnte.  
Nach einem dreiviertel Jahr hat Klaus wieder einen Text geschrieben: freiwillig! Inzwischen war er von der gesamten Klasse zum anerkannten Modellbauer und Spezialisten für knifflige technische Probleme geworden. Das Modell eines Steinkohlebergwerks, ein Feuer speiender Vulkan sowie ein Sonnenkollektor mit Speicher und Dusche für den Garten gehörten zu den Spitzenleistungen, mit denen er sich mitteilte. 
Systemisch gesehen konnte sich Klaus über den neuen Erfahrungsprozess auf der Basis der Grundemotionen Freude und Zuneigung neue Verhaltensweisen erschließen. Es gelang ihm, selbst einen Text zu schreiben, der anfangs natürlich nicht weniger Fehler enthielt als zuvor. 
Klaus hatte aber seine Flexibilität zurückgewonnen, aus der heraus sich auch Möglichkeiten entwickeln können, an seiner Rechtschreibung zu arbeiten.  
Das Programm „mehr desselben“ birgt schon ein Grundproblem in sich 
Unsere Alltagserfahrungen, dass „mehr desselben" tatsächlich Probleme löst, wie zum Beispiel eine Steigerung der Wärmezufuhr an irgendeinem Punkt das Kälteempfinden vertreibt, erweisen sich jedoch als Hindernis, um zu einer anderen Sicht auf die Ereignisse zu kommen.  
Jede Maßnahme, die auf dem Prinzip „mehr desselben“ beruht, nimmt zunächst einmal eine Analyse der Voraussetzungen vor, auf denen die Mängel gründen, die durch das Programm „mehr desselben“ behoben werden sollen. In der Bedeutung des Wortes „Voraussetzung" ist schon der Keim enthalten, der andere Lösungen verhindert. Wenn ich Voraussetzungen formuliere, behaupte ich gleichzeitig die Ablaufdynamik eines Prozesses schon zu kennen. Es werden die zukünftigen Ereignisse hierarchisiert und wie ein linearer Ursache-Wirkungszusammenhang organisiert, während in Wirklichkeit die Variablen tatsächlich miteinander vernetzt sind und ein Wirkgefüge bilden, welches seine Eigendynamik hat, die sich entsprechend des inneren Gefüges entfaltet und nicht entsprechend der linearen Logik des Beobachters.
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Zweites Beispiel: Warum man die Dinge be-greifen muss 
An dem folgenden Beispiel wird gezeigt, dass prozess- und qualitätsorientiertes Vorgehen nicht nur bei der Lösung von Problemen sinnvoll ist. 
Ausgangspunkt des im Folgenden beschriebenen Prozesses war eine Betrachtung mit den SchülerInnen über das Wort „Begreifen". Nach Meinung der Kinder steckt in dem Wort das Greifen, sprich Anfassen, von etwas. Als das Wort entstanden ist, muss es etwas mit Anfassen zu tun gehabt haben, das jedenfalls war ihre Erklärung. Merkwürdig fanden sie nur, dass es heute in ganz anderer Bedeutung benutzt wird.  
Wenn einer fragt: „Hast du es begriffen?" meint man einen Vorgang im Gehirn und nicht, ob derjenige es auch angefasst habe. Diesen Widerspruch fanden sie äußerst bemerkenswert.  
Mit den Händen lernen, das wollten sie jetzt probieren. Sie stellten die These auf, dass man dann vielleicht auch besser begreift, im heutigen Sinn des Wortes. Das Qualitätsziel für die nächste Arbeitsphase war aufgestellt, weder war klar, wie das vor sich gehen sollte, noch an welchen Inhalten. Es wurde vorgeschlagen, Modelle zu bauen, denn dabei würde man ständig etwas anfassen. Nun hatten wir auch das „Wie" geklärt. So blieb nur noch, die Themen zu finden. 
Im Themenkatalog des Faches „Welt- und Umweltkunde" wurde nachgesehen, ob sich dort zufällig geeignete Inhalte finden ließen. Ein Junge hatte schnell sein Modellbauthema gefunden: „Wirbelstürme!" Etwas erstaunt sahen ihn die anderen an. Wie er denn das Modell eines Wirbelsturmes bauen wolle? „Kein Problem“, er habe schon eine genaue Vorstellung im Kopf, so lautete die Antwort. Das war der Anstoß, auch die anderen gängigen Naturkatastrophen, wie beispielsweise Sturmflut und Lawinen, zum Thema zu machen. Der andere Anstoß kam von den Modelleisenbahnfreunden. Im Themenkatalog des Faches heißt es ganz spröde „Verkehrsknotenpunkte"; Flughafen, Hafen, Bahnhof und Verkehr in der Stadt waren die anderen Themen des Modellbaus. 
Da nun Bauen seine Zeit braucht, wurde noch eine naturwissenschaftliche Note mit ins Spiel gebracht, allerdings ausgelöst durch die Frage: „Warum können Flugzeuge fliegen und Schiffe schwimmen, obwohl sie doch schwerer sind als Luft bzw. Wasser?" 
Eine dreiwöchige intensive Arbeitsphase begann, nachdem die einzelnen Arbeitsgruppen ihre grundsätzliche Planung für die drei Wochen aufgestellt und sich die notwendigen Informationsquellen, wie auch die Materialien für den Modellbau beschafft hatten.  
Diese Arbeitsphase, wie immer in der Freinetpädagogik, findet ihren Abschluss in der Vorstellung der Arbeit. Hier werden nicht nur Ergebnisse präsentiert, sondern es wird über den Ablauf des Arbeitsprozesses berichtet, zum Beispiel, welche Schwierigkeiten und welche Freuden es dabei gegeben hatte.  
In dieser Präsentationsphase geht es zusätzlich noch sehr um die Herausbildung einer grundsätzlichen Qualität der sogenannten „psychischen Handlungskompe
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tenz". Damit ist die Fähigkeit gemeint, sich mit der eigenen Arbeit und dem, was man für richtig hält, der Kritik durch andere zu stellen.   Für viele Menschen ist es schwierig, sich vor eine größere Anzahl anderer Menschen zu stellen und öffentlich zu sprechen. Daran werden sie meistens weniger durch mangelnde Kenntnisse gehindert, sondern eben durch die mangelnde Fähigkeit, sich psychisch einer öffentlichen Kritik zu stellen. Es fehlt die Erfahrung, wie sie sich in solchen Situationen fühlen, und dass die Aufregung, die einen in solchen Momenten befällt, mit zunehmender Erfahrung weniger hinderlich wird. SchülerInnen lernen bei der Präsentation, sich gegenseitig zu kritisieren und zwar nicht nur in der negativen Bedeutung des Wortes. Sie lernen zudem, Kritik anzunehmen. 
All das umfasst im Bereich der Handlungsfähigkeit von Menschen ein weites Feld und zusammen wird es mit „psychischer Handlungskompetenz" bezeichnet. Dieses Qualitätsziel kann allerdings nur erreicht werden, wenn es in möglichst vielen Situationen wachsen kann und wenn die Grundemotionen Freude und Zuneigung den Hintergrund bilden. Es ist vergleichbar mit dem Sicherheitsnetz des Hochseilakrobaten. 
Diese Kompetenz wird auch dann noch wirksam sein, wenn die Inhalte, die dabei „zum Besten gegeben“ wurden, schon lange im Orkus des Vergessens versunken sein sollten. Der hier beschriebene Veränderungsvorgang ist das, was Maturana als „strukturelles Driften“ bezeichnet, in dessen Verlauf es häufig so langsam zur Herausbildung neuer Verhaltensstrukturen kommt, dass man es kaum bemerkt.   
Drittes Beispiel: Warum Disziplin und Achtsamkeit nicht dasselbe sind.   Es gibt zwei Reizbegriffe, an denen in der pädagogischen Auseinandersetzung regelrechte „Fronten" entstanden: „Ruhe" und „Ordnung" heißen sie. An der Einstellung zu diesen beiden „Tugenden" ließen sich angeblich die sogenannten Fortschrittlichen von den Konservativen unterscheiden. Während die einen getreu der Haltung, es gäbe Voraussetzungen, ohne die ein Mensch nicht lernen oder im Leben zurechtkommen könne, Ruhe und Ordnung einübten, war dieses den anderen ein sicheres Zeichen, dass hier einer der ewig Gestrigen am Werke sei. Sie glaubten auf die entsprechenden Qualitäten einfach verzichten zu können. 
Doch unter systemischen Gesichtspunkten sind beide Haltungen unangemessen, weil dort vermutlich eine Verwechslung von Produkten und Qualitäten vorliegt.  
Sicher ließe sich schnell Einigkeit darüber erzielen, dass Konzentration bei der Arbeit, ungestörte Arbeit, Aufmerksamkeit für die Prozesse und Befindlichkeiten anderer Menschen die Lernprozesse sehr fördern und dass die Abwesenheit dieser Qualitäten außerordentlich hinderlich ist. In dem Begriff Disziplin steckt aber ein Vorgang, der versucht, Disziplin als Fähigkeit durch die Autorität der Lehrerin herzustellen und notfalls zu erzwingen. Disziplin soll also eine Art Verhaltensprodukt sein, die Voraussetzung eines Lernprozesses und nicht dessen Ergebnis. Diese Vorstellung hat berechtigterweise die Kritik der sogenannten Fortschrittlichen herausgefordert. Ihr Blick war aber einseitig auf den autoritären Teil der Disziplin gerichtet und verlor die erwähnten Prozessqualitäten darüber aus den Augen. Angemessen wäre eine Haltung, die statt Ruhe - Ordnung - Disziplin mit der Qualität der Achtsamkeit arbeitet. Achtsamkeit ist kein Produkt, sondern sie entsteht in einem Prozess immer wieder neu. Immer wieder müssen sich die Menschen daran erinnern, mit ihrer Mitwelt achtsam umzugehen. Immer wieder müssen sie Wege
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finden zu erkennen, was Achtsamkeit bedeutet und immer wieder müssen sie diskutieren, was geschehen soll, wenn es an der notwendigen Achtsamkeit fehlt. 
Hier stoßen wir wieder auf die Grundemotionen, von denen unter der Überschrift „Jede rationale Handlung ist emotional begründet“ bereits die Rede war. Aus der Erfahrung von „geachtet sein", „Sicherheit in seinen Grenzen erfahren", wächst dann die Qualität „selber zu achten", die wiederum in einem ständigen Prozess zwischen mir und meiner Mitwelt zu dem führt, was mit Ordnung letztlich nur gemeint sein kann - dem achtsamen Umgang mit meiner Mitwelt.  
Vom äußeren Schein sind sich also die Ergebnisse von Disziplin und Achtsamkeit sehr ähnlich, doch die Art des Prozesses entscheidet, wie die zukünftige Handlung strukturiert ist. Dies ist ein Beispiel für die systemische Grunderkenntnis, dass es nicht nur  eine Lösung gibt, nie nur eine Art des Vorgehens.  
„Anzunehmen, dass die einzige Methode, eine (...) Gewohnheit (...) zu erlangen, in der wiederholten Erfahrung von Lernkontexten eines gegebenen Typs besteht, würde logisch gesehen der Behauptung entsprechen, die einzige Weise, ein Schwein zu braten, bestehe darin, das ganze Haus abzubrennen" (Gregory Bateson, Sozialplanung und der Begriff des Deutero-Lernens, in: Ökologie des Geistes, Frankfurt 1985, S. 232).   
Viertes Beispiel: Warum Achtsamkeit die Menschen stärkt 
Achtsamkeit hat aber nicht nur eine Bedeutung im Zusammenhang mit Ruhe – Ordnung - Disziplin, sondern auch eine, die sich auf das Wahrnehmen, Wertschätzen und Akzeptieren anderer Menschen bezieht.  
