Protokollant*in unbekannt
BüZ-Gäste über die Grundschule Harmonie
aus dem Frühkonferenzbuch im Oktober 2008

 

Unsere Gäste kamen damals von der Montessorischule in Tübingen, dem Geschwister-Scholl-Gymnasium in Pulheim, der Gesamtschule Hessen-Süd, von einer Hamburger Gesamtschule und einem Hamburger Gymnasium, von der Jena-Plan-Schule in Markersbach und aus Wolfsburg.

 

In jeder BüZ-Arbeitsgruppe sind 8 Schulen zusammen, die sich drei Jahre lang halbjährlich gegenseitig besuchen. Sie sind „critical friend“.

 

Die Fragestellungen bei uns waren „Was hat uns gefreut?“, „Darüber möchte ich nachdenken“ und „Das braucht Zeit, ruft Widerstand hervor“.

 

Die Gäste waren drei Tage Gast der Schule. Sie konnten sich alles anschauen, mit jedem Kind oder Erwachsenen reden. Sie hatten Zeit für eigene Sitzungen und gaben Feedbacks an das Kollegium, die Schulleitung, die Eltern und die Presse.

Du siehst nur, was du sehen kannst

 

Und hier ihre protokollierten Aussagen zu „Was hat uns gefreut?“,

 

„Da ist eine ungewohnte Form von Offenheit.“

 

„Kooperation zwischen Erwachsenen und Kindern ist faszinierend und familiär.“

 

„Es gibt Gesprächsregeln in einer angenehmen Atmosphäre. Der Hausmeister gehört genauso dazu. „

 

„Eltern arbeiten selbstverständlich mit. Eine große Einheit. Eltern sind auch nach Schulschluss weiter dabei.“

 

„Die Lernatmosphäre ist ruhig und kooperativ, geprägt von Jungen und Älteren.“

 

„Lehrer*innen bleiben im Hintergrund, unterstützend. Sie bleiben in der Lernumgebung, so dass man sich bei Ihnen immer Infos holen kann.“

 

„Kinder arbeiten in Gelassenheit. Das bleibt auch beim Mittagessen.“

 

„Alles ist vertraut und ruhig.“

 

„Kinder fühlen sich für ihre Schulräume verantwortlich. Es ist ordentlich.“

 

„Sie kennen Leadership für Kinder. Alle kooperieren mit einander. Sie sind auf einander eingespielt. Alle können sich viel geben.“

 

„Das Verhalten der Kinder untereinander ist unaggressiv und hilfsbereit. Sie sind nicht voneinander genervt.“

 

„Im Sinne von Inklusion ist keinerlei Ausgrenzung zu erkennen. Es ist „harmonisch“. Man nimmt „besondere Kinder“ nicht wahr. Förderpläne sind im Hintergrund.“

 

„Das Schüler*innen-Lehrer*innen-Verhältnis ist gleichberechtigt und geprägt von gegenseitigem Respekt. Alle Persönlichkeiten werden ernst genommen. Niemand ist ungeduldig oder genervt. Sie gehen liebevoll mit einander um. Körperliche Wärme, sogar zu ehemaligen Mitschüler*innen gibt es einen engen Bezug. Es gibt viel Substanz.“

 

„Der Tagesablauf ist sehr offen. Jeder findet seinen Platz. Die Morgenkreise und die große Pause tragen zum unkomplizierten Miteinander bei. Die Mittagszeit ist sehr entspannt. Vorlesungen und die Dichterlesungen haben einen sehr hohen Stellenwert. Es gibt eine Erziehung zum „demokratischen Wesen“. Viel Geduld und Zutrauen sind spürbar.“

 

„Es gibt eine ständige Weiterarbeit der Kinder. Vorlesungen, Rituale und Strukturen helfen dabei.“

 

„Vorlesungen und eigene Beiträge (Präsentationen)sind da, um Wissensdurst zu stillen.“

 

„Eigene Fragen sind Gegenpol zu „freien Zeiten“.

 

Du stellst dir deine eigenen Fragen, die deiner eigenen Tätigkeit einen Sinn geben

 

 Dem offenen Lernen werden Probleme unterstellt, die das geschlossene Unterrichten der staatlichen Schule produziert.

 

„Darüber möchte ich nachdenken“ und
„Das braucht Zeit, ruft Widerstand hervor“

 

„Welchen Zweck haben Vorlesungen und welche Ziele werden verfolgt? Was können 5 bis 10-jährige wirklich verstehen? Was können sie begreifen? Was kann man zumuten und abverlangen?“

 

„Vielen Kindern schien die Zeit nicht effektiv, verschwendet. Sie sind nicht wiedergekommen. Was geht weiter? Wie können sie anderen etwas weitergeben? „Ausbeute“ schien gering.“

 

„Man sollte sich Zeit nehmen, um einen Plan zu machen und sich gemeinsam darüber beraten „Sind dies die Themen?“ oder „Welche Themen eignen sich?“.

 

„Wie kann man Vorlesungen gestalten? Wie kann ich es anschaulicher machen? Zeit, Gestaltplan, … die Gestaltung sollte überdacht werden.“

 

„Der Zeitumfang ist zu groß. Aber er sollte beibehalten werden, aber überlegen, wie kann man Kinder mehr fesseln.“

 

„Warum gibt es kein gemeinsames Frühstück? (Dies wurde bald – für alle kostenfrei und täglich – eingeführt). Kultur bei der Dichterlesung: zu wenig Aufmerksamkeit.“

 

„Kreis morgens: Mehrfach wissen Kinder nicht, was sie machen. Wo bleibt das Vorhaben? Gibt es eine Reflexionsphase.“

 

„Es ist sehr leise. Aber gibt es auch einmal Punkte, wo es ganz ruhig ist?“

 

„Gibt es Fokussierung?“

 

„Gibt es „punktuelle Aufmerksamkeit“, wo alle schweigen und einer redet?“

 

„Wo bekommen die Kinder regelmäßig als Selbsteinschätzung mit, was sie mit ihrer Lernzeit gemacht haben?“

 

„Zu Freies Arbeiten und Arbeit der Kinder: Inwieweit fängt Selbstständigkeit an und wo hört sie auf und wo wird sie zur Beliebigkeit? Inwieweit werden Ziele reflektiert? Inwieweit bin ich beliebig in meiner Tätigkeit, wenn ich etwas anderes mache als besprochen.“

 

„Sind Selbsteinschätzungen auch während des Schuljahres im Blick, als roter Faden zur Frage „Was habe ich noch zu tun?“

 

„Wo kommt die Lehrer*in stärker zum Punkt in Richtung Laissez-Faire: In wie weit warte ich, ob ein Kind in den Kreis kommt.“

 

„Wie sieht es aus für das Kind? Weiß das Kind, was von ihm erwartet wird (Lehrplan)? Wissen Kinder was im Angebot steht?“

 

„Wie viel Struktur ist nötig, wie viel Freiheit ist möglich?“

 

„Gibt es ausreichend strukturiertes handlungsorientiertes Material a la Montessori oder Klicker (?) in Mathe?“

 

„Zum naturwissenschaftlichen Lernen. Kinder haben nicht gelesen, nur gespielt. Für die Sek-I ist dann der AHA-Effekt des Neuen weg. Man sollte sorgfältiger arbeiten. Vorher ist es „Vermutung“.“

 

„Wie ist ein Mathe-Lehrgang aufgebaut? Es gibt zu viele Mathepäckchen.“

 

 

Mir fiel es damals wie heute angesichts dieser Aussagen sehr schwer immer sachlich zu antworten. Zu oft und bekannt schüttelte es mich. Ich wurde mit einer Schule - durch einige unsere Gäste konfrontiert -, die ich nie mehr haben wollte.

 

Die Lehrer*innen, Stoff- und Fächerzentrierung in vielen Lehrer*innenköpfen ist sehr groß. Ich lasse sie hier aber absichtlich – unkommentiert stehen. Es ist schließlich ein protokolliertes Dokument des verbreiteten Lehrer*innen-Macht-Denkens an unseren Schulen. Es ist die Realität in den Köpfen vor allem von „Lehrkräften in selektiven Schulformen der Sekundarstufe I und II.

 

Aber diese Texte sind ein gutes Beispiel dafür, warum eine „Reformierung“, eine „Transformation“ der bestehenden selektiven und /oder staats-monopolistischen Schule so schwer, bzw. unmöglich ist.

 

Wir haben versucht, das zu lernen, was uns wichtig und umsetzbar zur Erweiterung der Lernfreiheit der Kinder erschien.

 

Aber die Tradition des Austauschs auf der BüZ-Ebene wurde erfolgreich fortgesetzt. Wir trennten uns von „zu weit entfernt liegenden altbackenen Denker*innen“. Der Umgang mit ihnen ermüdet. Es bringt im Sinne der BüZ-Idee beim Aufbau demokratischer Schulen nur schwer vorwärts.

 

Dann folgten drei Jahre mit der Glockseeschule aus Hannover, der Montessorischule aus Flensburg, der Nachbarschule in Eitorf, der Eis Schoul in Luxemburg, der Kooperativen Sekundarschule aus Hausen in der Schweiz und der Welsberger Schule aus Südtirol/Italien. Heute, 2018 sind die Schule aus Hausen, die Glockseeschule, die Eitorfer Nachbarschule und die Flensburger Schule geblieben. Hinzu kamen Schulen aus Jena, Braunschweig, Heidelberg und Rostock.