Ein Beispiel aus dem Schulalltag: Eine Schülerin präsentiert ihre Ergebnisse einer Projektarbeit. Allen SchülerInnen fällt es schwer, ihrem sehr leisen, etwas stammelnden und wenig strukturierten Vortrag zu folgen. In der darauf folgenden Kritikphase betonen zwei MitschülerInnen die kleinen, aber deutlichen Verbesserungen gegenüber ihrem letzten Vortrag. „Du hast dieses Mal schon einige Sätze frei gesprochen“, „Du hast dir Stichpunkte zum Verlauf des Vortrags gemacht“ und „Du konntest einige unserer Fragen beantworten“ lauteten ihre Rückmeldungen. Der dargebotene Vortrag hätte vordergründig reichlich Möglichkeiten zu einer vernichtenden Kritik geboten. Der achtsame Umgang der Kinder, die um die besonderen Schwierigkeiten ihrer MitschülerInnen bei Präsentationen wussten, gab ihr mehr Sicherheit. Im Folgenden Vortrag einige Wochen später sprach sie deutlich klarer, lauter, formulierte verständlicher und gliederte ihre Inhalte viel übersichtlicher.   
2.4 Denken in Prozessen  
In der pädagogischen Arbeit unterscheidet man zwischen einer Orientierung am Prozess und am Ergebnis. In der Prozessorientierung kommt es mehr auf die Qualitäten während einer Arbeit an als auf das Ergebnis. In der Ergebnisorientierung verhält es sich genau umgekehrt. Lehrpläne und Rahmenrichtlinien führen häufig dazu, sie als
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einen Lernzielkatalog zu betrachten, den es abzuarbeiten gilt. Wie diese Lernziele erreicht werden, ist dabei meistens zweitrangig.   
Leider kommt dieses „wie“ sofort in den Blick, wenn die gewünschten Ergebnisse ausbleiben oder nicht so ausfallen, wie es zu erwarten wäre. Die PISA-Diskussion ist dafür ein gutes Beispiel. Sie hat - jedenfalls im Ansatz - den Blick der Debatte auf die Frage gelenkt, wie an deutschen Schulen gelernt wird. 
Wir möchten den Unterschied zwischen prozess- und ergebnisorientierter Arbeit wieder an einem Beispiel aus der freinetpädagogischen Praxis zeigen.   
Beispiel: Wie entstehen eigentlich Sommer und Winter?   Die Ausgangsfrage war denkbar einfach: Wie entstehen Sommer und Winter auf der Erde? In Anlehnung an Wagenscheins „Genetische Lehrgänge" (siehe: Martin Wagenschein, Naturphänomene sehen und verstehen, Stuttgart 1982) und der „Natürlichen Methode" in der Freinetpädagogik beginnt der Prozess mit der Beschreibung von Erfahrungen, die über die Sinne unmittelbar zugänglich sind. Diese Erfahrungen führen dann zur ersten Theoriebildung, mit der das Phänomen erklärt werden soll. Die gemeinsame Begriffsbildung ist wichtig, denn sie ermöglicht erst gemeinsames Forschen und Verstehen. 
Im konkreten Fall wurde die sicher auffälligste Erfahrung, dass es im Sommer heiß oder warm und im Winter kalt ist, zum Ausgangspunkt der ersten Theorie. In lockerer Analogie wurde ein Zusammenhang zwischen der Wärmestrahlung beim Lagerfeuer oder Ofen hergestellt, und zwar „kleiner Abstand warm bis heiß, großer Abstand kalt.“ 
Dieser Vergleich veranlasste sogleich einen Schüler, die Theorie zu untermauern. Im Atlas habe er eine Zeichnung gesehen, die die „Lagerfeuer-Theorie" genau beweisen würde. Er zeichnete die elliptische Bahn, welche die Erde um die Sonne beschreibt, an die Tafel. Augenblicklich waren alle von der Richtigkeit der Theorie überzeugt. Deutlich waren die kleineren und größeren Abstände der Erde von der Sonne zu sehen (weil überzeichnet).  
Erst als an der elliptischen Bahn die Bereiche, in denen Sommer und Winter sein sollten, eingezeichnet wurden, brach die Theorie zusammen. Da es jeweils zwei kleine und zwei große Abstände gab, müsste es zwei Sommer und zwei Winter geben, da sich die Erde in einem Jahr um die Sonne dreht. (Die Sonne befand sich in der Zeichnung nicht in einem der beiden Brennpunkte.) 
Ratlosigkeit breitete sich aus. „Möglicherweise stimmt es gar nicht, dass sich die Erde in einem Jahr um die Sonne dreht. Wenn sie zwei Jahre braucht, würde die „Lagerfeuer-Theorie" wieder stimmen und man könnte sogar Herbst und Frühling erklären." 
So bestechend dieser Rettungsversuch auch war, er wurde verworfen. Alle, das Mädchen, das die „Jahres-Theorie" aufgestellt hatte, eingeschlossen, waren der festen Überzeugung, es sei eine gesicherte Erkenntnis, dass sich die Erde in einem Jahr um die Sonne drehe. 
Ein Junge hatte sich schon längere Zeit nicht an dem lebhaften Disput über die je
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weiligen Theorien beteiligt. Er saß einfach da und starrte auf die Zeichnung mit der elliptischen Bahn. Vorsichtig formulierte er: „Kann es sein, dass die Sonne eine heiße und eine weniger heiße Hälfte hat?"  Alle in diesem gemeinsamen Prozess gewonnenen Erkenntnisse und Widersprüchlichkeiten waren nun in einer neuen Theorie zusammengeführt. Sowohl die „Lagerfeuer-Theorie", als auch der einjährige Umlauf waren hier vereint. Es herrschte Begeisterung über diese Lösung. 
Eine lapidare Zeitungsmeldung ließ auch das neue Theoriegebäude zusammenbrechen. Es war Anfang Dezember, als sich diese Theorieentwicklung ereignete, und die Meldung dazu lautete: „Hitzekatastrophe in Australien". 
Dieses kleine Beispiel zeigt, was mit Prozessorientierung gemeint ist. Natürlich hätte die LehrerIn auch schnell an der Tafel erklären können, wie Sommer und Winter entstehen. Es wäre „richtig“ gewesen und hätte nicht viel Zeit „gekostet“, aber auf der Strecke wären folgende Grundqualifikationen geblieben: 
• Hypothesenbildung • Logisch-folgerichtiges Denken • Neuorientierung bei neuen Situationen • Beteiligung der SchülerInnen • Spannung und Neugier • Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten • Lernen als Gruppenprozess usw. 
Für die LehrerInnen bedeutet das Lernen im Prozess, sehr achtsam mit den Situationen in der Lerngruppe umzugehen, um nicht sofort Antworten zu geben, noch ehe sich die Fragen herausdestilliert haben. 
Prozesse dieser Art dauern länger.  
Im Lichte unserer heutigen Erkenntnisse, also gemessen an der Antwort auf die Frage: „Wie Sommer und Winter entstehen", war alles nicht nur fehlerhaft sondern falsch. Aber hieran zeigt sich, was damit gemeint ist, dass der Fehler das vorwärtstreibende Moment des Lernprozesses ist. 
Darüber hinaus findet die kritische Auseinandersetzung mit der Mitwelt statt und was diese für richtig hält. An Stelle der Wissenschaftsgläubigkeit tritt das Nachvollziehen von Prozessen und das eigene „Neuentdecken". Jede Erkenntnis, jede Erfahrung ist individuell neu und einmalig, auch wenn sie unzählige Male vorher in die Welt gesetzt worden ist. Prozesshaftes Arbeiten erfindet die Welt immer wieder neu. 
Das ist es, was Wagenschein mit „exemplarischem Lernen" gemeint hat und was er mit den „Genetischen Lehrgängen" beabsichtigte - an möglichst vielen Beispielen nachzuvollziehen, wie die Menschheit von einer Theorie in die nächste stolpert. 
Der Nobelpreisträger Gerd Binnig nennt das prozessorientierte Arbeiten aus seiner Sicht das „Training des Kreativitätsmuskels“. Es entsteht durch die verschiedenen Arten zu denken, die im lernzielorientierten Unterricht nicht unterschieden werden können.   
„Nach meiner Ansicht kommen Fortschritte im wissenschaftlichen Denken von 
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einer Verbindung lockeren und strengen Denkens, und diese Kombination ist das wertvollste Werkzeug der Wissenschaft“ (Gregory Bateson, Kulturberührung und Schismogenese, in: Ökologie des Geistes, Frankfurt 1985, S.117).  
Der immer weiter fortschreitende Prozess der gemeinsamen Begriffs- und Theoriebildung ist systemisch gesehen nichts anderes als die „konsensuelle Verhaltenskoordination“ (Maturana), die uns in diesem Konzept schon verschiedentlich begegnet ist.   Auf diesem Wege gewonnene Erkenntnisse beruhen auf Erfahrungen, die letzt- lich in die systemisch gewonnene Erkenntnis münden: „Es gibt keine Objektivität".   Alles was wir beschreiben, ist der gemeinsam hervorgebrachte Bedeutungsgehalt, den wir aufgrund der von uns erfahrenen Phänomene herstellen.    
3.   Fantasie und Kreativität als alle Lernprozesse begleitende Mo-    mente 
3.1  Fantasie und Kreativität sind Wegekompetenzen 
Es war und ist unser erklärtes Ziel eine Schule zu gründen bzw. zu entwickeln, in der die Pflege von Fantasie und Kreativität zum „Hauptfach" wird. Kreativität und Fantasie allerdings brauchen Bedingungen, um sich entwickeln zu können. Eine wesentliche Bedingung ist die Prozessorientierung, wie wir im vorigen Abschnitt bereits gesehen haben. Eine andere Bedingung sind Orte der Freiheit, in denen Menschen ihre Fähigkeiten erweitern und erproben können. In der Freinetpädagogik nennt man es den „Freien Ausdruck“, wenn Menschen sich selbst, ihre Ideen, ihre Vorstellungen, ihre Erfahrungen und ihr Wissen nicht nur kognitiv bewältigen, sondern in Schrift, mit Tanz, Malerei und Musik, in Meditation und körperlicher Aktion sowie im Spiel äußern.  
Systemisch betrachtet handelt es sich bei der Kreativität und Fantasie um das Charaktermerkmal der „Flexibilität". „Flexibilität lässt sich definieren als ungebundene Potentialität der Veränderung" (Gregory Bateson, Ökologie des Geistes, Frankfurt 1981, S. 638). 
„Ungebundene Potentialität“ meint eine Ressource, ein Potential, eine Möglichkeit, die nicht für einen bestimmten Zweck in Nutzung ist. Es ist ein Begriff, der in einer Welt, die bei fast allem nach Nutzen und Ertrag fragt, scheinbar keine sinnvolle inhaltliche Füllung finden kann. In aller Regel ist es sogar so: die vorhandenen Potentiale, wenn entdeckt, werden in Dauernutzung überführt. (Die Grenzwertfestlegung für die Aufnahme von Schadstoffen ist ein Beispiel für diese Dauernutzung). Das heißt, die Flexibilität wird vernutzt und steht dann, wenn Veränderungen notwendig werden, nicht mehr zur Verfügung. Wenn eine Not gewendet werden muss, ist das Potential nicht mehr vorhanden.   Auf der individuellen Ebene (Ökosystem Mensch) ist der Tod durch Herzinfarkt ein Beispiel für die Vernutzung der Flexibilität.   Auf der finanziellen Ebene wäre das Bild des Überziehungskredites der Bedeu
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tung der Flexibilität analog. Es ist unmittelbar einleuchtend, was geschieht, wenn hier eine Dauernutzung einsetzt.      
Das Potential Flexibilität ist ein lebensfreundliches Charaktermerkmal, da es aber seiner „Natur" gemäß die meiste Zeit nur „herumsteht", wird es vergessen, vernachlässigt, verbraucht.   Tatsächlich wäre eine ständige Pflege angebracht, eine Erweiterung des Potentials.  
Der Physiker und Zukunftsforscher Hans-Peter Dürr spannt den Rahmen für die Notwendigkeit der Entwicklung und Pflege der Kreativität und Fantasie sehr weit: 
(Ich sehe) „jedoch prinzipiell keinen Grund, warum wir dem Menschen von vornherein die Fähigkeit absprechen sollen, nicht in letzter Minute und höchster Gefahr doch noch eine erfolgreiche und wirklich intelligente Gegenstrategie zu entwickeln. Zweifellos wird hierzu eine außergewöhnliche und deshalb aus utopischen Visionen schöpfende Fantasie nötig sein, wesentlich mehr Fantasie jedenfalls, als uns bei realistischen Erwägungen, die sich notwendig immer nur auf erprobte vergangene Erfahrungen beziehen, so einfallen wird" (Hans-Peter Dürr, Ökologische Zähmung der widerspenstigen Ökonomie, Frankfurter Rundschau, 13.7.92, S.8). 
Er steht damit nicht alleine. Auch sein Kollege und Nobelpreisträger Gerd Binnig hat sich mit der Bedeutung der Kreativität intensiv beschäftigt. In einem viel beachteten Buch ist er zu sehr ungewöhnlichen Ergebnissen gelangt. 
  „Es kommt mir (...) so vor, als ob viele Professoren ein spielerisches Umgehen mit dem Stoff geradezu kindisch oder als Zeitverschwendung betrachten. In ihren Augen beginnt Kreativität erst dann, wenn der Stoff ‚beherrscht‘ wird.  Dabei werden aber zwei Dinge, zwei wesentliche Dinge außer Acht gelassen. Einmal, dass das spielerische Erfassen des Stoffes die bessere Lernmethode ist, weil sie Spaß macht, lustbetont ist, und zum anderen, dass der ‚Kreativitätsmuskel‘ trainiert werden muss. Kreatives Denken will gelernt und geübt sein.  Ich selbst habe dieses Mangelproblem für mich gelöst, indem ich während meines Studiums andere Dinge getan habe, die meinem Spieltrieb Nahrung gaben. Ich habe komponiert, Gedichte geschrieben und Bilder gemalt. Heute weiß ich, wie wertvoll das für mich war - selbst für meine wissenschaftliche Ausbildung -, denn die Mechanismen, die zu Kreativität in der Kunst führen, sind exakt die gleichen, die Kreativität in der Wissenschaft bewirken. Der Stoff ist ein anderer, doch das ‚Spiel‘ ist das gleiche" (Gerd Binnig, Aus dem Nichts, Über Kreativität von Natur und Mensch, München 1989, S.14).    
3.1 Die Stellung des Wissens 
Wenn es richtig ist, und vieles deutet daraufhin, dass 80 Prozent des Wissens, das unsere SchülerInnen in ihrem Leben brauchen werden, heute noch nicht vorhanden ist,
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dann erschüttert diese Tatsache das „Primat des Kognitiven" in der Schule. Auch die Tatsache, dass sich das Wissen auf der Welt zurzeit etwa alle fünf Jahre verdoppelt, zeigt deutlich, dass die Stellung des Wissens in der Welt und in der Schule einem schnellen Wandel unterliegt. 
Auf diesen Wandel hat die Schule bislang offensichtlich kaum reagiert. Eine Analyse des Lehrplanes des Bundeslandes Sachsen ergab die Menge von genau 1386 Inhaltsbereichen. Es ist inzwischen zu einer Überschwemmung der Lehrpläne mit unterschiedlich großen Fachwissenspaketen gekommen. Hierdurch wird ein permanenter Druck auf die Kinder und Jugendlichen ausgeübt, sich mit thematisch Neuem zu beschäftigen. Dieser Druck wird noch dadurch nachhaltig verstärkt, dass der Unterricht durch Fachlehrer erteilt wird, die entsprechend der inneren Logik ihres Faches jeweils ihre Inhalte für besonders wichtig halten.  
Der ständige Wechsel von Fächern, Themen und Teilinhalten muss systemisch gesehen zu Abwehrreaktionen führen, da die Beschäftigung mit diesen Inhalten in der Regel erzwungen ist, erzwungen in dem Sinne, als dass die Lehrpläne wiederum die Stoffverteilungspläne hervorbringen, die entlang einer Zeitachse vorgeben, wann sich wer womit zu beschäftigen hat. Hier wird ein Handlungsmuster erzeugt, dass den Qualifikationsanforderungen Selbstständigkeit, Prozessdenken, Kreativität, Selbstkontrolle und Selbstverantwortung genau entgegenwirkt.  
Unterricht, der sich im Wesentlichen mit Fragen beschäftigt, die niemand von denen gestellt hat, die hier lernen sollen, führt eben nicht zu der inneren Bereitschaft, die für ein lebensbegleitendes Lernen notwendig ist. Es wird eine Struktur installiert, die nicht die Neugierde, sondern die Skepsis gegenüber Neuem nährt. Daher existiert an der PrinzHöfte-Schule Bassum ausdrücklich kein Fachlehrerprinzip.  
Wie wir gezeigt haben, kann es heute nicht mehr vorrangig darum gehen, ein genau vorherbestimmtes Wissen zu erwerben, sondern die Fähigkeit zu erlangen, sich das Wissen verfügbar zu machen, das in der jeweiligen Situation benötigt wird. Während es früher für die Schule ausreichend war oder schien, eine große Menge an Wissen zu erwerben und zu speichern, kommt es heute viel eher darauf an, dieses Wissen anzuordnen und eine Vielzahl von Wegen zu kennen, woher sich das Wissen beziehen lässt. Damit hat sich die Aufgabe der Schule sehr verändert. 
Wir stehen heute zu Zeiten der sogenannten „Informationsgesellschaft“ nicht vor dem Problem, eine Information nicht zu bekommen, sondern die Aufgabe besteht in der Art der Fragestellung, der Verknüpfung und der Beurteilung von Wissen.  
Auch die Aufbereitung von Inhalten wird zunehmend nicht mehr zu den wesentlichen Aufgaben von LehrerInnen gehören. Die Fähigkeit zur kritischen Begleitung durch den „Informations-Dschungel" gehört statt dessen zu den jetzigen und auf jeden Fall zu den zukünftigen Qualifikationen von LehrerInnen. 
Die Tatsache allein, dass prinzipiell alles Wissen verfügbar ist, macht es möglich, Wissen genau als das zu behandeln, was es ist, nämlich als Hilfsmittel im Prozess. 
Wissensexperten sind demzufolge eine Art moderner „Hilfsarbeiter". Sie haben bei der Beschaffung und Bearbeitung des Wissens behilflich zu sein. 
Dieser Umgang mit dem Wissen eröffnet folgende Erfahrungsfelder: 
• Es gibt keine eindeutigen und endgültigen Antworten.
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• Die Komplexität macht verschiedene Lösungen möglich. • Die Vielfalt der Möglichkeiten ist ein Zeichen für Lebensfreundlichkeit. • Sogenannte Sachzwänge können als das erkannt werden, was sie häufig sind, nämlich das Ergebnis von Einbahndenken. 
• Entscheidungskompetenz entsteht durch das Vorhandensein von Unterschieden, durch verschiedene Möglichkeiten. • Vieldeutigkeit ist ein Merkmal jedes komplexen Systems. 
Dieser Umgang mit dem Wissen schafft den Erfahrungsraum mit Unsicherheiten umgehen zu lernen, statt sie als Bedrohung zu erleben.   
4.  Einbindung der Schule in reale Lebenszusammenhänge 
Aus der Schule herauszugehen und Erfahrungen in realen Zusammenhängen zu machen, gehört seit vielen Jahrzehnten zum Grundbestand der Arbeit mit der Freinetpädagogik. 
Unsere Schule versteht sich nicht nur als Gebäude, in dem gelernt wird, sondern auch als Lernort, der durch die verschiedenartigsten Beschäftigungen in ständiger Bewegung ist.  Die konkreten Räume der Kinder sind  Bezugspunkt, aber nicht hauptsächlicher Lernort.   Entstanden ist die PrinzHöfte-Schule Bassum im „Zentrum PrinzHöfte". 
Dort standen den Kindern vielfältige Möglichkeiten zum Lernen zur Verfügung. Auf dem dortigen Gelände fanden sich neben unzähligen Ecken für Spiel, Rückzug und Höhlenbau, ein Gemüsegarten, Tümpel und Teiche, Kleintiere (Hühner, Enten, Gänse und Kaninchen), Imkerei mit artgerechter Bienenhaltung, Pflanzenkläranlagen, Gewächshaus, Wiese und Waldstück. Es gab Holz-, Lehm- und Metallwerkstätten, eine große Diele mit Lehmofen um Brotbacken. Darüber hinaus hatten die Kinder die Möglichkeit, an den verschiedenen Aktivitäten der an diesem Ort arbeitenden Menschen teilzunehmen. Ob in der Küche oder beim Brotbacken, ob in der Liegefahrradwerkstatt oder im wasseranalytischen Labor der Firma AGUA GmbH. Der Umgang mit Bienen und Geflügel war ebenso möglich wie das Arbeiten im Gemüsegarten.  
Dabei hatten die Kinder mit den Erwachsenen zu tun, die dort arbeiteten und das waren: Architekt, Koch, Fleischer, Einzelhandelskauffrau, Sekretärin, LandschaftsgärtnerIn, Wasserbauingenieur, Elektriker, Maurer, Kindergärtnerin, Diplomphysiker und Permakulturlehrer. Darin sehen wir das besondere Potential unserer Schule. Die persönliche Beziehung der Kinder ist nicht nur auf Gleichaltrige beschränkt und in ihren Beziehungen zu den Erwachsenen sind sie nicht nur auf das „Lehrpersonal" angewiesen. Im Gegensatz zu einer regulären „isolierten" Schule wollen wir den Kindern hautnah auf unserem Gelände Zugang zu realen Berufsfeldern ermöglichen. 
Im Sommer 2001 hat die Schule einen neuen Standort bezogen. 
Im ehemaligen Warnamt in Bassum fanden wir außer der guten Lage am Waldrand zunächst keine vergleichbare Infrastruktur vor. Da wir aber immer noch davon überzeugt sind, dass sich die Lernprozesse von Kindern und Jugendlichen sehr viel erfolgreicher gestalten lassen, wenn die Lernsituationen und Lernorte möglichst nahe an realen Le
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benszusammenhängen sind, arbeiten wir darauf hin, den Kindern bald ähnliche Möglichkeiten anbieten zu können. Aufgrund des vorhandenen Geländes steht uns ein großes Potential für das Schaffen weiterer Lernorte zur Verfügung. Zurzeit gibt es an unserer Schule einige Schülerfirmen und das Projekt der „Reisenden Schule".   4.1 Schule auf Reisen 
Wir wollen, dass unsere Jugendlichen auf Reisen komplexe Erfahrungen sammeln, die ihnen im Schulalltag nicht möglich wären. Angeregt wurden wir durch das Konzept der „Reisenden Schule Scholen“ (Reisende Werkschule Scholen e.V., Im Dorfe 21, 27251 Scholen). 
Uns geht es darum, dass die Jugendlichen herausgefordert werden, durch die Unsicherheiten, die eine solche Reise mit sich bringt, sich selber besser kennen zu lernen und an innerer Stärke zu gewinnen. Die Erfahrung der „Reisenden Schule Scholen" mit Jugendlichen, die ihren Schulabschluss in dieser Schule nachholen wollten, haben gezeigt, dass all die Jugendlichen, die es geschafft haben, eine Fahrt nach Afrika vorzubereiten und durchzuführen, danach in der Lage waren, ihre schulischen Abschlüsse zu erreichen. 
Zurzeit werden zur Vorbereitung einer Fahrt Kontakte zur Futurum-Schule in Stockholm und zu einer Sekundarschule in Breslau geknüpft. Die Jugendlichen bereiten diese Auslandsaufenthalte dann vor und führen die Reisen durch. So fand im Jahr 2002 eine Reise in den Nordwesten Frankreichs statt, wo die Jugendlichen der Sekundarstufe vier Wochen lang Land, Leute und Sprache kennen lernten. 
Diese großen Reisen verbinden wir mit dem Erlernen der Fremdsprachen, der entsprechenden Kultur des Landes, seiner Kunst, Musik usw. Vor Ort eine Sprache zu lernen erfolgt naturgemäß viel schneller und effektiver als in der Schule im Klassenraum. 
Auch in der Grundschule finden Reisen statt. Nicht ins Ausland, jedoch an ausgewählte Orte, wo die Kinder nicht nur gruppendynamische Prozesse durchlaufen, sondern auch naturwissenschaftliche und kulturelle Erfahrungen sammeln. 
Wir heben diesen Punkt besonders hervor, weil der Bildungs- und Qualifizierungsaspekt dieser Unternehmungen der Nachhaltigste ist.  
Die auf diesen Reisen entstandenen Inhalte und Fähigkeiten bleiben unserer Erfahrung nach in höherem Maße und vor allem über längere Zeit verfügbar. Anders ist es, wenn SchülerInnen für Tests Inhalte kurzzeitig auswendig lernen, um sie dann wieder zu vergessen. Wir wollen statt dessen die eigenen Erfahrungen unmittelbar in den Mittelpunkt des Lernens stellen und erst daraus das Wissen destillieren. Nach den Reisen wird dann das Erfahrene in der Schule nachbereitet und vertieft. 
Wir sind also nicht im klassischen Sinne eine Reisende Schule, aber sicher eine Schule, die ständig in Bewegung ist.   
4.2  .Schule als Ort der beruflichen Orientierung 
In den vergangenen Jahren sind in der PrinzHöfte-Schule Bassum einige Schülerfirmen entstanden. 
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Der auf dem Gelände befindliche ehemalige Atombunker gab die Idee zum „Bassumer Bücherbunker". Die SchülerInnen aus der Grundschule und der Sekundarstufe verkaufen gebrauchte Bücher über das Internet, der Bunker dient als Lager- und Arbeitsraum.  
Die SchülerInnen lernen in dieser selbst verwalteten Firma sorgfältiges Schreiben, das Beschreiben und Einordnen von Büchern in inhaltliche Kategorien, das Verschicken der Bücher (verpacken, abwiegen, korrekt frankieren), Buchführung, Umgang mit dem Medium Internet. Dabei lernen sie, verlässlich und verantwortungsvoll ihren Betrieb zu führen. 
Die Kräuterfirma baut Kräuter im Schulgarten an und verarbeitet diese zu Tees, Tinkturen, Salben, Kräuterbrötchen und Ölen. Sowohl der Einkauf, als auch die Preiskalkulation, Vermarktung der Produkte und einfache Buchführung gehören zu den Tätigkeiten in der Kräuterfirma. Mit den Einnahmen dieser Firma wird ein Teil der Mediatorenausbildung (Streitschlichter) der SchülerInnen finanziert. 
Auf dem Schulgelände existiert auch eine Imkerei, bei der einige SchülerInnen mitarbeiten. 
Im Grundschulbereich gibt es die Schülerfirma „Mosaiki". Die Kinder entwerfen Mosaike für Hauswände etc., die sie aus Keramikkacheln herstellen und bei den Auftraggebern anbringen. 
Die SchülerInnen der Theatergruppe „Subito", die schon auf mehreren Tourneen durch Deutschland erfolgreich spielten, haben dabei nicht nur Erfahrungen als SchauspielerInnen gesammelt, sondern auch ihre Reisen eigenständig geplant und ihre Einnahmen selbst verwaltet. 
Neben den Schülerfirmen, die sicherlich noch Zuwachs bekommen werden (konkret geplant ist eine Fahrradwerkstatt), gibt es eine Reihe von Kooperationen mit Firmen im Bassumer Umland, in denen die SchülerInnen Praktika absolvieren und auch dort wieder in konkreten Bezügen lernen können. Inzwischen besteht eine Vielzahl an Kontakten zu Firmen und Betrieben aus den verschiedensten Bereichen. Hier werden unseren SchülerInnen Stellen zur Verfügung gestellt, in denen die sechswöchigen Praktika absolviert werden können. Darunter sind auch Firmen außerhalb des direkten schulischen Umfelds, so zum Beispiel aus Stuttgart, München und Berlin. 
Das Kultur- und Tagungshaus „Mikado", das dem Verein Prinzhöfte nahe steht, stellt sowohl Erfahrungsmöglichkeiten im Bereich der Gastronomie als auch in der Organisation von Veranstaltungen zur Verfügung.. 
In der Buchhandlung „Boekers" werden die SchülerInnen mit der in diesem Berufsfeld vorhanden Qualifikationspalette konfrontiert. Es besteht eine Kooperation mit der Schülerfirma „Bassumer Bücherbunker“. 
Das „Kleine Hoftheater“ aus Bassum war Kooperationspartner auf zwei Reisen und auch darüber hinaus besteht eine regelmäßige Zusammenarbeit. 
Wir bieten den Jugendlichen die verschiedenen beruflichen Erfahrungen an, um damit unterschiedlichen Grunderfahrungen Rechnung zu tragen.  
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Hieß es früher einmal, „nicht für die Schule lernt ihr, sondern für das Leben", so sagen wir: „Nicht für das Leben lernt ihr, sondern in ihm".     
B  Pädagogische Leitlinien  
1. Bildung und Erziehung in einer sich wandelnden Welt 
Unsere Lebensbedingungen haben sich sowohl global als auch in konkreten Lebenszusammenhängen verändert. Als globale Veränderungen, die sowohl mittelbar als auch unmittelbar in den Schulalltag mit einfließen, sind u.a. neue Technologien, drohende Klimakatastrophen, ökologische Krisen weltumspannende Konflikte, Kriegsgefahr, Rassismus zu nennen. 
Darüber hinaus haben tiefgreifende soziokulturelle Veränderungen Auswirkungen auf das Familien- und das Schulleben. 
Die Ausrichtung auf lokale Mobilität bezogen auf Berufstätigkeit, verbunden mit der extremen Zunahme von Straßenverkehr und häufigen Umzügen haben Auswirkungen auf die Erfahrungsmöglichkeiten:   a) Verlust von natürlichem Freiraum b) weniger Möglichkeiten, stabile Beziehungen und Freundeskreise aufzubauen (Nachbarn, andere Kinder) 
Auch in den Familien sind die Beziehungsmöglichkeiten eingeschränkt. Immer mehr Kinder wachsen in Kleinst- und „Patchwork-Familien“, oftmals mit nur einem Elternteil und in räumlicher Distanz zu anderen Familienmitgliedern, wie z.B. Großeltern auf. Diese Lebensformen bieten den Kindern im Gegensatz zu den Großfamilien wenig Möglichkeiten, sich an älteren Generationen zu orientieren wie auch gleichrangige Beziehungen mit Geschwistern zu probieren. 
Größere altersgemischte Gruppen sind nicht mehr in den natürlichen Freiräumen wie Hof- oder Straßengemeinschaften zu finden, sondern werden nur noch in professionellen Einrichtungen wie Kindergärten vorgefunden. Hier wird aber Spiel meist durch Profis (ErzieherInnen, SozialarbeiterInnen) organisiert und institutionalisiert. Kinder spielen entweder immer mehr unter pädagogischer Anleitung, oft allein und häufiger im Haus statt draußen. Der uneingeschränkte Zugang zu Massenmedien, vor allem zum Fernsehen und zum eigenen PC mit Internetanschluss hat eine zentrale Bedeutung als Sozialisationsfaktor.  
An die Stelle der lange vorherrschenden Wortkultur tritt die Bildkultur (vgl. Kunstmann, Wilfried, Jeden Tag zwei Stunden vor der Glotze, Reinbek 1981). 
Die Folge hieraus ist eine zunehmende Reduzierung der Eigentätigkeit des Kindes zugunsten eines konsumorientierten Umgangs mit der Mitwelt (vgl. „Glotze-Studie“, Evangelische Kirche, 1995). 
Nicht zuletzt hat sich der Umgang der Eltern mit ihren Kindern in den letzten Jahren verändert. Zwar sind „Gehorsam, Zwang, Härte und Gefühllosigkeit“ als Werte in der Erziehung weitgehend verpönt (vgl. Miller Alice, Am Anfang war Erziehung, Frankfurt 1980), doch
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die an deren Stelle getretenen liberalen und demokratischen Erziehungsideale können häufig noch nicht in konkrete Handlungen umgesetzt werden. Hierfür fehlen den Erziehenden die Vorbilder und die Erfahrungen. Die Verunsicherung der Erwachsenen führt auch zu Verunsicherung bei den Kindern. Kinder brauchen Sicherheit in gelebten demokratischen und selbstorganisierten Strukturen. 
2.   Institutionelle Bedingungen 
Unsere Schule antwortet auf die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen, indem sie ein Schulsystem anbietet, das sich im Sinne einer Schule der Lernenden demokratisch strukturiert. Ihre bildungspolitische Modellfunktion sieht unsere Schule darin, zu zeigen, dass Schule als von den Beteiligten, Betroffenen und Interessierten geplante, gestaltete und nicht nur verwaltete Institution existieren kann. Ihre Stabilität und ihre Erfolge vermag sie aus der Identifikationsbereitschaft der beteiligten Kinder und Erwachsenen zu ziehen.   
3. Pädagogik vom Kinde aus 
„Kinder sind keine unfertigen Erwachsenen, sondern in jeder Phase ihres Lebens eigenständige Persönlichkeiten.“ (Célestin Freinet) 
Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch aufgrund seines Erfahrungspotentials ein Verständnis für den Weg hat, auf dem er sich befindet. Kinder lernen dann erfolgreich, wenn sie Kompetenzen erwerben, die im Zusammenhang mit ihrem eigenen Weg und ihren eigenen Strukturen nutzbar sind.  
Eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen eines persönlichkeitsfördernden Lernweges ist das Verhältnis der Erwachsenen zu den Kindern, das von Liebe und Zuneigung geprägt sein muss. In Schule Handelnde müssen sich deshalb bewusst sein, dass, die Erfahrung, gemocht zu werden, als Gemeinschaftserfahrung für den Menschen und erst recht für den Heranwachsenden, lebensnotwendig ist. Im Schulalltag muss diese Erfahrung für die Heranwachsenden erlebbar sein. Diese Erfahrung ist nicht durch den Einsatz einer bestimmten Methode herstellbar. Sie muss sich in der grundsätzlichen Haltung aller in der Schule Tätigen widerspiegeln (siehe 2.5 Denken und Planen in Qualitäten). 
Ein wesentliches Moment in diesem Erfahrungsprozess bei der Entwicklung neuer Umgangsformen zwischen Kindern und Erwachsenen ist das Verhältnis der LehrerInnen zur „Freiheit".   Erfahrungen zeigen: Die Entscheidung, Kindern Freiräume zu geben, hat nicht automatisch zur Folge, dass diese von Kindern konstruktiv genutzt werden. Freiräume können auch destruktiv missbraucht werden. Oft wird Freiheit mit Beliebigkeit verwechselt. 
Bei uns heißt es:  
Sich entscheiden können heißt, Verantwortung zu übernehmen 
Hier ein Beispiel aus unserem Schulalltag: Aus der Vielfalt von Angeboten wählen die Kinder ein Projekt aus bzw. bieten ein eigenes Projekt an. Mit der freien Entscheidung für ein Projekt entscheiden sie sich gleichzeitig für einen bestimmten Zeitraum gegen
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die anderen Angebote. Für das gewählte Projekt und für ihre Projektgruppe übernehmen sie Verantwortung. Dies erfordert häufig nicht vorhersehbare Anstrengung und bereitet Schwierigkeiten, die manche gerne umgehen würden. Verzichten wir als Erwachsene an dieser Stelle auf Unterstützung und Einflussnahme, öffnen wir möglicherweise damit der Beliebigkeit Tür und Tor.  
Das Ziel unserer Einflussnahme muss sein, das Kind in seinem sozialen und intellektuellen Lernprozess so zu stärken und zu begleiten, dass es ohne große Fremdbestimmung seine Persönlichkeitsstruktur entdecken und ausbilden kann. In dem genannten Beispiel bedeutet das, das Kind im Gespräch beim Herausfinden der Schwierigkeiten und der Entwicklung von Lösungsstrategien zu beraten, so dass es in dem frei gewählten Projekt und dem eigenen Lernprozess weiterkommt.   
4.  Bildungsziele 
Ausgehend von den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen, dem soziokulturellen Hintergrund, den institutionellen Bedingungen der Schule und unseres Selbstverständnisses von Pädagogik haben wir uns folgende Ziele gesetzt: 
  1. Erwerb von Friedens- und Demokratiefähigkeit als persönliche    Haltung in Konflikten und als politische Orientierung 
2. Entwicklung und Förderung von Selbstbewusstsein 
3. Entwicklung eines umfassenden Verantwortungsgefühls  
Wir wissen, dass es sich bei diesen Zielen um idealtypische Konstruktionen handelt. Wir wissen aber auch, dass die Schwierigkeit nicht in der Formulierung von Zielen liegt, sondern in der Umsetzung in die sich täglich verändernde Praxis. Eine Quelle der Schwierigkeiten sehen wir in der undifferenzierten Gleichsetzung von Zielen unterschiedlicher Ordnung. Deshalb unterscheiden wir zwischen den emotionalen Grundlegungen, den   Zielen I. Ordnung:   • Freude erleben • Sicherheit in seinen Grenzen erfahren • Gleichberechtigung erleben • Vertrauenspotential erweitern • Liebesfähigkeit vergrößern • Eigensinn erleben • Neugierde nachgehen • Angst durchleben • Selbststeuerung erfahren      und den      Zielen II. Ordnung wie: 
• Solidarität • Toleranz • Kreativität
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• Friedfertigkeit • Achtsamkeit • Zivilcourage • Kommunikationsfähigkeit • Mitweltbewusstsein 
Normalerweise neigt man dazu, in der Schule die Ziele II. Ordnung in den Blick zu nehmen. Wenn man das tut, endet dieses häufig in moralischen Appellen: „Geh‘ doch achtsamer mit deiner Umwelt um! Kannst Du nicht toleranter sein? Hier wäre Solidarität angebracht, oder?“ usw. Jede/r kennt diese Appelle, die letztlich wenig verändern, aber ständig den Eindruck von persönlichem Mangel erzeugen und die Tendenz haben, sich stark abzunutzen. Warum ist das so? 
Wenn wir die Ziele I. Ordnung nicht auch ständig im Focus unserer Arbeit haben, verhalten wir uns so wie ein Gärtner, der die sichtbaren Teile seiner Pflanzen im Topf liebevoll pflegt, aber völlig vergisst, den Boden mit Nährstoffen zu versorgen bzw. die Pflanzen zu gießen.   Wir brauchen also in unserer Schule eine anregungsreiche Mitwelt, die viele unterschiedliche Erfahrungen ermöglicht. Im Austausch mit dieser Mitwelt entwickeln wir die sogenannten Ziele I. Ordnung, die hauptsächlich auf das Individuum bezogen sind. Die Verknüpfung zwischen der Mitwelt und den Zielen I. Ordnung ermöglicht erst das Wachsen der Ziele II. Ordnung. Dieser Prozess muss immer wieder - ein ganzes Leben lang - erlebt werden.  
Beispiel: Ohne Akzeptieren der Persönlichkeit keine Teamfähigkeit 
Ein Junge ist in der Lerngruppe als Autor spannender Geschichten beliebt. Seine Fähigkeiten, Texte mit der Hand zu schreiben, haben nur langsam zugenommen. Zu Beginn seiner Schulzeit waren seine feinmotorischen Fähigkeiten derartig unterentwickelt, dass auch mit gutem Willen das von ihm Geschriebene nicht lesbar war. Um ihm die Freude am Schreiben zu erhalten, hat er Schreiben und Lesen am PC gelernt. Dort schreibt er mit großer Geschwindigkeit seine beliebten Geschichten.  
Auf dem Hintergrund dieser Erfolge ist es ihm möglich, auch den mühsamen Weg der Verbesserung seiner handschriftlichen Fähigkeiten zu gehen. Alle ande- ren Kinder wissen selbstverständlich um seine Schwierigkeiten, doch diese sind in keiner Weise Anlass zu diskriminierendem Verhalten. Hätten wir das Kind beim Schriftspracherwerb durch das Nadelöhr der Feinmotorik geschickt, wäre seine Freude an der Textproduktion kaum zu Tage getreten bzw. vermutlich für immer begraben worden. 
Teamfähigkeit hat zur Voraussetzung, dass die eigene Persönlichkeit in ihren Facetten akzeptiert wird. Andere Menschen in ihrem Anderssein zu akzeptieren, hat eben genau diese Voraussetzung.  
Toleranz, Solidarität und Völkerverständigung (vgl. Der Bildungsauftrag der Schule, Niedersächsisches Schulgesetz, § 2) bleiben sonst nur pädagogische Lyrik.
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C  Das pädagogische Konzept  
1.  Lernverständnis 
1.1  Lernen ohne Zwang 
In der PrinzHöfte-Schule wird Lernen nicht erzwungen, sondern ermöglicht und gefördert. Dieser Grundsatz zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Arbeit und mündet in dem Ziel der Schule - dem „selbstorganisierten Lernen". 
Die Tatsache, dass Kinder keine unfertigen Erwachsenen sind und über eine ganzheitliche Sichtweise verfügen (vgl. 1.3. „Pädagogik vom Kinde aus") hat zur Folge, dass den Kindern genügend Raum zur Sicht der Welt gelassen und diese Sichtweise ernst genommen wird.  
Ausgangspunkte des Lernens sind die aktuellen Lernbedürfnisse und die unterschiedlichen Erfahrungshintergründe von SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen, die in die Schule eingebracht werden: Die Schule wird auf diese Weise zum Mikrokosmos, in den alle wesentlichen Inhalte unserer Kultur einfließen.  
Es gibt häufig einen direkten, sich aus der Alltagssituation unmittelbar ergebenden Zusammenhang zwischen Lernanlass und Lernsituation, ob es sich dabei um die Reparatur eines Fahrrads oder wie schon beschrieben um das Experimentieren mit Licht und Schatten handelt (vgl. Teil A „Denken in Prozessen“). 
Die LehrerInnen haben in diesem Zusammenhang die Funktion, Material und Erfahrungsmöglichkeiten auszuwählen und bereitzustellen, dabei aber dem Lernbedürfnis der Kinder selbst den Weg damit zu überlassen. Hartmut v. Hentig prägte für diese Form der Pädagogik den Begriff der „Matetik". Es ist wichtig, dass die Kinder nicht auf einen bestimmten Umgang mit dem Material verpflichtet werden, sondern darin wirklich frei sind. 
Es macht wohl tatsächlich einen Unterschied, ob die Schule bloß Sachen bereitstellt oder dies gleichzeitig mit der Gebrauchsanweisung verbindet. Wie raffiniert auch immer diese Sachen ausgesucht sein mögen, sie erlauben dem Kind auch jene, nicht in der Gebrauchsanweisung vorgeschriebenen Handgriffe, sofern man diese zulässt. Ein freier Umgang mit dem Material ist ausdrücklich gewünscht (vgl. H. v. Hentig, Schule neu denken. München 1993).   
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1.2  Vielfalt von Lernformen 
Neben dieser ganz zentralen Form von Lernen haben andere Lernformen, wie das Lernen durch Vorbild und Nachahmung ihren Platz in unserer Schule. 
Zum Beispiel beim Erlernen bestimmter Fertigkeiten. Sie entstehen aus einem unmittelbaren Interesse der Kinder, diese Fertigkeit lernen zu wollen und nicht, weil es gerade in den Rahmenrichtlinien steht.  Beispiel:  Kinder möchten aus einer Sperrholzplatte ein Rechenpuzzle nachbauen,  und versuchen die Holzteile mit der Laubsäge auszusägen, was sich zu- nächst als sehr schwierig herausstellt. Ein Kind bringt daraufhin die Stich- säge seines Vaters mit. Die Kinder lassen sich von der Lehrerin den Ge- brauch der Stichsäge zeigen und können dann ihr Vorhaben durchführen. 
Immer wieder übernehmen auch Kinder bei der Vermittlung von praktischen Fertigkeiten oder theoretischen Inhalten die Rolle der Lehrenden. Wir stellen fest, dass Kinder oft besser als die LehrerInnen in der Lage sind, einzuschätzen, ob andere Kinder dieses dann verstanden haben oder nicht. Diese Erfahrung nutzen wir, in dem wir Helferzeiten eingerichtet haben. Ältere Kinder helfen hier den jüngeren, zum Beispiel beim Lesen, Rechnen und Schreiben. 
Eine besonders hohe Qualität bekommt diese Helferzeit, wenn die Beziehung zwischen den Kindern eine positive ist. 
Das ist natürlich auch ein wichtiger Bestandteil der Lernbeziehungen zwischen LehrerInnen und Kindern. Wir möchten, dass die Kinder mit möglichst allen LehrerInnen zusammen arbeiten können, um durch die affektive Bindung die Lernmöglichkeiten zu erweitern.  
Begreifen und Aneignen der Mitwelt über künstlerische, handwerkliche Betätigung haben in dieser Schule einen hohen Stellenwert. Die Möglichkeit, tagelang an einem Produkt zu arbeiten, wird von den Kindern immer wieder wahrgenommen, sie spiegelt ein Grundbedürfnis wider. Die Wertschätzung dieser Fähigkeit steht in Übereinstimmung mit lernpsychologischen Erkenntnissen, nach denen die sinnliche, tätige Auseinandersetzung mit der Mitwelt Voraussetzung für das „Begreifen" und für die Entwicklung von Denkfähigkeit ist. Darüber hinaus erfahren die Kinder gerade beim Malen, Musik machen, Theater-, oder Rollenspiel ihre Möglichkeiten, Gefühle darzustellen und ihrer Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen. Diese Fähigkeit trägt in nicht unerheblichem Maße zur Bildung und Stärkung ihres Selbstbewusstseins bei (vgl. Teil A, Planen in Qualitäten). 
Durch das Nebeneinander und Miteinander von Spielen, selbstständigem Erforschen, künstlerischer, handwerklicher Betätigung wird den individuellen Bedürfnissen von Kindern am meisten entsprochen.  
Unsere Erfahrungen mit offenen Lernprozessen haben dabei gezeigt, dass es die allein richtige Lernform nicht gibt. Sie hängt jeweils ab vom individuellen Erfahrungshintergrund der Kinder und der momentanen Lernsituation. Kursangebote zur Vermittlung bestimmter Techniken (z.B. bei Vermittlung bestimmter Grundfertigkeiten), fächerübergreifende Angebote, Planspiele usw. haben, neben den o.a. Möglichkeiten, alle ihren sinnvollen Platz in der Schule. Dieser Vielfalt von Lernformen ist bei der Planung und Gestaltung des Lerngeschehens Rechnung zu tragen.  
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1.3  Lernen in Angebotsform  
Um das Ziel „Selbstorganisiertes Lernen" zu erreichen, ist das Lernen in Angebotsform ein wesentliches Mittel.  
Durch die Qualifikationsvielfalt der Menschen, die die PrinzHöfte-Schule tragen und betreiben, haben es die Kinder besonders leicht, inhaltlich kompetente Unterstützung zu bekommen. 
Ebenso können sie vielfältige menschliche Beziehungen knüpfen. 
Neben den täglichen Versammlungen diskutieren Kinder und Erwachsene gemeinsam in regelmäßigen Abständen die Vorhaben der kommenden Wochen. Hierbei können Vorschläge von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen eingebracht werden. Hier wird über Inhalte, Wochenpläne, Tagesstruktur gemeinsam entschieden. 
Die Vereinbarungen, die hier getroffen werden, sind für alle verbindlich. 
Den eigenen Weg zu finden, sich zwischen dem Nachkommen spontaner Bedürfnisse und dem Einhalten getroffener Vereinbarungen zu entscheiden, kann jedoch nicht vorausgesetzt werden, sondern ist das Ergebnis vieler Erfahrungen. Diese Auseinandersetzung mit den Kindern über das Eingehen von Verbindlichkeiten, bzw. das Einhalten der getroffenen Entscheidungen nimmt immer wieder großen Raum ein. 
Die Tatsache, dass ein Kind z.B. sagt: „Ich will jonglieren, lesen, schreiben, rechnen, Theater spielen," etc., beinhaltet sehr oft: Ich will es können. Wie viel Mühe es kostet, zum „Können" zu gelangen, ist den Kindern oft nicht bewusst. Es setzt Fähigkeiten voraus, die von den Kindern erst nach und nach erworben werden: 

 Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit

 Planung der eigenen Zeit

 Frustrationstoleranz

 Setzen realistischer Ziele

 Kooperationsfähigkeit 

 Selbstdisziplin. 
Die Haltung der Erwachsenen spielt dabei eine wesentliche Rolle. Sie haben eine wichtige Aufgabe als UnterstützerIn und kritisches Gegenüber.    
1.4  Spielen 
Lernen umfasst die Gesamtheit aller in der Schule stattfindenden Aktivitäten. Zu ihnen gehört - insbesondere in der Grundschule - als wesentliches Element das freie ungebundene Spiel. Die Kinder verabreden sich z.B. nach dem Mittagessen unter dem Stichwort „Höhle“ draußen auf dem Schulgelände. Vorstellungskraft und Fantasie als innerer Reichtum der Kinder bestimmen ihre Aktivitäten. Das Schlüpfen in eine andere Rolle stellt keine Flucht vor der Wirklichkeit dar, sondern ist vielmehr eine Möglichkeit des „freien Ausdrucks“, wie er in der Freinetpädagogik verstanden wird. Freinet als dem
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„Entdecker (der Fähigkeiten) des Kindes“ geht es dabei um Ausdrucksformen für das, was Kinder in der Welt wirklich beeindruckt und interessiert. 
Der Kontakt mit dieser Lebensenergie voller Kreativität und Spaß wird häufig mit dem Eintritt in Institutionen (Kindergarten, Schule) unterbrochen. Dort soll dann strukturiert werden und in sogenannte „vernünftige Bahnen“ gelenkt werden, was der eigentlichen Kraft des freien Spiels entgegenläuft.    
Die Form des freien Spiels aber ist für Kinder ein Weg, sich mit erlebten Konfliktsituationen spielerisch zu beschäftigen und scheinbar unerreichbare Ziele in der Fantasie zu entwickeln. Enttäuschungen können nachgespielt und positiv umgewandelt werden. Vergangenes kann bestätigt und Zukünftiges probiert werden und zwar in einer Weise, die den Kindern einen Lustgewinn und neue Energien zur Verfügung stellt. Rollenspiele, wie „Vater-Mutter-Kind“ oder „Held-Böser-Polizist“ machen es Kindern möglich, sich mit gesellschaftlichen Strukturen auseinander zu setzen und sie dürfen durch Bewertung dabei nicht gestoppt werden. Dabei lernen die Kinder auch, sich in andere Sichtweisen spielend hineinzuversetzen und die eigenen Interessen einzubringen. Beim freien Spiel gehören deshalb Auseinandersetzungen und Streit dazu. Gemeinsame Lösungen erfordern Zeit und Aushandlungen unter den Kindern. Nur so können wirklich demokratische Lösungen gefunden werden. 
Im Spiel wiederholen Kinder die Regeln und Strukturen, die für ihren Alltag grundlegend sind. Sie stellen diese Verhaltensweisen im Spiel auf die Probe und sehen daran, inwieweit sie für ihre Belange alltagstauglich und anwendbar sind. 
Eine weitere Qualität des freien Spiels besteht in der Unabhängigkeit der Kinder von den Erwachsenen. Kinder brauchen diese Unabhängigkeit, um selbstständig werden zu können.   
Folgende Kriterien für freies Spiel lassen sich also erkennen:  1. Es gibt keine Altersbegrenzung.  2. Ziele sind nicht fest geschrieben.  3. Kinder lenken den Prozess bzw. den Verlauf des Spiels und lassen sich von ihren Emotionen leiten.  4. Das Spiel gehört zu den natürlichen Talenten jedes Menschen, wobei Kindern hier der Zugang leichter fällt.  5. Es schließt Arbeiten und Lernen mit ein.  6. Es gehört zu den kompliziertesten und vielseitigsten Lern- u. Arbeitsformen.  7. Es ist eine konzentrierte Auseinandersetzung mit der Mitwelt und kann              zukunftsweisende Erfahrungen ermöglichen.  8. Es ermöglicht Grenzüberschreitungen.  9. Die gesamte Persönlichkeit (Körper, Seele, Geist) ist beteiligt.  
Das Spiel wird von Célestin Freinet noch weitgehender verstanden. Das Spiel kann auch Bemühung und Anstrengung, d.h. eine Form von Arbeit beinhalten. Arbeit und
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Spiel sind also nicht gegensätzlich zu denken.   Mit Freinets Begriff der „Arbeit mit Spielcharakter“ („travail jeu“) will er vielmehr darauf hinweisen, dass es Überschneidungspunkte gibt. „Für das Kind ist diese Arbeit als Spiel eine Art explosiver Befreiung, wie sie heute noch ein Mensch empfindet, dem es gelingt, sich eine große Aufgabe zu stellen, die ihn belebt und über sich selbst hinaus wachsen lässt“ (Freinet, Elise: Erziehung ohne Zwang. Der Weg Célestin Freinets. Stuttgart 1981, S. 116).  
Das Spiel ist die eigentliche Klammer zwischen verschiedensten kindlich organisierten Aktivitätsformen. Aussagen wie: „Die lernen ja nichts, die spielen ja nur!“ widersprechen eindeutig unserem Verständnis von Spiel. Das Spiel ist in unserer Schule als eine der wesentlichsten Ausdrucksformen in der Entwicklung von Kindern zu verstehen. 
Wenn man das Spiel systemisch betrachtet, erhält man einen Blick, der noch weitere Bedeutungen des Spiels offenbart.  
Spiele finden immer im Grenzbereich, in der Randzone zwischen Fantasie und Wirklichkeit statt. Immer wieder gleiten Spiele von der einen in die andere Ebene und immer wieder müssen sich die Beteiligten vergewissern, auf welcher Ebene sie im Augenblick handeln. So entstehen Sätze wie: „Aber ich bin doch nicht in Wirklichkeit böse! Ich tu doch nur so!“  
Spiel ist der komplexe Prozess, in dem man zunehmend lernt, über etwas zu kommunizieren. Er ist damit für die Entwicklung und Benutzung von Sprache als spezifisch menschliches Phänomen von großer Bedeutung.   
1.5  Verhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen 
Wir sind uns dessen bewusst, dass es ein Machtgefälle in den Umgangsformen von Erwachsenen zu Kindern gibt, und wir nicht in der Lage sind, dieses Machtgefälle aufzuheben. Im Bewusstsein dieser Tatsache versuchen wir, Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern herzustellen, die nicht etwa die Unterschiede, wohl aber das Macht- und Wertgefälle zwischen erwachsener und kindlicher Existenz auf ein Mindestmaß reduziert, was dem Kinde hilft, zu sich selbst zu finden, auf die eigenen Kräfte zu vertrauen und selbstständig im Denken und Handeln zu werden (vgl. Maria Montessori in: “Pädagogik” F 2/1991 4, S. 155). 
Wir wollen in unserer Schule eine Struktur der Gleichberechtigung, gegenseitiger Achtung und des Vertrauens, damit Kinder und Erwachsene ihre Anliegen angstfrei und unverstellt einbringen können. In dieser gegenseitigen Sicherheit darf dann der Erwachsene nicht nur, er soll sogar das einbringen, was er inhaltlich und sozial aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrung beitragen kann.  
Die Erwachsenen befinden sich auf einer ständigen Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz einerseits und Einmischung und Heraushalten andererseits.   Eine falsch verstandene Solidarität wäre das Übernehmen kindlicher Verhaltensweisen
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durch Erwachsene. Die Erwachsenen müssen sich damit auseinandersetzen, dass die größere Nähe zu Kindern (unbewusste) Verschmelzungswünsche aktivieren kann, in denen Erwachsene den Generationsunterschied verleugnen. Kinder aber brauchen sich ihrer selbst bewusste Erwachsene als Vorbild. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Gefühl von Kindern, respektiert zu sein, und ihrer Bereitschaft, ihre Sorgen und ihre Interessen Erwachsenen anzuvertrauen.     
1.6 Geschlechterverhältnis 
Die Bezugspersonen an der Schule werden versuchen, einen Weg zu gehen, der zwischen dem bloßen Aneignen von „geschlechtsuntypischen" Tätigkeiten und dem Ablehnen von „geschlechtstypischen" Verhaltensweisen liegt. Konkret bedeutet dies, dass Kinder einerseits bei der Wahrnehmung „geschlechtstypischer“ Interessen (z.B. Nähen, Kochen für Mädchen; Fußballspielen, Werken für Jungen) unterstützt werden, aber andererseits auch immer wieder zu „geschlechtsuntypischen" Gegenständen (Experimentieren, Werken, Selbstverteidigung, etc. für Mädchen; Nähen, Gymnastik, Kochen etc. für Jungen) ermuntert werden. Jedes Kind soll die Möglichkeit haben, sich unabhängig von Geschlechtsstereotypen seinen individuellen Interessen zu widmen und darin bestärkt zu werden. 
Es geht also darum, die von Jungen/Männern gesetzten Werte denen der Mädchen/Frauen als gleichberechtigt zu etablieren. Die Werte beider Geschlechter sind daraufhin zu befragen, inwieweit sie die Herausbildung von individuellen „geschlechtsuntypischen" Interessen behindern.  
Dazu ist die Offenheit aller Beteiligten der Schule für verschiedene emanzipatorische Wege und Möglichkeiten wichtig, welche die Voraussetzungen für ein gleichberechtigtes Zusammenleben sind.  
Jungen und Mädchen haben bei uns an der Schule die Möglichkeit, sowohl in geschlechtshomogenen, als auch in geschlechtsgemischten Gruppen zu arbeiten und soziale Erfahrungen zu machen. Es gibt Räume der Begegnung und in speziellen Räumen auch Rückzugsmöglichkeiten.    
1.7  Aufnahme von lern- und körperbehinderten Kindern 
Schon seit Jahren ist in der Lerntheorie bekannt, dass jeder Mensch unterschiedliche Lernvoraussetzungen hat und somit individuell gestaltbare Angebote, Hilfen und Zeitspannen benötigt. Dieser Sachverhalt bedingt aber nicht die Konsequenz, dass einige Menschen/Kinder eine (aus)gesonderte Lebensrealität brauchen, die sie von den bekannten sozialen Beziehungen entfremdet. 
Wesentlich ist der Aspekt, dass das behinderte Kind die besonderen Hilfen, die es aufgrund seiner Behinderung benötigt, an jedem Ort erhalten kann. 
Integration soll in dem natürlichen sozialen Umfeld des Kindes erfolgen und darf nicht im Vorschulbereich aufhören, sondern muss sich auf das ganze soziale System des
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Kindes beziehen: Familie, Nachbarschaft, Ortsteil, Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz usw.. Das Zusammenleben behinderter und nichtbehinderter Kinder in einer Gruppe hat seinen vorrangigen Sinn darin, dass jedes Kind in der jeweiligen Gruppensituation kompetent - vor dem Hintergrund seiner aktuellen Handlungsfähigkeit - handeln kann und damit die Erweiterung seiner Persönlichkeitsentwicklung gewährleistet wird. 
Auch werden den Kindern durch einen gemeinsamen Alltag neue Kommunikationsmöglichkeiten eröffnet, die sowohl den behinderten als auch den nichtbehinderten Kindern eine weitere Chance zur selbstständigen Aneignung ihrer Lebensrealität bietet.  Durch die willkürliche Trennung in behinderte und nichtbehinderte Kinder und die damit verbundene Aussonderung behinderter Kinder in Sondereinrichtungen wurde der normale Erfahrungs- und Lebenszusammenhang für die behinderten und genauso für die nichtbehinderten Kinder auseinandergerissen. 
Durch die gemeinsamen Erfahrungen werden die Lebenswirklichkeit, die Kommunikation, das einander Verstehen, die Beziehung von nichtbehinderten und behinderten Kindern normalisiert.  
Zurzeit stehen uns leider nicht ausreichend Mittel zur Verfügung, so dass wir unserem Wunsch nach Integration von lern- und körperbehinderten Kindern nicht den Stellenwert geben können, den wir uns wünschen. Die Kinder, für die unsere Strukturen und Möglichkeiten ausreichen, können wir in kleinem Rahmen integrieren und fördern.   
2.  Pädagogische Bedingungen  
2.1  Ganztagsschule 
Die Schule arbeitet von 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Die Betreuung bis in den frühen Nachmittag hinein ermöglicht es, die Schule als Lebensraum zu erfahren und in ihr die notwendige Ruhe zu finden, die für ein Lernen in Selbstbestimmung erforderlich ist. So können die verschiedensten Sachen gemeinsam getan werden: z.B. Schreiben, Rechnen, Lesen, Singen, Kochen, Essen, Tischdecken, Spielen, Experimentieren, Philosophieren, Theater spielen oder Sprachen lernen.   Zugleich finden wir es wichtig, dass Eltern über Zeit verfügen, in der die Kinder verlässlich betreut werden. Dies ist nicht nur im Hinblick auf Berufstätigkeit und Ausbildung, sondern auch zur Regeneration und Auseinandersetzung mit sich selbst wünschenswert. Für die Kinder bedeutet der feste und immer wiederkehrende Zeitrahmen Sicherheit. 
Eine zukünftige Erweiterung der Angebote in den späteren Nachmittag wird diskutiert.        
2.2   Kooperation mit dem Freinetkindergarten PrinzHöfte 
Die PrinzHöfte-Schule Bassum ist aus dem 1989 gegründeten Freinetkindergarten im
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Zentrum PrinzHöfte entstanden. Trotz der räumlichen Distanz von Bassum und Prinzhöfte besteht eine intensive Kooperation zwischen dem Kindergarten und der Schule. Für die Kinder aus dem Kindergarten PrinzHöfte ist der Übergang in unsere Schule besonders leicht, da ihnen die Tagesstrukturen und die Selbstorganisation schon vertraut sind.  
   
2.3  Altersgemischte Gruppen und Stammgruppen 
Unserer Meinung nach gibt es weder entwicklungspsychologische noch pädagogische Argumente, die eine Trennung der Kinder verschiedenen Alters in unterschiedliche Klassenstufen rechtfertigen. 
In der PrinzHöfte-Schule Bassum gibt es altersgemischte Stammgruppen. Kinder aus zwei bis drei Jahrgängen arbeiten gemeinsam. 
Eine starre Einteilung in Jahrgangsklassen wird den individuellen Entwicklungen von Kindern nicht gerecht. Die kindliche Entwicklung ist ein Prozess, der sich nicht vornehmlich durch das Alter beschreiben lässt. Dieselben Entwicklungsprozesse erfolgen bei Kindern zu unterschiedlichen Zeiten. Von daher ist der Lern- und Entwicklungsprozess, wie er in der PrinzHöfte-Schule vorgesehen ist, auf Gruppen mit Kindern eingestellt, die sich auf verschiedenen Wissensniveaus befinden. So wird jedes Kind in jedem Bereich seiner Entwicklung gemäß gefordert und gefördert. Die Überlappung der Gruppen lässt zudem eine flexible, kindorientierte Entscheidung zu, wann ein Gruppenwechsel stattfinden soll. Diese Flexibilität kann eine Stigmatisierung verhindern, wie sie in der Regelschule das „Sitzenbleiben“ darstellt. 
In altersgemischten Gruppen finden außerdem ganz andere Gruppenprozesse statt als in altershomogenen. Die Mischung von älteren und jüngeren Kindern, von Kindern, die mehr und solchen, die weniger wissen, eröffnet beiden Teilen ganz spezifische Möglichkeiten. 
Die Jüngeren können von den Älteren lernen, in einer anderen Art und Weise, als sie es von den LehrerInnen können. Ein älteres Kind ist ein erreichbares Vorbild. Zudem spricht es noch die gleiche Sprache und ist deshalb oft zu einer altersangemesseneren Verständigung in der Lage. Dieses Lernen findet häufig nicht am Schulbuch statt, sondern einfach durch „Abgucken“ und Mitmachen bei gemeinsamen Projekten und Ideen. 
Die älteren Kinder innerhalb einer Gruppe werden mit ihrer Verantwortung für das Gruppengeschehen, welches sie stärker bestimmen als die Jüngeren, konfrontiert. Insbesondere Kinder, die aufgrund ihres Temperaments dazu neigen, alles mitzumachen, erleben in der Position des/r Älteren, wie sie aktiv das Gruppengeschehen beeinflussen und Beziehungen zu Jüngeren gestalten können. Dies bedeutet eine wichtige Erfahrung und ist häufig Ausgangspunkt für einen Schub in der Persönlichkeitsentwicklung. 
Durch den jährlichen Wechsel der Gruppenzusammensetzung bilden sich in der Stammgruppe nicht so leicht starre Hierarchien heraus. Jedes Kind durchläuft während der Schulzeit mehrfach die verschiedenen Positionen innerhalb einer Gruppe und kann sich dadurch immer wieder in anderen Rollen erleben. Diese verschiedenen Erfahrun
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gen begünstigen die Persönlichkeitsentwicklung und beinhalten große Möglichkeiten zum sozialen Lernen. 
Zusätzlich stellt die Stammgruppe für die Kinder einen Raum dar, in dem sie Geborgenheit und Sicherheit entwickeln können. Dies ist ein Ausgangspunkt, um sich auf die anderen Gruppen zuzubewegen, und er bietet ihnen immer wieder Rückzugsmöglichkeiten, da sie dort ihren festen Platz haben. Für die Stammgruppe entwickeln die Kinder ein teilweise ausgeprägtes Gruppengefühl, auch wenn sie viel Zeit mit den Kindern der anderen Gruppen verbringen. 
2.4  Curriculum und Vergleichbarkeit, Lernniveaus und Abschlüsse 
In der Schule gibt es kein festgelegtes Curriculum. Das ist aufgrund unseres pädagogischen Konzepts und der individualisierten und prozesshaften Arbeit auch nicht möglich.  
Die Abwesenheit eines Lehrplans bedeutet aber nicht, dass der Unterricht ungeplant oder gar zufällig verlaufen würde. Immer wieder gibt es einen individuellen Abgleich mit den entsprechenden staatlichen Lehrplänen, der der eigenen Standortbestimmung dient. Beispielsweise gibt es in allen Lerngruppen einen Lernzielkatalog („Was ich schon weiß und was ich noch lernen möchte“). Dieser Katalog umfasst unter anderem die Lerninhalte der Regelschule. Die Kinder tragen in den Katalog ein, wenn sie ein Themengebiet beendet haben.  
Mit diesem Hilfsmittel ist es möglich, den individuellen Lernstand auch in einem größeren Zusammenhang zu erfassen. Er dient den Kindern als Selbstkontrolle und sie können sehen, auf welchem Lernstand sie sich momentan befinden. Der Katalog dient auch zur Planung neuer Lernvorhaben.  
Unserer Erfahrung nach unterscheiden sich die Lerngegenstände nicht so sehr von denen der Regelschule, wohl aber der Weg, wie die Kinder zu den Themen kommen und wie sie bearbeitet werden.  
Es kann allerdings zunehmend in der Sekundarstufe durchaus vorkommen, dass sich der Weg einer Lerngruppe weit von der Regelschule entfernen kann (Epochen mit verschiedenen Themen/ Schule auf Reisen). Wir können und möchten nicht garantieren, dass sich die Inhalte der PrinzHöfte-Schule parallel zu denen der Regelschule entwickeln. Allerdings wird am Ende des 4. Jahrgangs ein regelschulkonformer Übergang auf andere weiterführende Schule ermöglicht, weil bis zu diesem Jahrgang die Inhalte der Rahmenrichtlinien für Grundschulen des Landes Niedersachsen erarbeitet worden sind. Am Ende der 10. Klasse gibt es eine Externenprüfung, die den Erwerb des Hauptschulabschlusses, des Realschulabschlusses und des erweiterten Realschulabschlusses ermöglicht. 
Übergänge zu anderen Schulen sind in jedem Jahrgang möglich. Unsere inzwischen langjährigen Erfahrungen zeigen, dass bei diesen Übergängen vielleicht nicht die gleiche Fülle des Stoffes wie in den Regelschulen gelernt worden ist, wohl aber die Fähigkeit, sich Inhalte kompetent selbstständig zu erarbeiten. Damit sind die Übergänge in den meisten Fällen nicht wesentlich schwieriger als zwischen verschiedenen Regelschulen.   
3.  Organisation des Schulalltages
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3.1  Schulentwicklung mit Kindern 
An unserer Schule gibt es keinen Stundenplan, der für ein Schulhalbjahr festgelegt wird. Es ist möglich, dass die Erfordernisse der Arbeit dazu führen, dass der Tagesablauf in einer Versammlung aktuell geändert werden muss. Beispielsweise kann dies geschehen, wenn Arbeiten noch nicht beendet sind und nur schlecht verschoben werden können. Diese Flexibilität in der Tagesgestaltung ist nur möglich, weil wir nicht nach dem Fachlehrerprinzip arbeiten.  
Wie die Struktur eines Tages, einer Woche oder sogar mehrerer Wochen bis zu Monaten aussieht, wird immer mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam entwickelt. 
Dabei arbeiten wir mit der Trennung von Produkten und Qualitäten. Die SchülerInnen nennen als Qualitäten ihre Lernbedürfnisse. Manchmal fügen die LehrerInnen die Lernerfordernisse hinzu. Gemeinsam werden sie gewichtet, manchmal in Reihenfolgen gebracht. Es wird verabredet, wie lange eine bestimmte Arbeitsphase dauern soll. Die LehrerInnen erarbeiten einen möglichen Plan, der dann in der Versammlung diskutiert und solange verändert wird, bis er für alle Beteiligten „stimmt“. Dieses demokratische Verfahren wird an unserer Schule mit großer Konsequenz angewandt. Schulentwicklung ist daher keine Aufgabe der LehrerInnen alleine, sondern ist ein konsensueller Prozess. Daraus folgt, dass es durchaus möglich ist, dass einzelne Kinder an Projekten arbeiten, die zeitlich nicht mit den Plänen der Gruppen übereinstimmen. Wenn ein Kind beispielsweise überzeugend erklären kann, es wolle für ein paar Wochen jeden Tag am Vormittag einen Roman schreiben, so kann die Versammlung dies beschließen. Wenn ein anderes Kind sich eine besondere Forschungsaufgabe vornimmt, so kann auch dies möglich sein.  
Zeiten, in denen Lerngruppen oder Teile von Lerngruppen auf Reisen sind oder einzelne Kinder längere Praktika absolvieren, schaffen für diese Kinder ohnehin einen völlig anderen Tagesverlauf.    
3.2  Arbeitsformen 
Übersicht über häufige Arbeitsformen 
Im Tagesablauf gibt es bestimmte Zeiten, in denen typische Aktivitäten stattfinden. Sie gliedern den Tag in eine Struktur, die nicht an jedem Tag die gleiche sein muss. 
Für alle Lerngruppen der Schule wiederkehrenden Zeiten sind a) der offene Anfang und der Tagesabschluss b) die Versammlungen c) Ateliers d) Projekte e) Kurse f) Arbeitsgemeinschaften g) Vorlesungen h) Mahlzeiten 
Wir möchten jetzt kurz die einzelnen Arbeitsformen vorstellen und ihre jeweils unterschiedlichen Qualitäten herausstellen:
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a)  Der offene Anfang  Es gibt einen gleitenden Schulanfang, der für folgende Aktivitäten genutzt wird:  Zeit zum Ankommen, Erzählen, Austauschen von Erfahrungen und Erlebtem, Vorbereiten des Tagesablaufes, Absprachen über die Tagesaktivitäten, Vorbereitung der Morgenversammlung usw..  Die LehrerInnen nutzen diese Zeit, um im Team Absprachen und Vorbereitungen  für den Tag zu treffen, oder sich verstärkt einzelnen Kindern zuzuwenden. 
b)    Die Versammlung  In der Versammlung regelt eine Lerngruppe die Dinge, die sie betrifft. Versammlungen sind das Herzstück des Tages und der Selbstorganisation einer Gruppe. Beispielsweise wird der Tag organisiert und besprochen, Konflikte angesprochen und geklärt, Wünsche und Klagen geäußert, Arbeitsergebnisse vorgestellt und kritisiert, längere Arbeitsvorhaben diskutiert, Reisen geplant und ausgewertet, die Tagesdienste festgelegt, die Arbeiten in den SchülerInnenfirmen verteilt usw.  Jeweils zwei Kinder haben die Aufgabe, für einen geregelten Ablauf der Versammlung zu sorgen: Sie übernehmen die Leitung, das heißt sie sammeln die Tagesordnungspunkte und übernehmen die Gesprächsführung. Die Kinder wachsen allmählich in diese Leitungsaufgaben hinein. Sie lernen, Debatten zu beenden, Lösungen zu initiieren, Beschlüsse herbeizuführen und Diskussionen zusammenzufassen.  Bei allen auftretenden Punkten, in denen Entscheidungen verlangt werden, sind dann diese Kinder und nicht die LehrerInnen die ersten Ansprechpartner. Damit ist die Leitung ein wichtiges Organ der Selbstorganisation des Schulalltags.   Die Versammlung ist auch sehr wichtig für das Hereinwachsen der jüngeren und neuen Kinder in die Gemeinschaft der Schule. Die LehrerInnen haben in der Versammlung die Funktion, die Kinder z.B. beim Artikulieren ihrer Interessen zu unterstützen und sie können ihre Erfahrungen und Kenntnisse einbringen. Die Annahme oder die Ablehnung ihrer Vorschläge unterliegen dabei den gleichen Regeln, wie die der Kinder.  Eine besondere Form der Versammlung ist die Kinderkonferenz der Grundschule oder die Hauptversammlung der Sekundarstufe. Sie findet einmal in der Woche statt und dauert zwischen einer halben und einer Stunde. Während die anderen Versammlungen eher von kurzer Dauer sind, werden auf der Kinderkonferenz oder der Hauptversammlungen die Themen besprochen, für die man eine längere Zeit braucht wie zum Beispiel die Klärung von Konflikten oder die Planung  einer neuen Projektphase.  
Eine weitere besondere Form der Versammlung ist auch die Schulversammlung. Hier liegt der Fokus auf den Dingen, die für die ganze Schule interessant sind. Die Schulversammlung findet einmal in der Woche statt und wird von den SchulsprecherInnen vorbereitet und geleitet. In der Schulversammlung werden Arbeitsergebnisse aus den einzelnen Lerngruppen präsentiert, aber auch gemeinsame Aufgaben organisiert wie zum Beispiel die Pflege des Schulgeländes.  Jedem Tag gibt es ein gemeinsames Ende in den einzelnen Lerngruppen in Form einer Abschlussversammlung. Hier ist Platz für einen Tagesrückblick, für Präsentationen, Spiele und Vorlesen. Manchmal werden auch Probleme gelöst,
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die am Tag entstanden sind und die man nicht in den nächsten Tag mitnehmen möchte. 
c)  Atelierzeiten  Diese Zeiten heißen je nach Lerngruppe oder Schulstufe verschieden. In der Sekundarstufe sind es die Atelierzeiten, in der Grundschule heißen sie „Was-ichnoch-nicht-kann-Zeiten“. In diesen Zeiten arbeiten die SchülerInnen hauptsächlich an den Grundqualifikationen Schreiben, Lesen und Rechnen, Mathematik und Fremdsprachen. 
d)   Projekte  Die Arbeitsform des Projekts hat an unserer Schule alleine zeitlich eine große Bedeutung. Die Kinder bearbeiten in Projekten komplexe Themen in kontinuierlicher, längerer Arbeit.   In den Projekten kann es durchaus einen fachlichen Schwerpunkt geben, aber immer sind die Fragestellungen komplex und fächerübergreifend. Ein Thema wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.  Ein Beispiel: Beim Grundschulprojekt „Gegend erforschen“ lernten die Kinder eine Karte zu lesen und geologische Bedingungen ihrer Lebenswelt zu erforschen, sie lernten Historisches aus der Region kennen, sie schrieben Gedichte und Geschichten, entdeckten physikalische Gesetze und präsentierten ihre Arbeitsergebnisse.   Viele Präsentationen sind öffentlich in Elternabenden, Schulversammlungen, Vorführungen oder der Teilnahme an Wettbewerben.   Manche Projekte sind von den SchülerInnen völlig selbstorganisiert, manche verlaufen unter Anleitung. Zum Teil sind Projekte auf wenige Stunden beschränkt, zum Teil können sie sehr viel länger dauern. Vor allem die Arbeit in den höheren Jahrgängen wird zunehmend in Epochen organisiert, so dass einzelne Projekte durchaus mehrere Monate in Anspruch nehmen können.  
e) Kurse  Kurse vermitteln spezielle Fertigkeiten und Techniken. Sie sind immer dann sinnvoll, wenn die eigenständige Bearbeitung sich als zu komplex, zu schwierig oder als zu zeitaufwändig gestaltet. Themen für Kurse können sein: Grammatik, Gleichungen, Lerntechniken, Fremdsprachen, Umgang mit dem Atlas. Manchmal, gibt es auch Mischformen zwischen einem Kurs, einem Projekt und der Arbeit in Ateliers. 
f) Arbeitsgemeinschaften  Arbeitsgemeinschaften finden häufig nach dem Mittagessen statt. Entweder als Angebot im Bereich schulischer Themen im engen Sinne, z.B. spezielle Förderkurse, oder sie sind in ihrer Themenwahl vollständig frei. Manchmal sind sie von den Kindern selbstorganisiert oder sie werden von Eltern, LehrerInnen bzw. Honorarkräften angeboten. Theater, Nähen, Schach, Videoproduktion, Yoga oder Akrobatik sind beliebte Nachmittagsaktivitäten. Einige Angebote kommen auf den ausdrücklichen Wunsch der Kinder zustande, für die dann eine AnbieterIn gesucht werden muss, wie Latein oder Fußball. 
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g) Vorlesungen  Nicht alle Inhalte, die in der Schule gelernt werden müssen, kommen in der selbstorganisierten Arbeit vor. Es gibt Themen, die dabei nicht berührt werden und die in der inneren Logik der Lerngruppe keine besondere Bedeutung haben. Trotzdem gehören sie vielleicht zu prüfungsrelevantem Wissen. Diese Inhalte werden in den sogenannten Vorlesungen vermittelt. Vorlesungen können von LehrerInnen, aber auch von Eltern oder eingeladenen Experten gehalten werden. Ähnlich wie die Vorlesungen an den Hochschulen können oder sollen viele Menschen daran teilnehmen. Daher sind sie in der Regel nicht nur für eine Lerngruppe bestimmt. Der Vortragende bestimmt über den Verlauf der Vorlesung.  
h) Mahlzeiten  Die Mahlzeiten werden gruppenübergreifend und gemeinsam mit den Erwachse- nen (LehrerInnen bzw. Eltern) eingenommen. Hier gibt es Gelegenheit zu informellen Gesprächen und einen Austausch über Essgewohnheiten (Vorlieben, VegetarierInnen, Zusammenstellung der Mahlzeiten etc.). Jeweils mehrere Kinder haben Tischdienst und decken den Tisch, verteilen das Essen, räumen das Geschirr ab und helfen beim Abwasch.   
4.  Selbstverwaltung 
Für die Selbstverwaltung der Schule, die vorhandenen Gremien, deren Regeln, die Leitung der Schule, die Auswahl neuer LehrerInnen und neuer Kinder und die Entscheidungswege und -verfahren hat sich die Schule eine Selbstverwaltungsordnung gegeben, welche alle diese Bereiche und weitere in einer Art innerem Gesetzeswerk regelt. Die demokratischen Grundsätze finden sich auch in den Beteiligungsformen wieder. Diese Formen sind nicht statisch und werden immer wieder hinterfragt, um die Teilhabemöglichkeit und die produktive Veränderung und aktive Schulentwicklung für möglichst viele zu gewährleisten.  
Bestimmte Aufgabenbereiche sind klar definiert: Die Eltern sind für die Organisation der Schule zuständig, beispielsweise in den Bereichen Finanzen, Bau, Öffentlichkeitsarbeit.  Die Pädagogik liegt im Verantwortungs- und Entscheidungsbereich der LehrerInnen. 
Alle an der Schule beteiligten Gruppen bringen ihre Erfahrungen aus ihren jeweiligen Lebenszusammenhängen in die Schule ein und tauschen sich darüber aus. Somit wird die Schule als Lebensraum von allen daran beteiligten Menschen (Kindern, LehrerInnen und Eltern) selbst gestaltet. Das heißt, dass alle in diesem Lebenszusammenhang gültigen Regeln und Umgangsformen, Pläne und Inhalte den Vorstellungen und Bedürfnissen der Beteiligten entspringen und von diesen umgesetzt werden. 
Auf die Gültigkeit und Verbindlichkeit der Selbstverwaltungsordnung der PrinzHöfteSchule Bassum wird ausdrücklich hingewiesen.      
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